20. Sonntag nach Trinitatis (22.10.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Dieser Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Micha ist einerseits eine Selbstverständlichkeit in unserem Glauben und wirft andererseits im konkreten Fall viele Fra-gen auf. Es ist hilfreich, darüber nachzu-
deken und dafür zu beten.

  • Ein Lied: Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit (EG 295)

1) Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss‘ halten,
sind stets bei ihm in Gnad.

2) Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein‘ Rechte halten,
verlaß mich nimmermehr.

3) Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.

4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit‘.

  • Aus Psalm 119

Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des HERRN wandeln!
Wohl denen, die sich an seine Zeugnisse halten,
die ihn von ganzem Herzen suchen,
die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.
Du hast geboten, fleißig zu halten deine Befehle.
O dass mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernst hielte.
Wenn ich schaue allein auf deine Gebote, so werde ich nicht zuschanden.
Ich danke dir mit aufrichtigem Herzen,
dass du mich lehrst die Ordnungen deiner Gerechtigkeit.
Deine Gebote will ich halten; verlass mich nimmermehr!
Tu wohl deinem Knecht, dass ich lebe und dein Wort halte.
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.

  • Worte nach dem Markusevangelium (Mk 10,2-9)

Und Pharisäer traten hinzu und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

  • Gedanken zum Markusevangelium

Erstens: Das Eheversprechen
Als ich meine ersten kirchlichen Trauungen und Gottesdienste zur Eheschließung vorbereitete, musste ich oft über den letzten Satz des heutigen Predigttextes nachdenken. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn offenen Herzens zwei Menschen zusprechen kann. Dahinter stand meine Vorstellung, dass damit ein so hoher Anspruch an das Paar und auch an mich verbunden ist, dass er kaum einzuhalten wäre.
Ein lebenslanger Bund sollte damit eingesetzt werden, der von Gott gefordert unter seinem strengen Gesetz stünde. Diese Vorstellung speist sich aus zwei Quellen. Die eine ist ein Partnerschaftsideal, das aus den romantischen Ideen des 19. Jahrhunderts herrührt. Um 1800 wird zunehmend Partnerschaft nicht nur vorrangig als ein Zweckbündnis betrachtet. Die emotionale Komponente gewinnt erheblich an Gewicht. Sie entspringt nicht nur aus Notwendigkeit der gemeinsamen Pflege von Kindern und Familienangehörigen sondern aus dem Anspruch, sich ein Leben lang einander zugetan zu sein und sich zu lieben.
Dem steht ein katholisches Verständnis von Ehe und Partnerschaft zur Seite. Dieses Verständnis findet sich etwa im katholischen Kirchenrecht. Im Kodex des kanonischen Rechts ist die Ehe mit etwa 100 Rechtssätzen geregelt, das sind reichlich 40 Seiten Text. Die Grundlage dieses Rechtes ist das durch die Eheleute gegenseitig gespendete Sakrament. Da heißt es etwa: “Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, der zwischen rechtlich dazu befähigten Personen in rechtmäßiger Weise kundgetan wird; der Konsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden.” (Can. 1057, Codex des kanonischen Rechtes)
Es wird also die gegenseitige Verantwortung und Willenskundgebung der menschlichen Partner verbunden mit der nichtmenschlichen Macht Gottes.
Diese beiden Punkte, das Versprechen der Liebe und die religiös-rechtliche Setzung dieser Liebe, finden sich anschaulich in den romantischen Heiratsszenen von Hollywoodfilmen, wenn sich ein Paar vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft und der Kulisse eines Meeresstrandes ewige Treue verspricht.
Dass dieses hohe Ideal nicht mit meinen Erfahrungen übereinstimmt, ließ mich zweifeln. Ewige Liebe, dachte ich, das ist doch fragwürdig.
Diese Fragwürdigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass in diesen Gedanken Gott und Mensch irgendwie verwechselt werden. Der Mensch verbindet? Oder doch eher Gott? Was verbindet Gott tatsächlich? Können Menschen dazu befähigt sein, eine göttliche Verbindung zu schaffen? Oder ist es nicht vielmehr ein Wunsch?
Mit diesen Fragen verstand ich diesen Satz eher als eine Zusage und als einen Segen: Was Gott verbunden hat, dass soll der Mensch nicht scheiden. Es steckt dann immer noch ein hoher Anspruch dahinter, aber auch das Versprechen Gottes, eine tragende Kraft in diesem Bund zu sein. Ich bin als Partner nicht allein dafür verantwortlich, und auch nicht allein mein Partner. Es ist eine Zusage, die Kraft geben kann in Zeiten, wenn die romantische Liebe nicht mehr trägt. Das konnte ich gut sagen und zusprechen.

Zweitens: Der Scheidebrief
Die Praxis seiner Umwelt, gegen die sich hier Jesus im Streitgespräch mit den Pharisäern wendet, sah vor, dass der Mann in einer Partnerschaft einen sogenannten Scheidebrief ausstellen konnte. Die Umstände, die einen Scheidebrief erlaubten, werden im 5. Buch Mose beschrieben: “Wenn jemand ein Weib nimmt und ehelicht sie, und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas schändliches an ihr gefunden hat, so soll er einen Scheidebrief schreiben und ihr in die Hand geben und sie aus seinem Haus entlassen.” (5. Mose 24,1)
In der Auslegung dieser Regel wird nun darüber debattiert, was das sein könnte, das Schändliche. Die Meinungen der Auslegung gehen da weit auseinander. Das kann auf der einen Seite ein unerfüllter Kinderwunsch sein und auf der anderen Seite auch einfach eine schönere Frau, die gerade den Weg des Ehemannes kreuzt. Jedenfalls ist die Stellung der Frau völlig prekär. Sie hat in dieser Beziehung kaum Rechte und ist mehr oder weniger der Gnade des Mannes und dem Grad der jeweiligen Auslegung ausgeliefert. Viele Geschichten aus dem Alten Testament gewinnen diesbezüglich eine besondere Dringlichkeit. Etwa die Geschichte der Hagar, die sich in der Auseinandersetzung mit Sara und Abraham hintangestellt sieht und fliehen muss. Du bist ein Gott, der mich sieht (1. Mose 16,13), zeigt dann eine Zusage in größter Not.
Jesu strenge Forderung, jede Scheidung für unmöglich zu erklären, ist dann nicht einfach ein unerfüllbares Gebot, sondern schützt auch die Rechte der Frau und gibt ihr eine viel sicherere Stellung in der Partnerschaft.
Jesus begründet dies eben mit der von Anfang gegebenen Natur des Menschen, der sich zu einem anderen Menschen hingezogen fühlt und dafür sogar die familiären Bande der Ursprungsfamilie hinter sich lässt: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.
Nichtsdestotrotz wird auch der Gedanke Gewicht haben, dass diese eheliche oder partnerschaftliche Bindung in guten und in bösen Tagen Bestand haben soll. Jesu Bild macht deutlich, dass das eine Fleisch eben zueinander gehört und nicht getrennt werden kann, ohne himmlische und irdische Gesetze und Gebote zu verletzen.

Drittens: Herzenssache
Scheidungen sind eine Realität. Das Ideal der ewigen Liebe oder der stabilen bürgerlichen Ehe wird je nachdem, wie liberal eine Gesellschaft ist, oft in Frage gestellt. Theoretisch oder praktisch. Viele Faktoren spielen da eine Rolle, und gegenwärtig werden auch viel offenere Partnerschaftsmodelle diskutiert und praktiziert. Verletzungen und Kränkungen inklusive.
Auch diese sind Teil der menschlichen Natur. Das wird deutlich am Wort Jesu, wenn er von der Herzenshärtigkeit spricht. Das griechische Wort klingt fast wie eine Krankheit: Sklerokardia. Herzenshärtigkeit. Obgleich das nun weniger ein medizinischer Fakt im engeren Sinn ist, drückt sich in dieser Bezeichnung doch etwas aus, was dem Menschen oft widerfährt.
Als Beispiel mag das Wort aus der alttestamentlichen Lesung dienen. Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Böse, hart, unnachgiebig, unflexibel, ungnädig. Hier wird das Herz nach biblischer Anthropologie nicht nur als ein Organ der Emotionen, sondern auch als eines des Willens und des Verstandes beschrieben.
Diesem harten Herzen wird in der Flutgeschichte das Herz Gottes gegenübergestellt: “Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen.” (1. Mose 8,21) Das demütige Opfer Noahs erweicht Gottes Herz und er trifft eine Entscheidung, den Menschen nicht mehr zu bestrafen, trotz seiner Herzenshärtigkeit.
Wie im katholischen Eheversprechen stiftet Gott einen ewigen Bund mit dem Menschen. Auch auf die ständig drohende Gefahr hin, dass der Mensch untreu wird. Aus göttlichen Kräften ist das auch möglich.
Ob mein Herz dadurch auch erweicht wird?
Ob ich dadurch auch nachsichtiger, vorsichtiger, sanfter, geduldiger und treuer werde?
Der Anspruch also bleibt. Aber er wird nicht allein aus verhärtetem Herzensgrund gesetzt. Er hofft auf die Weichheit des Herzens. Er glaubt an Gottes weiches Herz. Er handelt in der Liebe meines weichen Herzens. Und sieht das weiche Herz im Mitmenschen. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.
Dann ist mehr möglich, als möglich erscheint.
Dann ist Liebe nicht nur ein Ideal sondern wunderbare Realität
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus unserm Herrn.

  • Miteinander und füreinander beten

Du hast uns gesagt, Gott, was gut ist.
Wir bitten dich für uns Menschen – weil wir dein Wort hören, aber nicht tun.
Wir bitten dich um Gnade dafür, dass wir genau das tun,
was du uns nicht geboten hast
Wir bitten dich um Vergebung, weil wir nicht weise handeln können.
Weil wir immer wieder in die alten tiefen Spuren von Hass und Gewalt fallen.
Wir bitten dich um Barmherzigkeit für uns alle –
und ganz besonders für alle Menschen, die heute auf unserer Erde
Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen erleben müssen,
die all dies am eigenen Leib erleiden.
Lass uns gewiss sein, Du leidest mit allen,
die das unerträglich finden, aber nichts tun können.
Lass uns Trost werden, denn Du weinst mit allen, die weinen.
Du sitzt bei allen, die in Angst um ihre Angehörigen sind.
Lass in unser Herz, dass Du bei allen bist, die ihr Leben verlieren
und sie in Frieden bei dir aufnimmst.
Stärke alle, die jetzt einfach nur helfen,
die Tote bergen, Verletzte in Krankenhäuser bringen, die Lebensmittel verteilen
und versuchen, einen Weg durch das Chaos zu bahnen.
Gib Weisheit und Unerschütterlichkeit für alle,
die auf Verhandlungen und Lösungen drängen und nicht nachlassen,
auch wenn die Wirklichkeit lauter schreit.
Wir möchten Liebe üben, unser Gott, aber wir versagen immer wieder.
Hab Geduld mit uns. Uns hilf uns, es immer wieder zu versuchen –
gegen so viel Leid und Hass.
Bleib in all dem bei uns und hilf uns dabei,
immer weiter nach deinem Wort zu suchen

In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)

19. Sonntag nach Trinitatis (15.10.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht beim Propheten Jeremia Kap.17, 14 „Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“
Die Erzählung von der Heilung des Gichtkranken macht uns am heutigen Sonntag deutlich, dass der Mensch nicht al-lein aus dem Leib besteht, der krank werden und sterben kann. Wenn Jesus heilt, so heilt er immer den ganzen Menschen.

  • Ein Lied: So lang es Menschen gibt auf Erden Erden (EG 427)
  • Psalm: Psalm 32, Verse 1-7.11

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
darum, wenn große Wasserfluten kommen, werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.
Freuet euch des Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten,
und jauchzet, alle ihr Frommen.

  • Evangelium für den heutigen Sonntag – Markus, 2. Kapitel, Verse 1-12

Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen:
Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?
Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!
Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
es ist jetzt ca. 1 Jahr her, da wurde ich nach einem Gottesdienst im Seniorenheim zu einer Bewohnerin gerufen, die Geburtstag hatte, und bettlägerig war.
Die Frau hatte schon wochenlang nicht mehr gesprochen. Sie lag im Bett und starrte an die Decke oder blickte aus ihrem großen Fenster hinaus in den Himmel, den sie sehen konnte. Als ich die Frau ansprach erhielt ich keine Reaktion, sie schien durch mich hindurchzublicken, sie kannte mich ja auch nicht. Von den Schwestern hatte ich erfahren, dass die Frau nur entfernte Angehörige hatte, die nur sehr selten zu Besuch kamen, lediglich zwei Nonnen schauten etwas öfter vorbei.
Da saß ich nun am Bett, neben einer mir unbekannten Frau, die nicht reagierte. Das war eine ziemlich bedrückende Situation für mich. Ich erzählte ihr, dass wir gerade Gottesdienst gefeiert und worüber wir gesprochen hatten.
Keine Reaktion.
Schließlich fragte ich sie, ob ich ihre Hand halten dürfe und mit ihr beten sollte, sie reagierte nicht wirklich, ließ aber die Berührung der Hand zu. Was betet man in einer solchen Situation? Mir fiel nur der Vaterunser ein und ich begann mit dem Gebet. Dann passierte etwas ganz Erstaunliches, die Frau drückte meine Hand und begann die Worte mitzusprechen, erst ganz zaghaft, dann immer lauter und bewusster. Es war ein unglaublich bewegender Moment für mich und selbst der Pfleger, der mit dem Mittagessen zur Tür hereinkam, blieb wie angewurzelt stehen und wartete mit dem Tablett in der Hand bis wir zu Ende gebetet hatten. Zum Abschluss segnete ich die Frau und ärgerte mich, dass ich kein Öl dabei hatte um sie den Segen noch einmal leiblich erfahrbar machen zu können.
Dieses Erlebnis hat mich tief bewegt, denn es hat mir gezeigt wie viel Kraft in einer Begegnung, in einer Berührung und in einem Gebet stecken kann.
„Liebe Schwestern und Brüder,
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“
So schreibt es der Apostel Jakobus in seinem Brief. Eine klare Handlungsanweisung?
Er richtet diesen Brief an alle Juden die Christen geworden sind und die immer wieder mit der Frage konfrontiert sind, wie sich dieses Christsein im Leben im Alltag zeigt. Christsein, das heißt in Verbindung sein, nicht alleine sein, zu einer
Gemeinschaft zu gehören die füreinander da ist. Egal ob ich froh bin und aus Freude Lieder singe und meinem Gott
danke, oder ob ich leide oder krank bin. Ich bin darauf angewiesen in Beziehung zu bleiben. In Beziehung zu Gott
und zu den Menschen.
Krankheit versetzt den Menschen nicht in eine passive Situation, an der er nichts ändern kann. Krankheit wird als Teil des Menschseins begriffen, aber sie geht nicht nur den Kranken an, sondern auch die Gemeinschaft. Der Kranke muss nicht still in seinem Kämmerlein leiden, er kann und soll die Ältesten rufen, ihnen sein Leid klagen und diese Klage gemeinsam im Gebet vor Gott bringen. Der oder die Kranke darf Berührung und wohltuendes Salböl erwarten.
Dabei geht es nicht darum, dass aus einer solchen Begegnung die körperliche Krankheit geheilt wird.
Es geht darum die Seele zu stärken mit der Krankheit umzugehen, sich der Gemeinschaft mit Gott und den Schwestern und Brüdern getragen wissen. Nicht allein, nicht einsam mit den Problemen umgehen zu müssen.
Liebe Gemeinde, was macht das mit uns?
Wie geht es uns mit der praxisorientierten Handreichung des Jakobus? In unsere heutige Zeit ist Krankheit zwar auch
allgegenwärtig, aber sie wird eher versteckt. Alle wollen ewig stark und ewig jung sein. Krankheit gilt als Makel.
Ich erlebe manchmal Menschen, die sagen, dass sie nicht besucht werden wollen, weil sie „keine Umstände“ machen möchten, niemandem von ihren Gebrechen erzählen wollen und dann still leiden, nicht nur körperlich,
sondern auch seelisch.
Dabei hat auch die moderne Wissenschaft immer wieder nachgewiesen, wie wichtig seelische und körperliche Ge-sundheit zusammenhängen. Das Teilen und das Mitteilen des eigenen Zustandes gegenüber Gott und den Menschen versetzt mich in eine aktive Position, ich bin nicht der Krankheit ausgeliefert, sondern kann sie benennen und mich von der Gemeinschaft getragen wissen.
Niemand muss alleine sein, und keiner ist alleine, denn er kann sich der Liebe und der Gnade Gottes sicher sein.
In den letzten beiden Jahren hier im Süden habe ich vielfach erfahren wie sehr die Gemeinschaft in der Gemeinde gelebt und gepflegt wird. Es gibt Besuchsdienste und wenn jemand von einem anderen erfährt, dass jemand krank ist,
dann wird auch schon mal der Pfarrer, die Pfarrerin oder die Vikarin darauf angesprochen und gezielt zu den Men-schen geschickt. Das ist wunderbar.
Wir haben noch eine andere Möglichkeit die über die persönliche, direkte Begegnung mit Leidenden und Kranken vor Ort hinausgeht. Hier im Gottesdienst ist der Ort wo wir gemeinsam die Dinge zur Sprache bringen die uns bewegen.
Heute haben sie am Eingang einen kleinen Zettel bekommen mit der Bitte jemanden zu benennen der oder die krank ist und deren Leiden wir hier zur Sprache bringen sollen. Vielleicht fällt ihnen ja jemand ein, den sie gerne benannt haben möchten. Sie können zur Fürbitte nach vorn kommen und ihr Anliegen selbst vorlesen, oder sie geben den Zettel ab und wir bringen es in der Fürbitte zur Sprache. Bringen unser Anliegen zu Gott und hoffen, dass er die Bitten erhört.
In unsere Fürbitten im Gottesdienst nehmen wir nicht nur den Einzelnen in den Blick, sondern schauen immer auch auf die Umstände in unserer Stadt, in unserem Land in unserer Welt. Da ist zurzeit viel zu bedenken.
Der Terrorkrieg der Hamas in Israel und Palästina hat unsere Welt seit letzter Woche tief erschüttert. Noch immer tobt der Krieg in der Ukraine. Am Montag haben wir an den Anschlag in auf die Synagoge hier in Halle und der beiden völlig unbeteiligten Opfer gedacht.
Eine scheinbar nicht enden wollende Spirale von Gewalt zieht durch unsere Welt. Seit Ausbruch des Krieges treffen sich Menschen zu Friedensgebeten. Bringen ihre Bitte um Frieden vor Gott. Immer wieder.
Wir sind ohnmächtig und zugleich nicht sprachlos, und dadurch nicht machtlos.
Wir haben Stimmen und Herzen, die sich erheben können. Wir können aufbegehren gegen das Böse und unsere ei-genen Herzen und Sinne nach dem ausrichten was gut ist, und uns nicht von blindem Hass und hetzerischen Parolen einiger weniger blenden lassen und auf Gottes Liebe vertrauen.
Das ist manchmal schwer auszuhalten, aber in der Gemeinschaft und im Sprechen darüber keimt immer wieder neue Hoffnung. Das letzte Wort hat nicht die Gewalt und das Böse, sondern die Liebe und Gnade Gottes in Ewigkeit, die über uns hinausgeht.
„Dabei hilft uns der Geist Gottes in all unseren Schwächen und Nöten. Wissen wir doch nicht einmal, wie wir beten sollen, damit es Gott gefällt! Deshalb tritt Gottes Geist für uns ein, er bittet für uns mit einem Seufzen, wie es sich nicht in Worte
fassen lässt.“ (Röm 8,26)
Meine kleine Anekdote vom Anfang hat gezeigt, wie wichtig die Begegnung und die Anteilnahme am Leid anderer ist, was eine Berührung ausmachen kann, wie sehr ein Gebet trägt.
Jakobus hat uns vor 2000 Jahren ins Stammbuch geschrieben wie wir als Christen einander beistehen sollen und kön-nen. Er schrieb nicht, dass das Gebet gesund macht, aber dass es Heil machen kann.
Denn; das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden ge-tan hat, wird ihm vergeben werden.
Oft wissen wir nicht, wie das Gebet des Glaubens im richtigen Moment formuliert werden kann, aber Jesus Christus hat für uns vorgesorgt und uns sein Gebet geschenkt – das Vaterunser. Wir haben die Telefonnummer Gottes, denn seine Liebe ist stärker als all unsere Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Hörst du die Klage? Siehst du die Tränen, ewiger Gott?
Die Steine in der Wüste schreien Dein Heiliges Land leidet.
Verzweifelte Eltern trauern um ihre Kinder.
Mit Hohngelächter sind sie gekommen und haben die geschändet, die den Frieden lieben.
Die Mörder prahlen mit ihren Waffen.
Du bist der Gott der Gerechtigkeit.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Hörst du das Weinen? Siehst du die Angst, ewiger Gott?
In verminten Feldern sterben Menschen und Tiere.
Kriegstage folgen auf Kriegsnächte.
Bevor die Wunden vernarben, werden neue geschlagen.
Die Kriegsherren feiern den Tod. Sie verachten dein Gebot.
Du bist der Gott des Friedens.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Siehst du unser Entsetzen.
Immernoch sind wir fassungslos und betroffen über die grausame Tat eines Einzelnen
der in unserer Stadt ein Blutbad anrichten wollte.
Die Tür hielt stand. Danke guter Gott.
Wir bitten dich für die Opfer, nimm sie auf in deinen ewigen Frieden.
Bewahre sie auch in unserem Herzen.

Hörst du das Seufzen? Siehst du die Kranken, ewiger Gott?
Sie warten auf Heilung. Sie warten auf die Linderung ihrer Schmerzen.
Erdbeben und Hunger plagt wehrlose Männer, Frauen und Kinder.
Sie hoffen auf Rettung.
Die, die den Schwachen beistehen, sind müde
und die Mächtigen kennen dich nicht.
Du bist der Gott der Rettung.
Du wirst ja daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.
Hörst du unsere Lieder?
Siehst du unseren Glauben,ewiger Gott?
Wir fragen nach dir.
Wir kommen zu dir.
Wir bitten dich für unsere Kinder.
Wir bitten dich für die, die du uns an die Seite stellst.
Wir bitten dich für deine weltweite Gemeinde.
Du bist gütig und deine Barmherzigkeit hat kein Ende.
Du wirst ja daran gedenken.
So hoffen wir im Namen Jesu und rufen:
Kyrie eleison.

In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Vikarin Christin Schulze-Gerlach)

14. Sonntag nach Trinitatis (10.09.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen.

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Psalm 103.
„Lobe den Herrn, mein Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“

  • Psalmlied zu Psalm 146 (EG 303)

Lobe den Herren, o meine Seele! Ich will ihn loben bis in` Tod;
Weil ich noch Stunden auf Erden zähle, will ich lobsingen meinem Gott.
Der Leib und Seel gegeben hat, werde gepriesen früh und spat.
Halleluja.
Fürsten sind Menschen, vom Weib geboren,
und kehren um zu ihrem Staub;
ihre Anschläge sind auch verloren,
wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.
Weil denn kein Mensch uns helfen kann, rufe man Gott um Hilfe an.
Halleluja:
Selig, ja selig ist der zu nennen, des Hilfe der Gott Jakobs ist,
welcher vom Glauben sich nicht lässt trennen
und hofft getrost auf Jesus Christ.
Wer diesen Herrn zum Beistand hat, findet am besten Rat und Tat.
Halleluja.
Rühmet, ihr Menschen, den hohen Namen des, der so große Wunder tut.
Alles, was Odem hat, rufe Amen und bringe Lob mit frohem Mut.
Ihr Kinder Gottes, lobt und preist Vater und Sohn und Heilgen Geist!
Halleluja.

  • Lesung: Lukas 17, 11-19

Es begab sich, als Jesus nach Jerusalem wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog.
Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer;
Die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen:
Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!
Und da er sie sah, sprach er zu ihnen:
Geht hin und zeigt euch den Priestern!
Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.
Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war,
kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme
und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm.
Und das war ein Samariter.
Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden?
Wo sind aber die neun?
Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte,
um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?
Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

  • Gedanken zum Text

Der heutige Text beinhaltet eine Weg- und Grenzgeschichte.
Jesus ist auf dem Weg von Galiäa über Samaria nach Jerusalem, das in Judäa liegt. Von daher ist es auch eine Grenzgeschichte. Denn, ein frommer Jude ging nicht durch Samaria. In Judäa leben die Rechtgläubigen, in Samaria die, die etwas anderes glauben. Die einen wollen mit den anderen nichts zu tun haben.
Dort, in einem unscheinbaren Ort, begegnet Jesus zehn Männern. Sie sind vom Aussatz gezeichnet, einer schlimmen Hautkrankheit, die, damit erkrankte vom normalen Leben ausschloss. Diese Hautkrankheit war sichtbar, machte die Erkrankten erkennbar.
Der Umgang mit Gesunden war streng verboten. Nicht einmal nähern durften sie sich gesunden Menschen, d.h. sie lebten abgesondert in unwirtlichen menschenfeindlichen Gebieten.
Aber das, was sie aus der Gemeinschaft der anderen ausschließt, bringt diese Männer zusammen.
Sie kommen aus verschiedenen Landesteilen, aber die Herkunft spielt jetzt keine Rolle. Sie sind zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden, ausgeschlossen von der Beziehung zu anderen Menschen, ihren Familien, Nachbarn und Freunden.
Und sie sind ausgeschlossen vom Besuch des Tempels, der Gemeinschaft mit Gott.
Lukas schreibt, „die zehn stehen von ferne“.
Sie dürfen sich Jesus nicht nähern, sie dürfen die Grenze nicht überschreiten. Aber sie dürfen ihre Stimme benutzen und mit ihr die Grenze überschreiten.
„Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“
Der Schrei hallt durch die Stille. Ihre ganze Verlassenheit, Ausweglosigkeit stecken sie in diesen Schrei.
Jesus hört den Schrei.
Jesus hört in ihm die große Not, die ihm entgegen geschrieen wird. Jesus erkennt ihre Not, ihre ganzes Elend.
Er unterbricht seinen Weg, wendet sich ihnen zu und schickt sie auf einen Hoffnungsweg.
„Geht hin, zeigt euch den Priestern!“
Das heißt, überschreitet die Grenze und geht auf einem neuen Weg.
Wie eine Heilung bestätigt wird ist klar vorgeschrieben im biblischen Gesetz, eine Art Quarantäneregel aus antiker Zeit.
Wer geheilt vom Aussatz war, musste sich waschen, sich scheren und wiederholt den Priestern zeigen, opfern und wurde dann als geheilt entlassen.
„Geht, zeigt euch!“ Wenn das keine Zumutung war?
Am Aussehen der Haut hatte sich nichts geändert.
Noch sah sie krank aus und nun diese Zumutung. Geht dahin, wo euch niemand liebevoll empfangen wird, wo kühle Sachlichkeit über „Gesund oder Krank“ entscheiden wird.
Sind sie in den Augen der Priester gesund gibt es das neue Leben in der Heimat mit Familie, Nachbarn und Freunden.
Lautet das Urteil „nicht gesund“ heißt es zurück über die Grenze in Isolation an einsamen Orten weiter dahin zu vegetieren.
Im Gegensatz zu anderen Heilungsgeschichten gibt es hier keine
Sofortheilung.
Jesus mutet den Männern fast unmenschliches zu.
Ohne Sicherheitsgarantie, nur auf sein Wort hin – GEHT!
Und sie gehen dorthin, wo sie hingehen dürfen.
Nehmen in Kauf, dass es umsonst sein könnte, dass man sie davon jagt zurück über die Grenze ins alte Leben.
Sie glauben und gehen. Und während sie gehen, heißt es ganz schlicht, werden sie rein.
Einer trennt sich von seinen Leidensgenossen. Er kommt zurück zu Jesus, fällt vor ihm nieder und dankt aus vollem Herzen.
Er kehrt um, er ein Samariter kehrt an den Ort zurück, wo seine Heilung ihren Anfang nahm. Für ihn ist der Ort der Verbannung, des Schreckens, zum Ort des Heils geworden.
Wo bleiben die anderen? So lautet Jesu verwunderte Frage, die nicht beantwortet wird.
Doch der Geheilte erhält Zuspruch und Wegweisung:
Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.
Geh zurück zu den Menschen, die zu dir gehören.
Geh zurück in die Welt der Lebendigen.
Jesus muss weitergehen, seinen Weg nach Jerusalem.
Auch der Samariter geht seinen Weg in seine Welt, in der er verkünden kann, was ihm geschehen ist.
Was er erlebt, erlitten und gesehen hat, wird ihn von nun an begleiten. Aber er ist geheilt an Leib und Seele.
Und die, die weitergegangen sind?
Sie fehlen. Das macht die Geschichte deutlich. Es steht noch aus, dass sie kommen und danken. Das Heil gilt aller Welt.
Erst die „ZEHN“ ist die vollkommene Zahl. Alle Menschen sollen heil werden und teilhaben dürfen am Glück der Gottesnähe, der Gemeinschaft, sollen teilhaben dürfen am Leben.
Einer ist zurückgekehrt, Neun fehlen – noch.
Eine Geschichte auf dem Weg und über Grenzen wird uns erzählt. Eine Geschichte auf dem Weg zwischen Leben und Tod, Verzweiflung und Hoffnung, zwischen Einsamkeit und Nähe.
Eine Weg- Geschichte zwischen Glauben und dem Warten auf Glauben.
Spüren wir die Sehnsucht, fühlen wir, was uns fehlt, wissen wir, wohin wir gehen sollen? Und welche Grenze wir überwinden müssen? Die Antwort muss Jede und Jeder für sich selbst finden.
Amen.

  • Füreinander beten

Gott, für alles Gute, dass du uns tust danken wir dir.
Wir bitten dich für alle, die morgens mit einem Dank auf den Lippen aufstehen und abends dankbar zu Bett gehen.

Wir bitten dich für die Menschen, die das Gute nicht sehen können,
die das Leben bitter und misstrauisch gemacht hat.

Wir bitten dich für alle, die aus allem das Beste machen
und denen oft zuviel zugemutet wird.

Wir bitten dich für jene,
die andere teilhaben lassen an dem Guten, dass ihnen widerfährt.
Die teilen und abgeben, die sich kümmern und sorgen.
Die sich engagieren und Verantwortung übernehmen.

Wir bitten dich für alle, denen vorenthalten wird,
was sie zum Leben brauchen:
ein Auskommen und Frieden, ein Zuhause und Geborgenheit,
Liebe und Respekt.

In Jesu Namen bitten wir:
Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen

(Gudrun Naumann)

8. Sonntag nach Trinitatis (30.07.)2023

  • Eröffnung

„Ich will dem Herren singen, denn er ist hoch erhaben.” So jubeln die Israeliten auf ihrem Weg in die Freiheit. Aber dieser Weg ist nicht leicht. Es geht ins Unbekannte. Unnötiges Gepäck würde nur hinderlich sein. Mit Gott ist dieser Weg aber machbar. Das lernen wir aus Liedern, Worten und Gebeten. Amen.

  • Zur Zeit der Angst – Ein Psalm (aus Psalm 32)

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde,
und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
darum, wenn große Wasserfluten kommen,
werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.
Freuet euch des HERRN und seid fröhlich, ihr Gerechten,
und jauchzet, alle ihr Frommen.

  • Er selbst kommt uns entgegen – Ein Lied: „Vertraut den neuen Wegen“ (EG395)

1. Vertraut den neuen Wegen,
auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen,
weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen
am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen
in das gelobte Land.

2. Vertraut den neuen Wegen
und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen
für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten
das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten,
wo er uns will und braucht.

3. Vertraut den neuen Wegen,
auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen.
Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen
in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen.
Das Land ist hell und weit

  • Mitten ins Meer – Lesung aus dem 2. Buch Mose Kapitel 14

Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog,
und stellte sich hinter sie.
Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich
und trat hinter sie
und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht,
und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.

Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte,
ließ es der HERR zurückweichen
durch einen starken Ostwind die ganze Nacht
und machte das Meer trocken,
und die Wasser teilten sich.
Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.

Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach,
alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter,
mitten ins Meer.

Als nun die Zeit der Morgenwache kam,
schaute der HERR auf das Heer der Ägypter
aus der Feuersäule und der Wolke
und brachte einen Schrecken über ihr Heer
und hemmte die Räder ihrer Wagen
und machte, dass sie nur schwer vorwärtskamen.

Da sprachen die Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel;
der HERR streitet für sie wider Ägypten.
Aber der HERR sprach zu Mose:
Recke deine Hand aus über das Meer,
dass das Wasser wiederkomme und herfalle über die Ägypter,
über ihre Wagen und Reiter.

Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer,
und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett,
und die Ägypter flohen ihm entgegen.
So stürzte der HERR sie mitten ins Meer.
Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter,
das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer,
sodass nicht einer von ihnen übrig blieb.
Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen.
So sah Israel die mächtige Hand,
mit der der HERR an den Ägyptern gehandelt hatte.
Und das Volk fürchtete den HERRN,
und sie glaubten ihm und seinem Knecht Mose.

Damals sangen Mose und die Israeliten dies Lied dem HERRN und sprachen:
Ich will dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben;
Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.
Der HERR ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.
Das ist mein Gott, ich will ihn preisen,
er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben.
Der HERR ist der rechte Kriegsmann, HERR ist sein Name.
Des Pharao Wagen und seine Macht warf er ins Meer,
seine auserwählten Streiter versanken im Schilfmeer.

Wort des lebendigen Gottes!

  • Flüchten vor sich selbst – Gedanken zu Israels Durchzug durch das Schilfmeer (2. Mose 14)

1. Kinderbibel
Gut kann ich mich noch an die eine Kinderbibel erinnern, an dieses eine Bild. In Schwarzweiß, vielleicht mit einer Feder gezeichnet. Mitten in den wild zusammenschlagenden Wellen des Meeres ertrinken die Ägypter. Ihre Heeresmacht wird gekennzeichnet. Die Männer tragen Helme. Das Rad eines Streitwagens ist noch sichtbar, bevor er ganz in den Fluten versinkt. Metall schwimmt nicht. Und auch die Köpfe der Pferde, die panisch sich über Wasser halten wollen. Aber ihr Untergang ist gewiss.
Am Ufer der Katastrophe stehen die leicht bekleideten, unkriegerisch und friedlich aussehenden Israeliten. Die Erleichterung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Gerettet! Durch Gottes Hilfe.
Auch für mich als Kind war das befriedigend zu sehen. Die Gefahr vorüber. Die Bösen haben ordentlich eins aufs Dach gekriegt. Dass sie sterben, stand da nicht im Vordergrund. Aber deutlich das Gefühl, dass Gott den Schwächeren hilft, dass er den Mackern und Angebern und Unterdrückern nicht das letzte Wort lässt.
Ein Wunsch, der bleibt. Wäre doch schön, wenn die Welt so funktionieren würde.

2. Fluchthilfe
Erst gegen Morgen können die Israeliten losziehen. Die ganze Nacht weht der Ostwind, um die Passage durch das Meer gangbar zu machen. Bis dahin errichtet Gottes Engel eine Wolkensäule, die Ägypter und das Heer Israels trennt. Die ganze Nacht hindurch. Dass ihnen keine Gefahr droht. Dann gehen sie los; und ich stelle mir vor, wie sie das Wunder bestaunen, die Wassersäule recht und links, und wieviel Vertrauen sie aufbringen müssen, dass dieses Wunder bis ans andere Ufer anhält. Und ich frage mich, was die Ägypter da hineintreibt. Ihr Anspruch auf die billigen Arbeitskräfte, ihre Wut auf dieses Volk, dessen Gott so viele Katastrophen über Ägypten hat hereinbrechen lassen; oder ihre Pflicht ihrem Pharao gegenüber; oder letztlich der Umstand, dass sie das Wunder dem Zufall zuordnen und nicht Gott?
Aber schnell merken sie, dass sie sich auf feindlichem Terrain bewegen. Schrecken bricht über sie herein und die Räder ihrer Wagen wird gehemmt. Jetzt kehren sie doch um. Zu spät. Da brechen schon die Wellen über sie herein. Nicht einer von ihnen blieb übrig.
Und ich frage mich, war das nötig? Die Israeliten waren doch sicher. Die Ägypter kehrten doch schon um. Warum müssen sie alle sterben?

3. Schulden
Gott wird es schon wissen, warum? Gott meint es am Ende gut mit uns. Was uns Böses geschieht, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Ich sitze mit einem Patienten im Andachtsraum und wir denken nach über diese Geschichte aus dem 2. Buch Mose. Alles perfekt, der engelhafte Schutz in der Nacht, der trockene Meeresboden, auch eben der Tod der Ägypter. Mit dieser Geschichte dreht sich unser Gespräch in eine andere Richtung. Dass er seinen Fuß verloren hat, ist grade nicht so wichtig. Er erzählt mir von seiner Selbständigkeit. Die hat nicht funktioniert. Er musste Insolvenz anmelden. Ich bin überrascht von dem Eindruck, die seine Worte auf mich machen. Es kommt mir so vor, als ob diese Insolvenz, der Verlust seines Geschäftes und das damit einhergehende persönliche Scheitern schlimmer sei als der verlorene Fuß.
Das war eine schlimme Zeit, erzählt er weiter, und erst in seiner Gemeinde habe er sich wieder fangen können. Finanziell war ja schon alles geregelt. Aber das Scheitern hing ihm noch schwer an. Der Rückblick, die Wünsche und Träume, die Pläne, alles das hat nicht funktioniert. Das Leben geht weiter, aber immer mit dieser Last. Es bräuchte was, was diese innere Last von Scham und Schuld einfach wegwäscht, im Meer ersäuft. Ein für alle Mal. Da gibt es nichts Halbherziges. Als er merkte und spürte, dass er in seiner Gemeinde trotzdem einen Platz hat, dass er nicht verurteilt und beschämt wird, gewinnt er ein Vertrauen, das ihm Kraft gibt. Aus dieser Kraft heraus kann er selbst den Verlust seines Fußes annehmen.

4. Fluchthilfe 2
Vor dir selbst kannst du nicht flüchten, heißt es. Vor deinem inneren Ägypter. Der dich beschäftigt und dich quält, der dir keinen Ausweg lässt. Und der dich verführt, weil es doch die gewohnte Art ist, zu leben. Da weiß man wenigstens, woran man ist.
Wenn ich vor mir eine Wüste habe und hinter mir mein bisheriges Leben mit seinen Wünschen und Träumen und Plänen, dann kann ich nicht einfach loslassen. Ich kann nicht dieses alte Leben nicht mit mir herumschleppen, weil dann die Kraft für den Weg vor mir nicht reicht. Der innere Ägypter muss sterben. Ersaufen in den Wellen des Meeres. Untergehen mit seiner Rüstung und seinen Kampfwagen und seinen Pferden. Es ist wie eine Auferstehung, eine Taufe, die einen neuen Menschen aus mir macht. Wer einmal einen schweren Verlust erlitten hat, weiß, dass das reale Erfahrungen sind. Er kennt das Gefühl der Belastung und spürt die Erleichterung, wenn er diese Last hinter sich lassen kann.
Dafür ist es hilfreich, darüber zu reden und die Dinge klar zu benennen. Wie es der Beter im Psalm 32 ausdrückt:
Denn da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Sela. Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Es ist hilfreich darüber zu reden, nicht um das Vergangene zu vergessen, sondern um es nicht mehr tragen zu müssen. Ich kann es gewissermaßen unter die Leute bringen. Ich gewinne das Vertrauen, dass sie mich nicht verurteilen. Ich glaube daran, dass Gott mir die Schuld vergibt, den inneren Ägypter ersäuft und mir Kraft gibt für den ungewissen Weg vor mir. Anders würde es nicht gehen. Anders könnten die Israeliten nicht den Weg durch die Wüste antreten. Deshalb erzählen wir diese Geschichte bis heute. Das kindliche Gefühl, dass Gott mir in meiner Schwäche hilft. Das ich darüber sprechen kann und mich von meiner Last befreit.

Vor dir selbst kannst du nicht flüchten, heißt es. So stimmt das nicht. Der Weg ist offen. Der Meeresboden ist trocken. Eine Brücke ist gebaut. Ich gehe hinüber und bin frei. Das Herz voller Gesang: Ich will dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.
Amen.

  • Antworten sind dürftig – Miteinander und füreinander beten

Barmherziger Gott,
Dorf um Dorf kämpfen sie im Krieg. Das Töten geht weiter. Es ist schrecklich diese Bilder zu sehen.
Wie können sie das alles hinter sich lassen? Wieder Frieden finden in dieser Welt. So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Wie können wir wieder Vertrauen gewinnen und Zuversicht in eine friedliche Zukunft in dieser Welt?

Seele um Seele, Gott, kämpfen wir in unserem Alltag. So viele Krisen und Nöte, Streit und Missgunst. Wie geht der Weg weiter? Was können wir loslassen? Wie können wir wieder aufeinander zugehen? So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Oder hören wir dich nicht, weil unser Verstand und unser Herz verstopft ist mit den Dingen, die wir geplant und uns angeeignet haben?

Tag um Tag kämpfen wir für unser Leben. Wir müssen Abstriche machen, wir erleiden Verluste und scheitern an unseren Plänen. Immer mehr begreifen wir, dass unser Leben hier auf Erden nicht endlos ist. Wir werden krank, wir trauern und fühlen uns einsam. So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Lenke unseren Blick nach vorn. Dass wir neu hoffen lernen auf deine Zukunft, ohne Schmerz und Leid und Tränen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

4. Sonntag nach Trinitatis (02.07.)2023

  • Eröffnung

„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Mit dieser Forderung geleitet uns der Apostel Paulus in die neue Woche. Aber auch mit der Zuversicht, im Namen Christi die eigene Last nicht allein tragen zu müssen. Getragen zu sein, wenn wir selbst nichts mehr tragen können.
Dieser Hoffnung nähern wir uns an in Gebet, Lied und Gottes Wort.

  • Als einer im Elend rief – Aus Psalm 34

Ich will den HERRN loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des HERRN,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
Preiset mit mir den HERRN
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!
Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude,
und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.
Als einer im Elend rief, hörte der HERR
und half ihm aus allen seinen Nöten.
Der Engel des HERRN lagert sich um die her,
die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet!
Fürchtet den HERRN, ihr seine Heiligen!
Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.
Reiche müssen darben und hungern;
aber die den HERRN suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.
Wenn die Gerechten schreien, so hört der HERR
und errettet sie aus all ihrer Not.
Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Der Gerechte muss viel leiden,
aber aus alledem hilft ihm der HERR.
Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte,
und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld.

  • Brunnquell guter Gaben – „O Gott, du frommer Gott“ (EG 495)

1 O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell guter Gaben,
ohn den nichts ist, was ist, von dem wir alles haben:
gesunden Leib gib mir und dass in solchem Leib
ein unverletzte Seel und rein Gewissen bleib.

2 Gib, dass ich tu mit Fleiß, was mir zu tun gebühret,
wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet.
Gib, dass ich’s tue bald, zu der Zeit, da ich soll,
und wenn ich’s tu, so gib, dass es gerate wohl.

3 Hilf, dass ich rede stets, womit ich kann bestehen;
lass kein unnützlich Wort aus meinem Munde gehen;
und wenn in meinem Amt ich reden soll und muss,
so gib den Worten Kraft und Nachdruck ohn Verdruss.

  • So seid ihr doch selig – Worte nach dem 1. Petrusbrief (1. Petrus 3,8-17)

Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.
Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun«.
Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;
heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.
Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Wort des lebendigen Gottes!

  • Wenn ich am verletzlichsten bin. – Gedanken zum 1. Petrusbrief

Haben Sie schon mal Taube gegessen? Ich ein Mal, soweit ich mich erinnern kann. In einer Reissuppe. Taube ist nicht so beliebt. Mein Vater hat Tauben gezüchtet, eine alte Rasse, Deutsche Trommeltauben. Essen mochte er sie nicht. Bei Gelegenheit hat er sie verschenkt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit einer Tüte am Fahrradlenker zwei geschlachtete Tauben zu einer Bekannten gebracht habe.
Heute stelle ich aber die Frage, warum mein Vater sich dennoch die Mühe der Taubenzucht gemacht hat. Er brauchte ja einen eigenen Stall, Futter und vor allem viel Zeit; u.a. um seine Tiere zu füttern, den Stall auszumisten, sie veterinärmedizinisch zu versorgen und ein Auge darauf zu haben, ob das äußere Erscheinungsbild den Ansprüchen einer Ausstellung genügt. Dazu kam noch der regelmäßige Ärger, wenn sich die Tauben auf das Dach des Nachbarn setzten und auf seine Ziegel kackten. Ein Grund dafür, dass sich mein Vater diese Mühe gemacht hat, liegt sicher darin, dass er schon als Kind dafür Interesse entwickelt hat. Es war ein Hobby, das auch sein Vater schon betrieben hatte. Es hat ihn ein ganzes Leben begleitet. Es gehörte zu ihm, wie er als Kind zu seiner Familie gehört hat. Der zweite Grund lag wohl darin, dass er sich als Taubenzüchter mit anderen Taubenzüchtern austauschen konnte. Auf den schon erwähnten Ausstellungen bekam er Anerkennung für seine Arbeit.
Es sind also jeweils besondere soziale Situationen, die es für ihn wertvoll machten. Es hatte einen Nutzen, der nicht unmittelbar auf der Hand liegt, wenn ich als Nichttaubenzüchter darauf schaue. Aber die Taubenzüchter unter sich waren glücklich. Alle hatten Ahnung, standen in einem freundschaftlichen Austausch und Wettbewerb und erzeugten so ein Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit, die einem urmenschliches Bedürfnis nach Nähe gerecht wird. Das lag meinem Vater am Herzen. Die Mühe lohnte sich.
Eine ähnliche Frage ließe sich stellen mit Blick auf die Gemeinde(n), an die der 1. Petrusbrief gerichtet wurde. Die Mitglieder in diesen Gemeinden lebten vermutlich in Kleinasien, in einer weitgehend nichtjüdischen, also heidnischen Umwelt, die das Verhalten der christlichen Gemeinden und ihrer Mitglieder mit Argwohn beobachteten. Sie passten nicht zum Rest der Gesellschaft. Den christlichen Gemeinden wurden “Menschenhaß, Staatsfeindlichkeit, Gottlosigkeit, Aberglaube, kultische Unzucht und wirtschaftliche Schädigung”* vorgeworfen, weil sie sich so ungewöhnlich verhielten. Die anderen Menschen fragten sich also, warum diese Gemeinden ihr menschliches Verhalten ablehnten, indem sie bestimmten Vergnügungen nicht nachgingen (Menschenhass), warum sie sich eher distanziert zur öffentlichen Ordnung verhielten (Staatsfeindlichkeit), warum sie nur einen Gott verehrten (Gottlosigkeit), warum dieser Gott Menschengestalt besitzt (Aberglaube), warum sie in ihren Versammlungen, wie man munkelte, diesen Menschen aßen und tranken (kultische Unzucht) und warum sie nicht genauso munter und gierig konsumierten wie sie selbst (wirtschaftliche Schädigung). Dieser Argwohn, und das ist der Hintergrund des Briefes, schlug dann oft um in Aggression. Die christlichen Gemeinden wurden mehr oder weniger verfolgt und bedrängt. Mitunter äußerte sich diese Aggression und dieses Unverständnis auch in offener Gewalt.
Der Briefschreiber ermuntert nun die Gemeinde, dennoch bei ihrem Glauben zu bleiben. Denn die naheliegendste Reaktion auf die Feindschaft gegenüber den Gemeinden liegt ja auf der Hand. Wenn man sich wieder an die Verhaltensweisen seiner Umwelt anpasste, hatte man keinen Ärger mehr. Man schwimmt mit der Masse und fällt nicht weiter auf. Man ist dann einer unter vielen.
Aber so einfach ist es nicht. Mein Vater hätte die Taubenzucht auch einfach lassen können, weil ihm die Tauben gar nicht schmeckten.
Aber es hatte für ihn einen Wert, weil sich daraus soziale Situationen ergaben, die ihn in seiner Persönlichkeit bestärkten. Es hatte gewissermaßen ein Vorteil. Eine ganz ähnliche Betrachtungsweise gibt es auch bezüglich religiöser Gemeinschaften. In einem Zweig entwicklungstheoretischer Forschung wird dann darüber gesprochen, dass sich aus der festen Bindung an eine Gemeinschaft ein Vorteil ergibt. Im Petrusbrief wird das gleich in den ersten Zeilen des heutigen Predigttextes angesprochen. Mit Blick auf die christliche Gemeinschaft fordert der Briefschreiber: “Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.”
Auch wenn das nicht immer gelingen mochte – denn nicht umsonst gemahnt der Briefschreiber die Empfänger daran – bot eine solche Gemeinschaft Hilfe und Unterstützung, menschliche Wärme und Verständnis. Wenn sich ein Mensch auf eine solche Gemeinschaft stützen kann, kann er sich erfolgreicher und sicherer in der Welt bewegen. Darin liegt der Vorteil, Mitglied einer solchen Gesellschaft zu sein. Auch wenn es, von außen betrachtet, kaum einen Nutzen hat.
Ein weiterer tiefergehender Grund, der nicht in einer spezifischen Anpassung an die Umwelt liegt, findet sich in dem, was der Petrusbrief nur andeutet. Schon zu Beginn fordert er, sich von weltlichem Besitz abzukehren und das Augenmerk auf unvergängliche Werte zu legen. “Dadurch soll sich eure Standfestigkeit im Glauben, die kostbarer ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist, herausstellen – zu Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi.”
Der Vergleich mit dem wertvollen Gold, das ja sowohl beständig als auch wertvoll ist, legt das nahe. Im Verzichtüben und sich auf das Wesentliche konzentrieren kann eine große Erleichterung liegen. Das ist uns heute besonders nah, wenn wir mit den Forderungen nach Leistung und Konsum konfrontiert werden. Einerseits fehlt es an allen Ecken und Enden, die Kostensteigerungen machen uns viele Sorgen und zugleich werden wir überschwemmt mit Gütern und Vergnügungen, die kaum noch zu bewältigen sind. Was brauche ich wirklich zum Leben? Ist es, um nur mal ein Beispiel zu nennen, nicht erholsamer im Park spazieren zu gehen, und auch kostengünstiger, als auf einen teuren Flug in die Karibik zu sparen? Aber zugleich wirkt es absolut erstrebenswert, vielleicht auch weil es andere ebenso machen und ich daran Teil haben möchte.
Die christliche Gemeinschaft bot damals (und auch heute?) eine Gelegenheit, dieser Logik des möglichst viel und immer mehr zu entkommen. Sie legte den Fokus auf andere Werte, weil sie darum wusste und daran glaubte, dass alles, was der Mensch in seinem Leben anhäufen konnte, angesichts der eigenen Vergänglichkeit unsinnig wurde. Es bedeutete also eine große Entlastung, nicht mehr quasi gezwungen zu sein, den Wertvorstellungen der anderen Menschen nachzujagen, sondern, wie es im Zitat aus dem 34. Psalm heisst, dem Frieden.
Und mit diesem Psalm 34, der, liebe Gemeinde, in den Predigttext eingewoben ist, komme ich auch noch zu einem dritten Grund, warum Menschen an ihrer Gemeinschaft festhielten und –halten, obwohl sie eine besondere Mühe macht. Denn die Gründe, die ich zuvor genannt habe, sind zwar durchaus wichtig und hilfreich, um zu verstehen, warum Menschen sich damals und heute dem christlichen Glauben zuwenden, aber sie sind nicht hinreichend. Denn Geborgenheit und innere Freiheit finde ich auch in anderen Religionen oder sogar im Taubenzüchterverein.
Der Psalmbeter im Psalm 34 nimmt seine Stärke nicht allein aus der Erfahrung, dass ihm das Vertrauen auf Gott in einer Gemeinschaft, Durchhaltevermögen und größere Vorteile verschafft. Er sieht sie vor allem in der einen Erfahrung, die gerade nicht auf seine Stärke, auf seine Eigenleistung oder auf sein Wohlverhalten abzielt. Sie liegt gerade nicht darin, um noch einmal auf das Anfangsbild zurückzukommen, dass er die schönste Taube gezüchtet hat, sondern vielmehr im genauen Gegenteil. Im Psalm 34 heisst es einige Verse später: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.”
Hier, liebe Gemeinde, geht es nicht mehr um Vorteile und Nutzen. Diese Haltung des Beters rechnet nicht damit, dass ihm irdische Gerechtigkeit widerfahre. Aber es ist ihm Gewinn, Gott nah zu sein. Sinn ergibt das natürlich nur, wenn ich selbst glaube, dass Gottes Gegenwart wertvoller ist als alles, was ich auch sonst erreichen kann. Dass Gottes Gegenwart größer ist als alle Werte, die ich mir zurechtlege. Schöner als die schönste Taube, wärmer als die größte Geborgenheit, sicherer als die sicherste Gemeinschaft, besser sogar noch als alles, was ich mir als letzten und besten Wert ausdenken könnte. Gerade in der Zerbrochenheit, in der Zerschlagenheit, sogar in Krankheit und Einsamkeit, bin ich Gott besonders nahe. Und lebe dann genau so, wie es Gott gemeint hat. In einer gottgemäßen Weise. Wie im Paradies.

Wenn ich also, liebe Gemeinde, am verletzlichsten bin, bin ich Gott am nächsten. Diese Erfahrung macht der Psalmbeter, diese Erfahrung findet sich in der Gemeinde in Kleinasien und sie findet sich auch in unserer heutigen Gemeinde. Lohnt es sich, hier zu sein, im Gottesdienst? Das ist nicht die Frage! Im Grunde gibt es keine Frage mehr. Im Grunde ist es nur der eine Moment, wo ich aus dem Sumpf der alltäglichen Anstrengungen und aus dem Morast meiner besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten auftauche, und einfach nur Menschenkind sein darf. Demütig und hingebungsvoll.
Mit menschlichen Bildern und Worten ist das nur unzureichend zu erfassen. Dem Psalmbeter gelingt es ein wenig, der Petrusbrief lässt es erahnen. Vielleicht auch die Geschichte meines Vaters, wenn ich mir vorstelle, dass der sechsjährige im Taubenstall seines Vaters das zitternde und lebendige Täubchen in seinen Händen hält und eine Ahnung davon bekommt, wie wunderbar und verletzlich diese Welt gemacht ist. Ein wenig. Für diesen Augenblick.
Auch hier. Unter uns. Trotz aller Widrigkeiten.

Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, und tiefer reicht als unsere Angst, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

(*Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2005 (5. Auflage), S. 451.)

  • Keine Antwort geben können – Miteinander und füreinander beten

Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden im Streit der Welt, in der Hast und Jagd nach irdischen Gütern, in den schmerzlichen Ungerechtigkeiten und unerträglichen Bildern von Hunger und Gewalt?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden im Unglauben der Welt, die nicht mehr nach dir fragt und ganz darauf setzt, sich selbst zu retten und zu erlösen?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden, in dem, was uns zerschlägt und zerbricht, wenn wir sehen, wie wir selbst und unsere Liebsten leiden an Krankheit und Einsamkeit, an Sinnlosigkeit und Schmerz?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden in den Worten, die wir in Demut und Hingabe an dich richten?
Wir beten, mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag nach Trinitatis (25.06.)2023

  • Eröffnung

„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Mit dieser Zuversicht eröffnet der Evangelist diese Woche. In dieser Andacht denken wir darüber nach, was es bedeutet, das Verlorene zu suchen und selig zu machen; für den Verlorenen, für Gott, und auch für jene, die den Verlorenen verloren gegeben haben. !

  • Von den reichen Gütern deines Hauses – Aus Psalm 103

Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünde vergibt
und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom Verderben erlöst,
der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deinen Mund fröhlich macht
und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht
allen, die Unrecht leiden.
Er hat seine Wege Mose wissen lassen,
die Kinder Israel sein Tun.
Barmherzig und gnädig ist der Herr,
geduldig und von großer Güte.
Er wird nicht für immer hadern
noch ewig zornig bleiben.
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden
und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
So fern der Morgen ist vom Abend,
lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

  • In Schneeweiß kehren – Lied: „Jesus nimmt die Sünder an“ (EG 353)

1) Jesus nimmt die Sünder an.
Saget doch dies Trostwort allen,
welche von der rechten Bahn
auf verkehrten Weg verfallen.
Hier ist, was sie retten kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

2) Keiner Gnade sind wir wert;
doch hat er in seinem Worte
eidlich sich dazu erklärt.
Sehet nur, die Gnadenpforte
ist hier völlig aufgetan:
Jesus nimmt die Sünder an.

3) Wenn ein Schaf verloren ist,
suchet es ein treuer Hirte;
Jesus, der uns nie vergisst,
suchet treulich das Verirrte,
dass es nicht verderben kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

4) Kommet alle, kommet her,
kommet, ihr betrübten Sünder!
Jesus rufet euch, und er
macht aus Sündern Gottes Kinder.
Glaubt doch und denket dran:
Jesus nimmt die Sünder an.

5) Ich Betrübter komme hier
und bekenne meine Sünden;
lass, mein Heiland,
mich bei dir Gnade zur Vergebung finden,
dass dies Wort mich trösten kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

6) Ich bin ganz getrosten Muts;
ob die Sünden blutrot wären,
müssen sie kraft deines Bluts
dennoch sich in Schneeweiß kehren,
da ich gläubig sprechen kann:
Jesus nimmt die Sünder an!

7) Mein Gewissen quält mich nicht,
will mich das Gesetz verklagen;
der mich frei und ledig spricht,
hat die Schulden abgetragen,
dass mich nichts verdammen kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

8) Jesus nimmt die Sünder an;
mich hat er auch angenommen
und den Himmel aufgetan,
dass ich selig zu ihm kommen
und auf den Trost sterben kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

  • Noch Raum da – Worte aus dem Buch Jona (Jona 3,10-4,11)

Als aber Gott das Tun der Leute in Ninive sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig 2und betete zum Herrn und sprach: Ach, Herr, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen. So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. Aber der Herr sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst?
Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde. Gott der Herr aber ließ einen Rizinus wachsen; der wuchs über Jona, dass er Schatten gab seinem Haupt und ihn errettete von seinem Übel. Und Jona freute sich sehr über den Rizinus.
Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach den Rizinus, dass er verdorrte. Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben.
Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. Und der Herr sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?

Wort des lebendigen Gottes!

  • Der göttlichen Gerechtigkeit folgend – Gedanken zum Buch Jona

das Buch Jona ist Teil der sogenannten Kleinen Propheten. Es ist kein typisches Prophetenbuch als eine Sammlung von Reden und Sprüchen, die den Willen und das Wort Gottes durch den Mund des Propheten weitergeben. Es ist vielmehr eine Novelle, die eine zusammenhängende Geschichte und das Schicksal eines Menschen erzählt. In diesem Fall das Schicksal des Propheten Jona. Diese Geschichte ist auf dem Bild aus der Lutherbibel von 1545 in allen wesentlichen Details abgebildet.
In der Mitte des Bildes sehen wir, wie Jona von Gott beauftragt wird, den Bewohnern Ninives die Strafe Gottes anzukündigen. Davor versucht Jona zu fliehen, aber während der Flucht auf einer Fahrt über das Meer ereignet sich ein Sturm, vor dem sich die Seeleute durch Abwerfen von Ballast retten wollen. Schließlich springt Jona aber in die Fluten, um das Schiff zu retten, und wird von einem großen Fisch verschluckt und vor der Stadt Ninive wieder ausgespuckt. Ninive ist in der linken oberen Ecke des Bildes als prächtige und mächtige Stadt zu erkennen. Schließlich kehrt sich die Geschichte zu dem Teil, der im 4. Kapitel des Buches Jona beschrieben wird. Die Stadt wird nicht zerstört; zerstört ist aber die Aufgabe des Jona. Zumindest aus seiner Sicht. Wenigstens findet er Ruhe unter einem Rizinusstrauch. Aber auch der geht ein, weil die Sonne ihn verbrennt, und Jona klagt Gott an, weil er sein Leben in diesem Moment als sinnlos empfindet. Darauf antwortet Gott ihm und fragt ihn, ob denn das Leben so vieler Menschen und Tiere wirklich so unwichtig sein könne.

Diese alten Illustration, die eine ganze Geschichte in einem Bild und nicht in laufenden Bildern darstellt, ist hilfreich für das Verständnis. Denn alles hängt mit allem zusammen.
Die Reaktion des Jona, der auf das Erbarmen Gottes mit Zorn reagiert, wäre sonst kaum verständlich.
Zwei Dinge sind es, die diesen Zorn des Jona durchaus einleuchtend erscheinen lassen. Das eine ist die Aufgabe, die er von Gott gestellt bekommt und vor der er fliehen will. Das hat seinen Grund nicht nur in dem unwilligen Charakter des Propheten. Er lässt sich auch daran festmachen, dass die Stadt Ninive als Hauptstadt des assyrischen Reiches im biblischen Sinne dafür steht, dass sie andere Länder brutal überfällt, erobert, ausraubt und verwüstet und viele Menschen teils entführt, teils umgebracht hat. Es ist der Eigensinn und die brutale Macht einer sehr großen Stadt, die Gott bestrafen möchte. Gott schickt Jona also in das Herz des Feindes. Keine angenehme Vorstellung.
Und nun vergibt Gott dieser Stadt. Jona kann und will das nicht verstehen.
Gott antwortet ihm mit dem Gleichnis des Rizinusstrauches, das Jona am eigenen Leibe und an eigener Seele erfährt. Gott zeigt ihm daran, wie wertvoll jedes Leben ist. Es darf nicht einfach zerstört werden. Auch wenn es die Gerechtigkeit verlangt. Einerseits mit dem gekränkten Stolz des Jona, der den “Lohn” für seine Arbeit einfordert. Andererseits mit der Strafe für die Taten der Bewohner der Stadt Ninive.
Gott übergeht das. Nicht einfach so, es kommt die Reue und Buße der Bewohner Ninives mit auf die Rechnung. Aber – zumindest scheinbar – nicht das Leid der Menschen, die unter ihnen gelitten haben.
Gottes Vergebung ist schwer zu verstehen. Die menschliche Gerechtigkeit wird hier auf den Prüfstand gestellt. Es ist keine Frage mehr, ob Gottes Barmherzigkeit menschlichem Empfinden gerecht wird. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, wie gesagt, dass das Leben einen Wert hat, der durch menschliche Gerechtigkeit nicht in Frage gestellt werden kann.
Diese Ansicht finden wir vielfach in der Bibel. Etwa in der Geschichte der Sintflut, die Gott selbst bereuen lässt, was er der Menschheit angetan hat. Wir finden sie ebenso in der Beispielgeschichte vom verlorenen Sohn, in der der Bruder die Frage nach Gerechtigkeit stellt. Sein Vater antwortet ihm mit der Freude darüber, dass sein Bruder noch lebt. Und schließlich ist sie präsent in der Geschichte Jesu Christi, der der göttlichen Gerechtigkeit folgend, am Kreuz sterben muss.
Was hier also für den Menschen Jona offensichtlich erscheint, diese große Ungerechtigkeit, sieht Gott anders. Er hat einen anderen “Überblick”. Gott sieht neben dem Kreuz auch die Auferstehung. Dennoch, aus menschlicher Perspektive ist das mitunter schwer erträglich.
Vielleicht aber etwas besser verständlich mit dem Blick auf das kleine Detail des verdorrten Rizinusstrauches. Dieser ist doch noch weitaus unbedeutender als ein Menschen- oder Tierleben. Und doch hat Jona daran sein Herz gehängt. Der Strauch spendet nicht nur Schatten sondern auch Trost. Er steht dafür, wie wunderbar diese Welt sein kann. Er steht dafür, dass alles wohlgeordnet und voller Schönheit ist. Es ist bitter, wenn Jona erkennen muss, dass ihm auch dieser Trost nicht zu Gebote steht. Alles liegt in Gottes Hand, sein Leben, das Leben der Bewohner von Ninive, sogar das Leben des Strauches.
Was bleibt, mitten im Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes und im Zorn auf Gottes Handeln, ist die Einsicht, oder besser gesagt, der Glaube, das Vertrauen und die Zuversicht, dass Gott weiter denkt als es der menschliche Verstand zulässt. Das wird in der Geschichte Jonas nicht weiter ausgeführt. Das überlässt die Bibel unserer Phantasie, unserer Barmherzigkeit und unserem Glauben.
Und wenn sie also Phantasie, Barmherzigkeit und Glauben in uns wecken kann, dann hat auch der Prophet Jona ein großes Werk getan.
Amen.

Holzschnitt aus: Biblia: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch, Wittenberg 1545 Bearbeitung: ©by Sabrina Reiner Makohl (https://www.stilkunst.de/lutherbibel-1545/Jona/jona-img.php)
  • Menschenleben retten – Miteinander und füreinander beten

Ein Beispiel dafür, wie schwer es sein kann, zu glauben, dass Gott auch das Leben der Menschen schätzt, die anderen Gewalt antun, findet sich in der heutigen Fürbitte der Organisation „Brot für die Welt“.
Die Situation im Sudan wird durch den Bürgerkrieg immer entsetzlicher. In Genf wurden jetzt auf einer UN-Geberkonferenz 1,37 Milliarden für die humanitäre Hilfe im Sudan gesammelt. Deutschland will bis 2024 200 Mio. Euro geben.
Am Ende kann es doch nur der Frieden leisten, für alle Menschen ein würdiges Leben zu gewährleisten.

Wir beten für die Menschen im Sudan,
die in Hunger und Bürgerkrieg um ihr Überleben kämpfen.
Wir hören die Berichte, dass überall in Darfur und Karthum gekämpft wird,
dass Menschen in ihren Häusern und auf offener Straße angegriffen werden.
In diesen Tagen wird durch all die Gewalt aus der drückenden Armut und Not im Sudan eine unermessliche humanitäre Katastrophe.
Wir bitten Dich:
Lass es gelingen, dass durch die eingesammelten Gelder auf der UN-Geberkonferenz
endlich mehr Hilfsgüter in den Sudan gebracht werden.
Segne Helferinnen und Helfer, die vor Ort arbeiten und Menschenleben retten.
Lass die Hoffnung auf Frieden im Sudan nicht erlöschen.
Stärke mit Deinem Geist alle,
die sich klug und besonnen dafür einsetzen, dass die Gewalt abnimmt.
Öffne Wege des Friedens
für eine bessere Zukunft im Sudan.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Trinitatis (18.06.)2023

  • Eröffnung

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
Diese herzliche Einladung Jesu aus dem Matthäusevangelium steht heute über dieser Woche. Diese Einladung gilt nicht nur für heute, für diesen Tag, sondern für unser ganzes Leben. Aber wird sie auch gehört?

  • Von den reichen Gütern deines Hauses – Aus Psalm 36

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes /
und dein Recht wie die große Tiefe.
Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

  • Ein Lied: „Kommt her, ihr seid geladen“ (EG 213)

1) Kommt her, ihr seid geladen,
der Heiland rufet euch;
der süße Herr der Gnaden,
an Huld und Liebe reich,
der Erd und Himmel lenkt,
will Gastmahl mit euch halten
und wunderbar gestalten,
was er in Liebe schenkt.

2) Kommt her, verzagte Sünder,
und werft die Ängste weg,
kommt her, versöhnte Kinder,
hier ist der Liebesweg.
Empfangt die Himmelslust,
die heilge Gottesspeise,
die auf verborgne Weise
erquicket jede Brust.

3) Kommt her, betrübte Seelen,
die Not und Jammer drückt,
mit Gott euch zu vermählen,
der wunderbar beglückt.
Kommt, legt auf ewig ab
der Sünde bange Säumnis;
empfanget das Geheimnis,
das Gott vom Himmel gab.

4) O Wonne kranker Herzen,
die mir von oben kam!
Verwunden sind die Schmerzen,
getröstet ist der Gram.
Was von dem Himmel fließt,
hat lieblich sich ergossen;
mein Herz ist gar durchflossen
vom süßen Liebesgeist.

5) Drum jauchze, meine Seele,
hell aus der Sündennacht!
Verkünde und erzähle
die tiefe Wundermacht,
die unermesslich süß,
ein Born der Liebe, quillet
und jeden Jammer stillet,
der fast verzweifeln ließ.

6) Drum jauchze, meine Seele,
drum jauchze deinem Herrn!
Verkünde und erzähle
die Gnade nah und fern,
den Wunderborn im Blut,
die sel’ge Himmelsspeise,
die auf verborgne Weise
dir gibt das höchste Gut.

  • Noch Raum da – Evangelium nach Lukas (Lk 14,15-24)

Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.

  • Was Gott mir gegeben hat. – Gedanken zum Lukasevangelium

Das Evangelium beginnt mit einer Aussage eines Menschen, der mit Jesus am Tisch sitzt: Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
Eine kleine Predigt in sich ist das. Das leibliche Essen wird ihm in Gegenwart Jesu zu einem geistigen Essen. Das Essen hier zu einem Bild für das Essen seines Leben. Nicht nur zur Sättigung des Körpers sondern auch des Geistes.
Und er geht davon aus, dass dieses Essen für jeden eine wohlschmeckende und beglückende Mahlzeit ist.
Er schränkt nichts ein.
Um so überraschender ist dann aber Jesu Antwort, der mit der Geschichte eines Hausherrn einsetzt, der „Viele“ einlädt. Wen er da einlädt, wird nicht weiter beschrieben. Jedenfalls haben aber diese „Vielen“ etwas Besseres zu tun. Sie brauchen die Einladung nicht, oder sie ist ihnen nicht so wichtig. Acker, Vieh und Frau, das ist es, was für diese in diesem Moment zählt.
Der Hausherr ist zornig. Und so öffnet er sein Haus für andere Menschen, die nicht gerade mit ihrem Besitz beschäftigt sind. Für Menschen, die Zeit haben, und das Mahl des Hausherrn zu schätzen wissen. Zweimal geht der Knecht hinaus, um diese Menschen einzuladen. Es ist ein großes Haus und es passen viele Menschen dort hinein; und dennoch sind anscheinend die meisten ebenfalls mit etwas Besserem beschäftigt.
An dieser Stelle könnte sich die Hörerin fragen, warum die zuerst Eingeladenen die Einladung ausschlagen. Fehlt es ihnen an Einsicht? Setzen sie falsche Prioritäten?
Das ist eine Deutung, die ich oft höre im Raum der Kirche. Wenn nur wenige Menschen zum Gottesdienst kommen, wird immer wieder danach gefragt, warum? Was machen wir falsch? Können wir nicht attraktiver sein und eine echte Alternative zu den üblichen Beschäftigungen, die Menschen davon abhalten die gute Botschaft zu hören? Sie ist doch für alle wichtig! Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! So ist es doch.

Diese Fragen und diese Aussage des Tischgastes an Jesu Seite werden aber überraschenderweise von Jesus nachhaltig in Frage gestellt. Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken. Das ist sein hartes Resumee am Ende der Geschichte. Es ist eine direkte Reaktion auf die Aussage des Tischgastes. Und sie beschließt zugleich die Beispielgeschichte.
Für den einladenden Hausherrn gibt es also nicht die Frage, ob sein Abendmahl gut genug ist. Ob seine Einladung einladend ist. Für ihn gibt es nur die Feststellung, dass die ursprünglich Eingeladenen, ich sag es mal böse, an Geschmacksverirrung leiden. Der Grund ist deutlich ausgeführt. Sie haben mit ihrem Besitz zu tun. Und vergessen darüber, worauf es wirklich ankommt. Und was wirklich schmeckt. Sie haben es so sehr vergessen, dass sie schlichtweg nicht in der Lage sind, den guten Geschmack des Abendmahles zu schmecken. Der Hausherr und ebenso Jesus seinem Tischnachbarn gegenüber stellen also fest: Es wird ihnen nicht schmecken. Es gibt Menschen, denen selbst die Seligkeit des Reiches Gottes nicht zusagen wird.

Das klingt ziemlich hoffnungslos, wie sich diese Geschichte da am Ende bündelt.
Gibt es tatsächlich Menschen, die verloren sind? Denen das Reich Gottes nicht schmackhaft gemacht werden kann?

Ich mag das nicht glauben und bin auf der Suche nach Antworten.

Zwei Gedanken dazu möchte ich hier teilen.

Den einen nenne ich den Gedanken zur Schwarzbrotpredigt. Das ist ein gern gebrauchtes Bild in der kirchlichen Sprache, das davon ausgeht, dass es nur eine Zeit braucht und die richtige Sprache oder auch den richtigen Inhalt, um den Hörer einer Predigt klarzumachen, dass er sich bisher mit weniger nahrhaften Lebensmitteln gesättigt hat.
Ich habe da immer meinen Vater vor Augen, der nach einem Stück Torte oder auch zwei nach etwas „Festem“ verlangte. Dann schnitt er sich ein Stück Brot ab und schnitt sich ein Stück Blutwurst ab und aß dann genüßlich, um den allzu süßen Geschmack des Kuchens zu neutralisieren. Ernährungsphysiologisch kann man das durchaus in Frage stellen. Aber für ihn bedeutete es einen Kontrast im Geschmack, der die Geschmackswelt wieder ein bisschen ins Gleichgewicht brachte.
Demgemäß müssten wir nur warten, dass die Menschen übersättigt sind von den allzu süßen und verführerischen Genüssen der Welt, um die Botschaft Christi wieder hören und schätzen zu können.
Allerdings kommen auch mir da Zweifel. Es muss mitunter schon Schlimmes passieren, um den Appetit auf die etwas härtere und schwerer zu kauende Schwarzbrotpredigt zu wecken.

Das führt mich zum zweiten Gedanken. Können wir was tun, um diesen Appetit zu wecken? Ich denke dabei an die Worte des Theologen und Dichters Christian Lehnert, der seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Gottesdiensten beschreibt: „Ich habe Messen größter musikalischer, liturgischer und sprachlicher Ausdruckskraft erlebt, Feste der Sinne in strahlenden Kirchen, und ich habe dabei irgendwann, leer im Herzen, nur noch die Ornamente der Deckenbemalung verfolgt und bin hinausgegangen, so wie ich hineingekommen bin. Es gibt das Gegenteil: Dorfgottesdienste, wo die Pfarrerin in aller Eile einen Gottesdienst abarbeitet. Er darf nicht länger als vierzig Minuten dauern, weil dann schon der nächste im Nachbardorf ansteht. Sie spricht zu schnell, man bemerkt in jedem Detail, jeder Lesung, jedem Gebet und Lied das Bestreben, abzukürzen und zu verdichten, und ich bin doch am Ende plötzlich wie verzaubert von dem, was am Altar geschieht, und empfange, taumelnd fast, das Sakrament …“*
Zunächst also, liebe Gemeinde, können wir nichts tun. Es ergibt sich. Es kommt ganz darauf an. Wer sitzt da, in welcher Verfassung, mit welchen Stimmungen. Was hat er vorher erlebt, wie geht es ihm und wie nimmt er das wahr, was um ihn geschieht. Und dann gibt es den einen Moment, der ihn verzaubert.
Wir haben das nicht in der Hand. Es überfordert uns und wir können es am Ende nur dem Heiligen Geist überlassen. Und vielleicht unserer eigenen Frömmigkeit, unserer eigenen Überzeugung und nicht unserer Überzeugungskraft.

Und zugleich wecken diese beiden Gedanken die Hoffnung und auch eine innere Ruhe, dass das, was uns hier am Herzen liegt, was uns in diesem Moment wichtig ist, auch andere Menschen erreichen kann. Es ist kein Wettbewerb und keine Messe der besten Botschaften. Es ist eine Bewegung der Seelen, die letzten Endes in der Hand Gottes liegt.
Und ich glaube, dass auch Jesus das sagen möchte. Wenn er nämlich die Armen und Verkrüppelten, die Blinden und Lahmen im Blick hat, die auf den Landstraßen und an den Zäunen, dann meint er wohl die, die nicht nur am Leib leiden. Dann sind wohl auch die gemeint, die ich erst mal gar nicht im Blick habe, weil sie doch schon alles haben. Zu haben scheinen.

Dann ist es gut, ein Stück Brot im Schrank zu haben, ein Wort, das in aller Eile dennoch weit reicht, ein Abschiedsgruss, der nach langen Reden die Dinge auf den Punkt bringt, der signalisiert, hier ist ein Platz, wo du das findest, was du zum Leben brauchst. Weil es mir selbst gut getan hat. Weil ich mit gutem Herzen sagen kann: Das ist für dich! Weil Gott es mir gegeben hat.

Amen.

*Christian Lehnert, Der Gott in einer Nuß. Berlin 2017, S. 18.

  • Was uns bewegt – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Was die einen zuviel haben, fehlt den anderen.
Wir sind übersättigt von diesen Einsichten.
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was uns wirklich nährt,
und lege uns Worte bei, die das deutlich sagen.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Wir sind übersättigt von den Meinungen.
Welche sollen wir haben?
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was unseren Mitmenschen bewegt
und lege uns Worte bei, die ihn erreichen.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
In unserer Kirche und unseren Gottesdiensten
wollen wir deine gute Botschaft weitergeben.
Aber wir haben viele Fragen.
Wecke unseren Appetit, keine vorschnellen Antworten zu geben,
sondern von dem zu sprechen,
was uns in der Tiefe unserer Seele bewegt.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
An Leib und Seele.
Auch hier in unmittelbarer Nähe.
Wecke unseren Appetit, dass wir die Augen offen haben,
und etwas Zeit und etwas Nahrung
für unsere Verwirrung, Einsamkeit und Not.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Trinitatis (11.06.)2023

  • Eröffnung

„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Der Wochenspruch aus dem Lukasevangelium erinnert uns daran, wo wir Gott finden können. In den Worten Jesu und in den Worten derer, die seinem Wort folgen. Da ist Gott uns nah. Amen.

  • Tagesgebet

Du unbegreiflicher Gott,
die Himmel können dich nicht fassen –
und doch kommst du uns nahe in deinem Wort.
Hilf, dass wir deine Stimme unterscheiden
von den vielen anderen Stimmen, die auf uns einreden,
damit unser Leben dir gehöre, getragen und geformt
von deiner Liebe, die uns in Jesus Christus begegnet.
Amen.

  • Was mir nützlich ist – „Von Gott will ich nicht lassen“ (EG 365)

1) Von Gott will ich nicht lassen,
denn er lässt nicht von mir,
führt mich durch alle Straßen,
da ich sonst irrte sehr.
Er reicht mir seine Hand;
den Abend und den Morgen
tut er mich wohl versorgen,
wo ich auch sei im Land

2) Wenn sich der Menschen Hulde
und Wohltat all verkehrt,
so findt sich Gott gar balde,
sein Macht und Gnad bewährt.
Er hilft aus aller Not,
errett‘ von Sünd und Schanden,
von Ketten und von Banden,
und wenn’s auch wär der Tod.

3) Auf ihn will ich vertrauen
in meiner schweren Zeit;
es kann mich nicht gereuen,
er wendet alles Leid.
Ihm sei es heimgestellt;
mein Leib, mein Seel, mein Leben
sei Gott dem Herrn ergeben;
er schaff’s, wie’s ihm gefällt!

4) Es tut ihm nichts gefallen,
denn was mir nützlich ist.
Er meint’s gut mit uns allen,
schenkt uns den Herren Christ,
sein eingebornen Sohn;
durch ihn er uns bescheret,
was Leib und Seel ernähret.
Lobt ihn in’s Himmels Thron!

5) Lobt ihn mit Herz und Munde,
welchs er uns beides schenkt!
Das ist ein selge Stunde,
darin man sein gedenkt;
denn sonst verdirbt all Zeit,
die wir zubringn auf Erden.
Wir sollen selig werden
und bleibn in Ewigkeit.

  • Mit Flehen und Seufzen – Lesung aus dem 1. Johannesbrief (1Joh 4,13-21)

Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat.
Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt. Wer nun bekennt, dass Jesus Gottes Sohn ist, in dem bleibt Gott und er in Gott. Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat: Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darin ist die Liebe bei uns vollendet, auf dass wir die Freiheit haben, zu reden am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

  • Das ein‘ ist in dem Andern. – Ein Dialog zu den Worten des Johannesbriefes

Früher, sagst du, gab es noch Zeit, dem Gras beim Wachsen zuzusehen.
Das Gras war wichtig und unglaublich interessant.
Früher, entgegne ich, hättest du gar keine Zeit gehabt für solche Kleinigkeiten. Vor lauter Sorgen um Geld, und Haus und Heizung. Da hättest du Tag und Nacht arbeiten müssen. Die Augen wären dir zugefallen vor Müdigkeit und du würdest gar nichts sehn.
Früher, sagst du, wohnten die großen Dinge in den kleinen. Deshalb waren die kleinen Dinge so wichtig. Genauso wichtig wie die großen. Dann aber haben wir die kleinen Dinge von den großen getrennt. Oder die großen von den kleinen. Es schien dem Menschen besser so. Aber die großen Dinge halten uns seitdem noch mehr auf Trab.
Die großen Dinge stehlen sich in unsere Pläne und Träume. Sie locken und verführen uns mit ihrer Wichtigkeit. Sie beherrschen alles und die kleinen Dinge, oder das, was wir für klein halten, werden an den Rand gerückt. Aus Sorge und aus Angst, das scheinbar Große zu verpassen und ihm nicht gerecht zu werden.
Rede du nur, sage ich müde. Ich kann dir gar nicht folgen. Wie sollen die großen Dinge in den kleinen sein?
Große Dinge sind groß, kleine Dinge sind klein. Jedes ist für sich. Schon immer.
Und ja, die großen Dinge nehmen uns ganz in Anspruch. Die kleinen Dinge übersehen wir. So ist das nun mal. Früher war das so und heute auch. Selbst in der freien Zeit.
Der Rest ist Spinnerei.
Der Rest ist Gott, sagst du. Der Rest ist die Liebe.
Und dann liest du mir vor. Aus dem 1. Johannesbrief:
Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
In uns! Großer Gott in kleinem Menschen, sagst du. Triumphierend schaust du mich an.
Große Dinge, die in kleinen wohnen, denke ich. Gott ist groß. Ich bin klein. Wie könnte er in mir wohnen. Der Liebe wegen?
Ich denke an Angelus Silesius. An den Sinnreim: Das ein‘ ist in dem Andern.
Jch bin nicht ausser GOtt / und GOtt nicht ausser mir /
Jch bin sein Glantz und Liecht / und Er ist meine Zihr.*
Groß und Klein vereint.
Genau genommen, sage ich zu dir, hat der Unterschied zwischen Groß und Klein dann gar keinen Sinn mehr.
Du nickst mit dem Kopf und sagst: Aha, doch noch da? Ich dachte schon, die Gedanken hätten dich gefressen. Aber ich sehe es ein bisschen anders. Gott ist klein. Gott ist Liebe. Einfach Liebe. Er ist so klein, dass er in uns wohnen kann.
In jedem von uns. Im Bruder, in der Schwester, in den Notleidenden, in den Traurigen, in den Verachteten. Sie sind Gott. Sie sind klein. Sie sind groß, weil sie Gott Raum gewähren. Weil sie den großen Dingen nicht genügen, wohnt Gott in ihnen.
Denn Gott ist keine Angst. Gott ist kein Gericht. Gott kommt zu uns Menschen. Die Liebe will bei uns sein. Mitten in uns drin. Mit Angst und Gericht hat das nichts zu tun. Auch nicht mit Macht und Gewalt, nicht mit Erfolg und Geld und Reichtum. Mit nichts, was als groß gilt auf der Welt. Mit nichts, was uns Angst macht, was uns einschüchtert, bewertet und beurteilt.
Das klingt schön, sage ich. Aber die Sorgen bleiben doch.
Dafür haben wir später noch genug Zeit, sagst du.
Du hast Recht, sage ich, wie es in einem Lied heisst: Das ist ein sel’ge Stunde, darin man sein gedenkt; denn sonst verdirbt all Zeit.**
So ungefähr, sagst du. Aber jetzt sehen wir dem Gras beim Wachsen zu, ok?

*Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann, hg. von Georg Ellinger, Halle 1895, S. 23, Nr. 106.
** EG365,5

  • Umgeben von großen Dingen? – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,
wir sind umgeben von den großen Dingen, die unsere Welt beherrschen. Reichtum und Macht prägen unser Zusammenleben. Sie nehmen uns gefangen. Befreie uns von den Gedanken, dass nur das scheinbar Große uns glücklich machen kann.
Frieden und Gerechtigkeit zwischen Ländern, zwischen Menschen und in der Gesellschaft wohnen in den kleinen Dingen. Dort können wir sie finden. Weil du in ihnen wohnst.

Großer Gott,
der Glaube sagt, dass du für uns klein und schwach geworden bist. Wir merken, wie schwer das zu verstehen ist und zu sagen ist. Stärke uns, dass wir diese Botschaft auch gegen den Anschein weitersagen und leben können.

Großer Gott,
du bist gegenwärtig in den Menschen, die uns oft klein erscheinen. In Jesus Christus hast du uns gezeigt, dass wir in diesen Menschen unserem Glauben besonders nah kommen. Stärke uns in dieser Nähe. Lass uns erfahren, dass wir dich erkennen in denen, denen wir sonst lieber ausweichen.

Großer Gott,
wenn wir uns selbst klein fühlen, wenn wir uns schwach, krank, wertlos und traurig fühlen, dass du uns dann besonders nah bist.

Großer Gott,
wir beten zu dir mit wenigen Worten, die uns Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Pfingstmontag (29.05.)2023

  • Eröffnung

Erfüllt vom heiligen Geist fingen die Jünger an zu predigen „in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab“. So wird es in der Apostelgeschichte beschrieben. Die Gemeinschaft im christlichen Glauben begann also damit, dass Verständigungsschwierigkeiten überwunden werden. Das ist eine Aufgabe, die bis heute immer wieder angegangen werden muss. Und die den guten Geist Gottes unter uns wirksam werden lässt.

  • Du bist mein Gebet – Ein Psalm nach Psalm 118 (Peter Spangenberg)

Sagt mit mir Danke!
Danke, lieber Gott,
dass du so freundlich mit uns umgehst
und uns mit deiner Liebe begegnest.
Die ganze Gemeinde sage: Danke!
In allen Kirchen sollen sie singen: Danke!
Wenn wir Angst haben und nicht wissen wohin,
dann können wir uns an Gott wenden.
Er ist dann ganz für uns da
und gibt uns neuen Lebensmut.
Sich auf Gott zu verlassen hat Sinn.
Lieber Gott, du bist meine Rückendeckung,
du bist mein Gebet
in dir bin ich ruhig
wie ein kleines Kind in der Wiege.
Ich werde nicht zerbrechen,
ich werde leben.
Du mutest mir viel zu,
aber du lässt mich nicht allein.
Kam ich mir schon vor,
als würde ich nicht mehr gebraucht,
so hast du mich wieder ins Leben eingefügt.
Was für ein Tag!
Ein großes Fest mit Gott.
Sagt mit mir: Danke! Und freut euch mit.

  • Mach du uns eins – Ein Lied: „Atme in uns, Heiliger Geist“ (EGE 7)

Atme in uns, Heiliger Geist,
brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist,
Atem Gottes, komm!

Komm, du Geist, durchdringe uns,
komm, du Geist, kehr bei uns ein.
Komm, du Geist, belebe uns,
wir ersehnen dich.

Atme in uns, Heiliger Geist,
brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist,
Atem Gottes, komm!

Komm, du Geist, mach du uns eins,
komm, du Geist, erfülle uns.
Komm, du Geist und schaff uns neu,
wir ersehnen dich.

  • Die Menschen sind platt. – Worte aus dem 1. Kapitel der Apostelgeschichte

(Der untenstehende Text orientiert sich an den Vorgaben der sogenannten einfachen oder leichten Sprache, die Personen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen, Menschen mit Lern- oder auch Leseschwierigkeiten helfen soll, am gesellschaftlichen oder eben auch kirchlichen Leben teilzuhaben.)

Alle Freunde von Jesus Christus sind zusammen.

Die Freunde sitzen im Haus:

und hören plötzlich Lärm am Himmel.
Ein Sturm ist im ganzen Haus
und die Freunde sehen Zungen aus Feuer.
Die Feuerzungen verteilen sich.
Und das Feuer ist auf den Jüngern.
Der Geist von Gott brennt jetzt in den Freunden Jesu.
Die Freunde haben Herzklopfen vor Freude.
Alle Apostel reden in anderen Sprachen.
Der Geist von Gott redet für sie.

In Jerusalem wohnen Juden aus allen Ländern.
Die Juden glauben an Gott.
Auf einmal ist es dann so laut.

Und alle Menschen rennen hin.
Und die Menschen sind verwirrt:
Die Menschen sind aus vielen fremden Ländern.
Die Menschen sprechen viele fremde Sprachen.
Und alle Menschen verstehen die Apostel.
Die Menschen sind platt.
Und alle Menschen wundern sich.

Die Freunde von Jesus sprechen mit uns.
Sie sprechen wie wir.
Sie sprechen unsere Sprachen.
Egal aus welchem Land wir sind.
Wie geht das?

Worte der Heiligen Schrift.

  • Nicht viele Worte – Gedanken zu 3. Kapitel des 1. Samuelbuches.

Jerusalem ist eine Stadt, in der Juden aus vielen Ländern miteinander leben. Nicht alle sprechen die selbe Sprache. Aber sie sind hier, weil Jerusalem ein Zentrum für ihren Glauben ist. Sie sind miteinander verbunden in diesem Glauben an den einen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat und der das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten in ein gelobtes Land geführt hat.
So sind sie getrennt und verbunden zugleich.
Es gibt eine sprachliche Barriere.
Es gibt einen gemeinsamen Glauben.

Dieses Jerusalem erscheint fast wie eine große Stadt unserer heutigen Zeit. Eingebettet in das römische Reich, das nahezu die damals bekannte Welt umfasst.
Ein Sammelbecken verschiedener Menschen und auch Religionen.
Bis heute fragen wir uns, wie das gehen kann.
Das fragen sich auch die Menschen, die Zeugen des Pfingstwunders geworden sind.

Schwierig ist so eine große Menge unterschiedlicher Bewohner und Besucher einer Stadt, weil diese vielen Menschen mit je eigenen Vorstellungen vom Zusammenleben und Werten daherkommen. Verständigungsschwierigkeiten gibt es also nicht nur wegen der jeweiligen Landessprache. Schon jede Geste, jede Bewegung, jede Begegnung trägt in sich die Gefahr, einander misszuverstehen.

Dabei ist die Stadt nur der Ort, wo sich unsere individuellen Eigenschaften besonders gut entfalten können. Fluch und Segen ist das zugleich. Ich habe viele Möglichkeiten, mich zu entfalten und zu entwickeln. Gleichzeitig vergrößert sich die Gefahr, meinem Mitmenschen damit auf die Füße zu treten. Was ich eigentlich nicht will. Vielmehr bin ich ein Gemeinschaftswesen, dass sich nach Anerkennung und Geborgenheit sehnt. Und so gibt es immer zwei Sehnsüchte. Die eine richtet sich auf meine Möglichkeiten, mir die Welt nach meinem Bilde zu erschaffen. Die andere aber auf die Suche nach Sicherheit und Wärme, die mein Leben erhält.

Ich meine, dass das auch vor 2000 Jahren schon so war. Und es galt sicher auch für die Jünger und Freunde Jesu. Für diese war es ein Wagnis und ein völlig neuer Weg, den sie beschritten haben. Sie waren eine kleine Minderheit nicht nur unter den Menschen des riesigen römischen Reiches. Sie waren auch unter den jüdischen Menschen im Grunde Außenseiter. Sie folgten Jesus. Sie hofften darauf, dass er der ersehnte Messias sei, der dem jüdischen Volk ein freies und selbstbestimmtes Leben verspricht.

Eigene Ziele und eigene Sehnsüchte in einer damals schon unübersichtlichen Welt. Sicher sein kann sich da niemand.
Wie könnten sie sich verständlich machen in dieser Stadt, in diesem Glauben, in diesem römischen Reich?
Die Geschichte vom Pfingstfest gibt darauf eine Antwort, die tiefer reicht als das, was ein Sprachkurs oder eine Lernapp auf dem Handy regeln könnte.

Diese Frage reicht tief und sie beschäftigt uns bis heute. Die Zahl der Stimmen und Meinungen und Ansichten und Überzeugungen ist kaum zu zählen. Mit dem, was ich vorzubringen habe, was ich mir wünsche oder zu erreichen trachte, stehe ich immer in der Gefahr, an Grenzen zu stoßen, Missfallen zu erregen oder andere Menschen zu verletzen. Unser Miteinander ist ein fragiles Gebilde und leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Da ist es gut, Orientierung zu haben; oder besser gesagt, Orientierung zu erfahren. Es ist eine Orientierung, die sich nicht festhalten lässt oder die ich in der Tasche mit mir tragen könnte. Es gibt keinen Kompass, der immer nach Norden zeigte. Diese Art von Orientierung ist in jeder Begegnung und bei jeder Gelegenheit neu auszuhandeln und einzustellen. Wohin treibt es mich heute, was bewegt mich und wem stehe ich gegenüber, mit welcher Lebensgeschichte werde ich da konfrontiert?

So ist es auch an jedem Tag. Wer wohnt da neben mir? Wen begegne ich? Was teilen wir miteinander? Was verbindet uns? Und worin unterscheiden wir uns?
So ist es auch damals in Jerusalem unter dem Brausen des Sturmes, unter den Feuerflammen und dem Feuer in uns. Ein höchst bewegliches und bewegtes Gebilde.
Ein Pfingstwunder geschieht. Bis heute feiern wir deshalb miteinander Gottesdienst. Wir beten und singen. Wir feiern unseren Glauben. Wir teilen die Sehnsucht nach Frieden vor Gott und den Menschen. Wir verstehen uns. Hoffentlich.
Dieses Verständnis braucht zuerst die Kraft aus dem Himmel, die uns zusammenbringt in dieser verrückten und verrückt gewordenen Welt. Und dann braucht es aber auch die Kraft, die unserem Zartgefühl, unserer Sorgfalt und unserer Hingabe entspricht. Gott stellt sie bereit, und wir können etwas daraus machen. Wie ein Band, das jede und jeden von uns miteinander verbindet. Darauf können wir acht geben. Dass es nicht zerreisst. Gottes Band in seinem heiligem Geist. Der uns bewahre und stärke zum rechten Glauben in Jesus Christus. Amen.

  • Vor nichts Halt machen – Miteinander und füreinander beten

Gott, wir bitten dich für alle Menschen in Not!
Vereine uns immer weiter zum gemeinsamen Geben durch Deinen Heiligen Geist.
Lass Freigiebigkeit und Großzügigkeit aufblühen.
Dein Geist mache vor nichts Halt und überwinde Eigensinn und Verständnisbarrieren!
Treib aus, was uns beengt und befreie uns Deine Liebe zu leben!
Ermutige uns, in deinem Sinne zu denken, zu fühlen und zu handeln,
in der Kraft deines Pfingst-Geistes, der alle menschlichen Grenzen überwindet.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Exaudi (21.05.)2023

  • Eröffnung

Am sechsten Sonntag nach Ostern, am Sonntag Exaudi, befestigt der Wochenspruch die bleibende Bindung an Jesus Christus: „“Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten wird die Grenze zwischen Himmel und Erde durchlässig. Gemeinsam können wir uns dafür rüsten und offen sein für Gottes Wort.

  • Auf ebener Bahn – Ein Psalm (Ps 27,1.7-14)

Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und antworte mir!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: /
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Herr, weise mir deinen Weg
und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.
Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde!
Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

  • Die Leuchte unsern Füßen – Ein Lied: „Herr für Dein Wort sei hoch gepreist“ (EG 196)
  1. Herr, für dein Wort sei hoch gepreist;
    laß uns dabei verbleiben
    und gib uns deinen Heilgen Geist,
    daß wir dem Worte glauben,
    dasselb annehmen jederzeit
    mit Sanftmut, Ehre, Lieb und Freud
    als Gottes, nicht der Menschen.
  2. Öffn uns die Ohren und das Herz,
    daß wir das Wort recht fassen,
    in Lieb und Leid, in Freud und Schmerz
    es aus der Acht nicht lassen;
    daß wir nicht Hörer nur allein
    des Wortes, sondern Täter sein,
    Frucht hundertfältig bringen.
  3. Am Weg der Same wird sofort
    vom Teufel hingenommen;
    in Fels und Steinen kann das Wort
    die Wurzel nicht bekommen;
    der Same, der in Dornen fällt,
    von Sorg und Lüsten dieser Welt
    verdirbet und ersticket.
  4. Ach hilf, Herr, daß wir werden gleich
    dem guten, fruchtbarn Lande
    und sein an guten Werken reich
    in unserm Amt und Stande,
    viel Früchte bringen in Geduld,
    bewahren deine Lehr und Huld
    in feinem, gutem Herzen.
  5. Dein Wort, o Herr, laß allweg sein
    die Leuchte unsern Füßen;
    erhalt es bei uns klar und rein;
    hilf, daß wir draus genießen
    Kraft, Rat und Trost in aller Not,
    daß wir im Leben und im Tod
    beständig darauf trauen.
  6. Gott Vater, laß zu deiner Ehr
    dein Wort sich weit ausbreiten.
    Hilf, Jesu, daß uns deine Lehr
    erleuchten mög und leiten.
    O Heilger Geist, dein göttlich Wort
    laß in uns wirken fort und fort
    Glaub, Lieb, Geduld und Hoffnung.
  • Geh wieder hin – Worte aus dem 3. Kapitel des 1. Samuelbuches

Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem Herrn diente unter Eli, war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung. Und es begab sich zur selben Zeit, dass Eli lag an seinem Ort, und seine Augen fingen an, schwach zu werden, sodass er nicht mehr sehen konnte. Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Und Samuel hatte sich gelegt im Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes war. Und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich!, und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen. Der Herr rief abermals: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn; geh wieder hin und lege dich schlafen. Aber Samuel kannte den Herrn noch nicht, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart. Und der Herr rief Samuel wieder, zum dritten Mal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben rief. Und Eli sprach zu Samuel: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort. Da kam der Herr und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.

Worte der Heiligen Schrift.

  • Nicht viele Worte – Gedanken zu 3. Kapitel des 1. Samuelbuches

Liebe Gemeinde,

im Samuelbuch wird etwas beschrieben, was uns für die Bibel nicht ungewöhnlich vorkommt. Samuel wird von Gott angesprochen. In der Bibel geschieht dies doch öfter. Gott spricht. Zu Mose aus dem brennenden Dornbusch. Zu Jakob im Traum. Zu Jesus aus dem geöffneten Himmel. Doch Samuel kann diese Ansprache nicht einordnen. Deshalb geht er davon aus, dass es Eli sei, der Priester des Tempels, dem Samuel dient; es muss wohl dieser gewesen sein, der ihn da plötzlich anspricht. Mit Gott rechnet er nicht. Denn es wird ja auch gesagt, dass „das Wort des Herrn selten“ war und es „kaum noch Offenbarung“ gab. Einem heutigen Menschen ginge es ganz ähnlich. Wenn dieser heute eine Stimme hörte, würde er nach einer Quelle suchen, die nichts mit Gott zu tun hat; etwa einen Menschen in der Nähe oder von einem technischen Gerät herrührend oder gar eine Stimme aufgrund einer Geisteskrankheit. Zudem ist es im Falle Samuels so, dass er „den Herrn noch nicht kannte, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart“.
Aber auch Eli braucht drei Anläufe, bis er Gott als Quelle der Stimme annimmt. Immerhin hat er aber als Priester die Erfahrung, die diesen Umstand in Erwägung zieht.
Erstaunlich ist allerdings, dass Samuel ihm ohne Zögern glaubt. Nachdem ihn Eli instruiert hat, reagiert Samuel sofort auf Gottes Stimme und antwortet ihm, indem er sich ihm als sein Knecht vorstellt.

Dieses Vertrauen in Elis Deutung nutzt auch die Werbung. Marketing-Experten wissen, dass die beste Werbung Mund-zu-Mund-Propaganda ist. Ein uraltes Prinzip, dass heute wieder besonders im Blick ist durch die Mittel der modernen Kommunikation. Die Ursache liegt darin, dass wir Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern am meisten vertrauen. Wenn mir ein guter Freund etwas empfiehlt, dem ich auch gewisse Kenntnisse zuschreibe, gehe ich davon aus, dass es eine gute Entscheidung ist.
Die Grundlage dafür ist – wie gesagt – das Vertrauen, dass ich einem Menschen entgegenbringe. Ich vertraue darauf, dass er es gut mit mir meint. Dann folge ich seinem Rat gerne und kann mich erfahrungsgemäß darauf verlassen.

Wenn man so will, „bewirbt“ Eli Gott. Auf sein Wort hin erkennt Samuel die Stimme Gottes. Das würde wohl heute nicht mehr ohne Weiteres funktionieren. Wenn ich aufgrund der Empfehlung eines befreundeten Handwerkers eine Bohrmaschine kaufe, ist das selbstverständlich. Aber wenn er mir erzählte, ich solle auf Gottes Stimme hören, wäre ich doch verwundert.

Dennoch bewegt mich diese Geschichte, weil sie doch so nah an unser heutiges Empfinden und Denken heranreicht. Gottes Stimme ist selten geworden und es gibt kaum noch Offenbarung. Gläubige Menschen sagen oft, dass es wohl leichter wäre zu glauben, wenn uns die Mütter und Väter des Glaubens in der Bibel tatsächlich Auge in Auge gegenüberstehen würden. Aber würde ich ihnen mehr glauben als meinem Handwerkerfreund?

Heute wie damals braucht es jedenfalls eine Vorbereitung, oder „Werbung“, um Gottes Stimme hören zu können. Wahrnehmen werde ich sie dann, wenn mir von einem anderen Menschen vermittelt wird, dass ich sie hören könnte und kann. Läse ich etwa nur eine Bibelstelle, hörte ich Gott noch lange nicht. Es käme darauf an, was es in mir selbst auslöst und wie eben Menschen dazu stehen, denen ich vertraue. Viele Worte braucht es dazu nicht. Das wäre schon wieder verdächtig. So als ob Gott angepriesen werden müsste. Wenn eine Freundin mir etwas empfiehlt, muss sie nicht viele Worte machen. Demgemäß ist auch die Anweisung Elis kurz und knapp: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Eli erklärt nichts, er macht keine große Sache daraus, er verlangt nichts und will nichts weiter wissen; er lässt es einfach geschehen. Und Samuel glaubt ihm. So beginnt Samuels Geschichte mit Gott.

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten darf diese Geschichte als ein Beispiel gelten, wie Gott mit uns spricht. Jesus, Gottes Sohn, spricht uns nicht mehr direkt an. Denn er sitzt nun zur Rechten Gottes. Und das Erlebnis der Jünger zu Pfingsten war einmalig. Dennoch ist die Stimme Gottes da. Auf sehr individuelle Weise. Manchmal brauchen wir den Hinweis von außen, dass es die Stimme Gottes sei, die uns da begegnet. Manchmal brauchen wir eine gewisse Zeit, bis wir das auch akzeptieren.

Also ist es gut, die Ohren weit zu öffnen; und das Herz; und auch den Verstand. Es ist ein Angebot. Ich frage einen Freund, was er davon hält; was das sein kann, so eine Stimme. Und dann ist es gut nichts zu erklären, zu wissen, zu fordern oder eine große Sache daraus zu machen. Einfach nur zu sagen: Geh wieder hin; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört.
So einfach kann Werbung sein.

Amen.

  • Von dir betroffen – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,

unsere Welt ist voller Stimmen. Welcher können wir vertrauen?

Deshalb schärfe unseren Verstand,
und vor allem den Verstand jener,
die große Verantwortung tragen.
Guten Rates bedürfen wir alle.
Und großen Vertrauens, um diese Welt
wieder auf gute Wege zu leiten.
Friedliche und gerechte Wege.

Deshalb schärfe unsere Ohren,
dass wir deine Stimme hören können,
wenn wir taub geworden sind
vor Schmerz und Angst und Leid.
Dass wir dir antworten können,
wo sonst unsere Stimme versagt,
um uns in dir geborgen zu fühlen.

Deshalb öffne unser Herz.
dass wir deine Stimme hören
in den Stimmen der Menschen, die uns nah sind.
Nicht nur weil wir sie täglich treffen,
sondern auch, weil sie von dir betroffen sind.
Dass wir unsere Nähe zu dir miteinander
teilen können; und uns deiner Nähe vergewissern.

Deine Stimme verheiße uns deine Nähe.
Unsere Stimmen steigen zu dir auf
wenn wir mit den Worten Jesu Christi sprechen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Rogate (14.05.)2023

  • Eröffnung

Fünf Wochen nach Ostern feiern wir den Sonntag Rogate. Er legt besonderes Augenmerk auf Gebet und Fürbitte. Zu jeder Zeit und an jedem Ort haben wir diese nötig in einer unübersichtlich gewordenen Welt. Und wir bitten Gott um seine Hilfe und seinen Trost.

An diesem Sonntag beschäftigen wir uns in der Luthergemeinde mit dem Buch „Der alte König in seinem Exil“ des österreichischen Autors Arno. Er beschreibt darin die Begegnung mit seinem dementen Vater und gewährt darin überraschende Einblicke, die uns zeigen, das nicht nur dem Vater sondern auch uns „Normalen“ die Welt fremd und heimatlos geworden ist.

  • Von meiner Jugend an – Ein Psalm (Ps 71,1-3b.5.9.20a.21b.23)

HERR, ich traue auf dich,
lass mich nimmermehr zuschanden werden.
Errette mich durch deine Gerechtigkeit
und hilf mir heraus,
neige deine Ohren zu mir und hilf mir!
Sei mir ein starker Hort,
dahin ich immer fliehen kann,
Denn du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott,
meine Hoffnung von meiner Jugend an.
Verwirf mich nicht in meinem Alter,
verlass mich nicht, wenn ich schwach werde.
Du lässest mich erfahren viel Angst und Not
und machst mich wieder lebendig
und tröstest mich wieder.
Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast,
sollen fröhlich sein und dir lobsingen.

  • In den dunklen Stunden – Ein Lied: „Ich möcht‘, dass einer mit mir geht“ (EG 209)

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.

Ich wart‘, dass einer mit mir geht,
der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden.
Ich wart‘, dass einer mit mir geht.

Es heißt, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Es heißt, dass einer mit mir geht.

Sie nennen ihn den Herren Christ,
der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten.
Ich möcht‘, dass er auch mit mir geht.

  • In diesen kurzen Augenblicken – Gedanken zu Arno Geigers Buch „Der alte König in seinem Exil und zu Psalm 71

Psalm 71 ist im Gesangbuch überschrieben mit der Bitte: Verlass mich nicht in meinem Alter.
Das passt unmittelbar zum Buch Arno Geigers. Ein Mensch wird alt und erkrankt an Demenz. Zunehmend verliert er seine Orientierung und findet sich im Alltag nicht mehr zurecht. Für die Menschen um ihn, seine Familie und seine Pflegerinnen ist das eine immense Herausforderung. Der Sohn dieses Menschen beschreibt, wie er nach und nach begreift, was der beste Umgang mit seinem Vater ist. In der Fachsprache heisst das Validierung. Er versucht nicht mehr den Vater von der schalen Wirklichkeit zu überzeugen. Er versucht vielmehr, das, was wir Normalität nennen, an die andersartige Innenwelt des Vaters anzupassen. Er bewegt sich auf einem Zwischenraum zwischen der Welt des Vaters und seiner eigenen. Diese Welten passen nicht mehr übereinander, aber es gelingt ihm, immer wieder Brücken zu schlagen, sprachlich, emotional und alltagspraktisch.
Wir wissen heute, dass im Umgang mit demenzkranken Menschen vor allem die Zeit ein bedeutender Faktor ist. Vieles würde möglich sein, wenn wir die Zeit hätten, jeden einzelnen Menschen zu begleiten. Doch im gegenwärtigen System von Gesundheit und Pflege ist das kaum denkbar.
Der Sohn kann das. Er lässt sein rastloses Leben als Schriftsteller ruhen, gerade an dem Punkt, an dem er beginnt erfolgreich zu werden, und steht dem Vater bei. Fast klingt es, als ruhe er selbst aus. Eine Zeit lang.
Mit diesen Gedanken wird die Bitte des Psalms noch eindringlicher. Wer selbst noch nicht von altersbedingten Krankheiten und Einschränkungen betroffen ist, kann hier einen Eindruck davon bekommen.
Der letzte Vers des Psalms rührt dabei nah an die Geschichte Arno Geigers: Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen. Gefangen ist ja der Vater in seiner dementen Welt und nur mit viel Zartgefühl und Geduld ist eine Begegnung möglich. Etwa, wenn der Sohn auf den Wunsch seines Vaters eingeht, nach Hause gehen zu dürfen, obwohl dieser ja zu Hause ist. Dennoch will er und muss er. Er fühlt sich fremd. Er hat Angst, weil er den Weg nicht kennt. Dann begleite ich dich, entscheidet schließlich der Sohn, und löst damit diese schwierige Situation. Die Angst wird weniger und das Herz fröhlicher.

Aber diese Geschichte bietet uns nicht nur einen Eindruck davon, wie Gott uns Menschen an die Seite stellt, die unseren Bitten und Gebeten Erfüllung gewähren.

Denn es gibt auch solche Sätze in Arno Geigers Buch: „Er – der Vater – ist befreit von dem, was man Informationsgesellschaft nennt, also der hat nur noch ein Bezugssystem im Grundsätzlichen. Wenn er Zugriff hat auf seine Intelligenz, was ja nicht immer der Fall ist, oder was leider nur hin und wieder der Fall ist, dann sagt er Dinge von einer Klarheit, also da greife ich danach mit beiden Händen, und ich weiß, das ist wichtig und ich nehm das mit fürs Leben.“

Da greife ich danach mit beiden Händen, sagt der Sohn. Ich nehm das mit fürs Leben. Der Sohn empfängt etwas vom Vater. Von diesem Vater, der kaum weiß, wo er ist und wer er war. Der nur noch in kleinen und kleinsten Kreisen agieren kann. Der Vater, der ständig selbst Hilfe braucht. Aber anscheinend gehen die Hilfe, die Hoffnung und der Trost nicht nur in eine Richtung. Das angesprochene Zitat deutet an, in welcher Weise der Vater für den Sohn hilfreich sein konnte. Der Sohn ist Autor und Schriftsteller. Es ist keine leichte Sache, davon zu leben. Gerade, wie gesagt, begann er, erfolgreicher zu werden. Damit gehen zahlreiche Reisen und eine Rastlosigkeit und Ortlosigkeit einher, die erschöpfend und ermüdend sind. Dazu kommt das, was Arno Geiger Informationsgesellschaft nennt. Ein Strom von Nachrichten und Bildern, von Dokumentationen und Unterhaltungen, eben von Informationen und Inhalten ergießen sich in unsere Köpfe. Das Gehirn ist normalerweise ein leistungsfähiges Organ, aber es braucht mitunter auch Ruhe. Diese Ruhe wird aber in unserer heutigen Welt, in der Informationen auch ein ökonomischer Faktor sind, nur noch selten gewährt. Neben der Verarbeitung selbst müssen wir uns noch andauernd die Frage stellen, was ist wirklich wichtig, was brauche ich und was kann ich wirklich glauben von dem, was im Internet oder in der Zeitung steht. Fröhlichkeit und Lobgesang bleiben da häufig auf der Strecke, Häme, Hass und Gleichgültigkeit werden gefördert.
In dieser Welt ist es nicht leicht zu sagen, wo jemand sein zu Hause hat, woran er sich halten kann und wo er unwidersprüchlich seine Heimstatt hat. Genau genommen könnte man sagen, dass der Sohn sich ebenso fremd und heimatlos fühlt wie sein Vater, der das eigene Haus nicht mehr erkennt. Bis auf wenige Augenblicke, die ihm eine Klarheit der Rede schenken, die der Sohn selbst als eine Gabe empfindet und empfängt. In diesen kurzen Augenblicken gewährt der Vater Einblick in eine Welt, die von Ruhe und Klarheit erfüllt ist und erlöst den Sohn von seiner Rastlosigkeit.

Wer sich auf die Suche nach Gott macht und ernsthaft nach ihm fragt, wird einer Welt begegnen, die ihm fremd ist. Umgekehrt könnte es aber auch sein, dass wir in jeder Begegnung mit einer fremden Welt Gott finden können. Denn nicht umsonst suchen wir ja eine Alternative zu dem, was uns die Haare grau werden lässt. All der Kummer der Welt, all die Krisen und Katastrophen, all das große Unrecht und Leid das uns bedrückt und uns alt aussehen lässt, können wir ja nicht als erstrebenswert erachten. Wenn wir also dieser Welt fremd werden, könnte es sein, dass wir einen Blick erhaschen, der uns darüber hinaus hilft, dorthin, wo Fröhlichkeit und Lobgesang Platz haben. Der Vater ist so eine fremde Welt und in diesem Sinne Gott näher als jeder junge, klardenkende und erfolgreiche Mensch. Vielleicht war es auch die schriftstellerische Neugier des Sohnes, die es ihm ermöglichte, die Welt des Vaters genauer zu erkunden und dabei einen Blick auf den Himmel zu werfen.
Es könnte also sein, dass wir da Gott finden, der viel Verständnis zeigt für eine ihm fremd gewordene Welt.

Amen.

  • Vieles in Frage gestellt – Miteinander und füreinander beten

Barmherziger Vater,
im Alter werden wir mit Lebensfragen konfrontiert,
die vieles in Frage stellen.
Nicht nur unser eigenes Leben
sondern auch das, was in dieser Welt uns wichtig erscheint.
Wenn wir nicht mehr können, was wir bisher vermochten,
brauchen wir geduldige und verständnisvolle Hilfe.
In unseren Zeiten sind wir dabei
nicht nur auf unsere Familien und Freunde angewiesen,
sondern auch auf ein Pflege- und Gesundheitssystem,
das oft an seine Grenzen gerät.
So bitten wir dich,
begleite jeden Menschen, der seine Kräfte verliert und Hilfe braucht,
stehen allen Menschen bei, die sich in der Pflege und Begleitung engagieren,
gib ihnen die Geduld und Einsicht, die sie brauchen,
um jenen beizustehen, die ihnen anvertraut sind.
Und gib den Verantwortlichen in der Politik
die Einsicht, dass sie die Notwendigkeit erkennen,
wie aufwändig und kräftezehrend es ist,
diese Hilfe zu leisten.
Wenn unsere Mütter und Väter Hilfe brauchen,
beten wir mit Worten an den Vater.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Kantate (07.05.)2023

  • Psalm 98

Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er tut Wunder.
Er schafft Heil mit seiner Rechten
und mit seinem heiligen Arm.
Der Herr lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.
Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt,
singet, rühmet und lobet!
Lobet den Herrn mit Harfen,
mit Harfen und mit Saitenspiel!
Mit Trompeten und Posaunen
jauchzet vor dem Herrn, dem König!
Das Meer brause und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen
Die Ströme sollen frohlocken,
und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn; denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.

  • Lied: „Du meine Seele singe“ (EG 302)

1. Du meine Seele, singe,
wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge
zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben
hier preisen auf der Erd;
ich will Ihn herzlich loben,
solang ich leben werd.

4. Hier sind die treuen Sinnen,
die niemand Unrecht tun,
all denen Gutes gönnen,
die in der Treu beruhn.
Gott hält Sein Wort mit Freuden,
und was Er spricht, geschieht,
und wer Gewalt muss leiden,
den schützt Er im Gericht.

5. Er weiß viel tausend Weisen,
zu retten aus dem Tod,
ernährt und gibet Speisen
zur Zeit der Hungersnot,
macht schöne rote Wangen
oft bei geringem Mahl;
und die da sind gefangen,
die reißt Er aus der Qual.

8. Ach, ich bin viel zu wenig,
zu rühmen Seinen Ruhm;
der Herr allein ist König,
ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre
gen Zion in Sein Zelt,
ist’s billig, dass ich mehre
Sein Lob vor aller Welt.

  • Lesung aus dem Alten Testament 1.Sam. 16,14-23

Der Geist des Herrn aber wich von Saul, und
ein böser Geist vom Herrn verstörte ihn.
Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich.
Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde.
Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir.
Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der Herr ist mit ihm.
Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist.
Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David.
So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger.
Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen.
Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

  • Predigt

Gnade sie mit euch und Friede von dem der da war, der da ist und der da kommen wird.
Liebe Gemeinde,
Die Knechte Sauls sorgen sich um ihren König. Irgendetwas muss passieren. So geht es nicht weiter. Alles zureden, vielleicht auch Hinweise auf das Tagesgeschäft oder die Erinnerung an seine Gottesfurcht: Nichts scheint zu helfen. Der Geist des Herrn ist von Saul gewichen und ein Böser Geist, auch vom Herrn, ängstigte ihn. Saul steckt in einer Krise, einer Macht- und damit auch Lebenskrise. Gott hat sich von ihm abgewendet. Ein anderer soll König für Israel werden und der ist auch schon gesalbt – David der Hirtenjunge. Er lebt noch ohne viel Aufsehen zu erregen bei seiner Familie und hütet die Schafe.

Die Knechte Sauls haben die rettende Idee und suchen einen Harfenspieler. Musik – könnte Saul helfen, wenn alle Worte ihn nicht mehr erreichen. So kommt David an Sauls Hof: Der David, der später selbst der berühmte König wird. Er beginnt seine Karriere am Hofe Sauls als Musiker, der die Seele des Königs berührt und aufheitert.
Der David, dem Saul bald aus Neid nach dem Leben trachtet und bis zu seinem Lebensende mit ihm in Konkurrenz um den Platz als König lebt.

Mit Musik dringt David zu Saul durch. Mit der Musik der Harfe. Worte trösten nicht, lösen nichts, haben keine Kraft. Es sind keine schlauen Ratschläge, keine Argumente, die Saul gegen seine Traurigkeit und Verzweiflung helfen.

Es ist die Musik, die sein Herz und seine Seele erreichen.
Es ist die Musik, die einen Raum eröffnet und ihm Kraft gibt, sich mit dem bösen Geist, den Gott auf ihn gelegt hat, auseinanderzusetzen.

Sie führt ihn aus seiner Situation heraus – in der er mit seinem Machtverlust umgehen muss, in der seine Pläne und seine Anerkennung, seine ganze Lebensleistung in Frage gestellt wird.
In der er an seine Grenzen gestoßen ist. In der er auch enttäuscht von Gott ist, der seine Zusage für das Königsamt einem anderen gegeben hat. Nämlich dem, der ihm jetzt mit seinem Harfenspiel sehr gut tut.

Die Musik, die zwischen den beiden erklingt, schafft einen konkurrenzfreien Raum zwischen David und Saul. Keiner von beiden muss hier der Held sein. David, der sich bald als begnadeter Krieger und kluger König zeigt, ist hier der Sänger und Harfenspieler. Er überstrahlt Saul in dieser Situation nicht. Er hilft und unterstützt ihn. Er steht ihm bei. Jetzt wo Saul damit fertig werden muss, sich von seinem Amt zu lösen und auszuhalten, dass Gott jemanden anderen für diese Aufgabe erwählt hat.

Liebe Gemeinde, die Geschichte ist wie eine Momentaufnahme, bevor der große Konkurrenzkampf zwischen David und Saul beginnt. Wie die Stille vor dem Sturm eines langen konfliktreichen und schmerzhaften Weges. Der Weg, auf dem Saul zurücktreten und David nach vorne treten muss. Der Weg, auf dem David viel zufällt und Saul krampfhaft an seinem Erfolg festhalten will und sich vom Neid gegenüber David leiten lässt.
Mir kam der Gedanke – Hätten sie doch einfach weiter zusammengesessen und Davids Harfenmusik gelauscht! Dann wäre doch alles gut geworden. Weniger Neid! Weniger Rachegedanken und Gewaltandrohungen! Aber so ist das Leben nicht, nicht nur bei David und Saul.
Aber über die Musik öffnet die Tür, dass David an seinen Hof kommt, ihm dient und Saul ihn lieb gewinnt.

Davids Musik schafft für Saul eigene Räume, Momente für seine Gefühle, für die guten und die bösen Geister in ihm, für Freude und Wut, für seine Sehnsucht nach Heil- und Ganz sein. Sie hat etwas Unverfügbares.
Sie reicht weiter als unsere Worte. Sie kann Gefühle aufnehmen oder für unsere Gefühle zum Ausdruck werden, ohne, dass wir sie aussprechen müssen.

Ich muss an einen Gottesdienst in der Gesundbrunnengemeinde denken. Durch die Pandemie hatten wir lange keine Gottesdienste gefeiert und die Kirche zum stillen Gebet aufgehalten. Und dann durften wir in einem Advents- Gottesdienst Musik von einem Streichquartett hören – diese Musik konnte mehr aufnehmen und ausdrücken als alle Worte es getan hätten – nach dieser langen Zeit der Stille.

Am Sonntag Kantate – ein schöner Gedanke – den die Geschichte von David und Saul uns heute ans Herz legt.
Wir brauchen Musik für unsere Seele.
Und sie hat ihre eigene Sprache und sie geht ihre eigenen Wege. Sie bleibt unverfügbar – wie unser Glaube auch.
Musik, die uns für einen Moment aus allem heraus nimmt, was wir gerade durchzustehen, auszuhalten, zu klären haben.
Oder alles aufnimmt was in uns ist und nicht in Worte gefasst werden kann.
Musik, die uns wieder in Beziehung zu uns selbst und auch zu Gott bringt.
Musik die eine ganz eigene verwandelnde Kraft hat und eine Atmosphäre schafft, in der wir uns selber besser spüren können und in der wir uns auch Gott noch einmal anders öffnen können.

Liest man die sehr spannungsreiche Geschichte von Saul und David weiter – kann man sich fragen, was aus dieser besonderen Verbindung von David und Saul geworden ist, die in unserem Predigttext heute erzählt wird. Mir kam der Gedanke, ob es vielleicht die Erinnerung an diese nahen Momente war, die David zwei Mal haben Saul nicht töten lassen, als er dazu die Möglichkeit gehabt hätte.

Kantate – Singt! – der Sonntag heute lädt uns zum Dank und zur Freude über die Musik ein, als eine besondere Gabe Gottes für uns Menschen. Sie ist kein Beiwerk zum gesprochenen Wort, nicht nur Untermalung – sie erzählt selbst, auf ihre je eigene Art, und schafft wichtige Räume für unsere Gefühle und für unseren Glauben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Fürbitte

Wir füllen unsere Lungen, öffnen Mund und Seele,
Wir singen zu dir, der du die Melodie des Lebens bist.
Im Gesang klingt auch unser Gebet.
Wir bitten dich erfülle unsere Herzen mit deinem Geist, damit wir dich loben.

Wir sehen die Not auf dieser Welt, die Gewalt und das Elend so vieler Menschen auf dieser Erde.
Der Krieg in der Ukraine will kein Ende nehmen. Die Menschen im Sudan verzweifeln, und fliehen wenn sie es können.
Wir singen dir die Klage unserer Trauer und Verzweiflung.
Wir bitten dich, höre die Klage und steh den Menschen bei die so viel Leid ertragen müssen.
Gib den Menschen, die Leid verhindern können, deinen Guten Geist, damit Versöhnungslieder erklingen.

Guter Gott, wir sehen auch die Menschen in unserer Gemeinde, deren Stimmen verstummt sind,
weil sie krank sind, weil sie verzagt sind und ihnen die Worte fehlen.
Wir bitten dich; lass sie nicht allein in ihrer Traurigkeit und Angst. Gib ihnen einen Stimme um
um Hilfe zu bitten und ein Lied, dass ihnen Mut macht. Lass uns erkennen wo wir zuhören,
helfen und mitsingen müssen.

Guter Gott; heute bitten wir dich besonders für all jene, die unsere Kirche und andere Kirchen
im Laufe des Sommers besuchen.
Behüte und bewahre alle Radfahrer in dieser Saison, die sich auf den Weg machen,
deine Schöpfung zu bestaunen und die in unseren offenen Kirchen Orte der Stille und der Einkehr, Orte deiner Nähe finden.
Sei bei unser Kirche, dass wir die Orte der Begegnung mit dir erhalten
und für alle offen halten können.
Gott, wir singen und wir bitten dich mit unseren Liedern:
Erhöre uns wenn wir dich für uns und unsere Nächsten bitten
Mit Jesu Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil
und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

(Ord. Gemeindepädagogin G. Ortmann, Vikarin Ch. Schulze-Gerlach)

Jubilate (30.04.)2023

  • Eröffnung

Am dritten Sonntag nach Ostern, am Sonntag Jubilate, begrüsst uns der Wochenspruch mit der Verheissung aus dem 2. Korintherbrief: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Gottes Schöpfermacht zeigt sich in der Auferstehung Jesu Christi und in der Hoffnung für unser Leben.

  • Unsere Füße nicht gleiten – Ein Psalm (Ps 66,1-9)

Jauchzet Gott, alle Lande! /
Lobsinget zur Ehre seines Namens;
rühmet ihn herrlich!
Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!
Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.
Alles Land bete dich an und lobsinge dir,
lobsinge deinem Namen. SELA.
Kommt her und sehet an die Werke Gottes,
der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.
Er verwandelte das Meer in trockenes Land, /
sie gingen zu Fuß durch den Strom;
dort wollen wir uns seiner freuen.
Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, /
seine Augen schauen auf die Völker.
Die Abtrünnigen können sich nicht erheben. SELA.
Lobet, ihr Völker, unsern Gott,
lasst seinen Ruhm weit erschallen,
der unsre Seelen am Leben erhält
und lässt unsere Füße nicht gleiten.

  • „In deiner Urständ fröhlich ist“ – Ein Lied (EG 110)

Die ganze Welt, Herr Jesu Christ,
Halleluja, Halleluja,
in deiner Urständ fröhlich ist.
Halleluja, Halleluja.

Das himmlisch Heer im Himmel singt,
Halleluja, Halleluja,
die Christenheit auf Erden klingt.
Halleluja, Halleluja.

Jetzt grünet, was nur grünen kann,
Halleluja, Halleluja,
die Bäum zu blühen fangen an.
Halleluja, Halleluja.

Es singen jetzt die Vögel all,
Halleluja, Halleluja,
jetzt singt und klingt die Nachtigall.
Halleluja, Halleluja.

Der Sonnenschein jetzt kommt herein,
Halleluja, Halleluja,
und gibt der Welt ein neuen Schein.
Halleluja, Halleluja.

Die ganze Welt, Herr Jesu Christ,
Halleluja, Halleluja,
in deiner Urständ fröhlich ist.
Halleluja, Halleluja.

  • Eine kleine Weile? – Worte aus dem Johannesevangelium (Joh 16,16-23a)

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.
Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Fünf Fragen, oder; Fragen retten nicht die Welt. – Gedanken zum Johannesevangelium

Frage 1:
„Die etwas fragen / die verdienen Antwort“, heißt es in dem Gedicht Bertolt Brechts mit dem langen Titel: „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“. Ein Zöllner an der Grenze, (nicht zufällig wohl verwandelt Brecht den Grenzwächter in eine biblische Figur), fragt nach der Weisheit des Weisen und aus der Frage entsteht das Buch mit 81 Sprüchen. Die letzte Strophe hält deshalb fest: Aber rühmen wir nicht nur den Weisen / Dessen Name auf dem Buche prangt! / Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. / Darum sei der Zöllner auch bedankt: / Er hat sie ihm abverlangt.
Brecht legt damit nahe, dass die Dinge erst werden und uns zueigen, wenn wir sie fragend abverlangen; dass die Dinge nicht in der bloßen Aussage stecken sondern vielmehr erst im Gespräch, im Dialog, im Frage-und-Antwort-Spiel zutage treten. Die Jünger fragen und Jesus antwortet.

Frage 2:
Fragen, Fragen, immer nur Fragen.
unsichtbar wird der Honig im Magen
Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen:
’Da mußt du jemand anders fragen’.

Pu der Bär antwortet so dem melancholischen Esel I-Ah mit einem Gedicht. I-Ahs Frage klingt so: „Der alte graue Esel, I-Ah, stand allein in einem distelbewachsenen Winkel des Waldes, die Vorderbeine gespreizt, den Kopf auf eine Seite gelegt, und dachte über alles nach. Manchmal dachte er traurig bei sich: Warum?, und manchmal dachte er: Wozu?, und manchmal dachte er: Inwiefern? -, und manchmal wußte er nicht so recht, worüber er nachdachte.”
Pus Antwort weicht da eher aus; da musst du jemand anders fragen; und doch wiederum nicht. Pu der Bär widerspricht Brecht. Er braucht die Fragen nicht, er nimmt die Welt, wie sie ist; und gerade das ist sein Glück. Dieses Glück endet tragisch für Christopher-Robin, der kindlich-menschlichen Figur des Buches mit dem Beginn der Schule. Das Frage-Antwort-Spiel ist das Spiel im Ernst des Lebens und gar kein Spiel mehr. Fragen dienen, ganz wie es Brecht vorschlägt, der Erweiterung des Wissens, des Erkennens und der Einsicht, aber sie entzaubern die Wirklichkeit der sorglosen Kindheit in die Kleinlichkeit des täglichen Existenzkampfes. Eine Vertreibung aus dem Paradies.

Frage 3:
Ist gar keine. Der Predigttext endet mit der Fraglosigkeit. So sagt es Jesus. Mitten in einer Welt, die von Fragen überquillt. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Am Ende wird hier also eine Aussicht gewährt, die dem Paradieszustand der Pu’schen Kinderwelt sehr nahe kommt. Die Dinge sind, wie sie sind, gut. Mit dem Wort aus dem Römerbrief von der neuen Kreatur ließe sich auch sagen, nicht neu ist diese Kreatur, sondern wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt worden. Eine Welt der Fraglosigkeit, die in der realen Welt nur schwer zu fassen ist. Eigentlich haben wir keine Worte für das Paradies. Es sind nur Bilder und anschauliche Beispiele, wie das, was Jesus wählt: die Geburt eines Kindes unter Schmerzen erfährt einen fraglosen Moment, wenn die Mutter ihr Kind in den Armen hält. Dann ist alle Mühsal vergessen. Gleichzeitig erinnert dieses Bild auch an das Paradies vom Anfang der Bibel. Die Vertreibung geht ja mit dem Fluch einher, dass die Frau von nun an unter Schmerzen gebären wird. Mitten im Fluch liegt dann der Segen für Augenblicke der Schmerzlosigkeit, den Jesus als einen Moment der Fraglosigkeit kennzeichnet.

Frage 4:
Auch die Jünger haben eine Frage: Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Aus unserer Perspektive hat diese Frage den Charakter der Unbeantwortbarkeit. Das liegt in diesem Fall nicht daran, dass keiner da wäre, der die Frage beantworten könnte. Die Jünger verstehen nur die Antwort nicht. Gott ist Mensch geworden, der Retter hat die Welt erlöst; aber nun verschwindet er wieder. Der auferstandene Christus konzentriert sich auf seine himmlische Wirklichkeit und lässt die Jünger mit ihren Weltfragen zurück. Er wird wieder unsichtbar, wie der Honig im Magen. Er verlässt uns nicht, aber er ist mit menschlichen Augen dann nicht mehr zu sehen. Die Jünger sind noch nicht so weit. Sie brauchen noch eine kleine oder lange Weile. Ihr Fragen führt sie nicht zum Ziel, obwohl sie dem Beispiel des Zöllners im Brechtschen Gedicht folgen. Jesu Antwort ist vage, ist eine vage Hoffnung und eine vage Auskunft, die ganz auf Vertrauen setzt, das wir Glauben nennen. Erfahrbar ist dieser Glaube in den kurzen Augenblicken reiner Liebe, die uns von den Fragen erlöst. Kurz nach der Geburt. In der sorglosen Kindheit. Da ist alles gut. Paradiesisch.

Frage 5:
Die unbeantwortbaren Fragen sind I-Ah-Fragen: Warum bin ich hier? Was ist der Sinn des Lebens? Warum ist mir das passiert? Warum muss ich die Welt der Kindheit verlassen und in die Welt der Erwachsenen gehen, die unaufhörlich Fragen zeitigt? Die unaufhörlich das Elend der Welt vergegenwärtigt, das schmerzhaft aus dem Willen und den Taten der Menschen geboren wird. Wozu soll das gut sein? Ebenso vage wie diese Fragen sind die Antworten darauf. Auch die Antwort des Glaubens wird dem Bedürfnis nach klaren Antworten nicht gerecht. Es bleibt ein unablässiges Fragen und Antworten, ein unablässiges Gespräch. Von den Momenten der Fraglosigkeit abgesehen, ist dennoch dieses Gespräch der beste Grund der Hoffnung. Das ist der Geist der christlichen Gemeinde, dass hier Fragen Platz haben, die nicht endgültig beantwortbar sind. Dennoch treiben sie uns ja um. Dennoch stellen wir sie. Die beste und vorläufige Antwort darauf ist die Liebe untereinander, die genau da beginnt, wo wir diesen Fragen nicht ausweichen, sondern ihnen Raum gewähren, ihnen Geduld widmen und sie zulassen. Paradox klingt das. Ein Moment der Fraglosigkeit mitten im Fragen.
Jesus weicht dem nicht aus. Er stellt eine Welt, eine himmlische Welt in Aussicht, die eine vollständige Antwort enthält auf die Fragen der irdischen Welt: Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Fragen retten nicht die Welt. Aber sie geben Anlass, den Fragenden nicht allein zu lassen, ihn frag-würdig sein zu lassen, die eigenen Fragen darin gespiegelt zu sehen und darauf zu hoffen, dass unser Glauben darin bestärkt wird, in der Liebe schlußendlich die Antwort zu finden.

Amen.

Zu Pu der Bär: https://www.solvitur.de/archives/18-KANN-EIN-ESEL-TRAGISCH-SEIN.html

Zu Brecht: https://www.deutschelyrik.de/legende-von-der-entstehung-des-buches-taoteking-auf-dem-weg-des-laotse-in-die-emigration.html

  • Hoffnungsvolle Fragen – Miteinander und füreinander beten

Gott hat diese Erde gut geschaffen. Aber noch sehen wir oft nicht, was sie einmal sein kann, so sehr ist sie gezeichnet von Zerstörung, Krieg und Gewalt. Derzeit schauen wir sprachlos auf das Geschehen im Sudan, täglich sterben Menschen in den Kampfhandlungen der verfeindeten bewaffneten Truppen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist enorm schwierig. Vielen Menschen ist die Flucht ins Ausland gelungen, viele bleiben zurück und sind vielfach auf sich allein gestellt.
In unserer Ohnmacht verstummen selbst die Fragen, erst recht die Antworten.
Deshalb, Gott, bitten wir dich,
Lass die Fragen nicht verstummen, auch wenn wir uns nach der Fraglosigkeit sehnen.
Lass das Klagen nicht verstummen, auch wenn uns unser Vertrauen manchmal verlässt.
Lass die Antworten nicht verstummen, auch wenn sie unvollkommen sind, nicht ausreichen und immer wieder neu gefunden werden müssen.
Lass uns diese hoffnungsvollen Fragen und die Antworten des Glaubens in den Taten der Liebe entdecken und finden.
In Jesus Christus. Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Miserikordias Domini (23.04.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen.
Eröffnung
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Johannesevangelium Kapitel 10, Verse 11a, 27+28a.
Christus spricht: ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

  • Lied: „Strahen brechen viele“ (Evangelisches Gesangbuch 268)

Strahlen brechen viele aus einem Licht. Unser Licht heißt Christus.
Strahlen brechen viele aus einem Licht- und wir sind eins durch ihn.l

Zweige wachsen viele aus einem Stamm. Unser Stamm heißt Christus.
Zweige wachsen viele aus einem Stamm- und wir sind eins durch ihn.

Gaben gibt es viele, Liebe vereint. Liebe schenkt uns Christus.
Gaben gibt es viele, Liebe vereint- und wir sind eins durch ihn.

Dienste leben viele aus einem Geist, Geist von Jesus Christus.
Dienste leben viele aus einem Geist- und wir sind eins durch ihn.

Glieder sind es viele, doch nur ein Leib. Wir sind Glieder Christi.
Glieder sind es viele, doch nur ein Leib- und wir sind eins durch ihn.

  • Psalm 23

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und
führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

  • Biblische Lesung: 1.Petrus 5,1-4

Die Ältesten unter euch ermahne ich,
der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi,
der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie,
nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt,
nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund,
nicht als solche, die über die Gemeinde herrschen,
sondern als Vorbilder der Herde.
So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte,
die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
ist die Kirche noch zu retten? So war es vor einigen Wochen in der Tagespresse wie auch der Kirchenpresse zu lesen.
Schwindende Gemeindegliederzahlen durch Austrittswellen, weniger Taufen und Konfirmationen als Beerdigungen, Desinteresse an kirchlichen Angeboten (Gottesdiensten etc.), schwindende Religiosität (mit den Inhalten der kirchlichen Festzeiten weiß man nichts mehr anzufangen, sie mutieren zu Konsumfesten).
Die Landeskirchen versuchen mit Reformprgrammen Wege zu finden.
Das macht vielen Angst oder führt zur Frustration.
Den Bibeltext für die heutige Predigt könnte ein Gemeindeberater geschrieben haben, der sich mit Ängsten und Zukunftsfragen auskannte.
Er ist schon etwas älter. Seine Erfahrrungen hat er um die Jahrhundertwende des 1. Jahrhunderts gemacht.
Schon damals hat er Gemeinden Mut gemacht, sich ihren Ängsten zu stellen. Er gibt denen, die sich schon damals fragten:
Gibt es für uns Christen noch eine Zukunft? Wie soll es weitergehen? eine Gebrauchsanweisung.
Eine Antwort hören wir im 1. Petrusbrief 5, 1 – 4.
Die Ältesten unter euch ermahne ich: Weidet die Herde Gottes bei euch – nicht gezwungen sondern freiwillig, so wie Gott es will; nicht gewinnsüchtig, sondern aufopfernd; auch nicht als Herren, die über ihren Pfründen verfügen, sondern als Vorbilder für die Herde.
Dann werdet ihr auch, wenn der Erzhirte (Christus) erscheinen wird, mit einem unverwelklichen Kranz von Herrlichkeit geschmückt werden.
Und nun stellen sie sich vor; wir alle hier sitzen in einer Gemeindeversammlung zur Zukunft unserer Gemeinden.
Der Leiter, nennen wir ihn Petrus, will uns weiterhelfen. Er begrüßt uns: Liebe Gemeinde oder, heute am Sonntag des guten Hirten, liebe Schafe!
Ich denke, dass manche von uns da schon genug hat.
Wer will schon gern Schaf sein! Blökend alle brav hintereinander hergehen, auf den Hirten angewiesen, der den Weg vorgibt?
Nein, nicht mit uns!
Doch dann zitiert Petrus den Psalm 23 und die vertrauten Worte wecken ein wohliges Gefühl in mir.
Der Herr ist mein Hirte! Wie gut tut es, sich Gott als kümmernden sich sorgenden mich begleitenden Hirten vorzustellen. Der meine Seele erquickt. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück. Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.
Und es geht noch weiter.
Petrus erzählt vom verlorenen Schaf, dem Gott nachgeht, weil es ihm wichtig ist.
Er gesteht uns: Diese Bilder gehören zu mir und zu allen meiner Zeit.
Schaf und Hirte.
Während ich zuhöre denke ich: Wie gut muss das tun, Menschen zu begegnen, die sich um mich kümmern, die sich für mich einsetzen, die wollen, dass es mir gut geht.
Aber seine nächsten Worte machen mich stutzig.
Und deshalb bitte ich euch, die ihr heute lebt: Schlüpft in die Rolle der Hirten, seid die, die aufeinander achten. Weidet die Schafe.
Aber, wie gelingt das lieber Petrus, wie geht das, Schaf und Hirte zugleich zu sein?!
Seine Antwort: Tut es freiwillig, aus freien Stücken, nicht aus Zwang oder weil es sich so gehört.
Tut es nicht, weil ihr euch dabei etwas verdienen könnt, nein tut es von Herzen
In der Freiheit, die uns Gott gegeben und die uns Christus vorgelebt hat.
Ja, aber es muss doch gespart und gekürzt werden, sonst sind wir bald handlungsunfähig. Ein bisschen Gewinn wäre nicht schlecht (für unseren Gemeindehausumbau z.B.)
Gut, stimmt Petrus mir zu. Aber kannst du auch über den eigenen Kirchturm hinausblicken – auf eine Zukunft mit den anderen,
in der man aufeinander achtet?
Und dann ist da noch die Sache mit dem Herrschen.
Wer hat das Sagen, wer bestimmt, wo es lang geht?
Lasse ich die anderen hinter mir und fühle mich als Sieger?
Dann wird das eigene ICH gestreichelt – Aber wie viel unnötiger Streit ergibt sich daraus.
„Ich bin jetzt Bestimmer“, sagt das Kindergartenkind.
„Ich will das Nachbarland besetzen“, sagt der Diktator
und tut es auch.

Wenn wir lebendige Gemeinde der Zukunft sein wollen, dann geht es nicht darum, wer das Sagen hat, wer die wichtigsten Posten bekommt sondern darum Vorbild zu sein.
Wie kann ich handeln, damit ich Vorbild für andere bin.
Das ist die Leitfrage der Gemeindearbeit.
Überzeugen, weil ich selbst überzeugt bin, Herzen erreichen, weil ich vom Herzensgrund her Gemeinde lebe.
Wir, hier im Süden von Halle stehen vor dieser Aufgabe –
mit der Gründung unseres Kirchengemeindeverbandes.
Wie wollen wir als drei unterschiedliche Gemeinden miteinander leben.
Wie können wir unseren Gemeindegliedern Lust aufs Kennenlernen der jeweils anderen machen.
Wie bewältigen wir Schwierigkeiten z.B. der Erreichbarkeit der einzelnen Kirchen für Menschen, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind. Nicht jede Gemeinde hat die Haltestelle direkt vorm Haus so wie wir.
Wie klappt es mit den Informationen über Veranstaltungen aber auch über Freuden und Schwierigkeiten bei den anderen.
Und, und, und…..
Das sind Aufgaben, die, denke ich, mit gutem Willen und Engagement zu bewältigen sind.
Aber eben auch die „kniffligen“ Aufgaben. Wie wird der gemeinsame Haushalt so gestaltet, dass sich niemand zurückgesetzt oder gar übervorteilt sieht.
Das Bau- und notwendige Renovierungsaufgaben gut überlegt angegangen werden.
Das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die vor uns liegen und an deren Erledigung unser Handeln als Gemeinde gemessen werden wird.
Was würde unser Moderator Petrus dazu sagen?
Er würde uns Mut machen.
Natürlich springt am Ende auch etwas dabei heraus.
Nicht ohne Lohn gehen wir nach Hause,
wenn uns Gemeinde so gelingt:
Freiwillig, von Herzen, als Vorbilder.
Ich verspreche euch: Eine Krone – wahlweise ein Siegeskranz.
Unverwelklich, ja unkaputtbar.
Und zwar vom Oberhirten persönlich überreicht.
Einen Siegeskranz der Herrlichkeit Schwer vorstellbar ist dieser Preis. Aber stolz und glücklich darf mich dieser Preis machen.
Unverwüstlich.
Ein Preis, der nicht in einer Vitrine verstaubt, sondern mein Leben erhellt.
Ist die Kirche noch zu retten?
Wie Kirche in 20 Jahren aussieht weiß ich nicht und ob Kirchenmitgliedschaft und Gebäude dann noch eine Rolle spielen, weiß ich auch nicht.
Aber eines weiß ich ganz sicher.
Das Bild von Gott gilt auch in 20, 50 oder 500 Jahren.
Und es ist mehr als ein Bild.
Petrus sagt es in schönen Worten so:
„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
Christus wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen gründen.“ (1.Petrus 5,7)
Und auch so: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. (1.Petrus 4,10).
Dann mache ich mir keine Sorge um die Kirche. Als Gemeinschaft derer, die Gott vertrauen und einander zum Hirten werden.
Amen.

  • Fürbitte

Gott, du guter Hirte,
sieh doch den Mangel, den so viele leiden:
den Mangel an Nahrung, den Mangel an Liebe und Vertrauen zu dir.
Sieh die Müden, sieh die Getriebenen,
die auf falschen Wegen gehen immer weiter weg von dir.
Vergiss nicht, die in Angst leben müssen, deren Leben unglücklich ist
und die keinen Trost mehr finden, auch nicht bei dir.
Denk an die Zerissenen, an die Ungeliebten,
an die, die keine Bleibe haben, auch nicht in deinem irdischen Haus.
Du guter Hirte, so oft fühlen wir uns verloren!
Such uns, bring uns zurück zu dir und erbarme dich über uns.
Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Gudrun Naumann)

Quasimodogeniti (16.04.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht im ersten Brief des Petrus, 1,3: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. „

  • Ein Lied: Der schöne Ostertag (EG 117)

Der schöne Ostertag! Ihr Menschen, kommt ins Helle! Christ, der begraben lag, brach heut aus seiner Zelle. Wär vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden, so glaubten wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.

  • Worte aus Psalm 116

Das ist mir lieb, dass der Herr meine Stimme und mein Flehen hört.
Denn er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich mein Leben lang ihn anrufen.
Stricke des Todes hatten mich umfangen,
des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.
Aber ich rief an den Namen des Herrn: Ach, Herr, errette mich!
Der Herr ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.
Der Herr behütet die Unmündigen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der Herr tut dir Gutes.
Denn du hast meine Seele vom Tode errettet,
mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.
Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.
Ich glaube, auch wenn ich sage: Ich werde sehr geplagt.
Ich sprach in meinem Zagen: Alle Menschen sind Lügner.
Wie soll ich dem Herrn vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut?
Ich will den Kelch des Heils erheben und des Herrn Namen anrufen.
Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk.
Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn.
Ach, Herr, ich bin ja dein Knecht, ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd;
du hast meine Bande zerrissen.
Dir will ich Dankopfer bringen und des Herrn Namen anrufen.
Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk
in den Vorhöfen am Hause des Herrn, in deiner Mitte, Jerusalem.

  • Predigttext 1. Mose 32,23-32

Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog durch die Furt des Jabbok. Er nahm sie und führte sie durch den Fluss, sodass hinüberkam,
was er hatte. Jakob aber blieb allein zurück. Da rang einer mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.
Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er an das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen,
sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.
Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. Und Jakob nannte die Stätte Pnuël: Denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet. Und als er an Pnuël vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte.

  • Predigt

Liebe Gemeinde, immer wieder packt und fasziniert mich diese Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok mit diesem nicht näher beschriebenem Mann.
Sie hat etwas geheimnisvolles, auch wenn sich im Laufe der Geschichte auflöst, wer dieser Mann ist – Jakob kämpft, ringt dort an diesem Fluss, in dieser Nacht mit Gott. Aber das macht es nicht weniger spannend.
Mit Gott ringen, kämpfen eine ganz Nacht? Und ihn nicht loslassen, weil Jakob von ihm gesegnet werden will. Ich lasse dich nicht – du segnest mich denn.
Ein Kampf mit Gott, in dem Gott Jakob nicht überwältigen konnte, es gelang ihm nur die Hüfte zu schlagen. Ein Kampf mit Gott in dem Jakob als „Gewinner“ hervorgeht? Gesegnet, aber hinkend und körperlich gezeichnet, endet diese nächtliche Begegnung für Jakob. Was für eine Geschichte.
Tauchen wir etwas ein in Jakobs Geschichte:
Jakobs ringen mit Gott am Jabbok erzählt von einer Übergangssituation, von einer Krisensituation an einem Flussübergang. Jakob bringt seine Familie über den Fluss, alle die zu ihm gehören, Menschen und Tiere und er betritt als Letzter das neue Land an dem anderen Ufer. Er ist auf dem Weg zu seinem Bruder Esau, mit dem er seit dem Erschleichen des Erstgeburtssegens verstritten ist. Er will sich mit ihm versöhnen.
Er hatte seine Boten zu Esau geschickt und um Versöhnung gebeten, aber Esau antwortet darauf mit einem 400 Mann starken Heer, das Jakob entgegen zieht.
Jakob bleibt, nachdem er seine Familie über den Fluss gebracht hat, allein am Fluss zurück und sein Ringen mit Gott in dieser Nacht stelle ich mir vor als ein Ringen mit seiner ganzen Lebensgeschichte, die damit beginnt, dass er der zweitgeborene Zwilling ist. Die gezeichnet ist von der unterschiedlichen Liebe der Eltern zu ihren Kindern – Issak liebte Esau und Rebecca Jakob. Und von List und Betrug, als Jakob sich bei seinem blinden kranken Vater den so wichtigen Erstgeburtssegen erschleicht und dann fliehen muss vor der Wut seines Bruders. Bei seinem Onkel Laban dient er und arbeitet hart, gründet mit Lea und Rahel seine Familie und kommt am Ende auch zu Ansehen und Reichtum. Und dann flieht er auch von Laban, vor dem Neid der Söhne Labans.
Er flieht auf Gottes Geheiß in das Land seiner Väter. Er will zurück an den Anfang und dazu gehört für ihn, etwas in seinem Leben in Ordnung zu bringen. Das mit dem Segen in Ordnung zu bringen.
Es gibt Situationen im Leben, da ringen wir mit dem Weg den wir durchs Leben gegangen sind.
Oft sind das Umbruchszeiten, in denen sich in unserem Leben etwas verändert – eine Beziehung geht zu Ende, ein Lebensabschnitt, ein Umzug steht an, eine berufliche Veränderung und es wandelt sich etwas
außen und innen.
Manche Frage und Suche bricht auf. Da wird nochmal einiges, manchmal alles, auf den Prüfstand gestellt. Mein bisheriges Leben, Entscheidungen, die ich getroffen habe und unser Glaube hängt da meistens mit dran. Wenn Lebensfragen aufbrechen, brechen meist auch Glaubensfragen mit auf.
Bei Jakob ist es der Wunsch, ein eigenes Leben unabhängig von Laban zu führen und sein Verhältnis zu seinem Bruder in Ordnung zu bringen. Und in seine Heimat zurückzugehen.
Nicht selten ringen wir nachts mit diesen Lebensbilanzen – liegen wach, die Gedanken drehen sich. Manchmal fühlt es sich wie ein innerer Kampf an.
In dem sich Gedanken sortieren. Wünsche und Einsichten konkreter werden. Manchmal ist es auch ein Ringen mit Gott – warum stehe ich jetzt vor diesen Fragen, was wird jetzt der nächste Schritt, was wird mein Weg sein?
Jakob lässt diesen Mann mit dem er in dieser Nacht am Fluss kämpft nicht los. Er darf nicht gehen.
Weil Jakob in dieser Nacht etwas klar wird. Jakob ringt um den Segen. Um den er im Grunde seit seiner Geburt gekämpft hat.
Jetzt erschleicht und erkauft er ihn sich nicht. Er erbittet ihn, fordert ihn sich mit aller Kraft, in diesem Ringen mit Gott. Da an diesem Fluss.
Das braucht eine ganze Nacht.
Jakob hat gekämpft und gerungen. Jakob hat nicht aufgegeben. Und Gott ist da geblieben die ganze Nacht, als die Kraft Jakobs Wut und Ärger etwas entgegen hält, standhält. Ihn nicht überwältigt, bezwingt oder klein macht.
Gott bleibt ihm, Jakob, ist in dieser Nacht ein Gegenüber und er ist ihm sehr nah.
Körperlich nah.
Und am Morgen erst bekommt er ihn, den Segen und einen neuen Namen.
Israel – der mit Gott und den Menschen ringt und gewinnt. Nicht im Sinne eines Sieges über den anderen, er gewinnt etwas für sein Leben.
Gottes Segen, mit dem der Schmerz über das eigene Versagen auch über eine schwere Lebensgeschichte zu tragen, zu ertragen ist. Mit dem er an dieses andere Ufer und zu seinem Bruder gehen kann. Mit dem er Versöhnung wagen kann. Mit dem er seinen Lebensschmerz, die verrenkte Hüfte, annehmen kann.
Eine Mut machende und besondere Geschichte. Als Gesegnete dürfen wir aus Situationen hervorgehen, in denen wir mit Lebensfragen oder auch mit unserem Glauben ringen. Als Gesegnete und auch Gezeichnete – so eine Nacht, so eine Krise, hinterlässt Spuren, hinterlässt Erfahrungen, einige Kratzer und Risse in unserem Leben.
Mit der Geschichte von Jakob dürfen wir darauf vertrauen, dass wir in unseren Übergängen, Neuanfän-gen, in unsern Lebens- und Glaubenskrisen, in unserem Ringen mit dem Leben und mit unserem Glauben auf Gott hoffen dürfen – greifbar nah, als ein kraftvolles Gegenüber, dass unseren Fragen und Zweifeln
standhält. Als Gezeichnete und Gesegnete werden wir in das Licht des Morgens sehen dürfen. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn.

  • Miteinander und füreinander beten

Jesus Christus, du bist von den Toten auferstanden.
Du lässt uns hoffen. Du tröstest.
Du machst alles neu. Bei dir ist das Leben.
Jesus Christus, wir bitten dich um Versöhnung.
Wir bitten dich um Hoffnung für alle, die im Streit liegen:
für zerstrittene Paare,
getrennte Familien,
einander bekämpfende Gemeinschaften.
Versöhne sie und gib ihnen ein neues lebendiges Herz.
Jesus Christus, wir bitten dich um Frieden.
Wir bitten dich um Hoffnung für alle, die sich vor der Zukunft fürchten:
für die jungen Menschen und ihre Pläne,
für die von Sorge um das tägliche Brot Zermürbten,
für die gequälte Schöpfung.
Hindere die zerstörerischen Kräfte und breite deinen Frieden aus.
Jesus Christus, du bist von den Toten auferstanden, damit wir leben.
Wir danken dir, wir loben dich,
wir bitten dich: Bleibe bei uns heute,
in diesen österlichen Tagen und alle Zeit.

Mit Jesu Worten bitten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Gemeindepädagogin Gunda Ortmann)

Ostern 2023

  • Eröffnung

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit dem Aufgang der Sonne läuft der Jubelruf der Christenheit um die Welt. Jesus Christus lebt. Gott erweist seine Macht, die stärker ist als der Tod. Gemeinsam wollen wir – voller Freude und Lachen – diese Macht Gottes und die Auferstehung Jesu feiern.

  • Ein Wunder vor unsern Augen – Worte nach Psalm 118

Der Herr ist meine Macht und mein Psalm
und ist mein Heil.
Man singt mit Freuden vom Sieg /
in den Hütten der Gerechten:
Die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Die Rechte des Herrn ist erhöht;
die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Ich werde nicht sterben, sondern leben
und des Herrn Werke verkündigen.
Der Herr züchtigt mich schwer;
aber er gibt mich dem Tode nicht preis.
Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit,
dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke.
Das ist das Tor des Herrn;
die Gerechten werden dort einziehen.
Ich danke dir, dass du mich erhört hast
und hast mir geholfen.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Das ist vom Herrn geschehen
und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr macht;
lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

  • Es bricht ein Stein – Ein Lied: „Wir stehen im Morgen“ (EGE 5)

1. Wir stehen im Morgen. Aus Gott ein Schein
durchblitzt alle Gräber. Es bricht ein Stein.
Erstanden ist Christus.
Ein Tanz setzt ein.
Refrain
Halleluja, Halleluja, Halleluja,
es bricht ein Stein.
Halleluja, Halleluja, Halleluja,
ein Tanz setzt ein.

2. Ein Tanz, der um Erde und Sonne kreist:
Der Reigen des Christus, voll Kraft und Geist.
Ein Tanz, der uns alle dem Tod entreißt.

3. An Ostern, o Tod, war das Weltgericht.
Wir lachen dir frei in dein Angstgesicht.
Wir lachen dich an, du bedrohst uns nicht.

(Text: Jörg Zink)

  • Das ihr auch selig werdet – Epistel aus dem 1. Korintherbrief

Ich erinnere euch aber, Brüder und Schwestern, an das Evangelium,
das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt,
in dem ihr auch fest steht,
durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so festhaltet,
wie ich es euch verkündigt habe;
es sei denn, dass ihr’s umsonst geglaubt hättet.
Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben,
was ich auch empfangen habe:
Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
und dass er begraben worden ist;
und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift;
und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.
Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen,
sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle;
nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Ob nun ich oder jene:
So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.
(1. Korinther 15,1-11)

  • Alles auf den Kopf gestellt – Gedanken zum Korintherbrief

Liebe Gemeinde,

das Osterlachen ist eine altehrwürdige Tradition. Wikipedia verrät: „Zum Brauch gehörte es – insbesondere im Spätmittelalter –, dass der Priester am Ostertag von der Kanzel ein Ostermärlein, also eine erheiternde und nicht immer ganz einwandfreie Geschichte, erzählte oder eine improvisierte Schnurre zum besten gab.“ Diese Gelegenheit sei die einzige, die das Lachen in der Liturgie der Gottesdienste verankere, so der Artikel weiter. Nutzen wir also die Gelegenheit! Ich mache mich also auf die Suche nach einem Witz über den Apostel Paulus. Hm, gar nicht so einfach! Schließlich finde ich einen. Von Robert Gernhardt. Also keinen Witz, aber ein humoristisches Gedicht. Ob es predigttauglich ist? Das Gedicht mit dem Titel „Weils so schön war“ geht jedenfalls so:

„Paulus schrieb an die Apatschen:
Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.

Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.

Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen.“

Aus Robert Gernhardts Gedicht lässt sich einiges lernen über Paulus und seine Briefe. Er schreibt an verschiedene Stämme oder Städte in einer für das junge Christentum eher „wilden“ Gegend; und meistens weil es ein Problem gibt. Daran erinnert auch der mahnende Ton, der sich oft in den Briefen des Paulus findet. In dem Gedicht wird unter anderem das Problem der christlichen Lebensführung angesprochen (nach der Predigt nicht klatschen – und auch nicht lachen?); die Voraussetzung, um zur Gemeinde Gottes zu gehören (Taufe, und zwar im Namen Christi!); und das Problem der angemessenen Kommunikation der Botschaft (lernt erst mal lesen). Auch der Brief an die Korinther ist davon geprägt. Es hatten sich verschiedene Gruppen herausgebildet, denen nicht ganz klar war, wer die Hauptrolle spielt im neuen Glauben. Strophen 2 und 3 wären hier auf jeden Fall einschlägig. Worauf kommt es an und wie ist es zu verstehen? Das sind Fragen, die Paulus – weniger scherzhaft – in seinen Briefen verhandelt. Um Verständlichkeit werbend nimmt Paulus die Auferstehung Jesu am Ende des Briefes als anschauliches Beispiel für eine der Grundlagen des Glaubens. Er ist wahrhaftig auferstanden, also vorher wirklich tot gewesen; und in seiner Menschlichkeit wieder auferweckt worden, nicht scheintot, nicht irgendwie als Geist oder Energie im Kosmos, sondern als Mensch aus Fleisch und Blut.
Zum einen führt Paulus einen Schriftbeweis an: dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift.
Und zum anderen führt er eine Anzahl Zeugen an, Petrus, die Zwölf, 500 Brüder auf einmal, Jakobus, die Apostel – alles Männer, nun ja – und schließlich auch sich selbst.
Und diese Begegnung ist für ihn gar keine spaßhafte Angelegenheit. Es ist für ihn eine sehr persönliche Geschichte, die auf dramatische Weise vom Scheitern, Fallen und Wiederaufstehen erzählt. Die Auferstehung, die Freude bereiten, Hoffnung schenken und Seligkeit vermitteln soll, ist also für Paulus vor allem erst mal eine bewegte Lebensgeschichte. Mit großem Ernst trägt er sie vor. Es geht ja auch um Leben und Tod. Sein Vorbild hat so auch unser Sprechen, Beten und Predigen beeinflusst. „So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.“, schreibt Paulus selbst. Kein Wunder also, dass das Lachen im Gottesdienst eine österliche Ausnahme ist.
Ich glaube aber, dass es darüber hinaus dort seinen Platz hat, auch wenn es eine „nicht immer ganz einwandfreie Geschichte“ ist. Denn um die Auferstehung wirklich zu begreifen und sich zu Herzen zu nehmen, braucht es auch Humor. Alle Zeugnisse, die wir von den Begegnungen mit dem auferstandenen Christus haben, verlaufen eher dramatisch. Und das liegt einfach daran, dass niemand, kein Mensch, weder die Frauen am leeren Grab, noch die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, noch Paulus auf seinem Pferd, damit rechnet. Ihrer aller Leben wird durch diese Begegnung völlig verändert. Und wer sein Leben, seine Ansichten, seine Überzeugungen und Pläne allzu ernst nimmt, wird mit dieser Überraschung nicht fertig werden. Er wird ihr schlicht keinen Platz einräumen in seinem Leben.
Wer sich also auf diesen Glauben einlassen will, wird einerseits mit großem Ernst die Botschaft hören; und andererseits mit einem Lachen auf das schauen, woran er bisher geglaubt hat. Denn es ist eine frohe Botschaft, die alles auf den Kopf stellt: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Amen.

(Verweise: https://de.wikipedia.org/wiki/Osterlachen; https://www.lyrikline.org/de/gedichte/weils-so-schoen-war-3051)

  • Wieder lachen – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott im Himmel,

ja, es ist wahr, es gibt nicht viel zu lachen auf Erden.
Selbst an diesem Tag des Lebens,
des wiederauferstandenen Lebens,
herrscht der Tod, die Gewalt, die Krankheit, der Hunger.
Im vollen Ernst.

Deshalb bitten wir dich:

Störe den Ernst der Menschen,
die für ihre Überzeugungen über Leichen gehen;
die für ihre Bedürfnisse das Leid anderer Menschen ohne weiteres in Kauf nehmen;
die sich in ihren Geschichten und Plänen derart verfangen haben, dass sie keinen anderen Weg mehr sehen;
die den Glauben an Gott in Anspruch nehmen, um anderen Leid anzutun;
störe den Ernst dieser Menschen;
störe unseren Ernst, wenn wir dich und deine frohe Botschaft darüber vergessen.
Störe uns auf und lass uns wieder lachen.
Lass uns Zeugen sein deiner Auferstehung.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Karfreitag 2023

  • Eröffnung

Jesus Christus – Gottes sichtbares Ebenbild erleidet Schmerz und Tod. Und wir sind daran beteiligt, fühlen mit, leiden mit und sind traurig an diesem Tag. Haben wir das verursacht? Und können wir etwas tun? Jesu Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ weiß um das Leiden in der Welt. Das wollen wir bedenken im Lied und in biblischen Worten.

  • Sei nicht ferne – Worte nach Psalm 22

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, /
und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

  • In meinen Arm und Schoß – Ein Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ (EG 85)

1.
O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret:
gegrüßet seist du mir!

2.
Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?

3.
Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Kraft.

6.
Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

  • Es hat Gott gefallen – Worte aus dem Brief an die Kolosser

Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis
und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes,
in dem wir die Erlösung haben,
nämlich die Vergebung der Sünden.
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung.
Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.
Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
Denn es hat Gott gefallen,
alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
es sei auf Erden oder im Himmel,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
(Kolosser 1,13-20)

  • Häupter voller Blut und Wunden – Gedanken zum Kolosserbrief

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden
für die christliche Gemeinde in Kolossai, einer damals bedeutenden Stadt auf dem Gebiet der heutigen Westtürkei. Die junge Gemeinde sieht sich vielen religiösen Einflüssen ausgesetzt. Ein Brief, durch den Paulus oder einer seiner Mitarbeiter spricht, drückt darüber seine Sorge aus. Neben jüdischen Speisegeboten ist der Glaube an Christus durch philosophische Vorstellungen der hellenistischen Umwelt irritiert, die Christus wie einen griechischen Gott aussehen lassen. Eine strahlende Gestalt, der menschliches Leid letztlich nichts anhaben kann.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Das ist keine ungewöhnliche Vorstellung für die nichtjüdische Bevölkerung. Götter, strahlende Helden und Halbgötter; und oft auch kindliche Gestalten, anziehend und Ehrfurcht gebietend, bevölkern die religiöse Welt der Menschen. .
Für den jüdischen Glauben hingegen ist jede anschauliche Vorstellung von Gott ausgeschlossen; er ist der unsichtbare, eine und allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde.
Christus aber, dessen göttliche Eigenschaften im Brief an die Gemeinde hymnisch besungen werden:

Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.

Dieser Christus ist ein menschliches Ebenbild Gottes. Ein Mensch wie Du und Ich. Der lacht und leidet, der lebt und stirbt. Nicht nur ein strahlender Held und eine schön anzusehende Gestalt, die menschliches Wohlgefallen erweckt.
Zwar wird im Brief an die Kolosser diese Verletzlichkeit und Leidensfähigkeit nicht in den Vordergrund gerückt. Vielmehr schließt das Schreiben an die Vorstellung der Gemeinde an, dass das gottgleiche Ebenbild Gottes etwas bleibend Überirdisches an sich tragen müsse, das durch Irdisches nicht verwundet und zerstört werden kann.
Aber eben das geschieht: Christus wird verwundet und zerstört. Christus, das Ebenbild Gottes stirbt am Kreuz.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Heute habe ich seinen Tod vor Augen; das Leid, das mit ihm verbunden ist. Die Folter und das langsame Sterben am Kreuz, wie es auch in den Kirchenliedern beschrieben ist. Paul Gerhardt konzentriert sich auf das Antlitz Christi in den ersten Strophen von „O Haupt voll Blut und Wunden“. Er stellt seinen Glanz und seine Verunstaltung scharf gegenüber; dem gezierten und edlem Antlitz mit roter Lippen Pracht wird das leichenblasse, bespuckte und unter der Dornenkrone zerstochene, zerkratzte und blutende Gesicht voller Striemen gegenübergestellt. Kein Eben-Bild, das in irgendeinen Glauben der nichtchristlichen Kolosser passen würde.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Der Grund für dieses außerordentliche Geschehen wird im Brief benannt: Um Frieden zu machen durch Christi Blut am Kreuz; um uns Menschen zu versöhnen mit Gott. Naheliegend wäre das Gefühl der Dankbarkeit für dieses Opfer; nicht nur das Opfer eines Menschen, sondern des Ebenbildes Gottes.
Mir ist heute die Trauer näher. Dieses Ebenbild ist auch ein Bild leidender Menschen. Häupter voller Blut und Wunden, voller Hohn und voller Spott; getötet, verletzt an Körper und Seele, hungernd und frierend, ausgestossen und verlassen, verachtet und vergessen.
Ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, mit dem Tod Christi wären alle Tränen abgewischt. Doch diese Zeit lässt noch auf sich warten. Heute herrscht der Tod und die Traurigkeit.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
„Alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß“, heisst es bei Paul Gerhardt. Christus im Schoß seiner Mutter Maria, in den Armen des Josef von Arimathäa; vorsichtig und liebevoll bergen und tragen sie seinen geschundenen Leib. Das Ebenbild Gottes, des Schöpfers von Himmel und Erde.

Amen.

  • Diesen Schrei der Vielen – Miteinander und füreinander beten

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Du selbst, Gott des Lebens,
hörst diesen Schrei der Vielen,
die heute, so wie Jesus, verlassen sind und keine Antwort erhalten.

Lass uns den unendlichen Karfreitag des Lebens nicht verdrängen,
sondern einstimmen in die Klage der Vielen,
die auch heute vor Hunger weinen,
die in ihren Ängsten vor dem Tod alleine sind,
die an ihrer Krankheit zerbrechen,
die verzweifeln in ihrer Trauer um geliebte Menschen,
die stumm wurden angesichts des übergroßen Leids,
dem sie wehrlos ausgeliefert sind.

Erbarme dich, erbarme dich unser und deiner ganzen Erde,
öffne unsere Herzen, unseren Mund und unsere Hände,
weil du uns ja fortan bittest,
dass wir einander lieben sollen,
ohne Ansehen der Person, der Herkunft oder Religion,
als Menschen, die du von allem Anfang an liebst,
und lieben wirst, heute und für alle Zeit.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Palmarum (02.04.)2023

  • Eröffnung

„Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ So steht es mit dem Wort aus dem Johannesevangelium über dieser Woche. Es ist die Karwoche, an deren Ende der Tod Jesu steht. Erhöht wird er am Kreuz. In dieser spannungsreichen Aussage liegt die tiefe Wahrheit unseres christlichen Glaubens. Und die Hoffnung auf das österliche Licht.

  • Zeit der Gnade – Ein Psalm (Ps 69,2–4.8–10.14.21b–22.30)

Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
Denn um deinetwillen trage ich Schmach,
mein Angesicht ist voller Schande.
Ich bin fremd geworden meinen Brüdern
und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen,
und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
Ich aber bete, Herr, zu dir zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand,
und auf Tröster, aber ich finde keine.
Sie geben mir Galle zu essen
und Essig zu trinken für meinen Durst.
Ich aber bin elend und voller Schmerzen.
Gott, deine Hilfe schütze mich!

  • Empfang ihn froh, Jerusalem – Ein Lied: „Dein König kommt in niedern Hüllen“ (EG 14)

Dein König kommt in niedern Hüllen,
ihn trägt der lastbarn Es’lin Füllen,
empfang ihn froh, Jerusalem!
Trag ihm entgegen Friedenspalmen,
bestreu den Pfad mit grünen Halmen;
so ist’s dem Herren angenehm.

O mächt’ger Herrscher ohne Heere,
gewalt’ger Kämpfer ohne Speere,
o Friedefürst von großer Macht!
Es wollen dir der Erde Herren
den Weg zu deinem Throne sperren,
doch du gewinnst ihn ohne Schlacht.

Dein Reich ist nicht von dieser Erden,
doch aller Erde Reiche werden
dem, das du gründest, untertan.
Bewaffnet mit des Glaubens Worten
zieht deine Schar nach allen Orten
der Welt hinaus und macht dir Bahn.

  • Alle Welt läuft ihm nach – Worte aus dem Johannesevangelium (Joh 12,12-19)

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien:
Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!
Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«
Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte.
Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Alt und Neu – Gedanken zum Einzug Jesu

Damals, als mein Bruder den Osterspaziergang für die Schule lernen sollte, hatte er ein besonders schlaue Idee. Aus den Beständen unseres Opas gab es eine Aufnahme auf Schallplatte. Der Plan war nun, sich das Gedicht wieder und wieder – zwanzig mal oder mehr – anzuhören, um es auf diese Weise – gewissermaßen passiv und mühelos – auswändig zu lernen. Viel Erfolg hatte das am Ende nicht. Aber ich habe immer noch den Schauspieler Horst Caspar im Ohr, wie er mit besonders knödeliger Stimme die Enge der mittelalterlichen Ständetradition intonierte. „Aus Handwerks- und Gewerbesbanden.“

Ganz anders klang die Verszeile: „Aus dem hohen dunklen Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor.“ Durch geschickte Variation der Tonhöhe und Akzentuierung der Sprechstimme offenbarte sich ein Gefühl der Befreiung und Begeisterung.
Das bunte Gewimmel erinnert mich aber auch an die Beschreibung des Einzugs Jesu nach Jerusalem. Wer wird da nicht alles erwähnt? Eine Menschenmenge, die Jesus sehen will, eine Menschenmenge, die bezeugt, dass Jesus Lazarus auferweckt hat, eine Menge der Pharisäer, die das Geschehen mißtrauisch in Augenschein nehmen. Und dann sind da noch die Jünger, Menschen, die Jesus schon längere Zeit nachfolgen und schließlich Jesus selbst.
Vor dem Tore, so wie auch der Osterspaziergang im Faust-Drama als Szenerie beschrieben ist, ist ganz schön was los. Und die Vermutung liegt nahe, dass Goethe vielleicht auch an den Einzug Jesu gedacht hat. Nur ist er eine Woche zu spät dran; im Faust ist schon Ostern, während nach biblischem Zeugnis vor dem Tore Jerusalems bis Ostern noch eine Woche und viel Dunkelheit vergehen muss.
Was darüberhinaus auffällt, ist eine weitere Parallele. Goethe übt Kritik an der mittelalterlichen Tradition der Ständegesellschaft. Etwas Dunkles lässt die Menschenmenge hinter sich, etwas Beengendes; und so drängt sie ins Freie, ins Blumenrevier, zum fließenden Gewässer, um den grauen Winter endlich hinter sich zu lassen.
Auch beim Evangelisten Johannes findet eine Auseinandersetzung mit der Tradition statt. Zuerst sind da die Hüter der Tradition, die Pharisäer. Sie achten streng darauf, sich an die Gebote und Regeln des Volkes Israel zu halten, weil sie sich von alters her bewährt haben und weil sie mit göttlicher Autorität eingesetzt wurden. Warum sollte man da was ändern? Das macht ihnen Sorge und sie sehen, dass die Veränderung, die sie aus den Worten Jesu heraushören, durchaus beim bunten Gewimmel Anklang finden. Zumal Jesu Worte durch das Zeichen einer Totenerweckung unterstützt werden. Resigniert stellen sie in diesem Moment fest, dass Jesus „alle Welt“ hinterherläuft. Hier und jetzt können sie nichts ausrichten.
Die Menge ist anscheinend in einem ähnlichen Überschwang begriffen wie auch die Menge des Osterspaziergangs.
Aber so leicht überwindet man das Alte nicht. Ob die Pharisäer das in diesem Moment wissen und in Ruhe abwarten? Auch Goethe, das haben wir so in der DDR-Schule nicht gelernt, äußerte sich im 2. Teil des Faust eher skeptisch hinsichtlich des Fortschritts der Menschheit. Des Menschen Natur ändert sich nicht, lautet das konservative Credo, und so werden auch die Pharisäer ihren Weg in diesem Sinne verteidigen. Im Grunde für das Wohl der Menschen, die sich da gerade so begeistert mit Hosanna-Rufen vor dem Tor tummeln.
Nicht nur die Pharisäer glauben das zu wissen und sehen nicht, was Jesus eigentlich will. Auch seine Jünger verstehen das nicht. Immer wieder gibt es Anfragen an das Geschehen. Warum reitet Jesus auf einem Esel, fragen sie sich? Und die Fragen werden lauter, als schon wenige Tage später Jesus gekreuzigt wird. Das Heil bleibt verborgen, bis ihnen nach der Auferstehung ein Licht aufgeht.
Der Evangelist aber sieht diesen Einzug aus dem Rückblick. Er kann leicht sagen, worauf das alles hinausläuft. Die aber mittendrin stecken, die Menge, die Jünger, die Pharisäer – und auch Jesus selbst? – überblicken das Geschehen nicht. Der Hintergrund dieser Darstellung liegt darin, dass im Evangelium beides vermittelt werden soll. Die Tradition des Volkes Israel und der neue Glaube, den Jesus verkörpert. Die Gemeinde, der das Evangelium zuzuschreiben ist, kennt beides. Aber es ist für sie dennoch schwer einzusehen, wie beides zueinander passt.
Wie würde es mir gehen? Müsste ich mich nicht entscheiden? Nähme ich also begierig die Zeichen und Worte auf, die mir eine hellere, bessere und friedlichere Zukunft verheißen?
Oder folgte ich eher den Einsichten, die der menschlichen Natur folgen, oder dem, was ich dafür halte, und beharre auf die alten Regeln und Zustände?
Oder ruht doch das eine im anderen? Gehört nicht beides zusammen, die menschliche Natur und Gottes Verheißung?
Ich werde es erst wissen, wenn Jesus verherrlicht sein wird. Wenn ich ihn sitzen sehe zur Rechten Gottes; jenseits aller Fragen und Ungewissheiten und allen Leids.
Bis dahin bin ich auf die Worte Gottes angewiesen, die ich nicht nur in den Heiligen Schriften, sondern auch im Umgang der Menschen miteinander, im Suchen und Hören, im Streiten und Versöhnen, im Hoffen, Lieben und Glauben erkenne und finde.
Bis dahin bewahre uns der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

  • Wege in die Zukunft – Miteinander und füreinander beten

Unser Gott,

wir bitten dich, hilf uns, innezuhalten,
hilf uns, unsere Gedanken zu sammeln,
befreie uns aus dem Zerstreut-Sein,
gib uns innere Ruhe und Aufmerksamkeit.
Bleib bei uns, damit wir das Leiden und Sterben Jesu Christi
auf die rechte Weise bedenken und aufnehmen können
und hilf, dass daraus Mut und Klarheit zum Handeln erwächst,
um die richtigen Wege in die Zukunft zu finden.

Wir ringen in unserem Land und weltweit um politische Lösungen.
Du hast die Welt in deinen Händen
und uns Verantwortung und Freiheit
zum Handeln und Entscheiden gegeben.
Steh uns bei in allen nächsten Schritten und Entscheidungen
und stärke uns in allen Rückschlägen.

Segne unser Tun und Lassen
im Großen und Kleinen.

Wir vertrauen uns den Worten an,
die uns Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Judika (26.03.)2023

  • Eröffnung

Jesus tritt für uns ein. Der Wochenspruch aus dem Matthäusevangelium stellt das klar heraus: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ Für uns Menschen, die an diesem Heil teilhaben, bedeutet das Dankbarkeit und Nächstenliebe. Das ist das Thema des Sonntags Judika in der Passionszeit.

  • Meines Angesichts Hilfe – Ein Psalm (Ps 43)

Schaffe mir Recht, Gott, /
und führe meine Sache wider das treulose Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes, /
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

  • Zum Baum des Lebens – Ein Lied: „Holz auf Jesu Schulter“ (EG 97)

1 Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

2 Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

3 Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

6 Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

  • Vollendet – für alle – Worte aus dem Hebräerbrief (5,1-10)

Denn jeder Hohepriester, der von den Menschen genommen wird, der wird eingesetzt für die Menschen zum Dienst vor Gott, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden. Er kann mitfühlen mit denen, die unwissend sind und irren, weil er auch selber Schwachheit an sich trägt. Darum muss er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden.
Und niemand nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron. So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Wie er auch an anderer Stelle spricht: »Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.«
Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden, von Gott genannt ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.

Worte des lebendigen Gottes.

  • An das Unsichtbare zu glauben – Gedanken zum Hebräerbrief

Die Dorfkirche im ostthüringischen Lippersdorf ziert eine reich geschmückte Kassettendecke aus dem Jahr 1719, die eine Bilderbibel mit verschiedenen Szenen aus dem Alten Testament darstellt. Auf eine dieser Kassetten ist die Begegnung Abrahams mit dem Priesterkönig Melchisedek zu sehen. Diese Begegnung wird zum Vor-Bild für die Worte des Hebräerbriefes, die Jesus mit Melchisedek vergleichen. Abraham war nach dem 1. Buch Mose gegen den König von Elam ausgezogen, weil dieser Abrahams Neffen Lot gefangen genommen hatte. Nach der geglückten Befreiung kehrt Abraham zurück und wird von Melchisedek mit Brot und Wein empfangen und anschließend gesegnet. Das Schriftband über den beiden Figuren auf der linken Seite des Bildes gibt diesen Inhalt wieder. Abraham trägt einen Helm, der typisch ist für die Soldaten der Zeit um 1700 und Melchisedek eine eigentümlich geformte Krone, die seinen Status als Priesterkönig hervorhebt. Auf der rechten Seite, und das ist eine Eigentümlichkeit der Lippersdorfer Bilderdecke, ist Jesus selbst abgebildet, mit einem Wort aus den Seligpreisungen: Selig sind, die Barmherzigkeit üben. Sowohl die Stärkung Abrahams mit Brot und Wein als auch seine Rettungsaktion werden in dem Wort Jesu wieder aufgenommen und als Taten der Barmherzigkeit markiert. Brot und Wein erinnern darüber hinaus an das letzte Abendmahl, zu dem Jesus selbst diese Gaben verteilt.
Die Worte des Hebräerbriefes sind in dieser besonderen Darstellungsweise anschaulich im Bild wiedergegeben.
Worauf der Hebräerbrief besonderen Wert legt, ist die Priesterschaft Melchisedeks. Er, von dem nicht mehr bekannt ist, als aus den 4 Versen des 1. Mosebuches hervorgeht, erfährt im Hebräerbrief eine ausführlichere Darstellung. Nach dieser ist Melchisedek ein Priester, der nicht aus dem Stamm der Leviten kommt, so wie es nach dem Gesetz des Alten Testaments eigentlich vorgesehen ist. Er wurde zwar, wie Aaron, der der „eigentliche“ Priester des Volkes Israel ist, von Gott selbst eingesetzt; aber er opfert nicht Tiere, um Gott zu versöhnen. Der Hebräerbrief sagt außerdem, dass Melchisedek weder Vater noch Mutter habe und dass seine Priesterschaft ewig währe. Das schließt der Autor eben daraus, dass nichts weiter über ihn im Alten Testament geschrieben ist. So wie Jesus selbst kommt ihm damit eine außerordentliche Position zu, die den Vergleich und die Insbildsetzung Jesu als Hoherpriester ermöglicht.
Was also der Hebräerbrief seinen Lesern oder Zuhörern damit deutlich machen will, ist Folgendes: Dass es auch schon im Alten Testament einen Hohenpriester gab, der nicht wie die anderen Priester Tieropfer darbrachte, sondern seine Priesterschaft im Werk der Barmherzigkeit und des Segens vollführte.
In Jesus verbindet sich beides. Sein Opfer erledigt alle anderen Opfer. Seine Hoheit gründet im Auftrag Gottes. Und sein Gehorsam im Leid bis zum Kreuz vollbringt das Opfer, das ein für alle mal geleistet wurde; für alle, die an Gott glauben.
Die eigentümliche Darstellung auf dem Bild der Kassettendecke zeigt sehr deutlich diese Verbindung, die für die junge christliche Gemeinde etwas ganz Neues darstellt. Plötzlich sollen sie nämlich nicht mehr am anschaulichen, weil sichtbaren Opfer festhalten, sondern im reinen Vertrauen auf Jesu Opfertod auf Gottes Güte hoffen. Deshalb heisst es: „Und da Jesus vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden.“ Dieser Gehorsam wird nach dem Hebräerbrief vor allem darin geleistet, dass wir Christen auch im Leid, in der Schande und im geringen Ansehen an Gott festhalten. Dass wir also die Dinge der Welt nicht weiter beachten und uns darin gegenseitig bestärken. Zum Beispiel im Gottesdienst, wo wir der Passion Christi dankbar gedenken.
Darin steckt die tiefere Einsicht des Künstlers und des Pfarrers, die vermutlich gemeinsam diese Bilderdecke in dem kleinen Dorf gestaltet haben. Die Barmherzigkeit, die uns selig macht, üben wir an unseren Nächsten. Wir üben sie im Dienst aneinander, nicht um uns besonders hervorzutun, sondern um das Vertrauen auf Gott zu stärken. Wenn ich im Geist Jesu handele, achte ich nicht auf mich, sondern auf mein Gegenüber. Darin stärke ich ihn und am Ende auch mich selbst. Im Miteinander geschieht das, was der Hebräerbrief im Sinne der Gehorsamkeit gegenüber Jesus einfordert. Nächstenliebe ist das erste Gebot und nicht das sichtbare Opfer, das vor aller Welt nur den eigenen Ruhm stärkt. Auf das Miteinander kommt es an und nicht auf die Pflege der persönlichen Spiritualität. Nicht auf ein selbst gesuchtes Leiden, auf ein raffiniertes Religionsspiel oder auf eine ausufernde Religionspraxis, sondern auf den liebevollen Blick, dem ich meinem Nachbarn schenke, kommt es an. Nicht auf das Opfer für Gott, der in Christus schon alles für uns getan hat, kommt es an, sondern auf die Stärkung meines Mitmenschen.
Nach den Worten des Hebräerbriefes wird deutlich, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Auch den Christen damals fiel es schwer, an das Unsichtbare zu glauben und darauf zu vertrauen. Nur im Miteinander kann das gelingen und verständlich werden. Abraham bietet alles auf, um Lot zu retten. Melchisedek kommt ihm deshalb entgegen, versorgt und segnet ihn. Das ist – im Namen Jesu – das Vor-Bild und die Vor-Schrift für unseren Glauben an Gott.

Amen.

  • Lass uns die Zeit – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,
stärke unsere Dankbarkeit,
bereite unsere Dienstfertigkeit.
Nicht um der Welt zu zeigen, was wir können,
sondern dem Opfer deines Sohnes Jesus Christus gemäß.

So sorgen wir uns um den Frieden in der Welt;
um Gerechtigkeit, dass wir dir gerecht werden.

So feiern wir gemeinsam Gottesdienst,
um deiner Gemeinschaft teilhaftig zu werden.

So wenden wir uns unseren Mitmenschen zu,
barmherzig und liebevoll, um in deiner Liebe
das ewige Leben zu erben.

Darum beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Laetare (19.03.)2023

  • Eröffnung

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Mit diesem Wort aus dem Johannesevangelium wird uns der Gedanke zugemutet, dass es eine Zeit der Dunkelheit braucht, um das Licht des Lebens zu erkennen und danach zu leben. Die Auferstehung aus dem Dunkel leuchtet am Horizont wie es das „kleine Ostern“ am Sonntag Lätare verheißt.

  • Ein Tag in deinen Vorhöfen – Ein Psalm (Ps 84,2-13)

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn;
mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen –
deine Altäre, Herr Zebaoth,
mein König und mein Gott.
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen;
die loben dich immerdar. SELA.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachwandeln!
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, /
wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern
und schauen den wahren Gott in Zion.
Herr, Gott Zebaoth, höre mein Gebet;
vernimm es, Gott Jakobs! SELA.
Gott, unser Schild, schaue doch;
sieh an das Antlitz deines Gesalbten!
Denn ein Tag in deinen Vorhöfen
ist besser als sonst tausend.
Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause
als wohnen in den Zelten der Frevler.
Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild; /
der Herr gibt Gnade und Ehre.
Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
Herr Zebaoth, wohl dem Menschen,
der sich auf dich verlässt!

  • Aus dem Acker in den Morgen – Ein Lied: „Korn, das in die Erde“ (EG 98)

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt.
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
Wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
Unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

  • Einen kleinen Augenblick – Worte aus dem Buch Jesaja im 54. Kapitel

„Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und
der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Worte des lebendigen Gottes. (Jes 54,7-10)

  • Immer wenn du zurückkommst – Gedanken zu Jesaja

Doch der Liebste lässt auf sich warten.
Die Geborgenheit lässt auf sich warten, seine Zärtlichkeit
das Fest, die Rückkehr und seine Berührungen lassen auf sich warten;
Trost, Zuwendung und Heilung lassen auf sich warten;
die Sehnsucht, der Kampf, die Leidenschaft lassen auf sich warten.
Der Frieden lässt auf sich warten.
Aufbau, Ankunft und Auferstehung lassen auf sich warten.
Es braucht noch Zeit, viel Zeit,
mehr als einen Moment, mehr als einen Tag,
vielleicht ein ganzes Leben.
Vielleicht über das Leben hinaus.

Liebe Gemeinde,
einer dieser „Momente“, ein Zeitalter des Wartens prägt auch die Theologie des zweiten Jesajabuches, aus dem der heutige Predigttext ist. Der Theologe Reinhard G. Kratz beschreibt die Situation der Exilsgemeinde, fern vom heimatlichen Jerusalem mit folgenden Worten:

„Doch der Eintritt des Heils ließ auf sich warten.
Die Trümmer Jerusalems waren noch lange nicht beseitigt,
die in aller Welt verschleppten Juden blieben, wo sie waren,
sei es, dass sie nicht zurückkehren konnten,
sei es, dass sie nicht wollten.“

Und Gott, mit den Worten des Propheten, antwortet auf das Klagelied der Verzögerung, der Sehnsucht und des Liebeskummers mit einem Liebeslied, hier in der Übersetzung von Buber und Rosenzweig:

Eine kleine Regung lang
habe ich dich verlassen,
aber in großem Erbarmen
hole ich dich wieder herbei.
Als der Groll überschwoll,
verbarg ich mein Antlitz
eine Regung lang vor dir,
aber in Weltzeit-Huld
erbarme ich mich nun dein,
hat dein Auslöser, Er, gesprochen.

Die Liebe ist so.
Die Zeit der Trennung dehnt sich.
Wer misst die Zeit, wenn ich voller Sehnsucht auf den Geliebten warte?

Nicht nur zärtliche Zuwendung, sondern auch Groll und Streit gehören zur Liebe. Wann werden Streit und Groll überwunden sein? Jede Regung des Geliebten habe ich genau im Blick? Ist es nicht mehr als das?
Kann es sein, dass ich eine kleine, vielleicht falsch gedeutete Regung überinterpretiere und eine falsch verstandene Andeutung, ein unglücklich gewähltes Wort oder eine kurze Unaufmerksamkeit alles in Frage stellt?
Und wer sagt schon, was als klein, kurz, unglücklich und unbedeutend gelten darf?

Und so antworte ich auf dieses Liebeslied: Gott, ist es denn nur eine kleine Regung, wenn dein Volk vom heiligen Ort verschleppt in der Fremde leben muss, während dein Haus in Schutt und Asche liegt?
Ist es nur eine vorübergehende Geschichte, wenn Häuser zusammenstürzen und die Menschen unter sich begraben.
Ist es nur eine Unaufmerksamkeit, wenn Menschen sich Gewalt antun und die Ressourcen des Planeten unter menschlichen Ansprüchen erschöpft werden.
Diese Momente und kurzen Unterbrechungen können sehr lange anhalten. Nur einen Augenblick unaufmerksam vor vielen, vielen Jahren: und bis heute holt mich dieser Moment ein, weil er Folgen zeitigt, weil er Wunden hinterlässt, die nicht mehr heilen.

Die Liebe misst die Zeit eben anders.
Die Zeit der Trennung dehnt sich.
Die Liebe ist so.

Weil sie bleibt.
Länger als der Moment, der unendlich erscheint.
Weil die Liebe Weltzeit-Huld ist.
Weil der Moment des Schreckens verblasst im Moment des Wiedersehens.
Weil die Zeit der Passion überwunden werden wird.
Weil die Zeit der Auferstehung schöner und wunderbarer ist
als alles, was ich mir vorstellen kann.
Weil ich dir vertraue, Gott.

Singe ich dir mein Liebeslied mit den Worten der Dichterin Paula Ludwig:

Immer wenn du zurückkommst
ist mirs
als sähe ich dich zum erstenmale:

Silbern stäubt es aus meiner Seele
wie aus den Weidenkätzchen
wenn der Frühlingswind
sie zum erstenmale berührt.

Amen.

  • Lass uns die Zeit – Miteinander und füreinander beten

O Gott,
lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor, aus lauter Verzweiflung,
noch mehr Unfrieden zu stiften,
noch mehr zu zerstören,
weil wir nicht mehr bei Verstand sind.

Lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor das Vertrauen in dich zu verlieren,
fixiert auf den Zweifel an deiner Liebe,
deiner Zärtlichkeiten leichtsinnig zu entsagen.

Lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor im Eigensinn unsere Mitmenschen
auszuschließen und damit weder Hilfe zu geben
noch anzunehmen, um wieder Raum zu geben,
was uns vor Augen steht in Jesus Christus.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Okuli (12.03.)2023

  • Eröffnung

„Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Mit diesem Wort eröffnet der Evangelist Lukas diese Woche und erinnert uns daran, dass Gottes neue Welt unaufhaltsam näher kommt. Was das für uns Menschen bedeutet, wie wir daraus Trost und Stärkung erfahren können in einer finsteren Welt, bringen uns die folgenden Gedanken und Worte näher.

  • Raue Wege – Ein Lied: „Jesu, geh voran“ (EG 391)

1) Jesus, geh voran
auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen,
dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand
bis ins Vaterland.

2) Soll’s uns hart ergehn,
lass uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen
niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier
geht der Weg zu dir.

3) Rühret eigner Schmerz
irgend unser Herz,
kümmert uns ein fremdes Leiden,
o so gib Geduld zu beiden;
richte unsern Sinn
auf das Ende hin.

4) Ordne unsern Gang,
Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt’ge Pflege;
tu uns nach dem Lauf
deine Türe auf.

  • Eure Stunde – Evangelium nach Lukas im 22. Kapitel

Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar;
und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas,
ging vor ihnen her und nahte sich Jesus,
um ihn zu küssen.
Jesus aber sprach zu ihm:
Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?
Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde,
sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?
Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters
und hieb ihm sein rechtes Ohr ab.
Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter!
Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.
Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren:
Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen?
Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen,
und ihr habt nicht Hand an mich gelegt.
Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

Wort unseres Herrn Jesus Christus. (Lk 22,47-53)

  • Das Ohr wächst wieder an – Gedanken zum Evangelium
Glasfenster in der Lutherkirche zu Weißenfels; Künstlerin: Ina Hossfeld

Liebe Gemeinde,

wahrhafte Kunst trägt etwas Doppeldeutiges und Widersprüchliches an sich. Sie verbindet etwa Humor und Ernsthaftigkeit oder Licht und Schatten oder Leid und Hoffnung. In dem Glasbild der Künstlerin Ina Hossfeld in unserer kleinen Schwesterkirche in Weißenfels spiegelt sich dieses Prinzip wieder. Es zeigt das Gebet Jesu im Garten Gethsemane, das dem heutigen Predigttext von der Gefangennahme unmittelbar vorausgeht. Im Wechselspiel des Sonnenlichts mit dem geschliffenen farbigen Überfangglas entsteht ein Lichtgefälle, das den Boten Gottes im engen Kontakt mit dem Betenden darstellt. Sein Leid und seine Versuchung wird so in den Glanz Gottes gestellt. Die Wahrhaftigkeit der Kunst gibt also wieder, dass auch in der Finsternis Gott nahe ist.
So wird auch in der Schilderung der Gefangennahme Jesu sein Leid nicht allein in den Vordergrund gerückt. Das Leid ist unausweichlich, alles deutet darauf hin, dass Jesus im Anschluss an seine Gefangennahme leiden und sterben muss. Aber sie erschöpft sich nicht darin. Die drei Szenen dieser Geschichte malen ein Bild, dass aus Hell und Dunkel gestaltet ist. Die intime Geste des Kusses geht einher mit der Auslieferung Jesu; der kämpferische Angriff seiner Jünger verletzt einen der Häscher, aber Jesus heilt das abgeschlagene Ohr; sein unbehelligter Aufenthalt im Tempel steht der mit Waffengewalt erfolgenden Festnahme gegenüber.
Helligkeit und Dunkelheit ergeben ein realistisches Bild der Welt Jesu und der Welt überhaupt. Das Leid, die Gewalt, der Tod sind eine Realität, aber auch die Heilung, das Lichte, die Worte im Tempel, selbst die irritierende Zärtlichkeit des Judas.
Dabei ist festzuhalten, dass wir nicht nur im Leid Gottes Nähe erfahren können. Dieser Schluss von dem Leid der Welt, dass uns notwendigerweise zu den Freuden des Himmels führt, wurde oft als erzieherisches Mittel missbraucht, um Kontrolle und Macht auszuüben. Das Leid ist auf dieser Welt ein Zeichen menschlicher Gottesferne und deshalb unausweichlich. Allerdings und paradoxerweise ist Gott dann besonders nahe, wenn ich ihn im Leid fern glaube.
Dieser Glaube ist der Grund, weshalb Jesus seine Jünger bittet zu beten, damit sie der Versuchung widerstehen, Gott fern zu glauben, weil ihre Welt sich gottlos anfühlt; aber wo das Chaos und die Finsternis herrschen, ist Gott an ihrem Platz, denn sie ist Mutter und Schöpferin der Welt, indem sie das Chaos ordnet und sagt, es werde Licht. Selbst Jesus muss sich das in seinem Gebet vor Augen halten.
Das Leid führt zur Leidlosigkeit in einer leidvollen Welt, wobei aber nicht Leid selbst verherrlicht wird. Sondern im Gegenteil, es soll überwunden sein,
das Ohr wächst wieder an. Diese mittlere Szene hat deshalb mit ihrer Heilung eine besondere Stellung. Sie kehrt das schreckliche Geschehen für einen Augenblick um. Ein Leben wird nicht zerstört, sondern gerettet. Mitten in der Auslieferung und der Gefangennahme blitzt ein Zeichen der Hoffnung auf, dass es nicht finster bleiben wird. Das Leid ist nicht vermeidbar, weil es in der Welt herrscht, aber es wird ihm im selben Moment etwas entgegengestellt, weil Jesus an Gott festhält. Sonst bliebe ihm gar nichts.
Darin liegt ein Trost, eine Ermutigung, eine Hoffnung. An Gott festhalten. Weil er an uns festhält. Oder wie es in der fast trotzigen Bitte des Wochenliedes anklingt: Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nötge Pflege. Ja, so soll es sein. Selbst die Gefangennahme Jesu erzählt davon, weil das Licht nicht ausbleibt in dieser Finsternis.
Amen.

  • Sichere Zuflucht – Miteinander und füreinander beten

Beispielhaft für das Leid in der Welt beten wir heute für die Menschen in Tunesien, die unter der schweren Wirtschaftskrise im Land leiden,
weil Armut und Elend zunehmen.
Mit Sorge hören wir die Meldungen über die Unruhen in Tunesien.
Tausende Menschen demonstrieren gegen Präsidenten Saied.
Um die Probleme im Land zu verschleiern,
schürt er Rassismus und hetzt Menschen gegeneinander.
Der gesäte Hass treibt fürchterliche Taten hervor
und besonders Mädchen und Frauen leiden darunter.
Wir bitten Dich:
Steh den Opfern von rassistischem Terror in Tunesien bei.
Hilf allen, die das Land verlassen müssen, dass sie eine sichere Zuflucht finden.
Bewahre Tunesien davor, dass die Demokratie zugrunde geht.
Segne Helferinnen und Helfer vor Ort, die den Menschen beistehen, ihre Rechte zu verteidigen.
Sende Deinen Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit nach Tunesien,
und vereine uns in internationaler Gemeinschaft, dass dieses Land eine bessere Zukunft hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Reminiszere (05.03.)2023 – Thema: „Freier Sonntag“

  • Eröffnung

Mitten in der Passionszeit ein Blick auf den Sonntag. Das Innehalten in der Passionszeit, das Bedenken, wie der Alltag den Atem raubt; wie die Sonntagsruhe uns Raum geben kann zum Durchatmen, fügt sich in die Zeit ein, die uns an das Leiden und Sterben erinnert und zugleich den Blick darüber hinaus lenkt: auf den Lebensbaum des Paradieses. Der Sonntag und seine Ruhe geben ein Vorgeschmack davon.

  • Lob auf den Lippen – Ein Lied: „Du schöner Lebensbaum des Paradieses“ (EG 96)

Du schöner Lebensbaum des Paradieses,
gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden.
Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier.

Nur unsretwegen hattest du zu leiden,
gingst an das Kreuz und trugst die Dornenkrone.
Für unsre Sünden musstest du bezahlen mit deinem Leben.

Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf,
dass allen denen wir auch gern vergeben,
die uns beleidigt, die uns Unrecht taten, selbst sich verfehlten.

Für diese alle wollen wir dich bitten,
nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen,
dass wir mit allen Heilgen zu dir kommen in deinen Frieden.

Wenn sich die Tage unsres Lebens neigen,
nimm unsren Geist, Herr, auf in deine Hände,
dass wir zuletzt von hier getröstet scheiden, Lob auf den Lippen:

Dank sei dem Vater, unsrem Gott im Himmel,
er ist der Retter der verlornen Menschheit,
hat uns erworben Frieden ohne Ende, ewige Freude.

  • Das gute Teil – Evangelium nach Lukas im 10. Kapitel

Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf.
Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,38-42)
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Verbindung zu Gott – Gedanken zum 1700jährigen Jubiläum des freien Sonntags

Am 3. März lud die „Allianz für den freien Sonntag“ ein zu einer Online-Veranstaltung, um das 1700jährige Jubiläum zu feiern. Zur Vorbereitung auf dieses Thema lese ich im Vorwort des Buches „Der Sabbath“ von Abraham Joshua Heschel, einem jüdischen Gelehrten, wie seine Tochter Susannah Heschel die Vorbereitungen ihrer Familie auf die Sabbatfeier beschreibt. Sie erzählt von den aufgeregten Momenten in der Küche, beide Eltern bei den hektischen Vorbereitungen und der bangen Frage, ob sie denn auch an alles gedacht haben.
„Dann aber“, schreibt sie, „plötzlich, war es an der Zeit: 20 Minuten vor Sonnenuntergang. Was auch immer in der Küche nicht mehr erledigt werden konnte, ließen wir einfach stehen und liegen als wir die Kerzen anzündeten und die Ankunft des Sabbaths segneten. Mein Vater schreibt: Der Sabbath kommt wie eine Umarmung, die Angst, Sorge und düstere Gedanken abstreift.“
Es geschieht, bei Sonnenuntergang, es ist an der Zeit, in die aufbrechende Dämmerung bricht eine Ordnung ein, die Gott und Mensch unabweisbar zum siebten Tag der Schöpfung führt, zum Ruhetag, an dem nicht mehr geschaffen und gearbeitet wird, an dem Frieden herrscht unter allen Menschen des Hauses. Niemand soll etwas tun, nichts soll mehr geordnet, zubereitet und geregelt werden.
Dieses Gebot beruht also auf einer Tatsache. Es ist ein natürliches Gebot, das ebenso wie der Lauf der Sonne, eine Gegebenheit ist. Dieses Gebot in Frage zu stellen ist schlichtweg nicht möglich. Es liegt nicht in meiner oder irgendeines Menschen Hand. Es ist keine Frage der Erwägung. Möge jeder in dieser Zeit gut vorbereitet sein!

Um es deutlich zu machen: Den Sabbath in Frage zu stellen, wäre genauso irrsinnig wie die Frau in einer Fernsehserie, die sich über das Mondlicht beschwert, weil es die Beleuchtung ihrer akribisch vorbereiteten Gartenparty stört. Zu Recht schauen sich alle irritiert an. Sogar sie selbst erkennt das Unsinnige an ihrer Beschwerde. Sie kann das Mondlicht nicht einfach abschalten.
Deshalb stelle ich auch selbst in Frage, woran ich lange glaubte. Dass nämlich der Sabbat, oder unser Sonntag, irgendwie disponibel wäre. Als wir in der Ausbildung über den Sonntag diskutierten, warf einer meiner Kollegen ein, dass der Ingenieur, der am Sonntag seine geliebte Werkzeugsammlung sortiert, auf seine Weise den Sonntag feiern würde. Ich stimmte ihm zu.
Nun aber würde ich sagen, dass jede sinnvolle Tätigkeit in unserem menschlichen Sinne eben dieses Gebot verletzt. Jede Tätigkeit ist untersagt und soll unterbrochen sein. So wie Susannah Heschel es beschreibt: Alles bleibt stehen und liegen, kein Schalter wird mehr bewegt, keine Zeile geschrieben, keine Reise unternommen. Selbst profane Lektüre bleibt außen vor; allein das Wort Gottes in den heiligen Schriften hat hier seinen Platz.
Abraham Joshua Heschel fasst diese Zeit als ein Einbruch der Ewigkeit, als ein Stehenbleiben (in) der Zeit, als ein Kreisen um das Nichts, wie es am Anfang der Schöpfung bestand, sinnlos in unseren Augen und unseren Händen entzogen, führt der Sabbat, dieser siebte Tage, zurück zum Anfang der Schöpfung, das allein in Gottes Wort ruht und sich ordnet. Er führt uns in die Zeit, in die Zeitlosigkeit zwischen Kreuz und Auferstehung.
Dieser Moment von Zeitlosigkeit, Sinnlosigkeit, dieses Stehenbleiben in der Zeit, diese Zeit der Ruhe erinnert deshalb nicht nur zufällig an den Tod und an die Sitte jüdischer Trauerzüge, die der Psychoanalytiker Leon Wurmser beschreibt. Unvermittelt bleibe der Trauerzug stehen, halte inne, ohne äußeren Anlass, um das Stehenbleiben der Zeit, den Einbruch der Sinnlosigkeit hin zur Ewigkeit spürbar zu machen.

Der Sabbat ist also unumgänglich. Keine Ausrede zählt, wenn es nicht das Leben selbst betrifft. Wenn die Zeit des Sabbats eintrifft – das ist ein Naturgesetz der Schöpfung – kommt die Zeit zum Stehen. Genau das ist unser freier Sonntag. Er ist Gottes Zeit. Es ist die Zeit, in seiner Sphäre zu sein. Keine menschliche Begründung könnte diese Zeit einholen. Er ist keine Wellnessdirektive, die darauf aus ist, die Arbeitskraft des Menschen zu erhalten. Es geht nicht darum, sich etwas Gutes zu tun. Es ist auch nicht die Zeit staatlicher oder kirchlicher Ordnung, worauf das 1700jährige Jubiläum verweist. Kaiser Konstantin hat damit nichts zu tun. Und eben auch die Kirche nicht. Es geht nicht darum, die Gläubigen aufzufordern, sich in der Kirche einzufinden, obwohl es selbstverständlich eine schöne und erhebende Gelegenheit ist, miteinander den Gottesdienst zu feiern. Aber es ist kein Muss! Abraham Joshua Heschel pflegte, wie sich seine Tochter erinnert, meistens zu Hause zu bleiben, um seine Gebete zu sprechen. Das Entscheidende hat er getan. Alle Arbeit ließ er ruhen. Auch gegen seine Bequemlichkeit. Wer wäre er auch, wer wären wir, die Umarmung Gottes auszuschlagen? Arme, verfluchte Menschen, die sich dem Segen des Sabbats entziehen und verweigern. Deshalb weist auch Jesus in harscher Weise die geschäftige Martha zurecht. Maria hat das bessere Teil erwählt. Denn es ist an der Zeit Jesu Wort zu hören. Darin steckt kein unsensibles, machoartiges Verhalten, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Er schmälert die Arbeit Marthas nicht. Es ist vielmehr erstaunlich, das der Evangelist Lukas sie überhaupt in den Blick nimmt. So wie Susannah Heschel die hektische Arbeit in der Küche beschreibt. Übrigens beider Eltern, Mutter und Vater. Aus diesem Blickwinkel nehme ich an, dass auch Maria nicht nur zu Jesu Füßen saß, sondern ebenfalls ihren Teil der Arbeit beigetragen hat. Jetzt ist es aber an der Zeit, alles stehen und liegen zu lassen. Auch und vor allem entgegen der Gewohnheit, der Bequemlichkeit und der Vernunft.

Das Gebot der Sonntagsruhe hat im Kreis der 10 Gebote seinen festen Platz. Es ist falsch, es nur nach Lust und Laune zu beachten. Es steht neben dem 5. Gebot und neben dem 1. Gebot; es reiht sich ein in das umfassende Gebot der Gottes- und Nächstenliebe. Es gehört dazu wie Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Gesegnet sei dieser Tag!
Amen.

  • Halte inne – Miteinander und füreinander beten

Gott halte inne, segne uns diesen Tag; verleih uns Frieden und Ruhe.
Ruhe vor den Geschäften und der Geschäftigkeit der Welt.
Ruhe vor den Waffen mörderischer Kriege.
Ruhe vor dem Unfrieden in unserem Land.
Ruhe vor den politischen Forderungen, Meinungen und Kämpfen.
Ruhe vor unseren Ängsten, Sorgen und düsteren Gedanken.
Ruhe vor unserem Leid.
Ruhe für die Menschen, die unter menschlicher Geschäftigkeit leiden.
Unter menschlichem Hass und Streit.
Ruhe für die Menschen, die unter Krankheit und Einsamkeit leiden.
Unter Tod und Trauer.

Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden.
Mit deinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Invokavit (26.02.)2023

  • Eröffnung

„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Mit diesen Worten aus dem 1. Johannesbrief werden wir darin bestärkt, dass Gott uns beisteht in jeder Versuchung und jedem Leid. Darin zeigen sich Glaube, Liebe und Hoffnung, an denen Gott uns teilhaben lässt. Gerade in der kommenden Passionszeit.

  • Daß uns der Feind nicht trutze – Ein Lied: „Ach bleib mit deiner Gnade“ (EG 347)

1) Ach bleib mit deiner Gnade
bei uns, Herr Jesu Christ,
daß uns hinfort nicht schade
des bösen Feindes List.

2) Ach bleib mit deinem Worte
bei uns, Erlöser wert,
daß uns sei hier und dorte
dein Güt und Heil beschert.

3) Ach bleib mit deinem Glanze
bei uns, du wertes Licht;
dein Wahrheit uns umschanze,
damit wir irren nicht.

4) Ach bleib mit deinem Segen
bei uns, du reicher Herr;
dein Gnad und alls Vermögen
in uns reichlich vermehr.

5) Ach bleib mit deinem Schutze
bei uns, du starker Held,
daß uns der Feind nicht trutze
noch fäll die böse Welt.

6) Ach bleib mit deiner Treue
bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe,
hilf uns aus aller Not.

  • Bloß sein Leben wahre – Worte aus dem Buch Hiob im 2. Kapitel

Eines Tags geschahs, die Gottessöhne kamen, vor IHN zu treten, auch der Hinderer kam mitten unter ihnen, vor IHN zu treten. ER sprach zum Hinderer: »Von wannen kommst du?« Der Hinderer antwortete IHM, er sprach: »Vom Schweifen über die Erde, vom Mich-ergehen auf ihr.« ER sprach zum Hinderer: »Hast du dein Herz auf meinen Knecht Ijob gerichtet: daß keiner auf Erden ihm gleich ist, ein Mann schlicht und gerade, Gott fürchtend und vom Bösen weichend? Und noch hält er an seiner Schlichtheit. Du aber hast mich gegen ihn gereizt, ihn umsonst zu verschlingen.« Der Hinderer antwortete IHM, er sprach: »Haut um Haut, alles, was eines Mannes ist, gibt er um sein Leben. Hingegen schicke doch deine Hand aus und rühre an sein Gebein und an sein Fleisch, – ob er nicht in dein Antlitz dir absegnet!« ER sprach zum Hinderer: »Da, er ist in deiner Hand, bloß sein Leben wahre!« Der Hinderer fuhr aus von SEINEM Antlitz und schlug Ijob mit einem bösen Geschwür von der Sohle seines Fußes bis zu seinem Scheitel. Der nahm sich eine Scherbe, sich damit zu schaben, während er inmitten der Asche saß. Sein Weib sprach zu ihm: »Noch hältst du an deiner Schlichtheit! Segne Gott ab und stirb!« Er sprach zu ihr: »Gleich dem Reden einer der Nichtigen redest du. Auch das Gute empfangen wir von Gott – und wollen das Böse nicht empfangen?« Bei alledem sündigte Ijob nicht mit seinen Lippen. (Übersetzung nach Buber / Rosenzweig)

  • Verbindung zu Gott- Gedanken zu Hiob

Gott sieht Hiob.
Er hat sein Herz auf ihn gerichtet.
Er schätzt ihn. Seine Schlichtheit und Geradheit.
Seine Gottesfurcht und seine Gütigkeit.
In all diesen Begriffen drückt Gott aus,
dass auch Hiob sich von Gott gesehen weiß.
Unabhängig davon, ob Gott ihm Gutes oder Böses schickt.
Gott ist in Verbindung mit Hiob,
Hiob ist in Verbindung mit Gott.
Das ist erstaunlich und verwirrend.
Hiobs Gottesbild beschränkt sich nicht darauf,
dass Gott für sein Wohlergehen zuständig sei.
Ihm kommt es allein darauf an,
von Gott nicht verlassen zu sein,
Gottes Dasein zu wissen und zu fühlen,
eben mit ihm in Verbindung zu sein.

Und so geht es Gott auch.
Gott fragt den Hinderer, hebräisch, den Satan:
Hast du dein Herz auf meinen Knecht Hiob gerichtet?
Dieser gibt aber keine Antwort darauf.
Hiob interessiert ihn wohl nicht.
Vielmehr erinnert er Gott an den Wettstreit,
den beide um Hiob ausfechten.
Wird Hiob die Verbindung zu Gott abbrechen,
wenn er alles verliert, was sein Leben bisher ausgemacht hat.
Wenn er seine Kinder verliert, seinen Besitz;
und schließlich sogar seine Gesundheit.
Wenn Gott ihn in Versuchung führt.
Wenn ihm nichts mehr bleibt. Außer sein nacktes Leben.

Hiobs Frau folgt diesem Gedanken des Hinderers.
Verständlicherweise empfiehlt sie Hiob, Gott abzusegnen.
Ihn zu lassen, sich nicht mehr mit ihm zu befassen.
Im Tod wird ihm das sicher gelingen, glaubt sie:
Segne Gott ab und stirb.
Dann hat das Leid ein Ende.
Gott ist für sie wie ein Geschäftspartner,
dem Hiob kündigen soll oder kann oder darf oder muss,
wenn er ihm nicht mehr das liefert, was er wünscht.

Hiobs Perspektive ist anders.
Der Hinderer hat Recht, wenn er sagt: Haut um Haut,
alles, was eines Mannes ist, gibt er um sein Leben.
Hiob hängt an seinem Leben. Bis zum letzten Atemzug.
Deshalb gibt er seines nicht auf. Das Letzte, was ihm bleibt.
Seine Verbindung zu Gott. Sein Gebet. Seine Sehnsucht.
Seine Klage. Sein Hoffen, Lieben und Glauben.
Es ist alles, was er noch hat. Sein Leben. Gott.
Sonst bleibt ihm nur der Tod. Ohne Gott.
Darin würde Hiobs Frau Recht behalten.

Liebe Gemeinde,
wie in einer Ellipse gibt es immer zwei Zentren,
wenn ich die Frage nach Glaube und Versuchung stelle.
Die eine wird von Gott und dem Hinderer gebildet.
Sie ist ein Bild von Gott, wie ich es mir in Freud oder Leid vorstelle.
Da ist Gott, der sich für mich interessiert,
und auf der anderen Seite der Hinderer, dem ich gleichgültig bin.
Hiob und seine Frau bilden die Zentren der anderen Ellipse.
Auf der einen Seite halte ich an Gott fest, ob in Freud oder Leid.
Auf der anderen Seite zweifle ich an ihm.
Zweifelnder und gläubiger Mensch.
Gott und der Hinderer, sie sind aus meiner Sicht untrennbar;
so wie Zweifel und Glauben in mir fest verbunden sind.
Wenn es nur diese beiden Verbindungen gäbe
wäre es egal, ob ich an Gott oder den Teufel glaube,
sie sind ja eins;
es wäre egal, ob ich zweifle oder glaube,
es ist ja ein und dasselbe
es wäre egal, wenn es nicht eine dritte Ellipse gäbe.
Deren Zentren sind Gott und Hiob.
Sie sind unauflöslich miteinander verbunden.
Mag sein, dass ich leide, dass ich nichts besitze,
dass es mir an Aussichten und Zukunftshoffnungen fehlt;
dass ich nichts Besonderes leiste oder den Erwartungen meiner Mitmenschen nicht gerecht werde,
dass es mir an Schönheit und Gesundheit fehlt,
dass ich verlassen, einsam und krank in der Asche hocke,
eines kann ich von Hiob lernen,
auch wenn mir seine Haltung erstaunlich und verwirrend vorkommt,
an einem hält Hiob unverbrüchlich fest:

Gott sieht mich.

Amen.

  • Bleibe uns verbunden – Miteinander und füreinander beten

Gott, sieh uns an, voller Liebe,
dass ich daran festhalte,
auch wenn die Welt in Krieg versinkt,
in Streit und Hass;
auch wenn es ungerecht zugeht,
Geiz und Gier regieren;
auch wenn uns Katastrophen am Sinn des Lebens zweifeln lassen.
In deiner Liebe bleibe uns verbunden.

Gott, sieh uns an, voller Glauben,
dass wir daran festhalten,
dass du uns gut geschaffen hast,
auf Gemeinschaft und Nächstenliebe hin,
dass wir uns unter deinem Wort versammeln,
und Heimat sein können für alle Menschen,
die nach dir fragen.
In deinem Glauben bleibe uns verbunden.

Gott, sieh uns an, voller Hoffnung,
dass wir daran festhalten,
auch dann, wenn uns großes Leid trifft,
wenn wir selbst und unsre Liebsten leiden,
an Krankheit, Einsamkeit und Trauer,
dass du uns Leben schenkst
selbst über den Tod hinaus.
In deiner Hoffnung bleibe uns verbunden.

Gott hat uns zugesagt,
in Jesus Christus mit uns verbunden zu bleiben.
Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Sexagesimae (12.02.)2023

Wir begrüßen in unserer Mitte die Familie […]. Der Vater und seine Kinder werden in diesem Gottesdienst getauft. Wir freuen uns mit ihnen und feiern zusammen den Anfang ihres Weges in der christlichen Gemeinde.

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Spruch für die neue Woche steht im Brief an die Hebräer Kapitel 3,15
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“

  • Ein Lied: Ich möcht, dass einer mit mir geht (EG 209)

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.

Ich wart‘, dass einer mit mir geht,
der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden.
Ich wart‘, dass einer mit mir geht.

Es heißt, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Es heißt, dass einer mit mir geht.

Sie nennen ihn den Herren Christ,
der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten.
Ich möcht‘, dass er auch mit mir geht.

  • Worte aus Psalm 27

Der Herr ist mein Licht und mein Glück.
Vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist der Schutz meines Lebens.
Vor wem sollte ich erschrecken?
Auch wenn ein Heer mich belagert,
bleibt mein Herz ganz ohne Furcht!
Auch wenn ein Krieg gegen mich ausbricht,
halte ich an meinem Vertrauen fest.
Ich hatte eine einzige Bitte an den Herrn.
Nichts anderes wünsche ich mir:
Ich möchte im Haus des Herrn sein
alle Tage meines Lebens.
Ich möchte die Schönheit des Herrn schauen
und sie im Inneren seines Tempels betrachten.
Denn er bewahrt mich in seiner Hütte
am Tag, an dem mir Unheil droht.
Er bietet mir Schutz unterm Dach seines Zeltes,
er hebt mich hoch auf einen sicheren Felsen.
Ich dachte nach über dein Wort:
»Ihr sollt mein Angesicht suchen!«
Ja, dein Angesicht, Herr, will ich suchen!
Hoffe auf den Herrn.
Sei stark und fasse neuen Mut.
Setz deine Hoffnung auf den Herrn!

  • Taufe

Die christliche Kirche tauft nach dem Willen unseres Herrn Jesus Christus
und im Vertrauen auf seine Verheißung.
So steht geschrieben im Evangelium nach Matthäus:
Christus spricht: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Kreuzeszeichen
Die ihn aber aufnahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben (Joh 1,12). So ruft Christus uns Menschen in Liebe zu sich. Darum sollen die Täuflinge das Zeichen des Kreuzes empfangen. Lasst uns beten: Jesus Christus, in der Taufe sagst du Ja zu uns. Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wir bitten dich: Lass die Wege derer, die heute getauft werden, auch deine Wege sein. Öffne sie für deine Wahrheit und gib ihnen Anteil an deinem unvergänglichen Leben. Dir vertrauen wir uns an und loben Gott, unseren Schöpfer.

WILLKOMMEN DER GEMEINDE
Euch alle, die ihr Zeugen dieser Taufen seid, bitten wir: Nehmt auch ihr euch dieser Kinder an! Begleitet sie als Schwestern und Brüder. Ihr seid verbunden im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe!

  • Predigt
Bildnachweis: https://www.express.co.uk/news/nature/670328/World-famous-Misha-the-giraffe-behind-touching-Kiss-photo-dies-Perth-Zoo

Die kleine Giraffe ist ein Bild dafür, was uns Menschen in der Taufe geschieht. Wir sehen ein Geschöpf Gottes, wundersam in seiner Ausformung, schön gestaltet. Ein süßes Ding. Nach menschlichen Begriffen schaut es neugierig in die Welt, den langen Hals hoch aufgereckt, stolz und zugleich so verletzlich. Riesenhaft wirkt der Kopf seiner Mutter, der sich über das junge Tier beugt und es sanft berührt. Wie aus dem Nichts taucht dieser Kopf auf, senkrecht von oben und doch ganz nah. Sie wendet sich der kleinen Giraffe zu und verheißt Schutz und Pflege.
Auch in der Taufe wendet sich Gott uns zu, und zwar in der zärtlichsten, liebevollsten, wichtigsten und folgenreichsten Weise, die er uns schenken kann.
Ohne ihn können wir nicht leben. Er schenkt uns Schutz und Nahrung und Liebe.
Diese Zuwendung trifft uns in unserem irdischen Dasein ebenso wie in unserem himmlischen. Die Taufe ist das Tor und der Weg in das Leben.
In ein neues Leben. Mit Gott.
So beginnt es. In dieser wundersamen Weise. So setzt es sich fort. Verletzlich ist dieses Leben. Es droht Gefahr in dieser Welt. Von außen und von innen. Es ist uns mehr als deutlich, was unser Leben bedroht. Der Krieg ist wieder Alltag geworden, ist uns nah gerückt; Krankheiten bedrohen uns, mal mehr, mal weniger offensichtlich; und dazu kommt, was wir aus uns selbst machen, wie wir leben wollen, und ob wir unseren Mitmenschen ein Licht sein werden oder doch Finsternis. Gott sagt uns zu, dass er unser Leben in all seiner Schönheit erhalten will. Gott sagt uns, dass es außer unserer eigenen Kraft steht, es zu erhalten, wie er es gemeint hat. Es ist ein Leben von Gott her, er will ein neues Leben zu ihm hin. Der Taufspruch aus dem Jesajabuch nimmt dieses Gefühl auf. Diese Verletzlichkeit. Und setzt dagegen die Hoffnung, die in Gottes Zusage steckt: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.
Wer darauf vertraut, kann – wie im Taufspruch aus dem Psalm 27 – stark und mutig durch das Leben gehen: Hoffe auf den Herrn. Sei stark und fasse neuen Mut. Setz deine Hoffnung auf den Herrn.
Das Leben wird durch diese Zusage und Hoffnung von Grund auf verändert. Ein neues Leben, das sich auf Christus gründet, wie im Taufspruch aus dem Römerbrief: Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen.
Der Schrecken des Todes, das unser verletzliches Leben, unsere zierlichen Glieder bedroht, das uns die Schattenseiten des Lebens vor Augen führt und uns trostlos und traurig macht, wird abgewendet. Gott sagt: So ist dein Leben nicht mehr.
Ich gebe dir ein neues Leben.
Und das hat Folgen. Sie sind im Taufspruch aus dem Epheserbrief beschrieben: Wandelt als Kinder des Lichts, die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Zur Taufe gehört also, dass wir beides sind. Zuallererst die kleine Giraffe, niedlich und schutzbedürftig. In der Folge aber auch die große Giraffe, die sich dem kleinen Geschöpf zärtlich zuwendet.
In den Taufsprüchen der vier finden wir diesen Reichtum an Hoffnung und Güte wieder, der sich mit der Taufe erfüllt.
Heute steht uns das klar vor Augen. Die Kinder und ihre Eltern. Wir alle sind vor Gott in der Taufe immer ein Kind. Sonst wäre sie gar nicht möglich. Vor Gott sind wir in der Taufe auch immer Eltern. Verantwortlich für das Wohlergehen unserer Nächsten. Und zugleich sehen wir, wie gerade aus dieser Kindlichkeit eine Gemeinschaft wächst, in der wir uns gegenseitig stärken und behüten können. Im guten Geist Gottes. Geführt ins neue Leben.
Von nun an bis in alle Ewigkeit. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Du, unser Gott, wir danken dir für deine Schöpfung.
Leider geht die Menschheitsfamilie nicht besonders sorgsam mit ihr um.
Und auch mit sich selbst nicht. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen
und die Gewalt untereinander in den Kriegen dieser Welt stellt dein Werk in Frage. Stärke uns und ermutige uns, dass wir uns immer wieder in Erinnerung rufen
und dafür einstehen, dass deine Schöpfung ein gutes Werk und voller Segen ist.
Du, unser Gott, wir danken dir für das neue Leben,
das du in der Taufe geschenkt hast und bitten dich:
Führe die heute Getauften auf gutem Weg.
Sei ihnen nahe. Wecke ihren Glauben und erhalte ihn.
Segne die Eltern und Zeugen in ihrer Verantwortung
Dein Heiliger Geist sei mit uns allen
Du, unser Gott, wir danken dir für die Menschen in unserer Nähe.
Bewahre unseren Zusammenhalt in dieser Gemeinde und in unserer Stadt,
in unseren Familien und mit unseren Nachbarn.
Dass wir uns gegenseitig stützen und helfen können, wenn uns Armut, Krankheit, Trauer und Einsamkeit die Kraft rauben.
Und dass wir darauf vertrauen, Hilfe zu geben und anzunehmen.

Mit Jesu Worten beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Letzter Sonntag nach Epiphanias (29.01.)2023

  • Eröffnung

„Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Mit diesen verheißungsvollen Worten begrüßt uns der Prophet Jesaja in dieser Woche. Am Ende der Weihnachtszeit erinnert er uns noch einmal daran, was da geschehen im Stall bei Bethlehem. Ein Kind wird geboren, das das Licht Gottes an sich trägt. Mitten in der Finsternis dieser Welt.

  • Leucht uns selbst in dieser Welt – Ein Lied: „Morgenglanz der Ewigkeit“ (EG 450)
  1. Morgenglanz der Ewigkeit,
    Licht vom unerschöpften Lichte,
    schick uns diese Morgenzeit,
    deine Strahlen zu Gesichte
    und vertreib durch deine Macht
    unsre Nacht!
  2. Deiner Güte Morgentau
    fall auf unser matt gewissen,
    laß die dürre Lebensau
    lauter süßen Trost genießen
    und erquick uns, deine Schar,
    immerdar!
  3. Gib, daß deiner Liebe Glut
    unsre kalten Werke töte
    und erweck uns Herz und Mut
    bei erstandner Morgenröte,
    daß wir, eh wir gar vergehn,
    recht aufstehn!
  4. Ach du Aufgang aus der Höh,
    gib, daß auch am jüngsten tage
    unser leib verklärt ersteh
    und, entfernt von aller Plage,
    sich auf jener Freudenbahn
    freuen kann.
  5. Leucht uns selbst in dieser Welt,
    du verklärte Gnadensonne;
    führ uns durch das Tränenfeld
    in das Land der süßen Wonne,
    da die Lust, die uns erhöht,
    nie vergeht.
  • Fürchtet euch nicht Evangelium nach Matthäus im 17. Kapitel

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. (Mt 17,1-9)

  • Weich und stark zugleich – Kurzgeschichte zur Verklärung Jesu

Heimlich ist sie mitgegangen. Drei seiner Jünger und er, ihnen ist sie gefolgt. Auf den Berg. Was haben sie vor? Auf einem hohen Berg? Wortlos gehen sie unter dem weiß bedeckten Himmel. Die Sonne hinter den hohen Wolken. Gebirge im Himmel. Berge unten und oben. Ein Plateau. Felsiger, flacher Kegel, die windflüchtigen Bäume im dünnen Erdreich. Dahinter versteckt sie sich. Hier, ganz oben. Er sondert sich ab, schaut seine Jünger an, in seinem weißen Gewand. Das war ihr als erstes aufgefallen, als er in ihrem Dorf erschien. Von oben bis unten gewebt. Eine Kostbarkeit, die passte nicht zu seiner unscheinbaren Gestalt, den nackten Füßen, dem einfachen Schuhwerk, zu seinen Gefährten, einfache Fischer vom See Genezareth. Hier oben strahlte es besonders. Seine weiße Farbe, als glühte sie auf, als leuchtete sie heller. Liegt es am Sonnenlicht in der dünneren Atmosphäre? Ist sie hier reiner als unten im Tal, wo die Feuer in den Häusern ihren Rauch in die Luft abgeben. Sie staunt. Seine Gefährten staunen. Es tut sich was. Ohne dass sich eine Veränderung feststellen ließe, die sie in Worte fassen könnte. Eine Regung, die ihr ganz eigen bleibt.
Dann bewegt er seine Lippen. Ein Gebet? Dann lauscht er. Als hörte er zu. Mitten in der Stille. Wohin richtet er seine Worte, die sie nicht hören kann. Auf was hört er? Oder bildet sie sich das alles nur ein?
Auch Petrus, einer der Gefährten, scheint etwas zu spüren. Mitten in die Stille hinein hört sie seine Stimme: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Sie ist überrascht! Was sieht Petrus da? Hat Jesus doch nicht ins Leere gesprochen, war es doch kein Gebet zu Gott im Himmel. Mose, Elia, von denen hatte sie schon gehört, in der Synagoge. Oder ist es nur Petrus‘ Idee, die seiner inneren Bewegung entspringt. Die einer Hoffnung entspringt, die Jesus einordnet in die Geschichten des Volkes Israel?
Sie überlegt, ob sie hierbleiben wollte? Hier oben, in der dünnen Luft, fernab des Dorfes. Es kommt ihr einsam vor, dem Himmel so nah. Und doch kann sie Petrus auch verstehen. Hier geht etwas vor sich, was ihren Verstand übersteigt, ihr Herz rührt und Frieden verspricht.
Da verändert sich plötzlich das Licht. Reißt die dichte Wolkendecke auf, diese wundersame Wolkendecke, die in ihrer Weiße das Sonnenlicht nicht zu verdecken sondern weiter zu leiten scheint? Als ob sich dieses Weiß zum Weiß seines Gewandes gesellt. Als ob eine Verbindung zwischen dem Oben hier zu dem Oben dort hergestellt würde. Ihr möchte fast das Herz reißen, sie weint, weil sie plötzlich spürt, wie verlassen sie ist auf dieser Welt und doch in einer Wirklichkeit geborgen bleibt, die ihrem tiefsten Wunsch Erfüllung verspricht. Seine Jünger wenden ihren Blick ab. Geht es ihnen ähnlich? Erfüllt sie auch dieses widersprüchliche Gefühl von Einsamkeit und Geborgenheit. Aber nein, sie zittern! Vor Ehrfurcht? Oder vor Angst pressen sie ihre Gesichter auf den Boden? Was geschieht ihnen? Haben sie wieder die Stimmen gehört? Sie drückt sich dichter an den Baum, hinter dem sie versteckt liegt. Droht hier eine Gefahr? Kann sie ihr entgehen? Jesus aber breitet seine Arme aus und nimmt etwas in Empfang, dieses Licht, einen Gedanken, etwas, was er sieht oder hört? Ernst und Freude spiegeln sich auf seinem Gesicht. Es scheint, als ob ihm eine große Aufgabe gestellt würde, deren Verantwortung er sich bewusst und deren Würde ihm einen herrlichen Glanz verleiht.
Dann geht er zu seinen Jüngern, richtet sie auf, spricht ihnen Mut zu: Fürchtet euch nicht! Auch ihr sagt er das. Ob er es weiß, dass sie hier oben ist. Ihr Herz ist nun weich und stark zugleich. Sie bleibt hinter dem Baum. Aber innerlich richtet sie sich auf. Bleibt. In diesem Licht, das nun wieder dem gleicht, wie es zu Anfang war. Klar, dünn, weiß, irdisch. Die Sonne hinter einer dichten aber strahlend weißen Wolkendecke.
Jesus bricht auf mit seinen Jüngern. Langsam gehen sie wieder den Berg hinunter. Als sie an ihrem Baum vorbeikommen, scheint es ihr, als habe er ihr einen Blick zugeworfen. Sie nickt ihm zu. Ein Einverständnis.

Viel später harrt sie aus, unter dem Kreuz. Sie hat keine Stimmen gehört. Sie hat Gott nicht reden gehört. Sie hat nicht gehört als Gott zu Jesus sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Aber sie hat dieses Licht nicht vergessen. Und sein Gewand, hell wie die Wolken im Sonnenlicht. So unglaublich weiß! Dort oben auf dem Berg. Sie kann sich genau erinnern. Das Gefühl von Einsamkeit, überschattet von einer lichten Wolke, die Geborgenheit in der unhörbaren Stimme. Sie wusste also, dass das Kreuz nicht das Ende sein konnte. So finster und hoffnungslos es auch erscheinen mochte.

Amen.

  • Richte uns auf – Miteinander und füreinander beten

Gott im Himmel,
richte uns auf und ermutige uns
in dieser finsteren und trostlosen Welt.
Wir brauchen dein Licht angesichts des Krieges in der Ukraine.
Gibt es keinen anderen Weg zum Frieden
als die Lieferungen von Waffen und Panzern?
Wir meinten verstanden zu haben,
dass dein Weg des Friedens ein anderer ist.
Dein Geist führe alle, die Verantwortung dafür tragen.
Überall auf der Welt.

Barmherziger Gott,
ebenso siehst du die Angst und die Not der Vielen,
die im Iran für ihren Mut und ihren Willen, der Wahrheit zu dienen,
eingesperrt und gefoltert oder willkürlich getötet werden.
Wir bitten dich für sie alle und ihre Familien,
vor allem für die Frauen, die trotz großer Gefahr ihre Rechte einfordern,
weil niemand im Namen Gottes das Recht hat,
Menschen zu bedrängen, zu erniedrigen oder zu töten;

So bitten wir dich, Gott, der du uns nah bist,
für alle Menschen in unserem Land.
Stärke ihren Geist, richte sie auf,
dass sie die Schuld nicht bei den anderen,
sondern Wege suchen, sich wieder näher zu kommen.

Sei auf dem Weg mit uns in deinem Licht,
mit allen, die Krankheit, Einsamkeit und Trauer erdulden müssen.

Dein Sohn, Jesus Christus, ist durch den Tod gegangen,
auferstanden und hat uns verheißen,
dass wir uns nicht fürchten müssen.

Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag nach Epiphanias (22.01.)2023

  • Eröffnung

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ So verheißen es die Worte des Evangelisten Lukas im Wochenspruch. Jenseits menschlicher Grenzen ist Gottes weites Reich zu entdecken. Das uns neues Leben schenkt.

  • Mit Falten im Gesicht – Ein Lied: Gerhard Schöne, Die Alte auf der Schaukel

Ein Mädchen auf dem Spielplatz
‚Ne alte Frau am Rand
Die Alte schluckt Tabletten
Und die Kleine spielt im Sand
Dann geht das Mädchen schaukeln
Es sieht die Frau und ruft
„Das musst du auch mal ausprobier’n
Wir fliegen durch die Luft“
„Oma, willst du schaukeln
Dann gebe ich dir Schwung?“
„Ja, komm und gib mir Schwung, mein Herz
Dann werd ich wieder jung“

Die Alte schaukelt zaghaft
Die Kleine schiebt sie an
„Wenn jetzt nur nicht die Kette reißt
Was da passieren kann“
„Wenn jetzt nur niemand zusieht
Mir ist nicht wohl dabei
Die denken doch, ich bin verrückt
Und hol’n die Polizei“
„Oma willst du schaukeln …

Sie denkt an ihren Kreislauf
Dann kommt ihr in den Sinn
„Mein Gott, wie lange ist das her
Dass ich geschaukelt bin?“
„Das war doch auf dem Rummel
In einem weißen Schwan
Mit diesem tätowierten Herrn
Der himmelte mich an“
„Oma willst du schaukeln …

Sie sieht die Wolken schwanken
Das Alter fliegt dahin
Dahin der Arzeneigeruch
Das Ziehen in den Knien
Sie lacht aus voller Kehle
Sie singt und schämt sich nicht
Sie ist ein kleines Mädchen jetzt
Mit Falten im Gesicht
„Oma willst du schaukeln …

  • Die selig macht – Worte aus dem Brief an die Römer 1,13-17

Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder und Schwestern,
dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen
– wurde aber bisher gehindert –,
damit ich auch unter euch Frucht schaffe
wie unter andern Heiden.
Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig;
darum, soviel an mir liegt, bin ich willens,
auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht;
denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben,
die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht:
»Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

  • Oma, willst du schaukeln? – Schaukelnde Gedanken zum Römerbrief

Oma, willst du schaukeln? fragt das Kind auf dem Spielplatz, die von Alter und Gram gebeugte alte Frau. Zuerst schüttelt sie den Kopf, unvorstellbar, was sollen die Leute denken. Schön wäre es, aber wer weiß, was da passieren kann. Aber schließlich wagt sie es doch, und es geschieht ein kleines Wunder: Alter und Gram verfliegen für einen Augenblick. Schöne Erinnerungen sind wieder lebendig. Sie hat wieder Freude am Leben.
„Die Alte auf der Schaukel“, so heißt das Lied von Gerhard Schöne.

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Witz der Sache besteht darin, dass hier zwei Dinge zueinander gebracht werden, die nach Ansicht der „denkenden“ Leute nicht zusammengehören. Alte Menschen schaukeln nicht! Heute ist das zum Glück anders. Es ist selbstverständlichder geworden, dass jeder Mensch, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung, am Leben in all seinen Facetten teilhat. Wer wollte es ihnen auch verbieten? Dennoch hat mich das Lied als Kind stark beeindruckt und in mir den Entschluss reifen lassen, solche albernen Grenzen nicht gelten zu lassen.

Auch Paulus überschreitet eine Grenze. Die Botschaft Jesu trägt er über die jüdische Welt hinaus bis nach Rom. Voller Stolz geht er den Weg in die weite Welt. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“, schreibt er. Er bringt zusammen, was nach jüdischer Sitte streng verboten, und nach römischer Ansicht lächerlich ist. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist auf die Welt gekommen und für unsere Sünden gestorben am Kreuz. Diese Botschaft bringt er allen Menschen, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung. Denn dieses Evangelium ist ein Wunder und eine Kraft, die neues Leben schenkt.

Dieses Wunder und diese Kraft verortet Paulus in zwei Grundbegriffen seines Denkens: Gerechtigkeit Gottes und Glauben. Das Zitat aus dem Buch Habakuk bindet beide zusammen: Der Gerechte wird aus Glauben leben. Übertragen auf das Bild der alten Frau ist die Gerechtigkeit der Menschen das, was den Menschen niederdrückt, ihn in Gram und Leid verharren lässt. Diese Gerechtigkeit verlangt Perfektion, die auch der frömmste, der fleißigste, der gesündeste, der stärkste und klügste Mensch nicht leisten kann. Auch Gott verlangt Gerechtigkeit. Sie ist nicht weniger streng als unsere menschlichen Maßstäbe; ja, sogar noch strenger. Doch seine Gerechtigkeit geschieht unter anderem Vorzeichen. Mit der frohen Botschaft ändert sich der Blick. Es gibt zuerst was zu schaukeln im Leben. Und das ist der Glaube, der gerade nicht darauf setzt, perfekt zu sein. Wer könnte schon perfekt schaukeln. Das Wunderbare ist ja, dass es einfach auch so Spaß macht. Im Grunde braucht es nur offene Ohren für die Einladung des Mädchens auf dem Spielplatz. Freundlich bietet es seine Hilfe an: „Oma, willst du schaukeln, dann gebe ich dir Schwung.“ Bei Paulus heisst es: Mein Glaube gründet im Glauben Gottes. Er schenkt uns seine Gerechtigkeit. „Im Evangelium wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben.“ Gottes Gerechtigkeit erfüllt sich in der Freude am Glauben. Zuerst wird geschaukelt und dann gilt dem Mädchen, und allen Menschen, ein freundlicher und dankbarer Blick. So geht es zu im Reich Gottes, oder auf dem Spielplatz Gottes. Was der Mensch wahrhaft braucht, ist schon längst da. Kaum zu glauben, in dieser Welt.
Die Grenzen, die mich davon abhalten, auf dem Spielplatz des Glaubens zu schaukeln sind ebenso menschengemachte Grenzen. Was sollen die Leute denken? Und wird nicht die Kette des Glaubens reißen? Hoffentlich halten mich die Leute nicht für verrückt. Um diese menschengemachten Grenzen zu überwinden, braucht es freilich eine besondere, göttliche Kraft. Auf dem Spielplatz ist es das Mädchen mit der unmissverständlichen Frage, die aus seiner überbordenden Freude am Schaukeln entspringt: „Oma, willst du schaukeln? Weil, es ist großartig! Es ist nicht so schwer.“

Probieren sie es doch mal aus. Auf den Spielplätzen des Lebens.

Amen.

  • Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Epiphanias (15.01.)2023

  • Eröffnung

Am 2. Sonntag nach Epiphanias lenken wir den Blick auf das, was mit dem weihnachtlichen Kommen Gottes in der Welt tatsächlich geschieht. Die Worte des Wochenspruches aus dem 1. Johannesbrief fassen das in aller Kürze zusammen: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

  • Deiner Gotterkenntnis Strahl – Ein Lied: Du Morgenstern, du Licht vom Licht“ (EG 74)

1) Du Morgenstern, du Licht vom Licht,
das durch die Finsternisse bricht,
du gingst vor aller Zeiten Lauf
in unerschaffner Klarheit auf.

2) Du Lebensquell, wir danken dir,
auf dich, Lebend’ger, hoffen wir;
denn du durchdrangst des Todes Nacht,
hast Sieg und Leben uns gebracht.

3) Du ewge Wahrheit, Gottes Bild,
der du den Vater uns enthüllt,
du kamst herab ins Erdental
mit deiner Gotterkenntnis Strahl.

4) Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht,
führ uns durch Finsternis zum Licht,
bleib auch am Abend dieser Welt
als Hilf und Hort uns zugesellt.

  • Es ist ein Raum bei mir – Worte aus 2. Mose 33,18-23

Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Und der HERR sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir:
Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig,
und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

  • In der Felsspalte – Gedanken zur Herrlichkeit Gottes (2. Mose 33,18-23)

Wie stellen Sie sich Gott vor? Was ist Euer Gottesbild? Populär ist das Bild von der herrschaftlichen Gestalt in den Wolken, würdig, weise und weißbärtig. So erscheint es auf vielen alten Kunstwerken. Und oft in den Köpfen derer, die mit dem Glauben an Gott nicht viel anfangen können. Seltener bei den Gläubigen selbst.
Oder ist es das Bild eines auf schmähliche Weise hingerichteten menschlichen Körpers? Geboren in einem Stall von der Jungfrau Maria, in einer Krippe liegend. Ein Gott von menschlicher Gestalt aus Fleisch und Blut.
Oder ist es das (Nicht-)Bild einer gestaltlosen Energie, die sich auf rätselhafte Weise durch das Universum bewegt.
Oder eben gar keine Vorstellung; aber doch ein Gedanke, ein Glaube an Gott; etwa dass er allmächtig sei oder gütig oder beides.
Oder ist es doch das biblische Bild des väterlichen Hirten, der sich sorgsam um seine Herde kümmert.
Oder das Bild in den jüdischen Witzen, wie den von der Mutter, deren Kind im Meer zu ertrinken droht. Die Mutter schreit zum Himmel bis Gott sich erbarmt und das Kind an den Strand gelangen lässt. Glücklich schließt die Mutter es in seine Arme, schaut es an; richtet wieder ihren Blick zum Himmel und klagt: Und? Wo ist seine Mütze? Ein Bild von Gott, das seine große Macht zeigt; aber auch seine gelegentliche Schludrigkeit, wenn es um unsere menschliche Bedürfnisse geht.

Alle diese Bilder und Vorstellungen bleiben unvollkommen, das liegt in der Natur der Sache. Denn genau das ist Gott eben nicht, was wir in ihm zu sehen glauben oder über ihn zu wissen meinen, oder woran wir uns festhalten wollen; und genau das ist er auch wiederum, weil alle diese Bilder und Vorstellungen nicht von ungefähr kommen und – mehr oder weniger – ihre Berechtigung haben.

Auch die Geschichte von Mose in der Felsspalte malt eines dieser rätselhaften, unvollkommenen und zugleich wahrhaften Bilder von Gott. Auch in diesem Bild entzieht er sich einer endgültigen Verbildlichung. Auf die Anfrage des Mose, ob er Gottes Angesicht sehen könne, weist der Allmächtige das Ansinnen zurück. Und doch verbirgt er sich nicht. Er gibt Auskunft über sein Wesen und seine Gestalt.
Gott sagt: Ich bin der Gute und Schöne, ich bin der, der dir – Mose – seinen göttlichen Namen offenbart, und ich bin derjenige, dessen Antlitz nicht gesehen werden darf, weil kein Mensch damit leben kann. Ich zeige dir nicht, wie ich aussehe, aber ich zeige dir meinen Rücken. Ich komme dir ganz nahe, aber ich schütze dich vor meiner Gegenwart. Ich bin bei dir, aber das wird dich auch voll und ganz in Anspruch nehmen.
In diesem Bild Gottes erscheint er in seiner Herrlichkeit; oder wortwörtlich übersetzt: in seiner Gewichtigkeit; oder mit dem Thema des Sonntags benannt, in all seiner Fülle. Fast in einer menschlichen Gestalt, die vom Angesicht und vom Rücken und von der Hand Gottes erzählt; und dann doch wieder in einer überirdisch unerträglichen, hoheitlichen Gestalt, die den menschlichen Verstand übersteigt.
Diesen Gott, diesen durchaus ansprechbaren Gott, tritt Mose in dringender Angelegenheit entgegen. Das Volk Israel hat sich einem falschen Bild Gottes zugewandt, dem goldenen Kalb. Ja, tatsächlich sind nicht alle Bilder von Gott geeignet. Aus Zorn hat Mose die Tafeln mit den Geboten zerbrochen und nun will Gott sich abwenden von den Israeliten, die ohne ihn hilflos in der Wüste verblieben. Mose bittet für sein Volk; er will Gott sehen, so als ob er nachforschen möchte, was in Gottes Angesicht zu lesen ist. Ob er noch einmal Gnade wird walten lassen. Gott aber lässt sich nicht in die Karten schauen; doch er offenbart sich als Gott dieses Volkes Israel. Mächtig und treu, gütig und streng, nahbar und unnahbar zugleich, in diesem Widerspruch.
Und weil so ein Widerspruch nicht für den Alltag taugt, gibt es zwei neue Tafeln mit den Geboten. Wer sich daran hält, wird Gott nicht verlieren. Wer es erträgt, dass Gottes Angesicht unsichtbar bleibt, wird seiner Nähe gewiss sein.

Liebe Gemeinde,

diese Passage erzählt also davon, dass Gottes Fülle unseren menschlichen Verstand übersteigt. Würden wir Gott in all seiner Herrlichkeit begegnen, wiche das Leben, weil wir vor seinem Angesicht nicht aus noch ein wüssten.
Deshalb sollen wir uns kein Bild machen von ihm.
Deshalb haben wir Bilder von Gott, die uns durch die Wüste des Lebens führen.
Das Bild der 10 Gebote, deren erstes uns vor allem auf Gott verweist.
Wir haben das Bild Jesu Christi, in dem sich Gott uns zeigt als Mensch und den Nächsten liebender Mensch.
Wir haben die Gedanken der Philosophen und die Gemälde der Künstler. Sie mögen uns hier und da einen Anhalt geben.
Auch im kleinsten Bild, so wie es ein Kind malen würde, wenn es sich nach Geborgenheit sehnt, kann Gott verborgen und sichtbar sein.
Es kann uns eine Seite von Gott zeigen.
Es kommt nur darauf an, die andere Seite nicht zu vergessen.
Der treue Gott ist auch ein eifersüchtiger Gott.
Der menschliche Gott ist auch der Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.
Der Gott der Geborgenheit ist auch der Gott, der uns in die Welt schickt ohne jede Sicherheit.
Der schale Gott der Philosophen wird nur dann greifbar, wenn er auch durch das Bild der klagenden Mutter im jüdischen Witz ergänzt wird.

Gott ist mir also nahe und Gott entzieht sich mir im selben Moment. So bleibt er ungreifbar, lässt sich nicht festlegen auf das, was ich in meiner Fehlbarkeit gerne festlegen würde. Zugleich habe ich aber das Bedürfnis, ihm nahe zu sein, weil ich bei ihm Schutz und Geborgenheit finden möchte.

Vielleicht ist aber gerade das die Absicht. In dieser Spannung von lebensgefährlicher Überforderung und zärtlicher, behutsamer Nähe wird Gottes Gegenwart verständlich. Da zeigt sie sich in all ihrer Fülle; verwirrend für meinen Verstand, aber gerade dann entscheidend wichtig, wenn mein Verstand in dieser Welt versagt.

Dann brauchen wir den Frieden, der höher ist als alle unsere Vernunft, der tiefer reicht als unsere Angst, in dem wir bewahrt bleiben mit allen Sinnen in Christus Jesus. Amen.

  • Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Epiphanias (08.01.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen
Eröffnung
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“
Dieses Wort für die neue Woche steht im Römerbrief
Kapitel 8, Vers 14

  • Ein Lied: „Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit“ (EG 67)

Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit,
aus seim Herzen entsprossen, gleichwie geschrieben steht,
er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar;

für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit,
dass wir nicht wärn verloren vor Gott in Ewigkeit,
den Tod für uns zerbrochen, den Himmel aufgeschlossen, das Leben wiederbracht;

laß uns in deiner Liebe und Kenntnis nehmen zu,
dass wir am Glauben bleiben, dir dienen im Geist so,
dass wir hier mögen schmecken dein Süßigkeit im Herzen und dürsten stets nach dir.

Du Schöpfer aller Dinge, du väterliche Kraft,
regierst von End zu Ende kräftig aus eigner Macht.
Das Herz uns zu dir wende und kehr ab unsre Sinne, dass sie nicht irrn von dir.

Ertöt uns durch dein Güte, erweck uns durch dein Gnad.
Den alten Menschen kränke, dass er neu leben mag
und hier auf dieser Erden den Sinn und alls Begehren und G`danken hab zu dir.

  • Aus Psalm 89

Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen,
bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden.
Denn ich bekenne: Deine Huld besteht für immer und ewig;
deine Treue steht fest im Himmel.
Die Himmel preisen, Herr, deine Wunder
und die Gemeinde der Heiligen deine Treue.
Herr, Gott der Heerscharen, wer ist wie du?
Mächtig bist du, Herr, und von Treue umgeben.
Dein Arm ist voll Kraft, deine Hand ist stark, deine Rechte hoch erhoben.
Recht und Gerechtigkeit sind die Stützen deines Thrones,
Huld und Treue schreiten vor deinem Antlitz her.
Wohl dem Volk, das dich als König zu feiern weiß!
Herr, sie gehen im Licht deines Angesichts.
Sie freuen sich über deinen Namen zu jeder Zeit,
über deine Gerechtigkeit jubeln sie.
Denn du bist ihre Schönheit und Stärke,
du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte.
Gepriesen sei der Herr in Ewigkeit.

  • Predigttext: Johannesevangelium 1,29-34

Liebe Gemeinde,
nein, unser Altar ist nicht falsch bekleidet, denn die Farbe der Epiphaniaszeit ist seit 2018 in der EKD weiß, nicht mehr grün. Das ist schön, weil wir so die neuen Paramente unserer Johannesgemeinde, die Sabine Bretschneider aus Magdeburg für uns gewebt hat, etwas länger betrachten können.
Weiß ist die liturgische Farbe der Christusfeste und der Festzeiten dieser Feste, also der Weihnachts-, Epiphanias- und der Osterzeit.
Für heute ist festzuhalten, dass unser weißes Parament den Weg beschreibt, den wir mit Jesus in der Festzeit des Kirchenjahres mitgehen:
Von der Krippe zum Kreuz und zum neuen Leben aus der Auferstehung.

Station auf dem Weg: Die Taufe von Jesus am Jordan – mit ihr beginnt das älteste unserer vier Evangelien.
Wir haben den etwas jüngeren Bericht über dieses Ereignis aus dem Matthäusevangelium gehört und nun hören
wir eine Deutung dazu aus dem jüngsten Evangelium, aus Johannes 1:
Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.
Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir:
Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Und ich habe es
gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.
Die Frage, um die es geht, ist: Wer ist Jesus für mich?
Johannes gibt zwei Antworten:
Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! und: Dieser ist Gottes Sohn.
Ich habe das Gefühl, dass die erste Antwort ein bisschen aus der Mode gekommen ist und die zweite ist zwar auf den ersten Blick die landläufige, verwickelt aber bei tieferem Nachdenken schnell in theologische Abstraktionen mit Irrlehrepotential. Beispiel: Bei einem Vater-Sohn-Verhältnis gibt es eine Zeit, in der der Sohn nicht existierte. Wenn aber Jesus wirklich Gott ist und nicht so eine Art christlicher Prometheus, wenn er also ewig ist, wie kann es dann eine Zeit geben, in der er nicht existierte?
Auch die erste Antwort – Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! – wirft bei genauerer Betrachtung mehr Fragen auf, als die Antworten zu geben scheint. Kann man sowas uns wirklich noch vorsetzen? Wollen wir die Welt nicht lieber selbst retten, als uns retten zu lassen? Ist das überhaupt denkbar oder glaubhaft, dass ein 30jähriger Zimmermannssohn aus Nazareth die Trennung der Welt von Gott auf sich nehmen und heilen kann?
Wer will kann darauf Antworten suchen, etwa bei Joseph Ratzinger in seinem dreibändigen Werk über Jesus von Nazareth. Vergessen sie bei der Lektüre alle Kirchenpolitik oder trösten sie sich mit dem Gedanken, dass der legendäre erste Papst den Herrn selbst verleugnet hat.
Viel spannender finde ich allerdings die Frage, für die Johannes ja zwei Vorschläge macht: Wer ist Jesus für mich? – auf die beiden letzten Worte kommt es an.
Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! – für mich ist Jesus zuerst ein Befreier: Er befreit die Welt von der Trennung von Gott und er befreit den Glauben von kleinbürgerlichen Konventionen und religiöser Bigotterie. Stichworte: Ährenraufen am Sabbat und sein Umgang mit der Ehebrecherin.
Dieser ist Gottes Sohn – für mich ist Jesus der handfeste, physische Teil Gottes.
Zum Vater muss ich auf den Berg steigen und dann bleibt immer noch ein Abstand, jedenfalls wohl solange ich lebe. Der Heilige Geist ist metaphysisch. Er erzeugt Zustände zwischen Offenbarung und Trunkenheit, er lässt uns Lichter aufgehen und manchmal wendet er sich wohl auch beschämt ab von unserem Treiben, das wir dann auch noch mit dem Etikett geistlich versehen.
Jesus ist der Bruder neben mir. Der Gott, der mich ansieht, der zum Handeln herausfordert, der die in den Blick rückt, die sonst übersehen werden.
Er sieht auf keinen Fall so aus, wie man ihn sich im 19. Jahrhundert vorgestellt hat, er sieht aus, wie du und ich.
Wenn Vater und Geist eher die Vertikale im Glauben sind, Jesus ist auf jeden Fall die Horizontale – für mich jedenfalls.
Beide Linien ergeben den Römergalgen, das Kreuz, das für uns zum Lebenszeichen geworden ist. Auch darüber kann man lange nachdenken oder meditieren – aber nicht mehr in dieser Predigt. Amen

  • Wir beten miteinander und füreinander

Die Fürbitten für den heutigen Sonntag wurden von den Partnergemeinden aus Ahus in Schweden und Grodno in Belarus formuliert.

Guter Gott, wir bitten Dich um Weisheit und Mut,
die seelsorgerlichen Bedürfnisse zu erfüllen
um der Sehnsucht der Menschen nach geistlichen Fragen zu begegnen.
Gib uns einen klaren Blick, um die richtigen Entscheidungen zu treffen
für einen ökologisch vertretbaren Lebensstil in der Gemeinde und auch privat.
Wir bitten: Herr erbarme Dich

Guter Gott, schenke der Gemeinde in Belaruss und ihrem Pfarrer Mut, Beharrlichkeit und Vertrauen für die vielfältigen Projekte.
Schenke den Menschen nach zwei Jahren Unsicherheit
endlich Stabilität und Frieden.
Wir bitte: Herr, erbarme Dich

Guter Gott, wir danken Dir, dass wir das neue Jahr
gefüllt mit neuen Möglichkeiten beginnen dürfen.
Lass es eine Zeit werden, in der wir selbst zum Segen für andere werden dürfen
und ebenso für uns.
Lass es ein Jahr werden,
in dem der Frieden zu denen kommt, wo nun Krieg herrscht,
in dem wir die Ressourcen der Erde gerechter verteilen
und die, die hungern, sich satt essen dürfen,
in dem Deine Schöpfung geheilt werden kann
von den Wunden, die wir ihr zugefügt haben.
Wir bitten: Herr, erbarme Dich

Guter Gott, wir bitten um den Segen für Deine weltweite Kirche.
Lass Gemeinden Orte sein, an denen Menschen wachsen und reifen können.
Wir bitte um Deinen Segen für unsere Zukunft. Alles liegt in Deinen Händen
Gemeinsam mit den Christen in aller Welt beten wir, wie Jesus uns gelehrt hat

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

(Pfarrer Karsten Müller, Johannesgemeinde)

Heiligabend 2022

  • Eröffnung

Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren! Mit diesem Gruß erscheint der Engel in der Heiligen Nacht bei den Hirten auf dem Feld. Er verkündet eine segensreiche Zeit und verheißt mit seiner guten Botschaft Hoffnung für alle Menschen.

  • Mit den Hirten – Ein Lied: „Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her“ (EG 24)

Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her,
ich bring‘ euch gute neue Mär,
der guten Mär bring‘ ich soviel,
davon ich sing’n und sagen will.

Euch ist ein Kindlein heut geborn
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eur Freud und Wonne sein.

Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eur Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.

Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott der Vater hat bereit‘,
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.

So merket nun das Zeichen recht:
die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.

Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehn, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.

  • Die Geschichte sehen – Worte aus Lukas 2

Es begab sich aber zu der Zeit,
dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt geschätzt würde.
Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit,
da Quirinius Statthalter in Syrien war.
Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe,
ein jeglicher in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa,
aus der Stadt Nazareth,
in das judäische Land zur Stadt Davids,
die da heißt Bethlehem,
darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war,
auf dass er sich schätzen ließe mit Maria,
seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Und als sie daselbst waren,
kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn
und wickelte ihn in Windeln
und legte ihn in eine Krippe;
denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend
auf dem Felde bei den Hürden,
die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und des Herrn Engel trat zu ihnen,
und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie;
und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu ihnen:
Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren,
welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind
in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und alsbald war da bei dem Engel
die Menge der himmlischen Heerscharen,
die lobten Gott und sprachen:
Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren,
sprachen die Hirten untereinander:
Lasst uns nun gehen gen Bethlehem
und die Geschichte sehen, die da geschehen ist,
die uns der Herr kundgetan hat.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef,
dazu das Kind in der Krippe liegen.
Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus,
welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede,
die ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte
und bewegte sie in ihrem Herzen.
Und die Hirten kehrten wieder um,
priesen und lobten Gott für alles,
was sie gehört und gesehen hatten,
wie denn zu ihnen gesagt war.

  • Kein geschenkter Frieden- Gedanken zur Weihnachtsgeschichte in Lukas 2

Liebe Leserinnen, wie kommen die Hirten in die Weihnachtsgeschichte, lautet eine weit verbreitete Frage unter Theologinnen. Es gibt verschiedene Ansichten dazu. Eine der beliebtesten ist die, dass die Hirten Underdogs sind; arme Hunde, die die kalte Nacht draußen verbringen müssen, um das Nötigste zum Leben zu verdienen. Das jüdische Umfeld würde angeblich auf die Hirten herabschauen, weil sie sich selten an die religiösen Gesetze hielten. Das passte wiederum gut zu Jesus, der genau diese Traditionen in Frage stellt. Der Evangelist Lukas legt aus diesem Grund besonderes Augenmerk auf die Außenseiter und stellt sie mit dieser Geschichte in den Vordergrund.
Die meisten Krippenspiele nehmen diese Deutung auf. Die Hirten sind abgerissene Gestalten, die sich am mühselig ernährten Feuer über ihr armseliges Leben unterhalten. Ohnmächtig und wehrlos sind sie. Dann, nach der himmlischen Botschaft, erscheinen sie demütig an der Krippe und staunen mit großen Augen und gesenkten Köpfen über das, was da geschehen ist. Wie die Kinder.

Es ist aber – liebe Leser*in, Du ahnst es schon – auch eine andere Sichtweise möglich. Immerhin sind die Hirten in der Antike angesehene Leute. Die Schafzucht ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Schäfer und die Schäferin in der sogenannten Bukolik ein beliebtes Thema in der Literatur. Die Schafzucht verdient also eher den Respekt der Zeitgenossen Jesu bzw. der des Evangelisten Lukas. Diese Sicht findet sich im Alten Testament wieder, im bildhaften Vergleich des Hirten mit dem König des Volkes Israel. Der Hirte steht für den König, der sein Volk weise regiert und schlagkräftig verteidigt. König David selbst wurde von den Schafen weggerufen, um gegen den Philister Goliath anzutreten. Diese kriegerische Haltung verträgt sich durchaus mit der Arbeit des Hirten. Deshalb sind sie wach mitten in der Nacht, damit sie nahende Raubtiere in die Flucht schlagen können. Und das tun sie auch, so wie David mit Hirtenmitteln den hochgerüsteten Philister tötet.
Darüberhinaus ist die Weihnachtsgeschichte selbst in einen herrschaftlichen Machtkampf eingebunden. Es gibt den Befehl des Kaisers Augustus, der sich einen Überblick verschaffen will über den ganzen Weltkreis. Wer den Überblick hat, hat auch die Kontrolle.
Von der himmlischen Seite her sind es der Verkündigungsengel und die himmlischen Heerscharen, die ebenso das Bild eines großen Herrscherhofes zeigen. Hier stehen sich also zwei Mächte gegenüber; und jede präsentiert diese Macht, so gut es geht.
Repräsentanten dieser himmlischen Macht, die der irdischen Macht gegenübergestellt wird, sind eben diese Hirten, deren Wehrhaftigkeit und Symbolkraft jedem Hörer und jeder Leserin der antiken Welt sofort einleuchtet. Wenn sie davon sprechen, dass das Neugeborene der Retter des Volkes ist, nimmt man es ihnen ab. So werden sie die ersten Botschafter der neuen Gottesherrschaft.
Alles sehr kriegerisch und gewaltsam! Auf den ersten Blick scheint das nicht zur weihnachtlichen Friedensbotschaft zu passen. Es gibt ja noch dieses ganz andere Bild Gottes, der eben als zartes Neugeborenes zur Welt kommt. Auch die Hirten sehen Gott in dieser Weise. Es ist das Erkennungszeichen, das ihnen der Engel angibt. Ihr werdet das Kind finden in einer Krippe liegend und in Windeln gewickelt. Dennoch sind sie es, die die Botschaft vom neugeborenen König weitertragen, obwohl die Umstände nicht für einen machtvollen und siegreichen Herrscher zu sprechen scheinen.
Ich stelle mir also die Frage, ob ich auf den zweiten Blick mit den Hirten den Gedanken zulassen kann, dass dieser Friede in der Weihnachtsbotschaft ein teurer und erkämpfter Friede ist? Dass es also kein Frieden ist, der mir andächtig vor der Krippe kniend einfach so geschenkt wird. Sondern ein Frieden, der auch meinen Einsatz fordert in dieser Welt. Das ist das Bild der Hirten. Deshalb gehören sie zur Weihnachtsgeschichte. Sie wissen sich zu verteidigen. Sie kennen das Leben. Sie sind die ersten, die die Botschaft erreicht. Sie machen sich auf den Weg. Sie knien vor der Krippe. Sie sind überwältigt von der ebenso wunderbaren wie alltäglichen Tatsache, dass ein Mensch ein Kind zur Welt bringt. Sie verstehen und staunen. Sie wissen, was sie jetzt zu tun haben.

  • Herr, halte mich – Miteinander und füreinander beten

Herr, halte meine Augen, dass ich das Wunder deiner Geburt sehen und weitersagen kann.
Herr, halte mein Herz, dass ich das Wunder deiner Geburt darin bewahren und bedenken kann.
Herr, stärke meine Hände, dass ich deinem weihnachtlichem Frieden gerecht werde.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Vierter Advent (18.12.)2022

  • Eröffnung

Jubelnd grüßt der Wochenspruch aus dem Philipperbrief für den 4. Advent: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ Ist diese Freude möglich? Sind wir Menschen nicht ganz anders gestrickt? Folgen wir also der Botschaft und ihrer lebensverändernden Kraft.

  • Die Lebensmelodie – Ein Lied: „Mit dir, Maria, singen wir“ (EGE 18)

Mit dir, Maria, singen wir
von Gottes Heil in unsrer Zeit.
Uns trägt die Hoffnung, die du trugst
– es kommt der Tag, der uns befreit.

  1. Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht:
    „Ich preise Gott, Magnificat.
    Himmel und Erd hat er gemacht,
    mein Gott, der mich erhoben hat.”
  2. Du weißt um Tränen, Kreuz und Leid,
    du weißt, was Menschen beugt und biegt.
    Doch du besingst den, der befreit,
    weißt, dass das Leben letztlich siegt.
  3. Dein Jubel steckt auch heute an,
    österlich klingt er, Ton um Ton:
    Großes hat Gott an dir getan,
    Großes wirkt unter uns dein Sohn.
  4. Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht,
    pflanzt fort die Lebensmelodie:
    Es kommt, der satt und fröhlich macht,
    der deinem Lied den Glanz verlieh.
  • Meine Seele erhebt – Worte aus Lukas 1

Ein Lied der Freude und Güte singt Maria, die Mutter Gottes.
Dieses Lied ist einer der Psalmen, die wir im Neuen Testament finden können. Die unmittelbare Nähe Gottes in ihrer Schwangerschaft bestimmt fortan ihr Leben.

Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währet für und für
bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern,
Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.

  • Eure Güte – Brief an die Philipper im 4. Kapitel

Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!
Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts,
sondern in allen Dingen lasst eure Bitten
in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.
(Phil. 4,4-7)

  • Das Feld der Sorge bestellen – Gedanken zum Brief an die Philipper

Der Mensch ist nicht nur Sorge, sondern vor allem Güte. So lese ich die Worte aus dem Brief an die Philipper. Eure Güte lasst kund sein, schreibt Paulus, und dass sich die Christen in Philippus nicht sorgen sollen. Er geht also sogar noch darüber hinaus, zu sagen, dass der Mensch Sorge UND Güte sei; er sagt sogar: Streift das Wesen der Sorge ab; und nehmt das Wesen der Güte an. Ihr habt sie. Ihr seid sie. Denn der Herr ist nahe. Und ihr seid und bleibt bewahrt in Christus Jesus.

Liebe Leserinnen und Leser,

die Formulierung „eure Güte“ hat mich beim Lesen irritiert. HABE ich denn Güte? Ist sie mir eigen? Wird sie mir nicht vielmehr gegeben? Ist es denn nicht meine, sondern die Güte Gottes, die ich kund sein lasse in der Adventszeit? Kommt sie nicht erst? Ist der Advent nicht die Zeit der Erwartung auf etwas Kommendes? Paulus sieht das anscheinend anders! Aber, bevor ich mich auf die Suche nach der Güte mache, die ich und ihr habt, die wir in uns tragen, sorge ich mich erst um die Sorge.

Martin Heidegger, der Philosoph des 20. Jahrhunderts, also fast 2000 Jahre nach Paulus, sieht das Wesen des Menschen in der Sorge. Sie sei das Sein des Daseins, formuliert Heidegger in seiner sehr eigenen Sprache, was vereinfacht bedeutet, dass unser Menschsein von Grund auf von der Sorge bestimmt ist. Er verweist auf eine Fabel des römischen Dichters Hyginus, die wiederum von Herder in ein Gedicht umformuliert wurde.

Das Kind der Sorge

Einst saß am murmelnden Strome
Die Sorge nieder und sann;
Da bildet‘ im Traum der Gedanken
Ihr Finger ein leimernes Bild.

»Was hast Du, sinnende Göttin?«
Spricht Zeus, der eben ihr naht.
»Ein Bild, von Thone gebildet;
Beleb’s! ich bitte Dich, Gott.«

»Wohlan denn! lebe! – Es lebet!
Und mein sei dieses Geschöpf!«
Dagegen redet die Sorge:
»Nein, laß es, laß es mir, Herr!

Mein Finger hat es gebildet.«
»Und ich gab Leben dem Thon,«
Sprach Jupiter. Als sie so sprachen,
Da trat auch Tellus hinan.

»Mein ist’s! Sie hat mir genommen
Von meinem Schooße das Kind.«
»Wolan!« sprach Jupiter, »wartet!
Dort kommt ein Entscheider, Saturn.«

Saturn sprach: »Habet es Alle!
So will’s das hohe Geschick.
Du, der das Leben ihm schenkte,
Nimm, wenn es stirbet, den Geist;

Du, Tellus, seine Gebeine;
Denn mehr gehöret Dir nicht.
Dir, seiner Mutter, o Sorge,
Wird es im Leben geschenkt.

Du wirst, so lang‘ es nur athmet,
Es nie verlassen, Dein Kind.
Dir ähnlich, wird es von Tage
Zu Tage sich mühen ins Grab.«

Des Schicksals Spruch ist erfüllet,
Und Mensch heißt dieses Geschöpf;
Im Leben gehört es der Sorge,
Der Erd‘ im Sterben und Gott.

Wir sind also von der Sorge gemacht. Ihr Handwerk ist unsere Substanz. Was noch in uns steckt, der Lehm und der Ton, gehört eine gewisse Zeit der Sorge; ebenso wie der Atem und das Leben. Nach unserer Lebenszeit kehrt dann wieder zu Gott und zur Erde zurück, was einmal zur Erde und zu Gott gehörte. Erde zu Erde, heißt es am Grab; und im Psalm: meinen Geist befehle ich in deine Hände. Das ist ein anschauliches Bild unserer menschlichen Existenz.

Der Sorge inne, müht sich dieses menschliche Wesen von Tag zu Tage ins Grab. In der Fabel des römischen Dichters erweist sich unser Menschsein als eine fast gewaltsame Fügung, die wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile auseinanderstrebt. Und im Alltag als eine Grundhaltung, die oft ganz durchdrungen ist von Gedanken und Taten, die sich ganz erschöpfen im Suchen und Finden von Möglichkeiten des Lebens und Überlebens; in sich und um sich kreisend; selbstbezüglich und selbstgefällig. Es gibt die besorgten Bürger, die sich sorgen wegen der Geflüchteten, wegen der Impfung und wegen der Nato; ebenso wie die Anderen, die sich sorgen wegen der besorgten Bürger. Gerade in Krisenzeiten wird unser Besorgtsein besonders deutlich.

Dennoch sieht Paulus Platz für die Güte, setzt sie sogar an die Stelle der Sorge. Er verankert sie entgegen des Anscheins umfassender Sorge im Wesen des Menschen. Oder genauer gesagt: im Wesen des Menschen, der sich zu Jesus Christus zählt. Das ist Anlass für Freude; und in der Tat, da kann ich ihm folgen. Wenn ich nicht von der freudlosen Sorge bestimmt bin, wäre das ein großer Anlass zur Freude selbst und eben zur Güte.
Glücklicherweise hat die Bibel ebenso ein Bild für die Güte wie Hyginus, Herder und Heidegger ein Bild für die Sorge des Menschen haben. Wir haben es zu Beginn des Gottesdienstes gelesen und im Evangelium die Geschichte dazu gehört. Marias Schwangerschaft erzählt davon. Maria geht schwanger mit der Güte und wird sie allen Menschen kund sein lassen.
Dabei ist auch Maria ein Wesen der Sorge. Das wird deutlich als sie zögert, die Botschaft anzunehmen. Wo ich doch von keinem Manne weiß, fragt sie, als ihr der Engel entgegentritt und die frohe Botschaft ihrer Schwangerschaft übermittelt; und das ist keine biologische Erwägung, sondern verweist auf ihr sorgenvolles Denken.
Es ist für sie schlichtweg nicht vorstellbar. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, nicht von der Sorge bestimmt zu sein.
In ihrem Lobgesang wird dann das angesprochen, was die menschliche Sorge trägt. Die Niedrigkeit der Magd ist ein Bild für die niedergeschlagene Seite der Sorge, die nicht ein noch aus weiß. Und die Hoffärtigen in ihres Herzens Sinn ist das andere Bild für die Sorge, die sich besser weiß als andere; vielleicht um die eigene Niedrigkeit nicht spüren zu müssen. Jetzt aber trägt Maria die Güte in sich. Sie trägt ein Kind in sich, dass Güte bedeutet für alle Menschen, die an es glauben. Jubelnd spricht sie das aus.

Trotzdem fühle ich mich überfordert. Die Sorge sich selbst überlassen und nur noch Freude und Güte sein ist ein großer Anspruch den Paulus hier aufstellt. Den Frieden Gottes walten lassen und nicht die Vernunft scheint mir, um es schlicht zu sagen, wenig praktikabel.
Mut macht mir aber, dass Paulus selbst aus einer äußerst sorgenvollen Position schreibt. Er sitzt im Gefängnis. Er weiß nicht, was der nächste Tag bringen wird. Er weiß aber auch, dass seine Botschaft umso heller leuchten wird vor diesem dunklen Hintergrund. Paulus verschweigt seine Sorge nicht. Auch ganz persönliche Dinge sind ihm wichtig genug, um sie in seinen Briefen anzusprechen. Auch Paulus also ist ein Kind der Sorge.
Ich kann das gut verstehen. Ich finde in seinen sorgenvollen Formulierungen einen Menschen, dem ich folgen kann mit meiner eigenen Sorge. Das schafft Nähe, die das Wesen der Güte an sich trägt. Sei gütig mit der Sorge, sage ich mir; und ich sehe sie da sitzen mit Lehm an den Fingern. Ich stelle sie mir traurig vor, weil sie zitternd an dem Wesen hängt, das sie geschaffen hat. Sei gütig mit der Sorge, mit der eigenen und mit der der anderen Menschen. So nah ist mir die Güte, dass ich sie walten lassen kann gerade angesichts der Sorge. Meine sehr menschliche Sorge ist das Feld, das die Güte bestellt. Im Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, und unsere Herzen und Sinne bewahrt in dem Kind Marias, in Christus Jesus. Amen.

  • Du bist nahe – Miteinander und füreinander beten

Unser Gott,
worum könnten wir dich sehnsüchtiger bitten, als um Freude?
Sieh, wie wir durch die Adventszeit gegangen sind:
Sorgen, Streit und Ärger überwogen oft alles.
Wir danken dir für das Abnehmen der Last von unserer Schulter durch die Erinnerung an die Freude!
Ja, du bist nahe!
Und welcher Grund zur Freude könnte größer sein?
So nimm unser eigenes Verzagen an, unsere Angst und unsere Trauer
und wandle sie in Mut und in Freude um!

Wir freuen uns über jeden Menschen,
der in Sicherheit leben kann und genug zum Leben hat.
Wir bitten dich für jeden Menschen,
für den das nicht so ist.

Wir sind voller Freude über jeden Menschen,
der sich von einer Krankheit wieder erholt und neue Kraft gewinnt.
Wir bitten dich für jeden Menschen,
der weiter mit Krankheit leben muss.

Wir werden fröhlich, wenn wir hören,
wie schlechte Verhältnisse sich ändern,
wie Menschen Mut fassen und sich wehren
und Veränderung einklagen und erkämpfen.
Wir bitten dich um Mut und Kraft für alle,
die sich noch auf diesen Weg machen werden.

Lass uns die Welt von der Seite der Freude aus sehen,
richte unseren Blick auf die Früchte aller Arbeit des vergangenen Jahres.
Hilf du allen, die helfen,
sei bei uns allen in der anbrechenden Festzeit
stärke unser weltweites Band,
wenn die Freude über dein Kommen
uns auf dieser Erde vereint.
Wir beten zu dir mit den Worten Jesu Christi.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Dritter Advent (11.12.)2022

  • Eröffnung

Die dritte Kerze brennt und erleuchtet uns mit ihrem hellen Schein den Weg auf Weihnachten zu. Der Spruch für die neue Woche
Steht beim Propheten Jesaja im 40. Kapitel: „Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig .“

  • Lied: „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 10)

Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt,
bald wird das Heil der Sünder, der wunderstarke Held,
den Gott aus Gnad allein der Welt zum Licht und Leben
versprochen hat zu geben, bei allen kehren ein.

Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast;
macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst;
macht alle Bahnen recht, die Tal lasst sein erhöhet,
macht niedrig, was hoch stehet, was krumm ist, gleich und schlicht.

Ein Herz, das Demut liebet, bei Gott am höchsten steht;
ein Herz, was Hochmut übet, mit Angst zugrunde geht;
ein Herz, das richtig ist und folget Gottes Leiten,
das kann sich recht bereiten, zu dem kommt Jesus Christ.

Ach mache du mich Armen zu dieser heilgen Zeit
aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu selbst bereit.
Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen,
so werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein.

  • Text: Jesaja 40, 1-11

Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr,
dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist;
denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des HERRN
für alle ihre Sünden.
Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg,
macht in der Steppe eine Bahn unserm Gott!
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade,
und was hügelig ist, soll eben werden;
denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden,
und alles Fleisch miteinander wird es sehen;
denn des HERRN Mund hat’s geredet.
Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen?
Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte
ist wie eine Blume auf dem Felde.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt,
aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg;
Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht;
erhebe sie und fürchte dich nicht!
Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott;
siehe, da ist Gott der HERR!
Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.
Siehe, was er gewann, ist bei ihm,
und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte.
Er wird die Lämmer in seinen Armen sammeln
und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.

  • Gedanken zum Text

Tröste, tröste spricht der Herr.
Worin sollen wir getröstet werden?
Für die Israeliten zur Zeit Jesajas war das greifbar.
Sie saßen da in Babylon und sehnten sich nach ihrer Heimat.
Zion, Jerusalem war ihr Sehnsuchtsort. Dort wollten sie hin.
Aber es schien alles verloren – viel Wüstenland zwischen Babylon und dem Sehnsuchtsort. Und dann die Stimme des Prophten!
Er verspricht Heimkehr, Neuanfang, Gottes Hilfe, Trost, Geborgenheit.
Aber was ist mit uns?
Ich erzähle von den Iranerinnen, die für ihre Freiheit kämpfen und ihr Leben riskieren. Aber wird es ihnen irgendwie helfen?
Ich spende für Flüchtlinge aus der Ukraine, gehe zu denen, die traumatisiert sind. Aber nützt das sehr viel?
Wenn die Bomben fallen, in ihrer Heimat?
Wie ängstlich, müde, hoffnungsärmer still viele in den letzten Zeiten geworden sind. So empfinde ich das.
Vielleicht bin das aber auch vor allem ich.
Mich hat das müde gemacht. Die Coronazeit, der Krieg, Inflation, der drohende Energiemangel, die Erderhitzung.
Und vor allem der Streit. Der Zorn gegeneinander.
Bei uns! Und in der Welt. In Amerika. Oder Israel. Oder Syrien. Oder, oder…
Der Zorn macht mich oft fassungslos, wortlos.
Deshalb, bitte: Sag du es jetzt! Zeig du es jetzt!
Möglichst Allen. Und mir. Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit.
Wie geht das? Kann ich etwas tun, etwas tun, das mich vorbereitet?
Mich bereit macht für Trost und für Hoffnung?
„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“
(Der Chor hat es in der Kantate von Wofgang Briegel gesungen, die Sie als Leser daheim nicht hören konnten).
Mache dich auf, werde licht! Wofgang Briegel hat die Worte aus dem 20. Kapitel des Jesajabuches vertont, vor etwa 400 Jahren
für die traurigen Israeliten und auch für uns.
Mache dich auf, werde licht – licht werden!
Nicht ein Licht sein, sondern licht werden.
Wie ein lichter Wald, wo die Bäume nicht dicht beieinander stehen sondern die Sonne den Boden erreicht.
Werde durchscheinend! Werde durchlässig! Durchlässig für das Licht!
Durchlässig für das Licht der Herrlichkeit. Durchlässig für das Wort.
Advent heißt Ankommen.
Aber es heißt auch Aufbrechen, Bereitmachen.
Bereit sein für das Wort Gottes. Bereit sein für Gottes Ankunft.
Bereit sein für den Trost.
Bereit sein für das göttliche Menschenkind, das alles auf den Kopf stellt.
Bereit sein für Liebe statt Hass.
Die Adventszeit war in der alten Kirche eine Fastenzeit, eine Vorbereitungszeit.
Eine Zeit des Bereitmachens. Eine Zeit des „licht“ werdens.
Und heute?
Hetzen von Besinnlichkeit zu Besinnlichkeit.
Eingeleuchtet von Konsumzauberelementen.
Vorbereiten auf Geschenkefeuer und Friede, Freude, Trallalla unterm Weihnachtsbaum.
Ich frage mich!
Stellt sich der ersehnte Weihnachtsfrieden dieses Jahr ein?
Für die Einsamen? Für die Hungrigen? Für die Leidenden? Für die Verfolgten?
Die Vorweihnachtszeit ist die Zeit des höchsten Spendenaufkommens für alles Mögliche. Wir erinnern uns an all jene, die Hilfe brauchen.
Das ist gut. Das schlechte Gewissen macht sich breit.
Mache ich genug? Spende ich genug? Was ist mit mir?
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
Du bist gut, du bist genug. Auch dir hat Gott es versprochen, du sollst getröstet sein.
Mach dich bereit! Gott kommt in die Welt. Ganz klein.
Ganz klein kannst auch du ein Unterschied sein.
Du wirst getröstet, der warme Mantelbausch Gottes wird dich einhüllen.
Du bist nicht allein im lichten Wald, die bäume stehen nur etwas weiter auseinander. Aber die anderen sind da, sie sind erreichbar.
Ich kann sie sehen, kann sie ansehen. Kann sie im lichten Wald besser sehen. Denn zwischendrin scheint das Licht.
Es scheint das Licht der Herrlichkeit. Seid getröstet, Gott kommt.
Gott in diese Welt. Er hat uns sein Wort gegeben. Das Wort ist wahr.
Das Wort ist ewig.
Die Zusage reicht von vor 3000 Jahren über mich hinaus bis an das Ende der Welt. Tröstet, tröstet mein Volk! spricht Gott.
Sei getröstet. Der Friede Gottes ist da, auch wenn wir Menschen in Unfrieden miteinander leben. Er hat seinen Sohn gesandt, um das zu zeigen.
Immer wieder können wir versuchen es zu wagen, uns darauf einzulassen, dass Frieden möglich ist.
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!

  • Gebet miteinander und füreinander

Gott, du sprichst: Tröstet, tröstet mein Volk!
Wir bitten dich für alle, die Trost brauchen.
Für alle, die sich besonders in der Advents- und Weihnachtszeit einsam fühlen.
Für alle, die um einen Menschentrauern.
Für alle, die nicht wissen, wie es weitergeht.
Für alle, die mit einer schweren Schuld leben müssen.
Trost für alle, denen Gewalt angetan wird.
Für alle, die sich nach Frieden sehnen.
Für uns, wenn wir Trost brauchen.
Für unsere Gemeinde und Kirche, dass sie ein Ort ist,
an dem Menschen Trost finden.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segensbitte

Es segne und behüte uns der allmächtige und
barmherzige Gott, Vater, Sohn Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und
führe uns zum ewigen Leben. Amen.

(Vikarin Christin Schulze-Gerlach, Kirchengemeinden Am Gesundbrunnen sowie Wörmlitz-Böllberg)

Zweiter Advent (04.12)2022

  • Eröffnung

Ist die zweite Kerze schon angezündet?
Der Spruch für die neue Woche aus dem Lukasevangelium macht Mut dazu.
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21,28). Ich wünsche Ihnen eine Woche, in der Sie das Licht der Kerzen begleitet und Weihnachten mit seiner Botschaft ein Stück näher rückt.

  • Lied: O komm, o komm, du Morgenstern (EG 19)

O komm, o komm, du Morgenstern,
lass uns dich schauen, unsern Herrn.
Vertreib das Dunkel unsrer Nacht
durch deines klaren Lichtes Pracht.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

O komm, du Sohn aus Davids Stamm,
du Friedensbringer, Osterlamm.
Von Schuld und Knechtschaft mach uns frei
und von des Bösen Tyrannei.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

O komm, o Herr, bleib bis ans End,
bis dass uns nichts mehr von dir trennt,
bis dich, wie es dein Wort verheißt,
der Freien Lied ohn Ende preist.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

  • Psalm 80

Du Hirte Israels, höre, der du Josef hütest wie Schafe!
Erscheine, der du thronst über den Cherubim!
Erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe!
HERR, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen
beim Gebet deines Volkes?
Du speisest sie mit Tränenbrot
und tränkest sie mit einem großen Krug voll Tränen.
Gott Zebaoth, wende dich doch!
Schau vom Himmel und sieh, nimm dich dieses Weinstocks an!
Schütze doch, was deine Rechte gepflanzt hat,
den Sohn, den du dir großgezogen hast!
So wollen wir nicht von dir weichen.
Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen.
HERR, Gott Zebaoth, tröste uns wieder;
lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.

  • Text: Hohelied Salomos 2, 8-13

Da ist die Stimme meines Freundes!
Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel.
Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch.
Siehe, er steht hinter unserer Wand und sieht durchs Fenster und blickt durchs Gitter. Mein Freund antwortet und spricht zu mir:
Steh auf, meine Freundin, meine Schöne und komm her!
Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin.
Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen,
und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.
Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften.
Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, komm her!

  • Gedanken zum Text

Oh, dass wir gut durch die dunkle Jahreszeit kommen.
Oh, dass die schlechten Nachrichten doch enden mögen.
Oh, dass die Kriege in der Ukraine und anderen Ländern zu Ende gehen.
Oh, dass es ein Ende nimmt, dass Menschen sich auf die Flucht begeben müssen, dass Menschen ihre Heimat verlieren.
Oh, dass ich aus der Trauer wieder herausfinden möge.
Oh, dass doch Hilfe kommen möge.
O Heiland, reiß die Himmel auf.
Die Sehnsucht nach einer besseren Welt, befällt uns im Winter stärker als in den Sommermonaten.
Wenn die Tage kürzer werden, die dunklen Stunden länger werden, wenn die Abwehrkräfte nachlassen, dann drückt manche Last stärker. Dann sehnen wir uns nach Wärme und Licht.
Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren hat über diese Sehnsucht und über die Geduld, die wir in dunklen Zeiten brauchen,
und über die Hoffnung, die wir haben können, ein sehr schönes Märchen geschrieben. Die Geschichte von Tomte Tummetott. Ich lese den Anfang
in Auszügen vor. Hören wir auf die Geschichte von Tomte Tummetott:
„Es ist Nacht. Der alte Bauernhof schläft. Es schlafen alle, die dort wohnen. Der Bauernhof liegt tief im Walde. Die Sterne funkeln am Himmel, der Schnee leuchtet weiß, es ist bitterkalt. In einer solchen Nacht, geben die Menschen acht, dass das Feuer im Herd nicht erlischt.
Auf dem einsamen alten Hof schlafen jetzt alle, alle außer einem …,
Tomte Tummetott … Tummetott wacht über seinen Hof.
In Scheune und Stall, in Speicher und Schuppen, überall schaut er hinein.
Er schaut hierhin und dorthin und hinterlässt winzige Fußstapfen im Schnee. Im Kuhstall ist es dunkel und warm. Die Kühe muhen leise.
Sie träumen vom Sommer und von der Weide. Tummetott spricht zu ihnen, Wichtelworte raunt er ihnen zu: “Viele Winter und viele Sommer sah ich kommen und gehen. Geduld nur Geduld! Der Frühling ist nah!“
Nach und nach besucht Tummetott alle Bewohner des alten Hofes:
Das Pferd, die Schafe, die Hühner, den Hofhund, die Katze und sogar die Menschen, die nicht ahnen, dass er auch nach ihnen sieht.
Und allen raunt er in dieser kalten Winternacht seine Wichtelworte zu:
„Viele Winter und viele Sommer sah ich kommen und gehen.
Geduld nur Geduld! Bald trabst du wieder über die Wiese.
Bald scharrt ihr wieder auf Hof und Feld. Bald wärmt dir wieder die Sonne das Fell.“
Mitten in der dunklen Jahreszeit, mitten in der Nacht, mitten im bitterkalten Winter geht Tumtetott umher und raunt tröstliche Worte.
Er erzählt davon, dass Sonne und Wärme zurückkehren werden,
aber er erzählt auch von der Geduld, die es bis dahin braucht.
Auch zu uns kommt jemand.
Mitten in den Winter unserer Krankheit, mitten im tiefsten Tal unserer Trauer, mitten in die Lasten, die uns erdrücken, mitten in die schlechten Nachrichten dieser Welt hinein, mitten in die Kälte des Winters und raunt uns tröstliche Worte zu.
Sie lesen sie im Text aus dem Hohelied Salomos.
Und sie wollen uns Mut machen. Mitten im Winter unserer Krankheit, mitten im tiefsten Tal unserer Trauer, mitten in den Lasten, die uns erdrücken, mitten in die schlechten Nachrichten dieser Welt hinein, mitten in der Kälte des Winters, steht schon unser Freund bereit, steht hinter unserer Wand und hinter dem Gitter unseres Fensters. Er schaut auf uns, er sieht, was uns belastet. Er sieht, was unser Herz schwer macht und was uns bedrückt.
Und er spricht zu uns: Der Winter wird vergehen. Der Winter der Angst und Krankheit, der Winter der Einsamkeit und Sorge.
Noch ist es Winter, noch werden die Tage kürzer, noch bedrücken uns Angst und Sorge. Aber unser Freund steht schon hinter dem Gitter des Fensters.
Und bald, da tritt er hinter der Wand hervor und zu uns hin.
Da kommt er zu uns als Kind in der Krippe.
Als ein Gott, der bei uns Menschen ist.
Als ein Gott, der mit uns geht durch den Winter unserer Krankheit, durch das tiefe Tal unserer Trauer, durch die Lasten dieses Lebens, durch alle schlechten Tage hindurch.
Als ein Gott, der bei uns ist, der auf leisen Sohlen über uns wacht und der uns immer wieder zuspricht: Geduld, nur Geduld! Ich bin da.

  • Fürbittgebet

Wir beten miteinander und füreinander.
Du, Gott, kommst in die Welt und mit dir ziehen
Gerechtigkeit, Frieden und Geschwisterlichkeit ein.
So hast du es versprochen.
Aber wir erleben Lüge, Gewalt und Krieg
in vielen Ländern der Erde.
Wir hoffen auf dein Kommen.
Du kannst denen in den Arm fallen, die mit Gewalt herrschen.
Stärke alle Menschen, die Widerstand üben
gegen Verachtung und Menschenfeindlichkeit,
gegen Tyrannen und gegen solche, die es werden könnten.
Wir hoffen auf dein Kommen.
Richte alle auf, die Erniedrigung erfahren haben,
die sich nach erfahrener Gewalt,
ins Leben zurückkämpfen.
Mach alle satt, die hungern und dürsten
nach allem, was es für ein Leben braucht.
Wir hoffen auf dein Kommen.
Lass uns Trost geben, wo Menschen traurig sind,
lass uns die Augen offen haben,
das wir sehen, wo Hilfe nötig ist
und gib uns einen Mund, der anspricht,
wo Unrecht geschieht.

Mit den Worten, die Jesus uns gelehrt hat beten wir:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
Und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns Gott der Allmächtige und Barmherzige,
Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

(Lektorin Gudrun Naumann)

Erster Advent (27.11.)2022

  • Eröffnung

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. Mit dieser prophetischen Verheißung des Sacharja wird die Adventszeit eröffnet und die Weihnachtshoffnung alljährlich erneuert. Dafür öffnen wir unsere Herzenstüren und -tore.

  • Allen Herzen insgemein – Ein Lied: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ (EG 1)

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Schöpfer reich von Rat.

O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
So diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
Da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
Bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
Mein Tröster früh und spat.

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
Sei ewig Preis und Ehr.

  • Welche ich lieb habe – Epistel nach der Offenbarung im 3. Kapitel

Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe:
Das sagt, der Amen heißt,
der treue und wahrhaftige Zeuge,
der Anfang der Schöpfung Gottes:

Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist.
Ach dass du kalt oder warm wärest!
Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt,
werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!,
und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.
Ich rate dir,
dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist,
damit du reich werdest,
und weiße Kleider,
damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde,
und Augensalbe, deine Augen zu salben,
damit du sehen mögest.

Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich.
So sei nun eifrig und tue Buße!
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.
Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun,
zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten
und er mit mir.
Wer überwindet, dem will ich geben,
mit mir auf meinem Thron zu sitzen,
wie auch ich überwunden habe
und mich gesetzt habe
mit meinem Vater auf seinen Thron.
Wer Ohren hat, der höre,
was der Geist den Gemeinden sagt!

  • Hingabe – Gedanken zur Offenbarung

Einmal im Jahr wird Nicole wach. Es ist das vierzigste Mal, zählt sie nach. 40 Jahre liegt sie schon im Sicherungskasten. Wenn der alte Hausmeister den Stromzähler abliest, öffnet er das Türchen des Kastens. Dann erinnert sich Nicole an eine große Fabrik in Wittenberg, in der sie mit vielen anderen Haushaltskerzen das Licht der Welt erblickt hat. Nicole ist aus weißem Paraffin und ohne jeden Schmuck. Und wenn ihr fragt, warum sie einen Namen hat, dann hat sie den selbst gewählt. Die Tochter vom alten Hausmeister heißt auch so. Als er Nicole in den Sicherungskasten gelegt hat, war sie dabei. Warum er das mache, fragte die Menschen-Nicole. Falls der Strom ausfällt. Dann liege sie hier bereit, erklärte der Hausmeister. Und ein Feuerzeug. Zur Probe lässt er es einmal kurz aufflammen. Nicoles Docht, also der Docht der Kerzen-Nicole, ist noch intakt. Nicole ahnt, dass ihre Geschwister längst schon Licht gespendet haben. Auf einem Familienfest, im Gottesdienst, auf einem Adventskranz oder bei einem romantischen Essen eines verliebten Pärchens. Nicole hat noch nie geleuchtet. Aber wenn es nötig wäre, würde sie es. Mit voller Kraft. Ein Licht in der Dunkelheit sein. Wenn es wirklich an der Zeit ist. Dann wäre ihre kellerkalte Ruhe vorbei und sie würde mit heißer Flamme ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht werden. Vielleicht geht ein weiteres Jahr vorbei. Vielleicht nur vier Wochen. Sie weiß es nicht. Nicht einmal der alte Hausmeister.

Liebe Gemeinde,
ein Stromausfall ist eine Ausnahmesituation. Zumindest hier bei uns. In einer Ausnahmesituation entsteht auch das Buch der Offenbarung. Der Glaube der jungen Christenheit steht auf der Probe. Kann er in dieser Welt überleben? Ja, sagt die Offenbarung, denn Gott wird eine neue Welt schaffen, die grundsätzlich anders ist, als die gegenwärtige. Und wer an ihr teilhaben will, der kann nicht so tun, als ob es ihn nichts anginge und weitermachen wie bisher. Er muss für Gott offen sein. Jetzt ist es an der Zeit, sagen die Worte, jetzt sollt ihr für Gott bereit sein, damit ihr an seiner Tafel Platz nehmen könnt, wenn es an der Zeit ist. So spricht es auch das eigentümliche Bild an, dass im Brief an die Gemeinde Laodizea verwendet wird. Nicht lau sollt ihr sein, sondern entweder kalt oder heiß. Vom Wasser ist hier die Rede, dass eben nur schmeckt, wenn es heiß oder kalt getrunken wird. Niemand mag lauwarmes Wasser. Die Gemeinde soll also nicht nur offen für Gott sondern auch genießbar sein.
Die Kerze ist auch ein Bild dafür. Sie ist entweder kalt oder heiß. Sie kann nicht nur ein bisschen leuchten oder ein bisschen erloschen sein. Entweder-Oder.
Es kommt also ganz auf die Zeit an. Ich ordne den Temperaturen verschiedene Glaubensphasen zu. Es gibt eine heiße Zeit des Glaubens. Sie ist voller Leidenschaft und Hingabe. Sie ist voller Gebet und Gedanken. Voller Fragen und Zweifel auch. Wenn ich in der Krise bin, wenn mir etwas Schlimmes oder etwas Wunderschönes widerfährt, wenn ich schlimme oder besondere Zeiten erlebe, dann nimmt der Glauben diese Temperatur an. Dann zünde ich symbolisch eine Kerze an und bringe so zum Ausdruck, wie entscheidend und wichtig das Gespräch und die Auseinandersetzung mit Gott ist.
Deshalb stehen diese Worte auch am Anfang der Adventszeit, die der Vorbereitung und der Hingabe an Gottes Kommen in die Welt dient. Weihnachten feiern wir diese besondere Gottesbegegnung. Er wird selbst Mensch und lädt uns dazu ein, mit ihm am Tisch zu sitzen. Ich folge dieser Einladung und bereite mich gebührend vor. Ich achte auf Kleidung, besorge ein Geschenk und bin auch aufgeregt, wie diese Einladung ausgehen wird.
In der kalten Zeit des Glaubens hingegen erfreue ich mich an Gottes Geschenk, ein Gotteskind zu sein. Ich bin dankbar, dass mir ein friedvolles und tätiges Leben geschenkt wurde. Ich gehe meinen Alltagsdingen nach, erreiche das eine, das andere nicht; aber ich weiß mich geborgen in dem Glauben, dass Gott mich so gewollt hat. Es ist eine kalte Phase, erfrischend wie ein Glas kaltes Wasser, in dem Sinne, dass ich mich ruhig und gelassen durch meine Zeit hier auf Erden bewege.
Ein lauer Glaube hingegen, der hadert mit allen Dingen; er trägt eine Grundunzufriedenheit an sich; Gott ist ihm fern, nicht nur deshalb, weil er keine Rolle spielt im Leben, sondern weil er ihm schlicht weg egal ist. Alles, was gelingt und vor allem das, was nicht gelingt fällt auf mich zurück. Das Vertrauen erschöpft sich in sich selbst, die Liebe ist oberflächlich, die Hoffnung hat keinerlei Anhalt. Eigentlich ist das gar kein Glaube.

Im Advent habe ich Gelegenheit, mich zu temperieren, mich zu fragen, wie sieht es denn jetzt eigentlich aus; was ist mir wichtig; welche Rolle spielt Gott in meinem Leben.
Damit ich bereit bin, wenn es nötig ist und die Zeit reif.
Das Licht der Kerze erinnert mich daran.
Sie leuchtet hell.
in der tiefsten Dunkelheit.
Gott ist mir nah. Ich öffne mich ihm, weil ich glaube, dass er es gut mit mir meint. An kalten und an heißen Tagen, aber immer mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.
Amen.

  • In deinen Glauben – Miteinander und füreinander beten

Nimm uns hinein in deinen Glauben,guter Gott,
dass wir dich nicht vergessen,
dass wir dir vertrauen
und auf dich hoffen,
wenn uns schlimme Zeiten begegnen;
wenn wir Ohnmacht erfahren angesichts der Kriege und der Ungerechtigkeiten in der Welt, wenn uns die Bilder der Nachrichten überfordern und wir den Blick am liebsten abwenden möchten.

Nimm uns hinein in deinen Glauben, guter Gott,
wenn uns der Alltag über den Kopf wächst,
wenn uns das Leben nicht nach Wunsch gelingt,
wenn wir uns sorgen um einen geliebten Menschen,
wenn wir einen geliebten Menschen verlieren.

Nimm uns hinein in deinen Glauben, guter Gott,
dass wir offen und zuversichtlich an deinem Tisch sitzen,
dass wir lernen, dir zu begegnen,
mit staunenden Augen und weitem Herzen,
wenn Du kommst in Niedrigkeit und Herrlichkeit.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Ewigkeitssonntag (20.11.)2022

  • Eröffnung

Dunkle Tage, grauer Himmel, seltener sonnig; so ist der November. Und so ist es auch im Herzen der Trauer. Traditionellerweise denken wir in dieser Jahreszeit an die Menschen, die wir vermissen und schauen voraus auf den neuen Himmel, den uns Gottes Wort verheißt.

  • Das Hallelujah für und für – Ein Lied (EG 147)

„Wachet auf,“ ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
„Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!“
Sie rufen uns mit hellem Munde:
„Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut’gam kommt,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit;
Ihr müsset ihm entgegengehn!“

Zion hört die Wächter singen,
Das Herz tut ihr vor Freude springen,
Sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all zum Freudensaal
Und halten mit das Abendmahl.

Gloria sei dir gesungen
Mit Menschen- und mit Engelzungen,
Mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore,
An deiner Stadt; wir stehn im Chore
Der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.
Des jauchzen wir und singen dir
das Halleluja für und für.

  • Die mit Tränen säen – Worte aus Psalm 126

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Völkern:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!

Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Herr, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen guten Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

  • Wachet! – Evangelium nach Markus im 13. Kapitel

An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis:
Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben,
so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht,
so wisst, dass er nahe vor der Tür ist.
Wahrlich, ich sage euch:
Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.

Himmel und Erde werden vergehen;
meine Worte aber werden nicht vergehen.

Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand,
auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht,
sondern allein der Vater.

Seht euch vor, wachet!
Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog
und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht,
einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen:
So wacht nun; denn ihr wisst nicht,
wann der Herr des Hauses kommt,
ob am Abend oder zu Mitternacht
oder um den Hahnenschrei oder am Morgen,
damit er euch nicht schlafend finde,
wenn er plötzlich kommt.
Was ich aber euch sage, das sage ich allen:
Wachet!
(Mk 13,28-37)

  • Lichtstreif – Gedanken zum Evangelium

Offenbar wird bald etwas geschehen. Die Zweige sind saftig und die Blätter treiben. Jesu Gleichnis braucht heute etwas Fantasie. Der Winter ist uns momentan näher als der Sommer. Aber auch nicht weiter weg als sonst. Die Winterzeit ist klar begrenzt.
Im Gegensatz zum zweiten Bild. Da bleibt der Zeitraum völlig offen. Wann kommt der Hausherr? Am Abend, am Morgen, um den Hahnenschrei oder am Morgen? Wann?

EINE Mahnung umgreift beide Bilder. Wachet! Seid wachsam! Öffnet eure Augen, und seht die saftigen Zweige und treibenden Blätter. Seid wachsam! Haltet eure Augen offen, denn ihr wisst nicht, was wann geschieht.

Was der Evangelist Markus hier anmahnt mit den Worten Jesu, ist eine grundlegende Änderung der Welt. Er vergleicht diese Änderung mit der Schöpfung selbst. Zuvor war Chaos, dann schafft Gott Ordnung und mit ihr die Welt. Und nun, das ist offensichtlich, herrscht wieder Chaos in dieser Schöpfung, die Schöpfung hat sich aus der Ordnung wieder in das Chaos verwandelt. Es ist Zeit für ein Neues, für eine neue Ordnung, die das Chaos wieder aufhebt.
Ein Gefühl, dass mir nicht fremd ist in diesen Tagen. Egal, woran ich das Chaos festmache, an den Flüchtlingsströmen, an der Klimakatastrophe, am Identitätsverlust, an erstickenden Städten und vereinsamten Dörfern, am Krieg, an den steigenden Kosten; es wäre wirklich Zeit für etwas Ordnung in der kleinen und in der großen Welt.
Doch gewöhnlich denke ich diese Ordnung in der bestehenden Schöpfung. Das es wieder Zeit für den Sommer wäre. In der alten Ordnung von Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Markus wirft das scheinbar alles über den Haufen.
Legt seine Hoffnung auf die Umkehr zu Gott.
Auf eine jenseitige Welt. Nur dort wird der Sommer zur Reife kommen.
Und ich weiß nicht, wie er das genau meint. Hoffe, dass ich dem genüge. Dass nicht alles untergeht, was mir lieb ist. Hoffe, dass diese Welt, die mir nah ist, nicht völlig im Chaos versinkt.

Es sind diese Fragen, die mich gedanklich in diesen Novembertagen zum Totengedenken führen. Eine Welt, ein Menschenleben, in seiner zeitlichen Begrenzung, in seiner Ordnung und dem auflösenden Chaos begriffen. Wie lang ist ein Leben? Was kommt danach? Und wie kann ich das Leben gestalten, dass ich mit leichtem Herzen Abschied nehmen kann; ob ich nun selbst sterbe oder ein mir naher Mensch.
Die tödliche Veränderung ist augenscheinlich. Der Zeitpunkt ist meistens offen. Ich weiß es mal genauer, mal weniger genau, und manchmal trifft es mich völlig unvorbereitet.
Seid wachsam, gilt also auch hier. Sei wachsam und hüte die Zeit, die dir gegeben ist. Ignoriere nicht die sommerliche Fülle, die das Leben bietet; vielleicht nicht mit scheelen Augen, denen es nie genug ist, sondern aus einem dankbaren Herzen. Und ebenso, sei wachsam! Achte auf deine Mitmenschen, wer ist an deiner Seite, wer ist dir wichtig, und wen hast du vielleicht aus dem Auge verloren, der sich nach deiner Nähe sehnt.
Was danach kommt, weiß ich nicht. Es sind nur Vermutungen, Sehnsüchte, manchmal auch Gewissheiten; ich wünsche mir, dass eine unabgeschlossene Lebensgeschichte zu Ende erzählt, dass Traurigkeit in Leichtigkeit und Sorgen und strebsame Ziele in einen Tanz verwandelt werden; bei einem Fest mit allen Menschen, die mir fehlen. Wie gesagt, es sind Vermutungen, Sehnsüchte und Gewissheiten.
Und es gibt einen Lichtstreif.
Jesus spricht vom Sommer.
Die Früchte reifen.
Mildere Tage künden sich an.
Frost und Dunkelheit und Tod werden ihre Zeit gehabt haben.

  • Zu alltäglich – Miteinander und füreinander beten

Gott, wir leben in der Endlichkeit.
Die Welt wird vergehen ebenso wie ein Menschenleben.
Das macht uns traurig.
Das stellt uns vor die Frage, ob das alles Sinn ergibt.
Wofür arbeite ich, wofür liebe ich, wofür plane ich mein Leben,
liebe und halte Freundschaften, bemühe mich ein gutes Leben zu führen?

Herr, gib uns Gewißheit, dass ein Ende hier
bei dir ein neuer Anfang ist,
diesseits und jenseits des Himmels;
dass es deine Schöpfung ist, die du gut gemacht hast,
nicht für das Chaos, nicht für die Dunkelheit und den Tod,
sondern für das ewige Leben.
Wir beten zu dir mit den Worten Jesu Christi.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

19. Sonntag nach Trinitatis (23.10.)2022

Andacht zum Anhören
  • Eröffnung

„Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten, dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.“ So preisen die Worte im Psalm 32 das Bekenntnis zu Gottes unerschöpflicher Liebe. Sie trägt uns durch die kommenden Tage.

  • Der Herzwurm – Psalmlied nach Psalm 32 (Cornelius Becker)
  1. Der Mensch für Gott wohl selig ist
    dem die Sünd ist vergeben
    aus lauter Gnad durch Jesum Christ,
    der uns erwarb das Leben;
    deckt zu all unser Missetat,
    zahlt, was er nicht verschuldet hat /
    durch sein Blut, Tod und Wunden.
  2. Wer auf ihn setzt sein Zuversicht,
    der steht in Gottes Hulde,
    er kommt nicht in das streng Gericht,
    durchstrichen ist sein Schulde,
    doch muss sein Herz in wahrer Reu
    sein Sünd bekennen ohne Scheu
    und Zuflucht han zur Gnade.
  3. Da ich mein Sünd verschweigen wollt
    bracht mirs unsäglich Schmerzen,
    ich wüsst nicht, wo ich bleiben sollt,
    so sehr drückt michs am Herzen,
    das Mark verschwand mir im Gebein
    für große Angst der Seelen mein.
    Der Herzwurm mich stets naget.
  4. Schwer deine Hand war über mir,
    drückt mich ohn alle Maße.
    Tag und Nacht ich nicht ruht dafür,
    wolltst nur kein Frieden lassen davon
    verging meines Lebenskraft,
    wie Laub und Gras, wenn`s ohne Saft
    von steter Hitz verdorret.
  5. Drum mein Herz endlich brach herfür,
    konnt`s nicht länger verhehlen.
    Ich sprach: ich will Herr Gott für dir
    rein beichten, was mich quälet.
    Sobald ich nur um Gnade bat,
    vergabst du mir die Missetat,
    damit ich dich erzürnet.
  6. Dafür all Heilign in Gemein
    zu rechter Zeit dich bitten.
    Du wolltest ihnen gnädig sein,
    ob sie wär‘n ausgeschritten.
    Du nimmst dich ihr in Gnaden an,
    wenn dein Fluten gehen heran,
    werden sie nicht verderbet.
  7. Du bist mein Schirm, wirst durch dein Gnad
    für Angst mich wohl behüten,
    dass ich errettet, früh und spat
    fröhlich rühm deine Güte.
    Du zeigest uns den rechten Weg
    zu gehen auf des Lebens Steg
    durch dein Antlitz geleitet.
  • Auch unter dem Leid – Gedanken zum Psalmlied von Cornelius Becker

Eine Redekur nannte Sigmund Freud seine ersten Versuche in der Psychotherapie. Heilen durch das Gespräch, so könnte man das Wort erklären. Gib deinem – „inneren“ – Konflikt einen Namen, so kannst du ihn überwinden. Fasse dein Problem in Worte, dann verschwindet es schon.
In Psalm 32 findet sich eine ähnliche Vorstellung. Sag deine Sünde, gib ihr einen Namen, so nimmt sie Gott von dir. Ein ausdrückliches Bedauern oder eine Tat der Buße wird hier nicht verlangt. Allein das Wort wirkt unmittelbar. Gott hört es. Er nimmt seine drückenden Hände weg. Der Mensch ist wieder frei von seinem Leid. Das Verhältnis zwischen ihm und Gott ist geklärt. Alles ist wieder gut.
Die Bilder, in denen der klagende Mensch im Psalm sein Leiden beschreibt, machen das deutlich. Nicht nur körperliche Krankheit prägen sie, sondern Bilder des Todes. Ein verschmachtender Körper, eine verheerende Dürre, eine lebensgefährliche Flut. In großer Klarheit wird gesagt: Ohne Gott kann der Mensch nicht leben. Wenn er sich von ihm entfernt, dann stirbt er. Wenn er das aber ausspricht, nimmt Gott seine strafende Hand von ihm und erhält ihn weiter am Leben. Auch in der eindeutigen Verwendung von Ich und Du drückt sich das aus. Erst spricht der leidende Mensch, dann spricht Gott: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten. Am Ende wird das noch einmal zusammengefasst: Der Gottlose hat viel Plage; wer aber auf den Herrn hofft, den wird die Güte umfangen.

Leider entspricht das selten meiner Erfahrung. Wenn ich die Sünde nur benenne, werde ich sie nicht los. Sie kehrt aus den flüchtigen Worten wieder zurück. Sie nistet sich tief in mir ein, in den Knochen, im Bauchraum, wühlt dort, blüht auf der Haut und schmerzt im Rücken. Sie haust in den unabweisbaren im Kopf sausenden Gedankenschlingen, die einen wilden Tanz aufführen in den schlaflosen Nächten.
Ja, es wäre wunderbar, wenn Gott meine Schuld in den Worten zu sich nähme. Wenn die Verfehlung in seinen Händen wohnte. Dann bliebe sie bei ihm, sobald er die Hände von mir nimmt. Aber irgendwie kann ich das nicht glauben. Gott ist so schwer zu greifen, aber die Angst, die Scham, die Traurigkeit und der Schmerz sind mir ganz nah. Ich verliere mich ganz in mich selbst. Ich lese also den Psalm 32 und bin neidisch auf den Menschen, der so fest vertraut, dass ein Wort des Bekenntnisses ihn erlösen kann.

Cornelius Becker, der Pfarrer und Kirchenlieddichter, trägt dem anscheinend Rechnung. In seiner liedhaften Bearbeitung des Psalms beschreibt er den inneren Konflikt und die daraus erwachsende Not des Menschen. Was ihn krank und traurig macht, verlegt er in das Innere seiner Seele. Sein Begriff dafür ist das Herz. „So sehr drückts mich am Herzen“, heißt es in Strophe 3. Es ist ein „Herzwurm“, der ihm das Leiden verursacht. Also nicht die äußere Hand Gottes. Damit muss der Mensch im Lied Beckers sich auseinandersetzen. Mit einer Macht, die in ihm wütet; und der er dennoch nur wenig entgegensetzen kann, weil sie doch auch zu ihm gehört. Ein wahrhaft innerer Konflikt, ein Kampf mit sich selbst. Im Lied finde ich also eine Vorstellung, die mir und meiner Erfahrung viel näher liegt. Die unglaublich große innere Freiheit des Menschen im Psalm steht den komplizierten inneren Verwicklungen des Menschen im Psalmlied Beckers gegenüber. Was aber derartig zu mir selbst gehört, dem kann ich auch nur bedingt etwas entgegensetzen.
Ich kann nicht einfach zu Gott sagen, nimm deine Hand von mir, ich bekenne meine Schuld. Ich muss mich vielmehr damit auseinandersetzen, was in mir ist. Ich muss herausbekommen, was wirklich zu mir gehört und was mich am Leben hindert und leiden lässt. Dazu brauche ich Hilfe.

Das Lied über den Psalm sieht diese Hilfe in Jesus Christus. Es fügt also dem Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen noch eine dritte Person hinzu. Eine Person, die mir und meinem Leiden näher ist als Gott. Jesus, der Mensch, der ebenso leidet wie ich. Dem ich mich offenbaren kann, oder wie Cornelius Becker schreibt: „Drum mein Herz endlich brach herfür“; dem ich also mein Herz ausschütten kann.
Der Unterschied zu der Situation im Psalm lässt sich anhand der eingangs erwähnten Redekur beschreiben. Freud hat seine Patienten nicht angeschaut. Sie lagen auf dem Sofa, gucken nach oben zur Decke und haben ausgesprochen, was immer ihnen in den Sinn kam. Freud saß dabei hinter der Liege, so dass die Patienten ihn nicht sehen konnten. Heute funktioniert das anders. Die Therapeutin sitzt dem Klienten gegenüber, sie schauen sich in die Augen und reden miteinander. Jede Geste zählt, jede Bewegung. Nicht nur die abstrakten Worte. Manchmal braucht es die nicht einmal, manchmal kommt es auf die nicht einmal an; sondern nur darauf, dass ich ein Gegenüber habe, dass genauso ein Mensch ist wie ich.
So verstehe ich Jesus hier im Lied, der sich „aus lauter Gnad“ zu mir herablässt und meine Schuld trägt in „Blut, Tod und Wunden“. Der mir also so ähnlich ist, dass ich mich in ihm wiederfinden kann. Das ich sehen kann, wie es anders wäre. Wie es anders ist.

Was aber Psalm und Psalmlied im Tiefsten miteinander verbindet, ist der Glaube und das Vertrauen, dass Gott mich genau so will, wie ich bin. Auch mit meinen inneren Verwicklungen und mit meinen Verfehlungen. Erstmal gehöre ich zu ihm. Unabweisbar. Erstmal lebe ich. Gott erkennt mich auch unter der Sünde und unter dem Leid. Jetzt kommt es also darauf an, dass ich ihn wieder erkenne im Leid und unter der Sünde. Dass die Verbindung zwischen mir und Gott wieder klar vor Augen steht. Mit Jesus bin ich verbunden im Leid und Jesus ist mit Gott verbunden in seiner Gnade.

Die Redekur, wenn sie gelingt, ist eine Möglichkeit, diese Begegnung zu ermöglichen. Ich finde sie aber auch bei einem Spaziergang am frühen Morgen zwischen den Häusern unseres Viertels, beim Hören einer Bachkantate oder während eines Konzertes einer Rockband. Vor allem finde ich solche Begegnungen im Miteinander, im Teilen von Leid, im Mitgefühl und tätigen Handeln an meinen Mitmenschen. Selbst der Zuhörende sein, oder, noch bewegender, im Austausch auf Augenhöhe, in Freundschaft und Liebe. Darin gibt Gott sich kund, begleitet mein Bekenntnis und schenkt neues Leben. Trotz aller Herzwürmer ist es wunderbar, sich immer wieder auf die Suche nach solchen Begegnungen zu machen. Denn es ist ein Glück, dass es sowas gibt: oder wie es im Psalm heißt: Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten, dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann. Amen.

  • Frei werden – Miteinander und füreinander beten

Wir sind mit dir verbunden, Gott im Himmel,
in allem, was uns auch bedrückt.
Durch deine Gnade können wir frei werden
von den Lasten, die aus unseren Verfehlungen erwachsen.

Frei werden für die Friedfertigkeit,
die unsere Welt so nötig braucht.
Im Kleinen und im Großen.
Wieder frei werden für Gesten und Worte,
die Versöhnung schaffen und die Kriege beenden können.
Hilf uns und allen Menschen,
die unter der Gewalt leiden und sterben.

Frei werden für den Glauben,
dass wir deine geliebten Kinder sind.
Hilf uns, wenn uns Schuld und Wunden niederdrücken,
wenn uns die Gedanken des Leids nicht loslassen,
wenn uns Trauer und Schmerz umfangen.

Frei werden für die Liebe zueinander,
dass wir Mut finden, Unrecht klar auszusprechen
und die Hände zu regen für unsere Mitmenschen.
Dass wir nicht erstarren angesichts der Probleme,
sondern frei werden, nach Kräften
Hilfe zu leisten.

Herr im Himmel, hilf,
durch die Worte deines Sohnes Jesus Christus:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

18. Sonntag nach Trinitatis (16.10.)2022

  • Eröffnung

„Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“ Dieses Wort aus dem ersten Johannesbrief steht mahnend über dieser Wo-che. In der Liebe erfüllt sich das göttliche und menschliche Gebot und werden Him-mel und Erde miteinander verbunden. In ihr lebt, was uns auf Erden mit Gott ver-bindet.

  • Lust am Gesetz – Worte nach Psalm 1

Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen
noch tritt auf den Weg der Sünder
noch sitzt, wo die Spötter sitzen,
sondern hat Lust am Gesetz des Herrn
und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!
Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen,
der seine Frucht bringt zu seiner Zeit,
und seine Blätter verwelken nicht.
Und was er macht, das gerät wohl.
Aber so sind die Gottlosen nicht,
sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.
Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht
noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten,
aber der Gottlosen Weg vergeht.

  • Stärke mich in meiner Pilgerschaft – Ein Lied: Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)

Lass mich, o Herr, in allen Dingen
auf deinen Willen sehn und dir mich weihn;
gib selbst das Wollen und Vollbringen
und lass mein Herz dir ganz geheiligt sein.
Nimm meinen Leib und Geist zum Opfer hin;
dein, Herr, ist alles, was ich hab und bin.

Gib meinem Glauben Mut und Stärke
und lass ihn in der Liebe tätig sein,
dass man an seinen Früchten merke,
er sei kein eitler Traum und falscher Schein.
Er stärke mich in meiner Pilgerschaft
und gebe mir zum Kampf und Siege Kraft.

Lass mich, solang ich hier soll leben,
in gut und bösen Tagen sein vergnügt
und deinem Willen mich ergeben,
der mir zum Besten alles weislich fügt;
gib Furcht und Demut, wann du mich beglückst,
Geduld und Trost, wann du mir Trübsal schickst.

Ach, hilf mir beten, wachen, ringen,
so will ich dir, wenn ich den Lauf vollbracht,
stets Dank und Ruhm und Ehre bringen,
dir, der du alles hast so wohl gemacht.
Dann werd ich heilig, rein und dir geweiht,
dein Lob verkündigen in Ewigkeit.

  • Ermuntert einander – Lesung aus dem Brief an die Epheser im 5. Kapitel (Eph 5,15-20)

So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt,
nicht als Unweise, sondern als Weise,
und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.
Darum werdet nicht unverständig,
sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Und sauft euch nicht voll Wein,
woraus ein unordentliches Wesen folgt,
sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
Ermuntert einander
mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern,
singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen
und sagt Dank Gott, dem Vater,
allezeit für alles,
im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

  • Wein und Geist – Gedanken zu Epheser 5

Wer Wein trinkt ohne Andacht, der säuft.
Wer Wein trinkt mit Andacht, der betet.
Auf, Schwestern und Brüder, lasst uns beten.

So steht es auf einem Weißweinkühler, den der Vater eines guten Freundes getöpfert hat. Ich habe ihn persönlich kennen gelernt. Daher schließe ich aus, dass es ihm um einen billigen Spott geht. Er meint mehr damit. Durchaus mit einem zwinkernden Auge, ebenso aber auch mit einem ernsthaften Beiklang, erinnert er den Benutzer, worauf er beim Weintrinken achten soll. Trinke mit Bedacht! Der Gebrauch des Weinkühlers fordert das. Er muss einige Zeit vor dem Trinken gut gewässert werden. Nur dann wird der Wein durch die Verdunstungswärme gekühlt.

Der Weinkühlerspruch wird dem Zisterziensermönch Cäsarius von Heisterbach zugesprochen, der um 1200 am Rhein lebte. Berühmt ist er als Lehrer der Novizen seines Ordens. Ein Bild auf einer mittelalterlichen Handschrift gibt davon Zeugnis. Auf dem Bild ist Cäsarius tief über die Heilige Schrift gebeugt, während ihm ein Schüler zu Füßen sitzt. Vielleicht nicht zufällig gibt es auf demselben Blatt eine zweite Zeichnung. Eine teuflische Gestalt ist dort sichtbar, die als Rebe auf einem Weinstock wächst. Der Wein spielt für Cäsarius auch im Alltag eine wichtige Rolle. Ihm wird ein Anteil an der Entwicklung des Weinbaus in der Region zugeschrieben. So fügt sich alles zusammen: Der augenzwinkernde Trinkspruch und die ernste Warnung in der Verantwortung vor den jungen Menschen, die in Cäsarius‘ Obhut stehen.

Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum

Die enge Verbindung zwischen Wein, Andacht, Sauferei und Gebet mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern erinnert mich an die Mahnung des Apostels im Epheserbrief: „Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern.“ Nicht das Weintrinken an sich ist schlecht, denn es kommt darauf an, unter welchen Umständen dies geschieht. „Die Tage sind böse“, sagt der Apostel, und dass schlicht keine Zeit sei, diese nutzlos und liederlich zu verbringen. Es ist also Zeit Sinne, dein Herz und deinen Verstand auf Gott auszurichten. In Weisheit. Im Gebet. Die Gabe des Weines kann dazu dienen, dem Geist Raum im menschlichen Herzen zu gewähren. Jederzeit, an guten Tagen und an bösen Tagen.

Wie finde ich in den bösen Tagen zu einer angemessenen und gottgefälligen Lebensweise? In der ich mich nicht flüchte vor dem, was in der Welt geschieht. In der ich nicht flüchte in den Rausch, in die Sauferei, in die unablässig fließenden Nachrichten, in süffige Ansichten und Meinungen, in scharfe Verbitterung und Gewalt, in das Geschrei auf den Gassen oder in die Vereinsamung. In der ich nicht die Augen verschließe. In der ich mich nach Kräften einbringe für das Gute. In der ich Gottes Schöpfung ehre. In der ich Gemeinschaft finde, die in den finsteren Stunden trägt. In der ich die Psalmen und Lobgesänge und geistlichen Lieder nicht vergesse. Auch in den bösen Tagen.

An einen bösen Tag in Halle haben wir am vergangenen Wochenende erinnert. An den 9. Oktober 2019. Die Stadt verharrte seit der Mittagsstunde in einer unwirklichen Ruhe. Ich hänge im Internet fest. Die Zeit verrinnt. Irgendwann weiß ich: Ein Mensch wollte andere Menschen töten und tötet zwei Passanten. Ein Mensch, der sich vollgesoffen hat, im Internet; Böses getrunken bis zu diesem Tag. Mehr wird zunächst nicht bekannt. Dennoch kann ich mich nicht losreißen vom Nachrichtenstrom, der sich in sich selbst erschöpft. Der sich auch gefällt in dem grauenhaften Geschehen. Als ich dann doch nach diesen Stunden abends in die Stadt gefahren bin, sah ich die leeren Straßen. Sie waren noch ganz vom Bösen umwölkt. Schließlich kam ich an mein Ziel. Die Lesung im Buchladen fiel aus. Dennoch hatten sich einige Zuhörerinnen eingefunden. Wir saßen dennoch zusammen, teilten unseren Schrecken, unsere Sorgen, unsere Trauer. Mit einem Glas Wein. Mit Andacht. Und voller Dankbarkeit für diese Begegnung.

Es kommt also darauf an, in welchem Geist wir den Wein trinken. Aber eines ist klar. Andacht und Weintrinken und Gebet gelingen am besten in der Gemeinschaft. Wenn Menschen sich nahekommen. Wenn Schwestern und Brüder Leid und Freude teilen. Voller Dankbarkeit. Amen.

  • Unsere Herzen in deiner Obhut – Miteinander und füreinander beten

Herr im Himmel,
sende uns deinen guten Geist,
der unsere Herzen in deiner Obhut hält.

Dass wir nicht verzweifeln,
angesichts des Krieges in der Ukraine,
und des Unfriedens in unserem Land,
voller liebloser Meinungen und ungefilterter Bilder
angesichts der Sorgen um das Klima,
angesichts der Sorgen der Menschen, denen es am Nötigsten fehlt,
der Menschen, die an Krankheiten leiden,
um liebe Mitmenschen trauern
oder selbst in tiefer Einsamkeit verharren.

Dass wir nicht verzweifeln, nicht gleichgültig werden,
nicht unbedacht reden und uns in Lieblosigkeit erschöpfen.

Herr im Himmel,
sende uns deinen guten Geist,
der unsere Herzen in deiner Obhut hält.

Dass sie voller Lust sind, deinem Gebot zu folgen,
dem Mitmenschen Liebe und Verständnis entgegenzubringen,
und nach Kräften und voller Hoffnung
allen Dingen zum Besten zu dienen.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

17. Sonntag nach Trinitatis (09.10.)2022

  • Eröffnung

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (1.Johannes 5, 4c)
Dieser Spruch begleitet uns durch die neue Woche.
Nehmen Sie ihn mit und lassen Sie sich durch ihn stärken, bei allem, was die Woche für Sie bereit hält.

  • Lied: „Gott hat das erste Wort“ (EG 199)

Gott hat das erste Wort. Es schuf aus Nichts die Welten
und wird allmächtig gelten und gehen von Ort zu Ort.

Gott hat das erste Wort. Eh wir zum Leben kamen,
rief er uns schon mit Namen und ruft uns fort und fort.

Gott hat das letzte Wort, das Wort in dem Gerichte
am Ziel der Weltgeschichte, dann an der Zeiten Bord.

Gott hat das letzte Wort. Er wird es neu uns sagen
dereinst nach diesen Tagen im ewgen Lichte dort.

Gott steht am Anbeginn, und er wird alles enden.
In seinen starken Händen liegt Ursprung, Ziel und Sinn.

  • Psalm 138

Ich danke dir von ganzem Herzen,
vor den Völkern will ich dir lobsingen.
Ich will anbeten zu deinem heiligen
Tempel hin und deinen Namen preisen
für deine Güte und Treue;
denn du hast dein Wort herrlich gemacht
um deines Namens willen.
Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich
und gibst meiner Seele große Kraft.
Es danken dir, HERR, alle Könige auf Erden,
dass sie hören das Wort deines Mundes;
sie singen von den Wegen des HERRN,
dass die Herrlichkeit des HERRN so groß ist.
Denn der HERR ist hoch und sieht auf den Niedrigen
und kennt den Stolzen von ferne.
Wenn ich mitten in der Angst wandle,
so erquickst du mich
und reckst deine Hand gegen den Zorn meiner Feinde
und hilfst mit deiner Rechten.
Der Herr wird`s vollenden um meinetwillen.
Herr, deine Güte ist ewig.
Das Werk deiner Hände wollest du nicht lassen.

  • Lesung: Jesaja 49, 1-6

Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf!
Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an;
Er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.
Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht,
mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt.
Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht
und mich in seinem Köcher verwahrt.
Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel,
durch den ich mich verherrlichen will.
Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz.
Doch mein Recht ist bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott.
Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll
und Israel zu ihm gesammelt werde – und ich bin vor dem HERRN wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke,
er spricht: es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist,
die Stämme Jakobs aufzurichten
und die Zerstreuten Israels wiederzubringen,
sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht,
dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.

  • Gedanken zum Text

Liebe Lesende,
„An den Wassern Babylons saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“, so beginnt der Psalm 137. Und hinter diesem Liedtext steht eine lange spannende Geschichte.
Sie geht zurück in das Jahr 587 v. Christi Geburt.
Der babylonische Feldherr Nebukadnezar hatte die Stadt Jerusalem erobert und samt dem Tempel in Schutt und Asche gelegt.
Viele Juden, besonders gut ausgebildete Fachkräfte wurden in die Gefangenschaft nach Babylon verschleppt. Es ging ihnen dort gar nicht so schlecht. Sie durften sich Häuser bauen, konnten eigene Felder bestellen, durften weiterhin ihren Gott Jahwe verehren und ihre eigenen Feste feiern. Aber eins fehlte. Der Tempel!!!
Der Ort, an dem sie ihre Opfer darbringen konnten und von dem sie wussten, dass Gott ihnen hier besonders nahe ist.
Die Frage lag nahe. Sollen wir uns hier integrieren? Die Sprache lernen, versuchen die fremde Religion zu verstehen usw.
Oder grenzen wir uns ab, bleiben unter uns und halten die Hoffnung auf Rückkehr aufrecht? Das Heimweh war groß, auch wenn sie wussten, dass alles zerstört war, nichts mehr so war, wie sie es in Erinnerung hatten. Trotzdem sehnten sie sich zurück.
Einer der Verschleppten ist Jesaja. Auch er singt ein Lied, ein offenbar altes Lied, dass seine Stimmung besonders gut ausdrückt.
Sein Lied erzählt von seinem Auftrag, der ihm viel Mühe bereitet hat.
Er klingt resigniert: „Ich aber dachte, ich arbeite vergeblich und verzehre meine Kraft umsonst und unnütz!“
Das klingt nach totaler Resignation und Erschöpfung. Wir würden heute sagen: Burnout-Syndrom. Das Gefühl der Erfolglosigkeit zieht ihn völlig herunter. Alles erscheint sinnlos. Keiner interessiert sich für das, was er tut, keiner hört ihm wirklich zu. Seine Trostversuche laufen ins Leere.
Aber das liegt in der Vergangenheit. Offensichtlich hat er seine Krise überwunden und die Frage taucht auf:
Wie hat er es geschafft? Was hat ihm herausgeholfen?
Ziemlich am Anfang seines Liedes liegt der Schlüssel. Er hat entdeckt, was ihm liegt, was er gut kann. „Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht“, das klingt danach, dass er ein scharfzüngiger Redner war, eine besondere Begabung also.
Und er weiß, dass er es mit Gott zu tun hat, dem Gott, „der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht berufen hat“ und er weiß, dass er nicht aus eigenem Antrieb unterwegs ist, dass er einen Auftrag hat.
„Ich habe dich zum Licht gemacht für die Heiden“, sagt ihm Gott, d.h. zum Licht für die ganze damals bekannte Welt.
Ja, die Eigenschaft eines Lichtes ist es sich auszubreiten und auch wenn es noch so klein ist, gesehen zu werden.
An unseren Küsten können wir sie sehen die Leuchtfeuer, die Schiffen den Weg weisen um sicher den Hafen zu erreichen und nicht auf vor gelagerten Untiefen zu stranden.
Für Jesaja stehen die Inseln vor der Mittelmeerküste als abgelegene Gegenden für den Rand der damals bekannten Welt.
So weit, bis zu anderen Völkern soll das Wort des Propheten gelangen. So erreicht das göttliche Wort als Licht die Völker.
Jesajas Auftrag wird erweitert. Nicht nur die Israeliten sollen aus der Zerstreuung zusammen geholt werden sondern auch die Heiden, die Nichtjuden sollen vom Heil und der Liebe Gottes erfahren. Doch dann gibt es für die Verschleppten plötzlich wider Erwarten ein Hoffnungszeichen. Der Perserkönig Kyros erobert mit seiner Armee Babylon und die besetzten Gebiete. Kyros erlässt ein Edikt, dass den Israeliten die Heimkehr nach Jerusalem ermöglicht.
Und so kommt es, dass Jesaja nun der „Tröster“ genannt wird, auch um ihn von anderen Propheten unter dem Namen Jesaja zu unterscheiden. Jesaja versucht seine Leute zu ermutigen nach Jerusalem zurückzukehren und dort neu anzufangen. Er selbst ist offensichtlich in Babylon geblieben.
Aber sehen wir nun auf uns im Jahr 2022 n. Christus.
So manches aus Jesajas Lied können wir auch heute 2500 Jahre später noch singen.
„Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verbraucht.“ Enttäuschung und Niedergeschlagenheit machen sich breit in den Gemeinden, bei Gemeindegliedern und ehrenamtlichen wie hauptamtlichen Mitarbeitern. Zu den positiven Erfahrungen vom Anfang kommen die negativen und die wiegen schwer, so schwer, dass Zweifel aufkommen und die Gefahr besteht, alles hinzuwerfen.
Ja, da packt uns der Frust, wenn es in der Gemeinde nicht weitergeht, alles stagniert, z.B. der Umbau des Gemeindehauses, dass das Angebot zum täglichen Friedensgebet nur wenig Anklang findet. Und ich meine uns alle, denn Jeder und Jede von uns sind Mitarbeiter – Berufene im Reich Gottes.
Vieles kann zu so einer Haltung führen. Ein Schicksalsschlag, eine längere Krankheit oder aber auch die „Coronapandemie“ durch die erst einmal viel zum Erliegen kam.
Da ist es nicht weit bis zur Frage „wie kann Gott das zulassen?“
Und da sind wir wieder bei Jesaja, der sagt: „Doch mein Recht ist bei dem Herrn … mein Gott ist meine Stärke“. Mitten in diesen „Frustversen“ kommt er zu dieser Aussage, erinnert er sich und erinnert uns worauf es ankommt, wovon unser „Erfolg“ im Reich Gottes abhängt: von Gott und seinem Handeln. Zu Beginn des Gottesdienstes haben wir es im Psalm gebetet.
An Jesajas Situation hat sich nichts geändert aber an seiner Einstellung zu seiner Aufgabe. Gottes Zusage, die er erneut erhält ändert seine Blickrichtung und er kann seine Aufgabe neu anfassen.
Glaube und Zweifel, Begeisterung und Frustration, Erfolg und Misserfolg werden auch uns immer wieder begleiten. In diesem Spannungsfeld werden wir uns bewegen, gerade auch als Christen.
Ich wünsche uns, dass wir uns an die Botschaft erinnern, die unser Leben erhellen kann: Mein Gott ist meine Stärke!
Amen.

  • Gebet

Guter Gott, in deinem Namen sind wir zusammen als eine Gemeinde – aber an verschiedenen Orten, in der Kirche oder zu Hause.
Das macht uns zu einer Gemeinschaft.
Dafür danken wir dir.
Jetzt bitten wir dich:
Für alle, die sich mit dir fest verbunden wissen.
Für alle, die zweifeln und fragen „Wo ist Gott?“
Für alle, die dich suchen und die, die aufgehört haben dich zu suchen.
Für alle, die mit dir hadern und kämpfen.
Für alle, die noch nichts von dir wissen.
Für alle, die sich von dir abgewendet haben.
Für uns, die wir glauben und zweifeln.
Wende dich uns zu und lass uns deine Liebe spüren,
damit wir wie Jesus beten können.

Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns,
Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

(Lektorin Gudrun Naumann)

Gottesdienst zu Erntedank (02.10.)2022

  • Eröffnung

Die kleinen und unscheinbaren Dinge dankbar im Auge behalten. Gerade angesichts der vielen Sorgen, die uns gegenwärtig umtreiben. Das ist ein wichtiges Anliegen zum Erntedankfest. Anregungen dazu finden wir in Liedern und Worten Gottes.

  • Mit Gutem gesättigt – Worte nach Psalm 104

Lobe den Herrn, meine Seele!
Du lässest Brunnen quellen in den Tälern,
dass sie zwischen den Bergen dahinfließen,
dass alle Tiere des Feldes trinken
und die Wildesel ihren Durst löschen.
Darüber sitzen die Vögel des Himmels
und singen in den Zweigen.
Du tränkst die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
dass der Wein erfreue des Menschen Herz
und sein Antlitz glänze vom Öl
und das Brot des Menschen Herz stärke.
Es wartet alles auf dich,
dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;
wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.
Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie;
nimmst du weg ihren Odem,
so vergehen sie und werden wieder Staub.
Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen,
und du machst neu das Antlitz der Erde.
Ich will dem Herrn singen mein Leben lang
und meinen Gott loben, solange ich bin.

  • Ein Ende meinem Sorgen – Ein Lied: „Wir pflügen und wir streuen“ (EG 508)

1) Wir pflügen, und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand:
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.

Ref.: Alle gute Gabe kommt her
von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt,
drum dankt ihm, dankt
und hofft auf ihn!

2) Er sendet Tau und Regen
und Sonn- und Mondenschein,
er wickelt seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behende
in unser Feld und Brot:
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott.

3) Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
der Sperling und das Meer.
Von ihm sind Busch und Blätter
und Korn und Obst von ihm,
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm.

4) Er lässt die Sonn aufgehen,
er stellt des Mondes Lauf;
er lässt die Winde wehen
und tut den Himmel auf.
Er schenkt uns so viel Freude,
er macht uns frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide
und unsern Kindern Brot.

  • Ein gutes Land – Worte aus dem 5. Buch Mose

Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. So hüte dich nun davor, den Herrn, deinen Gott, zu vergessen, sodass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst. Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den Herrn, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war, und ließ dir Wasser aus dem harten Felsen hervorgehen und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit er dir hernach wohltäte. Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. Sondern gedenke an den Herrn, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.
(5. Buch Mose 8,7-18)

  • Fruchtbare Dankbarkeit – Gedanken zum 5. Buch Mose im 8. Kapitel

Gegenwärtig stellt der Krieg in der Ukraine viele Gewissheiten in Frage. Nicht nur der seit vielen Jahrzehnten andauernde Frieden in Europa wurde unterbrochen. Auch die Versorgung mit Energie und Lebensmitteln ist davon betroffen. Hohe Rechnungen für Gas und Strom und gelegentlich leere Regale in den Supermärkten geben davon einen Eindruck. Ein Gefühl der Unsicherheit stellt sich ein. Viele Menschen machen sich Sorgen, wie der anstehende Winter verlaufen wird. Der Unfrieden in der Gesellschaft wächst. Ob die Politik damit umgehen kann, wird immer mehr in Frage gestellt. Das betrifft auch den erarbeiteten Wohlstand in unserem Land.

Das Volk Israel, das nun den Wohlstand des Gelobten Landes vor Augen hat, ist in einer ähnlichen Situation. Nach langen Jahren der Entbehrung soll es nun endlich besser werden. Aber die Stimme Gottes warnt: „Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen.“ Die „schönen Häuser“ sind keine Selbstverständlichkeit. Alles ruht in Gottes Segen. Wer diesen Ursprung vergisst und sich nur auf seine eigene Stärke verlässt, kann scheitern. Dass wir in einer globalen Welt eingebunden sind in vielerlei Abhängigkeiten ist dafür ein anschauliches Beispiel. Das Volk Israel hat diese Situation in der Wüste immer direkt vor Augen gehabt. Vertrauen auf Gott kam vor der Sicherheit, für sich selbst sorgen zu können. Jeder Tag war ein neuer Anfang. Das Leben lag in Gottes Händen.

Im Familiengottesdienst am Sonntag haben wir diesen Umstand mit einem Gespräch zwischen Noah und der Schlange vergegenwärtigt. Nachdem das Land während der Sinflut vollständig von Wasser bedeckt war, wird nun wieder das Land sichtbar. Es kann nun wieder bebaut werden und Nahrung hervorbringen. Aber es wird große Mühe machen. Der Schlange, die als Passagier mit auf der Arche wohnte, ist diese Mühe zu groß. Sie beklagt sich darüber. Und in der Tat: Auch mir sinkt mitunter der Mut, wenn ich ganz von vorn anfangen muss. Werde ich es schaffen? Kann ich für mich und die Meinen sorgen? Wird die Kraft und das Geld reichen für den kommenden Winter?

Gott lädt uns ein, diese Fragen nicht nur mit dem Blick auf die eigenen Kräfte zu beantworten. Er schenkt uns den Glauben, dass wir Vertrauen schöpfen aus der Geschichte mit seinem Volk Israel. Der Wüstenzeit folgt eine Zeit des Wohlstands und der Freude. In der Gemeinschaft, die aus diesem miteinander geteilten Glauben erwächst, können wir uns auch gegenseitig unterstützen. Es wird immer Wüstenzeiten geben. Aber in Gott müssen wir diese nicht allein überstehen. Die Hoffnung wächst zwischen den Menschen, die sich dieser Gemeinschaft vergewissern. Dort ist sie fruchtbar, wo das kleine Stück Land nach der Sintflut sichtbar wird.

Eine Frucht dieses Vertrauens auf Gott ist die Dankbarkeit. Wer seinen Blick abwendet von den allgegenwärtigen Sorgen und auf das schaut, was uns Freude macht, auf das, was wir mitunter gar nicht mehr beachten, merkt, wie viel einem noch bleibt, trotz aller Schwierigkeiten. Dass wir am Leben sind, dass wir gesund sind, dass wir Menschen um uns haben, denen wir zugehören. Das waren die dankbaren Worte der Kinder im Gottesdienst. Folgen wir also diesen Stimmen und beten um Frieden, um Weitherzigkeit und um das Vertrauen auf Gott.
Amen.

  • Dass wir nicht vergessen – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott, wir bitten dich
um ein dankbares Herz.
Dass wir einen neuen Anfang sehen können
in einem kleinen Stück Land.
Dass wir nicht vergessen,
dass du es uns gegeben hast,
damit wir leben können
von unserer Hände Arbeit.

Guter Gott, wir bitten dich
um ein weites Herz.
Dass wir auch den Menschen zuhören,
die wenig Vertrauen in die Zukunft haben.
Dass wir uns gegenseitig unterstützen
und neue Kraft finden in der Gemeinschaft.

Guter Gott, wir bitten dich
um ein Herz voller Vertrauen,
auch wenn es schwer fällt
angesichts der Zustände in der Welt.
Dass wir miteinander beten
und Hoffnung in dir finden.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

15. Sonntag nach Trinitatis (25.09.)2022

  • Eröffnung

„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ Mit dieser schwungvollen Geste in seinen Worten ermahnt der Apostel Petrus seine Briefleserinnen und -leser, den bedrückenden Gedanken des Alltags zu entkommen. Damit verbindet sich auch die Frage, wie wir miteinander auf entlastende Weise unsere Sorgen teilen können. In Gottes gutem Geist kann uns das gelingen!

  • Im Schlaf – Worte nach Psalm 127

Wenn der Herr nicht das Haus baut,
so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der Herr nicht die Stadt behütet,
so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht
und hernach lange sitzet
und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.

  • Ein Ende meinem Sorgen – Ein Lied Solang es Menschen gibt auf Erden (EG 427)

Solang es Menschen gibt auf Erden,
solang die Erde Früchte trägt,
solang bist du uns allen Vater;
wir danken dir für das, was lebt.

Solang die Menschen Worte sprechen,
solang dein Wort zum Frieden ruft,
solang hast du uns nicht verlassen.
In Jesu Namen danken wir.

Du nährst die Vögel in den Bäumen,
du schmückst die Blumen auf dem Feld;
du machst ein Ende meinem Sorgen,
hast alle Tage schon bedacht.

Du bist das Licht, schenkst uns das Leben;
du holst die Welt aus ihrem Tod,
gibst deinen Sohn in unsre Hände.
Er ist das Brot, das uns vereint.

Darum muss jeder zu dir rufen,
den deine Liebe leben lässt:
Du, Vater, bist in unsrer Mitte,
machst deinem Wesen uns verwandt.

  • Mit sanftmütigem Geist – Lesung aus dem Brief an die Galater im 5. Kapitel

Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln.
Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten,
einander nicht herausfordern und beneiden.
Brüder und Schwestern,
wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird,
so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist,
ihr, die ihr geistlich seid.
Und sieh auf dich selbst,
dass du nicht auch versucht werdest.
Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Denn wenn jemand meint, er sei etwas,
obwohl er doch nichts ist,
der betrügt sich selbst.
Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk;
und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben
und nicht gegenüber einem andern.
Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen.
Wer aber unterrichtet wird im Wort,
der gebe dem, der ihn unterrichtet,
Anteil an allen Gütern.
Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten.
Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.
Wer auf sein Fleisch sät,
der wird von dem Fleisch das Verderben ernten;
wer aber auf den Geist sät,
der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.
Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden;
denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten,
wenn wir nicht nachlassen.
Darum, solange wir noch Zeit haben,
lasst uns Gutes tun an jedermann,
allermeist aber an des Glaubens Genossen.
(Brief an die Galater 5,25-6,10)

  • Ein Moment der Gottesgegenwart – Gedanken zu Galater 5

Weißt du, sagte neulich meine Kollegin zu mir, es war einer jener stillen Nachmittage in den Krankenzimmern, die wie Blei in der Zeit liegen; einer jener Nachmittage, die sich sogar dem Krankenhausalltag entziehen und ein Zwischenreich eröffnen, dass den Worten und Gedanken überraschende Schlupflöcher bieten, so dass sie auf Wanderschaft gehen können. Seine Begrüßung schien aber nicht dazu zu passen. Seelsorge? Mit der Kirche habe ich nichts zu tun. Schon lange nicht mehr. Meine Mutter hatte mich noch zur Konfirmation geschickt. Danach war Schluss. Der Mann, der mich so begrüßte, war kräftig und etwa Mitte 80. Sein Blick war meistens von mir abgewendet. Er saß auf der Bettkante, als suche er etwas. Aber, fuhr er fort, ich habe mein Leben gemeistert. Meine Arbeit war tadellos. Obwohl das nicht immer einfach war. Ich habe in der Metallbranche gearbeitet. Als Ingenieur. Verantwortlich war ich für mehrere Betriebe und meine Vorgesetzten, mit denen war es nicht einfach. Da hatte ich immer parat zu stehen. Für was anderes war kaum Zeit. Frau und Kinder hatte ich trotzdem. Doch meine Frau ist seit 5 Jahren tot und die Kinder melden sich nur selten. So saß er da. Seine Traurigkeit breitete sich im Raum aus, seine Einsamkeit war mit Händen zu greifen. Ich schwieg bedrückt. Ebenso still, wie das Gespräch begonnen hatte, habe ich mich dann verabschiedet. Mit wenigen Worten.
Typisch, erwiderte ich. Ich hätte gesagt, na, da haben sie ja doch noch Zeit mit der Kirche verbracht. Nein, sagte sie sanft, das hättest du nicht.

Liebe Schwestern und Brüder,
jetzt, im Nachhinein, beim Lesen des Predigttextes, habe ich mich an dieses Gespräch erinnert. Wenn Paulus vom sanftmütigem Geist spricht, in dem der Mensch in seinen Verfehlungen wieder zurecht geholfen werden kann, dann ist so eine Begegnung ein gutes Beispiel. Und meine Kollegin hat recht. Ich hätte das nicht gesagt. In dieser Situation hätte das nicht gepasst. Es hätte das zerstört, was in diesem Moment zart geblüht hat. Ein Moment der Gottesgegenwart, die den Patienten und meine Kollegin gestreift hat, trotz aller Einsamkeit und Traurigkeit, die wie dicke Suppe die Luft des Zimmers erfüllt hatten.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass Paulus von handfesten Konflikten spricht. Es geht um die Art und Weise, wie die junge Gemeinde in Galatien ihren Glauben üben und leben soll. Es gab auf der einen Seite Menschen in der Gemeinde, die an den jüdischen Gebräuchen, vor allem an der Beschneidung, festhalten wollten. Es gab auf der anderen Seite Menschen, die diesen Wunsch klar ablehnten. Sie hielten sich wohl, um es deutlich zu sagen, für etwas Besseres. Denn das war doch die neue Lehre, die Paulus in die Gemeinden getragen hatte. Solche äußeren Zeichen waren doch mit der Botschaft Jesu überflüssig geworden. Auch Paulus trat dafür mit allem Nachdruck ein.
Dennoch spürt er, dass mehr dahintersteckt als eine theologische Diskussion, mehr als eine gebotene christliche Lebensweise. Er sieht darin die Fallstricke, die jedem Mitglied der Gemeinde drohen, wenn er seine Überzeugungen mit aller Gewalt anderen aufdrücken will. Ein jeder prüfe sein eigenes Werk, mahnt er die Gemeinde. In jedermanns Leben gibt es dunkle Seiten, in jedem Menschen gedeihen Selbstherrlichkeit und Eitelkeit. Und wer allzu forsch anderen seine Ansichten aufdrängt, geht selbst fehl. Auch wenn diese Ansichten im Grunde genommen richtig sind.
Das ist die Situation, in der sich meine Kollegin am Ende des Gespräches befand. Ja, es ist richtig. Die Kirche ist mehr als Zwang und Heuchelei. Die Kirche ist mehr als Machtmissbrauch und unerbittliche Mission. Es gibt Menschen in ihr, die mit Herzblut und im Geist Christi anderen Menschen zur Seite stehen, die ihrem Glauben Taten folgen lassen und Trost spenden; wo einer des anderen Last trägt.
Dieser eine Satz aber, jetzt haben sie ja doch Zeit mit der Kirche verbracht, der hätte die Last dieses Mannes ihm wieder aufgebürdet. Dieser eine Satz hätte bedeutet, ja, schön, aber deine Last ist mir zu schwer. Nimm sie zurück, du hast es ja so gewollt. Ich aber weiß es besser, worauf es ankommt im Leben. Sieh mich an, dann kannst du was lernen. Nein, so wäre die Gottesgegenwart wieder untergegangen in diesem Krankenzimmer.

Liebe Gemeinde,
und noch etwas steckt in dieser Situation. Dieser Satz am Ende des Gespräches, er erzählte auch davon, wie wir Menschen in der Kirche uns selbst sorgen. Die Sorge um die Kirche, um die Gemeinschaft, um das Sichtbarsein und Bestehenbleiben Wollen. Es ist auf den ersten Blick eine berechtigte Sorge. Die sinkenden Mitgliederzahlen und die geringe Teilnahme an den Gottesdiensten und den anderen Veranstaltungen ist bedrückend. Auch mir fällt das schwer, darin Sorglosigkeit zu bewahren. Und dennoch, Paulus muntert mich auf. Ihm ging es nicht anders. Seine Lebensgeschichte erzählt davon. Er hat quasi in das Nichts hinein gepredigt. Es waren noch kleine Gruppen, zu denen er sprach und denen er schrieb. Deshalb ist es so wichtig, dass er von seinem Glauben spricht, dass die Botschaft Jesu nicht untergehen kann, dass sie Bestand hat in der Welt. Dass es nicht auf Äußerlichkeiten ankommt. Dass diese Botschaft eine sanftmütige ist. Dass sie getragen ist vom Geist Gottes. Dass wir von ihr getragen werden durch diese Zeiten, dass sie auch in der tiefsten Finsternis licht wird und licht bleibt.
Amen.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Du, Licht der Welt,
bewahre uns in unseren Gedanken und Taten,
erfülle uns mit deinem Geist.

In diesen Zeiten des Krieges und der Gefahren.
Die den Frieden bedrohen, in der Welt, in Europa, in unserem Land.
Dass wir daran festhalten, dass alle Menschen Gottes Kinder sind.
Dass wir nicht Sorge tragen, sondern getragen sind im Geist des Friedens.

In diesen Zeiten der finanziellen und existentiellen Nöte.
Hier vor Ort in unserem Land und weltweit.
Dass wir uns bewusst sind, dass deine Welt Lebensgrundlage ist für unser Leben.
Dass wir nicht Sorge tragen, sondern getragen sind im Geist der Gerechtigkeit.

In diesen Zeiten der Gottesferne.
Die alle Menschen ereilen kann, auch uns.
Dass wir uns unversehens in deine Gegenwart gestellt sehen.
Dass wir nicht Sorge trage, sondern getragen sind im Geist des Glaubens.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

13. Sonntag nach Trinitatis (11.09.)2022

  • Eröffnung

„Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ So geht die Nächstenliebe aufs Ganze. Auf unser Leben, auf das Leben meines Mitmenschen und auf das Leben mit Gott.

  • Sein Herz ist getrost – Worte nach Psalm 112

Halleluja!
Wohl dem, der den Herrn fürchtet,
der große Freude hat an seinen Geboten!
Sein Geschlecht wird gewaltig sein im Lande;
die Kinder der Frommen werden gesegnet sein.
Reichtum und Fülle wird in ihrem Hause sein,
und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis,
gnädig, barmherzig und gerecht.
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht
und das Seine tut, wie es recht ist!
Denn er wird niemals wanken;
der Gerechte wird nimmermehr vergessen.
Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht;
sein Herz hofft unverzagt auf den Herrn.
Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht,
bis er auf seine Feinde herabsieht.
Er streut aus und gibt den Armen; /
seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
Sein Horn wird erhöht mit Ehren.
Der Frevler wird’s sehen und es wird ihn verdrießen; /
mit den Zähnen wird er knirschen und vergehen.
Denn was die Frevler wollen, das wird zunichte.

  • Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält – Ein Lied: „Wenn das Brot, das wir teilen“ (EGE 28)

Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt

Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt,
und die Not, die wir lindern, zur Freude wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt.

Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält
und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt.

Wenn der Trost, den wir geben, uns weiter trägt,
und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt.

Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist
und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe, die alles umfängt,
in der Liebe, die alles umfängt.

  • Tu desgleichen! – Evangelium nach Lukas im 10. Kapitel

Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18). Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben. Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?
Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen. Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war?
Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen! (Lk 10,25-37)

  • Jeder Mensch, der nach Nähe fragt – Gedanken zu Lukas 10
  1. Tu was!

Die Frau ist so müde, schrecklich müde. Immer wieder fallen ihr die Augen zu während der Fahrt in der Straßenbahn. Beim ruckartigen Anfahren oder Stehenbleiben wird sie nur für einen kurzen Moment wach. In den Kurven schlingert ihr Körper gefährlich auf dem Sitz hin und her. Einmal droht sie fast hinunterzukippen. Sie würde sich verletzen, möglicherweise auch ernsthaft. In diesem Moment reagiert der Mann, der neben ihr auf der anderen Seite des Ganges sitzt. Er rutscht rüber und tippt ihr an die Schulter. Werde wach! Vorsicht! Er tippt und schiebt auch ein wenig, um ihr zu einer weniger gefährlichen Position zu verhelfen. Besorgt schaut er sie an. Auch fragend. Was ist mit Ihnen?, fragen seine Augen.

Es ist nur eine kleine Tat, die der Mann da vollbringt. Dennoch „wagt“ er sie erst im letzten Moment. Im Gegensatz zu den anderen Mitfahrenden, die sich abwenden oder das Geschehen verfolgen, aber in jedem Fall nichts tun. Dabei kommt es in dieser Situation genau darauf an. Etwas zu tun! Tu was!

Zwischen dem Gesetzeslehrer und Jesus ist es ähnlich. Was soll ich tun? Tu das! Tue Barmherzigkeit. Tu es genauso. Sprachlich nicht schön, aber sehr deutlich. Es geht nicht um theoretische Erwägungen. Es geht nicht um die richtige Schriftauslegung oder Deutung der Gesetze. Jesus und der Gesetzeslehrer sind sich überraschenderweise völlig einig darin, worauf es ankommt. Die Forderung des Doppelgebotes der Liebe, und die Konsequenz aus der Beispielgeschichte des Samariters stimmen überein. Da gibt es kein Vertun. Tu was!

  1. Er ist wie du!

Nächstenliebe erwächst aus der konkreten Situation. Das ist keine zu verallgemeinernde Regel und keine Moral, die ich kraft meiner besseren Einsicht ein für alle mal festlegen könnte. Das nächstenliebende Handeln entsteht aus dem Glauben, dass dieser Mensch da ist wie ich. Aus Haut und Knochen, mit Gefühlen und Wünschen, mit Familie und Freunden. Wenn er nicht mehr wäre, oder wenn er sich verletzte, dann ist ein Schmerz in der Welt, er würde vermisst oder betrauert und bedauert. Ein Unglück und ein Jammer wäre in der Welt. Ein Jammer, der bis an den Himmel reicht, weil auch dieser Mensch ein Kind Gottes ist. Vom Samariter wird genau dieses gesagt: „Als er ihn sah, jammerte es ihn.“ Nicht mehr und nicht weniger. Der nächste Schritt ist schon die konkrete Tat. Denn dieser Mensch am Strassenrand ist wie er. Auch wenn er verletzt ist, halbtot und blutüberströmt, unansehnlich und wenig anziehend, auch wenn er anders glaubt, auch wenn er nicht dazuzugehören scheint.
Das Wort aus der alttestamentlichen Lesung sagt das in aller Deutlichkeit. Im sogenannten Heiligkeitsgesetz, das also direkt von Gott und seiner Sphäre, seinem Umfeld spricht, heißt es: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ (3. Mose 19,18) Noch kürzer und prägnanter klingt das in der Übersetzung von Buber und Rosenzweig: „Halte lieb deinen Genossen. Dir gleich. ICH bins.“ „ICH“ in Großbuchstaben verweist auf Gott, dessen Name in der jüdischen Übersetzung nicht genannt wird. So entsteht ein Spiel mit Personalpronomen: Wer ist hier ein Ich, wer ein Du? Das Du ist einem Ich gleich, das auch Gott sein könnte. Nur so ist Gott erreichbar. Ich bin ein Ich, das zugleich auch ein Du ist. Nur so kann das Geschöpf Gottes sich als Gottes Geschöpf begreifen. Indem das Geschöpf den Mitmenschen ebenfalls als Gottes Geschöpf begreift. Die ganze Wahrheit eben. Gott hat auch den da gemacht. Den Verletzten an der Straße, die müde Frau in der Strassenbahn. Daran habe ich Anteil. Ich habe Mitgefühl. Es jammert mich.
Der Priester und der Levit hingegen begreifen sich zwar als Geschöpfe Gottes, aber das genügt ihnen schon. Vermeintlich sind sie Gott nahe genug. Dem Tempel in Jerusalem wird diese Nähe Gottes zugeordnet und sie gehören zum Tempel. Der Ort steht ihnen dafür ein, dass sie Gott erkannt haben. Alles andere lassen sie dafür links liegen. Sie gefallen sich in diesem Genügen. Vielleicht erscheint es ihnen besonders edel und geboten, sich fernzuhalten. Diese Haltung begegnet mir auch in der Gegenwart. „Ich kann auch ohne Kirche glauben. Ich bete für mich. Ich mache das alleine mit meinem Gott aus.“ Diese Statements höre ich oft, wenn jemand sein Verhältnis zu Gott und Glauben erklärt. Und irgendwie ist das ja auch verständlich. Menschliche Gemeinschaften sind nie perfekt. Aber es geht auch nicht ohne. Gott mutet mir zu mit den Zumutungen meiner Mitmenschen zu leben. Auch in der Kirchengemeinde. Darüberhinaus ist ohnehin jeder Mensch, der nach Nähe fragt, weil er in Not oder auf der Suche ist, mein Nächster. In diesem Moment. Nicht mehr und nicht weniger. Er ist wie du! Ein Kind Gottes.

  1. Tu das, so wirst du leben!

Es gibt ein jüdisches Gesetz, dass den Erhalt des Lebens an die oberste Stelle menschlichen Handelns setzt. Pikuach Nefesch, übersetzt heißt das „Beaufsichtigung einer Seele“; und bedeutet auch „Rettung aus Lebensgefahr“. Auch die Erzählung des Samariters ist davon geprägt. Er sorgt genau dafür. Dass der verletzte Mensch am Strassenrand weiterleben kann. Er leistet erste Hilfe, transportiert ihn an einen sicheren Ort und bezahlt das Nötige. Dann verschwindet er. Anscheinend erwartet er nichts weiter für seinen Dienst. Keinen Lohn und keinen Dank. Er hilft diesem Menschen, weil er selbst leben möchte. Das Leben dieses Menschen zu erhalten ist so gut wie das eigene Leben zu retten. Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun; keine Ausrede, kein Ritual, keinen Glauben.
Eben das sagt Jesus auch dem Gesetzeslehrer: „Tu das, so wirst du leben!“
Im Alltag sieht das dann so aus, dass ich mehr tun kann, als Leben zu retten in einem dramatischen Moment. Also nicht nur wegen einer unmittelbaren Gefahr. Sondern auch immer dann, wenn das Leben eines Menschen gefährdet ist in seinem körperlichen, seelischen und zwischenmenschlichen Zusammenhalt. Konkret ist das. Konkret ist das schwer. Die Not anderer Mensche sehe ich oft. Aber selten tue ich etwas. Ich befürchte, jemandem zu nahe zu treten Das Beispiel vom Anfang macht es deutlich. Der Mann hilft; im letzten Moment. Er berührt die Frau sogar, weil es nicht anders geht. Weil er selbst betroffen ist, weil sie so nah neben ihm sitzt. Es ist so, als ob er selbst in Not gerät, wenn er die Not des Nächsten sieht. Vielleicht leiste ich deshalb so selten Hilfe. Die Hilfsbedürftigkeit meines Mitmenschen steht mir klar vor Augen. Weniger klar sehe ich meine eigene Angst und Unsicherheit. Bevor ich selbst was falsch mache. Gott sieht aber auch meine Angst. Mein Zögern. Und der hilfsbedürftige Mitmensch sieht es ebenfalls. Auch darin sind wir uns gleich. Gleich in der Not. Gleich in der Hilfe. Gleich als Gottes Kinder. Verbunden. In diesem Moment. Voller Leben. Und Gott ist mittendrin und so nah, wie es nur geht. Gott ist dann der Allernächste.

Amen.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Gott im Himmel,
wir bitten dich um innere Stärke, für das
was wir vor Augen haben, wenn wir an uns selbst denken:
die Spaltung der Gesellschaft,
die Sorgen um die Energiepreise im Herbst,
die unsichere Lage in der Ukraine,
vor allem mit Blick auf das Atomkraftwerk in Saporischschja.

Wir bitten dich um Mut zur Hilfe, für das
was wir vor Augen haben, wenn wir an andere denken:
deren Umstände jetzt schon kein menschenwürdiges Leben zulassen,
die an Sucht und Krankheit leiden, ebenso wie an Einsamkeit und mangelnder Liebe,
die selbst darunter leiden, selbst wenig Liebe geben zu können.

Wir bitten dich um Zuversicht für deine Schöpfung,
die zerrissen ist
zwischen all den Kriegen auf der Welt,
den hungernden Menschen,
der Gier nach Wohlstand und Reichtum,
den sterbenden Wäldern,
den ausgebeuteten Landstrichen.

Wir bitten dich um Leben, für uns, für unsere Nächsten,
für alle Wesen deiner Schöpfung.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

10. Sonntag nach Trinitatis / Israelsonntag (21.08.)2022

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für den Israelsonntag – ein freudiger Ausruf im Blick auf Israel – eine Seligpreisung aus Ps 33: Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist; dem Volk, das er sich zum Erbe erwählt hat. Diesem Erbe sind wir als Kinder Gottes im christlichen Glauben unabweisbar verbunden und suchen darin unsere Herkunft und unsere Zukunft.

  • Gepflanzt an Wasserläufen – Worte nach Psalm 1 in der Übertragung nach der Bibel in gerechter Sprache

Glücklich sind die Frau, der Mann,
die nicht nach den Machenschaften der Mächtigen gehen,
nicht auf dem Weg der Gottlosen stehen
noch zwischen den Gewissenlosen sitzen.
Sondern ihre Lust haben an der »Weisung GOTTES«,
diese Weisung murmeln Tag und Nacht.
Wie Bäume werden sie sein –
gepflanzt an Wasserläufen,
die ihre Frucht bringen zu ihrer Zeit,
und ihr Laub welkt nicht.
Was immer sie anfangen, es führt zum Ziel.
Nicht so die Machtgierigen:
Wie Spreu sind sie, die ein Wind verweht.
Darum bestehen Machtgierige nicht im Gericht,
Gottlose nicht in der Gemeinde der Gerechten.
Ja, auf den Weg der Gerechten gibt Gott Acht,
der Weg der Machtgierigen aber verliert sich.

  • Sein Recht und sein Gesetz bewahr – Ein Lied: Nun danket Gott, erhebt und preiset (EG 290)

1) Nun danket Gott, erhebt und preiset
die Gnaden, die er euch erweiset,
und zeiget allen Völkern an
die Wunder, die der Herr getan.
O Volk des Herrn, sein Eigentum,
besinge deines Gottes Ruhm.

2) Fragt nach dem Herrn und seiner Stärke;
der Herr ist groß in seinem Werke.
Sucht doch sein freundlich Angesicht:
Den, der ihn sucht, verlässt er nicht.
Denkt an die Wunder, die er tat,
und was sein Mund versprochen hat.

3) O Israel, Gott herrscht auf Erden.
Er will von dir verherrlicht werden;
er denket ewig seines Bunds
und der Verheißung seines Munds,
die er den Vätern kundgetan:
Ich lass euch erben Kanaan.

7) O seht, wie Gott sein Volk regieret,
aus Angst und Not zur Ruhe führet.
Er hilft, damit man immerdar
sein Recht und sein Gesetz bewahr.
O wer ihn kennet, dient ihm gern.
Gelobet sei der Nam des Herrn.

  • Bis es alles geschieht – Evangelium nach Matthäus im 5. Kapitel

Jesus spricht:
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.
Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. (Mt 5,17-20)

  • Eine göttliche Gerechtigkeit – Gedanken zu Matthäus, Kapitel 5

Endlich raus zuhause, endlich tun, was ich will. Ich bin ja schon fast erwachsen, eine Studentin am College; und jetzt gehe ich mir einen Korb Süßigkeiten kaufen, und esse nichts anderes mehr. Total ungesund. Aber jetzt bestimme ich die Regeln.
So beginnt der Roman, den sich meine Tochter neulich gekauft hat. Die junge Studentin geht bezahlen, und der Kassierer nickt wissend. 1. Semester?, fragt er und sie schaut ihn verwundert an, und fragt ihn, woher er das wisse? Tja, sagt er, ich bin 3. Semester und Süßigkeiten kaufen, das machen sie alle. Nach einem halben Jahr spätestens wirst du dich nach dem Essen deiner Mutter sehnen.
Spaßverderber, dachte ich; aber vermutlich hat er recht. Vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht,
liebe Leserinnen, liebe Leser;
einen Lebensabschnitt hinter sich gelassen und die neue Freiheit gespürt, jetzt tun und lassen zu können, was sonst mindestens kritisch beäugt wurde. So lange aufbleiben, wie ich will; essen, was ich will; aufstehen, wann ich will; usw. Ohne Rücksicht. Nicht um jemanden zu schaden, aber auch ohne lästige Einsprüche seitens der Eltern etwa, oder anderer naher Menschen.

Wenn Jesus spricht: Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, dann scheint eine ähnliche Denkungsart dahinter zu stehen. Ich kann jetzt das ganze mühsame Gesetz hinter mir lassen. Jesus hat es ja selbst gesagt, als seine Jünger am Sabbat Ähren rauften, um zu essen. Der Mensch ist nicht um des Sabbats willen da, sondern der Sabbat um des Menschen Willen. Also, wie kann das Sabbatgebot, einen Tag in der Woche zu ruhen und nicht zu arbeiten, für mich dann noch verbindlich sein. Was jedenfalls offensichtlich nicht passiert ist, dass wir Christen heute noch die jüdischen Gesetze, oder auch nur die biblischen Gesetze in ihrer Fülle beachten. Als Christen orientieren wir uns an dem Gesetz oder an der Tora dahingehend, dass wir etwa die 10 Gebote als verbindliche Richtschnur ansehen. Aber auch da gab es schon in der kurzen Zeit der Reformation unterschiedliche Ansichten etwa zum Thema Bilderverbot. Gar keine Bilder mehr, oder die Bilder nur nicht anbeten? Wäre ja unbequem, eine Kirche ganz ohne Bilder, alles weiße Wände?
Andererseits sagt Jesus auch:
Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich. Offensichtlich geht es nicht darum, eine Auswahl zu treffen, aus dem, was in der Bibel steht. Trotzdem scheint sich das Christentum nicht an diese Forderung Jesu gehalten zu haben. Freilich entsteht das Matthäusevangelium in einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen Christen und Juden noch nicht endgültig entschieden ist. Es ist eines der Hauptthemen. Wenn Jesus etwa das Gesetz und die Propheten als verbindliche Orientierungspunkte benennt, sehen wir darin eine erste jüdische Kanonbildung, die nur einen Teil der heutigen hebräischen Bibel benennt, die auch für das Christentum zum Kanon gehört. Es ist hier also noch nichts ausgemacht.
Einen Hinweis gibt es allerdings, der etwas davon verrät, wie Jesus seine Worte auch gemeint haben könnte. Seine Betrachtungen zu den 10 Geboten zeigen etwa die Richtung an, die Jesus meint. Nicht auflösen, aber erfüllen, das ist seine Formel, wie er auf die Schriften seiner Religion blickt.
Es ließe sich auch sagen, dass er sie verschärft, dass er ihnen einen Sinn abgewinnt, der weit über die Regelung menschlicher Gesellschaft hinaus geht. Wenn Jesus von Gerechtigkeit im Matthäusevangelium spricht, dann geht es ihm um die göttliche Gerechtigkeit, die damit rechnet, dass unsere bequemen menschlichen Gerechtigkeitsvorstellungen ohnehin auf den Kopf gestellt werden. Liebe deinen Feind, heißt es demgemäß, denn den Nächsten zu lieben, dass machen auch die andern.

Diese Erfüllung oder Verschärfung lässt sich aber nicht prinzipiell festhalten. Eine wesentliche Änderung hat sich nämlich gegenüber biblischen Geboten im Laufe der Jahrhundert ergeben. Wir haben heute ein Prinzipienrecht. Allgemeine Regelungen bestimmen das Gute und Richtige in spezifischen Situationen. So lesen wir auch die 10 Gebote. Das gilt immer. Das gilt auf jeden Fall. Aber auch nicht mehr als das.
Die Bibel und speziell die Regelungen im Alten Testament aber sind Kasualrecht, also es geht immer um konkrete Fälle. Genau dann, wenn dieses oder jenes passiert, tust du dieses oder jenes. Das heißt, es gibt kein letztgültiges Prinzip, keine letztgültige Regel für alle Zeiten, die stets zu befolgen wäre. Jede neue Situation kann eine neue Regel bedeuten.
Wenn ich also endlich zu Hause ausgezogen bin, dann muss ich selbst sehen, was gut für mich ist. Vielleicht probiere ich etwas Neues aus, oder halte mich strikt an das, was ich schon kenne. Beides könnte passen, oder auch unpassend sein. Wenn ich etwa die Socken vor dem Bett liegen lasse, weil Mutti sie immer weggeräumt hat, könnte das einem Lebenspartner gar nicht passen.

Im Grunde genommen heißt das, dass wir die Welt, die irdische und die himmlische, nicht als Regeln wahrnehmen und in ihr regelhafte Dinge erleben, sondern als ein buntes Wirrwarr an Möglichkeiten. Jeden Tag und an jedem Ort. Darunter aber liegt eine göttliche Gerechtigkeit, eine Ordnung, die dem Schöpfer und seinen Geschöpfen gerecht wird. Nur wird mir diese Ordnung nicht einfach auf dem Silbertablett serviert. Ich muss sie selbst herausfinden. Ein paar Regeln helfen da, so wie die 10 Gebote, aber ebenso braucht es Mitgefühl und Lebenserfahrung, die Bereitschaft dazuzulernen und auf den Mitmenschen zu achten. Mindestens so sehr wie auf sich selbst. Das wäre das erfüllte Gesetz, wenn ich die göttliche Ordnung erkenne, die sich mir in der Fülle der Welt darbietet.
Die Fülle der Regeln im Alten Testament kann ebenso eine Möglichkeit sein, etwas über die göttliche Ordnung und Gerechtigkeit zu erfahren. Wie sehen diese Geschichten aus mit Gott und den Menschen, was kann ich daraus lernen? Selbst das uns so ferne Speisegebot, Milch und Fleisch voneinander trennen, könnte dann wichtige Impulse liefern für mein Leben. Es ist also nicht wichtig, dieses getrennte Kochen auszuprobieren, aber den Ernst und die Schönheit darin zu erkennen, die in der Befolgung eines solchen Gebot liegen.

So sind wir ohnehin verbunden mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern. Das wir die selben Worte, von der Tora über die Propheten bis hin zu den Psalmen verbindlich bewahren und lesen. Nur jeder auf seine Weise. Ich glaube aber, dass wir mit Gottvertrauen und Demut zum selben Ergebnis kommen. Dass wir unser Leben so gestalten, dass wir darin etwas sichtbar machen von Gottes Güte und seinem ewigen Frieden.
Amen.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Lob und Dank sei dir, guter und barmherziger Gott,
für die Gabe der Tora an dein Volk Israel.
Ihm hast du deinen Willen, deine gute Weisung zum Leben anvertraut.

Lob und Dank sei dir für Jesus von Nazareth,
für sein Leben und seine Lehre.
Lass uns ihn erkennen inmitten seines Volks, ein Jude unter Juden.
Schenke uns Verständnis für seine Lehre,
die deine Tora auslegt und uns so Zugang schenkt zu deinem Wort,
dass wir es hören und tun.

Lob und Dank sei dir für dein Schöpfungswerk:
Täglich gibst du, was deine Geschöpfe zum Leben brauchen.
Du willst Gerechtigkeit – lass uns unseren Teil dazu beitragen:
Dass die Fülle der Gaben gut verteilt und Fluchtursachen beseitigt werden –
dass wir als Gesegnete aus den Völkern auch zum Segen werden.
Wir bitten für dein Volk, in Israel, in unserem Land und in aller Welt.
Der Segen Abrahams und Saras komme über sie,
Frieden in ihren Wohnungen und zu den Nachbarn.
Gib uns Klarheit und Entschiedenheit, Judenfeindschaft zu begegnen:
Ob in unseren Städten, in der Öffentlichkeit und in unseren Medien;
auch in der ungerechten, pauschalen und maßlosen Kritik des Staates Israel.

Wir bitten für alle Völker, dass dein Segen auch über sie komme.
In der Beschäftigung mit deinem Wort,
in guten Beziehungen des Lernens und Lebens,
der Freundschaft und Verbundenheit zu Jüdinnen und Juden.

Und ja: Wir bitten um dein Kommen –
in Bälde bringe uns die Herrschaft des Himmels!
Mit den Worten Jesu beten wir weiter – miteinander und füreinander:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

4. Sonntag nach Trinitatis (10.07.)2022

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen.

  • Eröffnung

„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“

Der Spruch aus dem Brief des Paulus an die Christen in Galatien begleitet uns durch die neue Woche.
Da erwartet der Apostel Paulus eine ganze Menge von uns und mit dem Anspruch werden wir im Text des Sonntags konfrontiert.

  • Lied: „Komm in unsre stolze Welt“  (EG  428)

Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben.
Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben.
Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.

Komm in unser reiches Land, der du Arme liebst und Schwache,
dass von Geiz und Unverstand unser Menschenherz erwache.
Schaff aus unserm Überfluss Rettung dem, der hungern muss.

Komm in unsre laute Stadt, Herr, mit deines Schweigens Mitte,
dass, wer keinen Mut mehr hat, sich von dir die Kraft erbitte
für den Weg durch Lärm und Streit hin zu deiner Ewigkeit.

Komm in unser festes Haus, der du nackt und ungeborgen.
Mach ein leichtes Zelt daraus, das uns deckt kaum bis zum Morgen;
denn wer sicher wohnt vergisst, dass er auf dem Weg noch ist.

Komm in unser dunkles Herz, Herr mit deines Lichtes Fülle;
dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle,
die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.

  • Psalm 42 

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, 
so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht,
weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst:
Wie ich einher zog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Haus Gottes
mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern.
Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er mir hilft mit seinem Angesicht.

  • Lesung: Johannes 8,3-11

Die Schriftgelehrten und die Pharisäer brachten eine Frau, 
beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte
und sprachen zu Jesus:
Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden.
Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen.
Was sagst du?
Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, 
auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen.
Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.
Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf
und sprach zu ihnen: 
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.
Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.
Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand.
Da richtete sich Jesus auf und sprach zu ihr:
Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt?
Sie aber sprach: Niemand, Herr.
Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht;
geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

  • Gedanken zum Text

Haben Sie da auch sofort ein Bild oder mehrere Bilder vor Augen, wenn sie diesen Text lesen?
Männer im Halbkreis, die Gesichter voller Zorn und Lust auf das kommende Geschehen wartend, mancher vielleicht schon mit einem Stein in der Hand.
Am Rand: Jesus, stehend, vielleicht fragenden Blickes, was die Männer wollen.
Und da die Frau. In der Mitte – zur Schau gestellt.
So und ähnlich ist die Szene oft gemalt worden.
Da ist die Unruhe, die Spannung, die von den Männern ausgeht. 
Da ist die Frau, der man die Angst vor dem Kommenden ansieht.
Und da ist Jesus!
Jesus der Rabbi, der das Gesetz, die Tora kennt, das hat er in seinen Predigten bewiesen.
Aber er ist auch der, der die Auslegung der Tora erweitert hat.
Neue Aspekte hineingebracht hat, das Bild von Gott, verändert hat.
Die Texte der letzten Sonntage haben uns den Gott gezeigt, der barmherzig ist, der auf der Suche nach uns Menschen ist.
Und Jesus hat dies ganz praktisch getan. Er geht zu Ausgestoßenen, Kranken, gering Geachteten, wendet sich Kindern zu.
Und nun sind hier diese Männer, wohl vorwiegend Gesetzeslehrer, die ihn auf die Probe stellen wollen.
Und bei einem konkreten Fall von Gesetzesbruch erwischen wollen:
„Mose hat im Gesetz geboten…….. Was sagst du?“
Da kommt plötzlich eine neue Situation auf.
Die Spannung, der auf Antwort wartenden, ist zu spüren.
Aber etwas ist anders. Ruhe kehrt ein – eine Ruhe, die die Männer innerlich unruhig macht – denn Jesus schweigt, schaut niemanden an, bückt sich und malt mit dem Finger auf die Erde.
Was soll das? Hat er keine Meinung? Will er sich drücken?
Traut er sich nicht das Urteil zu sprechen?
Doch! Er traut sich – aber das erwartete Urteil kommt nicht.
Sondern eine Aufforderung an die Ankläger:
„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“
Auf einem Bild von Sieger Köder schreibt die Hand Jesu das Wort „Shalom“ – Frieden.
„Shalom“, das ist eine Antwort und ein Angebot. Ohne sich um die anklagenden Männer und die angeklagte Frau direkt zu kümmern, bezieht Jesus Stellung. Shalom greift den Gedanken der Wiedergutmachung auf. Auch hier geht es darum, für getanes Unrecht zu bezahlen. Jedoch nicht in einem berechnenden Sinn.
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.
Damit gibt Jesus die Anklage der Männer als Anfrage an ihr eigenes Leben zurück. Das genügt!  Sie haben Jesus verstanden. Einer nach dem anderen geht fort, zuerst die Ältesten.
Dann bückt sich Jesus wieder und schreibt.
Shalom, das Wort, das er still in den Sand schreibt, zeigt einen großzügigen Horizont von äußerem und innerem Frieden auf.
Darin können sich auch die wieder finden, die sich etwas zuschulden kommen ließen. Ja, es eröffnet die Chance neu zu beginnen.
In den Worten Jesu findet sich die Frau wieder.
Wo sind sie Frau? – Hat dich niemand verdammt?“
Auf das „NEIN“ der Frau antwortet Jesus: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“
Da ist keine moralische Zurechtweisung, aber auch kein “alles nicht so schlimm – machs nie wieder“
Es sind die Worte Jesu, die befreien und zugleich einen neuen Weg weisen.
Geh! Und gib deinem Leben eine andere Richtung.
Geh achtsam mit dir um. Sieh auf die Menschen neben dir.
Beginne neu und entdecke die Vielfalt des Lebens.
Das ist Shalom in seiner ganzen Fülle. Frieden mit Gott, 
den Menschen um mich herum und mit mir selbst.
Das ist es, was mir an diesem Text so wichtig ist.
Jesus setzt seine Sichtweise von Gottes Handeln konsequent um und fordert uns auf, es ihm gleich zu tun.
Sicher käme mit der Umsetzung von Jesu Sicht- und Handlungsweise ein großes Stück Frieden – Shalom mehr auf unsere Erde.

Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Gott geschwisterlich, friedlich, versöhnt –
So sollte unsre Welt doch sein.
Du traust es uns zu.
Du siehst unser Bemühen, und du siehst unser Scheitern.
Bleib geduldig mit uns.
Gott, wir bitten dich für alle, die etwas bereuen
und einen neuen Weg in ihrem Leben einschlagen wollen.
Gib ihnen die Kraft dazu.
Wir bitten dich für alle, denen Böses widerfährt, 
sei ihnen ein Gegenüber für ihre Wut und für die Rachegedanken.
Wir bitten dich für alle, die vergeblich Versöhnung herbeisehnen.
Sei ihnen ein Gegenüber in Enttäuschung und Ernüchterung.
Wir bitten dich für alle, 
die sich ein Herz fassen und auf andere zugehen.
Sei an ihrer Seite und stärke ihr Vertrauen.
Wir bitten für die Gruppe der Senioren unserer Gemeinde, 
die heute ihre Freizeit in Herrnhut beginnt.
Sei bei ihnen in diesen Tagen, behüte sie vor Gefahren 
und lass sie eine frohe Zeit des Miteinanders erleben.
So beten wir, wie Jesus Christus uns gelehrt hat: 

Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft 
Und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segensbitte

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn uns Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Lektorin Gudrun Naumann)

3. Sonntag nach Trinitatis (03.07.)2022

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für diese neue Woche heißt:
„Der Menschensohn ist gekommen , zu suchen und selig zu machen,was verloren ist.“ Lukas 19,10

  • Psalm 103

Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist,
seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,
dein Leben vom Verderben erlöst,
krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
d r und fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Der HERR s haf t Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden.
Er hat sei e W ge Mose wissen lassen, die Kinder Israel sein Tun.
Barmh r nädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.
Er wird n c mer hadern noch ewig zornig bleiben.
Er handelt ni h nach unsern Sünden
und vergilt uns n c nsrer Missetat.
Denn so hoch der Himmel üb r d r Erde ist,
lässt er seine Gnade walte üb r denen, die ihn fürchten.
So fern der Morgen ist vom Abe d, lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Wie sich ein Vater über Ki der erbarmt,
so erbarmt sich der HERR ü er ie, die ihn fürchten.

  • Lied: „Geh aus mein Herz und suche Freud“ (EG 503)
  1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
    in dieser lieben Sommerzeit
    an deines Gottes Gaben;
    schau an der schönen Gärten Zier
    und siehe, wie sie mir und dir
    sich ausgeschmücket haben.
  2. Die Bäume stehen voller Laub,
    das Erdreich decket seinen Staub
    mit einem grünen Kleide;
    Narzissus und die Tulipan,
    die ziehen sich viel schöner an
    als Salomonis Seide.
  3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
    das Täublein fliegt aus seiner Kluft
    und macht sich in die Wälder;
    die hochbegabte Nachtigall
    ergötzt und füllt mit ihrem Schall
    Berg, Hügel, Tal und Felder.
  4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
    der Storch baut und bewohnt sein Haus,
    das Schwälblein speist die Jungen,
    der schnelle Hirsch, das leichte Reh
    ist froh und kommt aus seiner Höh
    ins tiefe Gras gesprungen.
  5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
    und malen sich an ihrem Rand
    mit schattenreichen Myrten;
    die Wiesen liegen hart dabei
    und klingen ganz vom Lustgeschrei
    der Schaf und ihrer Hirten.
  6. Die unverdrossne Bienenschar
    fliegt hin und her, sucht hier und da
    ihr edle Honigspeise;
    des süßen Weinstocks starker Saft
    bringt täglich neue Stärk und Kraft
    in seinem schwachen Reise.
  • Evangelium: Lukas 15,11b-32

Vom verlorenen Schaf

Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach
zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht.
Und er teilte Hab und Gut unter sie.
Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.
Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen;
und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich!
Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen.
Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
Ein Landgut war das! Das schönste weit und breit! Die Ställe voll, die Scheunen voll. Und ein Reichtum! – ‚Wer das alles einmal erbt!’ sagten die Leute. Zwei Kinder sind da. Eine Tochter und ein Sohn. Die Tochter ist die Ältere, sie wird einmal Erbin sein.(Sie ist besser in der Schule, zuverlässig, verantwortungsbewusst) Außerdem ist es so Sitte und Recht. Der Hof wird nicht geteilt.
Und der jüngere Sohn? Der hat die Wahl. Er kann zu Hause bleiben, die Schwester muss ihm Anteil geben am Hof. Aber die Herrin im Haus, das wird immer die Schwester sein. Zweitgeborene kennen das Problem, Immer nur der Zweite zu sein. ‚Da bin ich doch nur ein Leben lang Diener und Knecht’ mag der jüngere Bruder gedacht haben.
Und er konnte es nicht erwarten, bis er mündig wurde; bis er endlich verlangen konnte, dass man ihm seinen Anteil am Erbe auszahle. – Aber die Eltern leben ja noch – ja, die Eltern leben.
Und eines Tages ist es soweit. Da kommt der Sohn zu ihnen: ‚Kann ich etwas mit euch besprechen?’ ‚Ja, sag, was du auf dem Herzen hast!’
‚Ihr wisst, ich bin jetzt mündig; ich möchte mich selbständig machen; ich bitte euch, zahlt mir meinen Anteil am Erbe aus!“ Das ist eine Menge Geld, bedenkt: Ein Viertel vom Vermögen der Familie.
Da kann man heute lange suchen, bis man einen Hof oder eine Firma findet,
die ihre Erben auszahlen kann in barem Geld von heut auf morgen.
Aber die hier konnten!
Ob es gut ist, einem jungen Mann, der noch nie von zu Hause fort war, so viel Geld auf einmal zu geben?
Ich hätte es nicht getan. Ich hätte zuerst gefragt: was willst du denn anfangen mit dem Geld? Lass uns zusammen überlegen!
Aber das Seltsame ist: der Vater sagt nichts; er schließt die schwere Truhe auf, er teilt das Erbe.
Und gibt dem Jungen das ganze Geld: einen schweren Beutel voll Gold- und Silberstücke.
Nicht lange danach packt der ein: seine Kleider und was er sonst noch so hat und vor allem den Beutel mit dem Geld.
„Wo willst du denn hin?“ fragt die Mutter. „Möglichst weit weg!“ sagt er und verlässt den Hof.
Die Eltern sahen ihm nach wie er davon zog mit der kleinen Karawane und dem großen Geld.
Lange stehen sie so, unbewegt. Einmal streckt die Mutter die Arme aus als wolle sie ihn zurückhalten, und lässt sie wieder sinken.
Endlich kehren sie wieder ins Haus zurück. – Wie alt sie auf einmal geworden sind.-

Einmal im Leben sich jeden Wunsch erfüllen können! Wer hat nicht schon davon geträumt?
Und so sagte sich auch der junge Mann in unserer Geschichte:
‚Nur ein paar Tage lang richtig genießen; danach kaufe ich mir dann ein Geschäft oder einen Hof;
etwas, wovon ich leben kann!’ Und er lebte ein paar Tage herrlich und in Freuden.
Und aus den paar Tagen wurden ein paar Wochen und aus den Wochen Monate. ‚Ach was, ich bin jung und gesund; ich werde mir schon wieder was verdienen können! – Doch eines Tages wechselte er das letzte Goldstück. Doch für Geld konnte er sich nicht mehr viel kaufen.
Es hatte nicht geregnet; man hatte fast nichts ernten können; alles wurde teurer, von Tag zu Tag teurer. Furchtbar war das. ‚Ich muss Arbeit haben. Ich muss etwas verdienen! Sonst verhungere ich! Und wenn ich Straßenkehrer werden soll!’
Es kam schlimmer: Er musste Säue hüten. Und wenn er am Abend mit der Herde nach Hause kam, so warf man den Schweinen noch was zum Fressen vor – ihm aber gab man nichts zu essen. ‚Friss mit den Schweinen, wenn du Hunger hast!’
Was war aus ihm geworden!
Wie er nun eines Tages so in seinem Elend saß, da sah er mit einemmal etwas wunderbar Schönes. Nicht draußen, in seinem Herzen sah er es:
Er sah seine Heimat, den Hof seiner Eltern. Feierabend ist; von allen Seiten kommen sie zum Essen, die Landarbeiter, die Tagelöhner. Und jeder bekommt Brot.
Brot! Brot, soviel er will, bis er satt ist. Satt –und ich werde hier bald vollends
verhungert sein.’ Da durchfährt es ihn wie ein Licht: ‚Ich will heim!’
Da sieht er an sich hinunter der Schweinehirte: ‚Was, so willst du vor deine Eltern treten?’
Aber dann sieht er das Bild wie sie beim Abschied vor der Haustür standen.
‚Ich weiß ja, dass ich kein Recht habe, etwas von ihnen zu erwarten. Aber ich will vor sie hintreten und will zu ihnen sagen: ‚Ich habe gesündigt gegen Gott im Himmel und vor euch. Ich bin nicht mehr wert, dass ich euer Sohn heiße, macht mich zu einem eurer Tagelöhner.’
Am anderen Morgen war der Schweinehirt verschwunden. Noch in der Nacht hatte er sich davongemacht – halbverhungert wie er war.
Ich weiß nicht wie er den weiten Weg nach Hause schaffte. Er musste sich durchbetteln. Wenn er nicht seine Eltern vor Augen gehabt hätte – er wäre unterwegs gestorben. Aber endlich war’s soweit.
‚Wenn ich dort oben bin, von dort kann man unser Haus sehen!’

Die Mutter zuhause blickt hinaus auf den Weg und sieht von ferne jemanden daherkommen; noch weit weg, kein Mensch hätte erkennen können, wer das ist. Aber als ob sie auf ihn gewartet hätte; als ob sie jeden Tag hinausgesehen hätte ob ihr Sohn nicht wiederkommt – die Mutter weiß: ‚Das ist er!’
Sie ruft nach dem Vater, die beiden vergessen ihre Elternwürde und rennen dem Sohn entgegen.
Und noch ehe der Sohn seinen Entschuldigungsspruch überhaupt sagen kann, fallen sie ihm um den Hals.
Und erst jetzt kommt der Sohn zum Sprechen:
„Ich habe gesündigt vor Gott und vor Euch, ich bin es nicht mehr wert, euer Sohn zu sein.“
Das hat niemand sonst gehört, nur die Eltern.
Da kommen schon die ersten Landarbeiter angelaufen: ’Was ist denn da los?’
Und der Vater sagt: ‚Schnell, holt anständige Sachen für ihn, meinen Siegelring steckt ihm an den Finger! Und die Mutter: ‚Schlachtet das Mastkalb, macht ein Festessen; Feierabend! –denn dieser –und die Tränen kamen ihr als sie auf die Jammergestalt ihres Sohnes blickte – der da war ja tot und ist wieder lebendig!
War verloren und ist gefunden!
Jetzt fing ein Leben an auf dem Hof! Wie bei einer Hochzeit! Tische und Bänke wurden zusammengestellt; in der Küche ging’s hoch her; sie aßen und tranken; sie sangen und machten Musik. Man hörte es weit hinaus in den stillen Abend.

Die ältere Schwester ist noch nicht da. Sie arbeitet immer am längsten von allen.
Schließlich ist sie die Juniorchefin. So kommt sie auch heute als letzte nach Haus. ‚Da! Was ist das?’
Sie traut ihren Ohren nicht. ‚Die sind wohl verrückt geworden! Mitten in der Arbeitswoche Musik und Tanz!’ Ein Arbeiter läuft eilig vorbei.
‚Sag mal, was ist bei euch los?’ ‚Ja weißt du denn nicht? Dein Bruder ist zurückgekommen; die Eltern haben das Mastkalb schlachten lassen, weil sie ihn gesund wieder haben. – Komm schnell!’
Aber die Juniorchefin mit einem Ton in der Stimme wie ihn der Mann noch nie gehört hat, sagt:
‚Ich? – Nein!’ und bleibt stehen wie versteinert.

Drüben neben ihren wiedergekommenen Sohn sitzen die Eltern. Die Mutter wird als erste unruhig. ‚Wo ist die Juniorchefin?’ ‚Die will nicht kommen.’
Da sehen sich die Eltern kurz an, stehen auf und gehen ihre Tochter suchen.
Die Mutter sagt leise: ‚Bitte komm!’
Die Tochter schaut auf den Boden und sagt bitter und gequält: ‚Ich komm als letzte von der Arbeit. Am Morgen bin ich die Erste. So geht das nun schon viele Jahre. Immer habe ich gemacht, was ihr von mir erwartet habt. Nie habe ich euch eine Szene gemacht, immer zuverlässig, immer da. Aber nie ist es euch eingefallen, mir als Anerkennung auch mal ein kleines Fest zu geben. Aber jetzt’ und sie stöhnt wie unter einem Schmerz ‚ jetzt, wo der da, euer Sohn gekommen ist, der das Geld, das ihr in langen Jahren erarbeitet und erspart hattet, durchgebracht hat, da macht ihr einen Budenzauber und schlachtet ihm das Hochzeitskalb!?’
Habt ihr’s gehört? ‚Euer Sohn’ hat sie gesagt. Sie will nicht die Schwester eines solchen sein. Und – zum ersten Mal in ihrem Leben – nicht die Tochter von Eltern, die so mit ihren Kindern umgehen.
Die Mutter spürt in ihrem Herzen: ‚Jetzt verliere ich meine Tochter!’ Und sie will sie doch nicht verlieren. Es wird dunkel. Drüben spielt die Musik immer lauter.
Hier stehen die Eltern bei ihrem erstgeborenen Kind, ihrer klugen Tochter, ihrem ganzen Stolz.
Sie bitten sie, zuerst der Vater: „Du bist immer für uns dagewesen. Ich weiß das zu schätzen. Du bist die Erbin. Wir nehmen nichts mit.
Und dann die Mutter: „Alles, was uns gehört, es ist ja dein Besitz. Aber dein Bruder, der war so gut wie tot – und lebt! Er ist wiedergefunden! Kannst du dich nicht mitfreuen?

Hier bricht Jesus die Geschichte ab. Warum? Wir hätten schon gern erfahren, ob diese beiden unterschiedlichen Geschwister sich wieder vertragen oder ob sie ihr restliches Leben wie Hund und Katze verbracht haben.
Ich denke mir, die Geschichte beendet Jesus mit einer Frage, weil diese Frage jeden Menschen sein Leben lang verfolgt. „Kannst du dich nicht mitfreuen?“
Das heißt eigentlich: „Kannst du verzeihen?“

Kannst du deinem Bruder verzeihen, der sich wie ein Idiot benommen hat?

Kannst du deiner Schwester mit ihrer Rechthaberei und ihrem freudlosen Spießerleben verzeihen?

Kannst du deinen Eltern verzeihen und sie lieben auch wenn sie nicht so weise, so stark oder so vollkommen waren, wie du sie gern gehabt hättest?

Bist du fähig, einer Welt zu verzeihen und sie liebevoll zu akzeptieren,
die dich enttäuscht, weil sie nicht vollkommen ist, eine Welt, in der es so viel Ungerechtigkeit und Grausamkeit, so viel Betrug und Verbrechen, so viel Erdbeben und Unfälle gibt?
Kannst du ihre Unvollkommenheit verzeihen und sie dennoch lieben, weil es in ihr auch so viel wunderbare Schönheit und Güte gibt, und weil sie die einzige Welt ist, die wir nun mal haben?

Und jetzt kommt das Schwerste: Bist du bereit, Gott zu vergeben und ihn zu lieben, auch wenn du erfahren hast, dass er nicht vollkommen ist, auch wenn er dich im Stich gelassen und enttäuscht hat, weil er Unglück und Krankheit und Grausamkeit in seiner Welt zulässt, – und auch nicht immer verhindert, dass dir Schlimmes widerfährt?
Kannst du lernen, Ihn zu lieben und zu verzeihen trotz der Grenzen, die auch ihm gesetzt zu sein scheinen, so wie du lernst als Erwachsener deinen Eltern zu verzeihen?

Ich jedenfalls habe in meinem Leben erfahren, dass Verzeihung und Liebe die Waffen sind, die Gott uns gegeben hat, um ein erfülltes, tapferes und sinnvolles Leben in dieser unvollkommenen Welt führen zu können. Amen

  • Miteinander und füreinander beten

(Gebet zur Weltvollversammlung der Kirchen in Karlsruhe)

Barmherziger Gott,
wenn Ärger und Konflikt an die Oberfläche kommen
und wir über Ressourcen an Land, Wasser und Öl streiten,
hilf uns, tief in der Fülle des alten Brunnens der menschlichen Kreativität zu graben
und Frieden und Gerechtigkeit für alle Nationen zu schaffen.

Wenn menschliche Machthaber Wahlurnen für einen Kriegsauftrag halten
und wir uns von denen entmachten lassen, denen wir die Macht gegeben haben,
hilf uns, tief in der Fülle des alten Brunnens der menschlichen Kreativität zu graben
und Geschichten von Protest und Wandel zu verkörpern.

Wenn Angst und Vorurteile uns Barrieren errichten lässt
Und wir Menschen ausschließen, die nicht so sind wie wir,
hilf uns, tief in der Fülle des alten Brunnens der menschlichen Kreativität zu graben
und Brücken zur sozialen Teilhabe zu errichten.

Wenn wir von dem Versuch erschöpft sind, die Welt zu ändern,
und sich Apathie und Verzweiflung festsetzen,
hilf uns, tief in der Fülle des alten Brunnens der menschlichen Kreativität zu graben
und erneuere unsere Energie und Begeisterung.

Begegne uns, wie du dem verlorenen Sohn und seinem Bruder begegnet bist.
Hilf uns, tief in der Fülle des alten Brunnens der menschlichen Kreativität zu graben
und auf dich zu vertrauen.

Gemeinsam beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

(Pfarrer i.R. Eugen Manser)

2. Sonntag nach Trinitatis (26.06.)2022

  • Eröffnung 

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ So lädt uns Jesus ein, mit aller Dringlichkeit und mit aller Herzlichkeit. Gemeinsam hören wir auf das, was er uns zu sagen hat. 

  • Unter dem Schatten deiner Flügel – Worte nach Psalm 36

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes /
und dein Recht wie die große Tiefe.
Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

  • Meins Gottes Stimm – Ein Lied: „Gott rufet noch“ (EG 392)

Gott rufet noch: sollt ich nicht endlich hören?
Wie lass ich mich bezaubern und betören?
Die kurze Freud, die kurze Zeit vergeht,
und meine Seel noch so gefährlich steht.

Gott rufet noch: sollt ich nicht endlich kommen?
Ich hab so lang die treue Stimm vernommen:
ich wusst es wohl, ich war nicht, wie ich sollt;
er winkte mir, ich habe nicht gewollt.

Gott rufet noch: wie dass ich mich nicht gebe!
Ich fürcht sein Joch, der ich in Banden lebe;
ich halte Gott und meine Seele auf:
er ziehet mich, mein armes Herz, wohlauf!

Gott rufet noch; ob ich mein Ohr verstopfet;
er stehet noch an meiner Tür und klopfet;
er ist bereit, dass er mich noch empfang;
er wartet noch auf mich; wer weiß, wie lang.

Gib dich, mein Herz, gib dich nun ganz gefangen;
wo willst du Trost, wo willst du Ruh erlangen?
Lass los! Lass los! Brich alle Band‘ entzwei!
Dein Geist wird sonst in Ewigkeit nicht frei.

Gott locket mich; nun länger nicht verweilet!
Gott will mich ganz; nun länger nicht geteilet!
Fleisch, Welt und Geisteswahn, sag immer, was du willt;
meins Gottes Stimm mir mehr als deine gilt.

Ich folge Gott, ich will ihm ganz genügen,
die Gnade soll im Herzen endlich siegen:
ich gebe mich; Gott soll hinfort allein,
und unbedingt, mein Herr und Meister sein.

Ach! nimm mich hin, du Langmut ohne Maße;
ergreif mich wohl, dass ich dich nie verlasse:
Herr! rede nur, ich geb begierig acht;
führ, wie du willst, ich bin in deiner Macht.

  • Ob Gott es reut – Lesung aus dem Buch Jona

Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.

Und es geschah das Wort des Herrn zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage! Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der Herr gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt vor Gott, drei Tagereisen groß. Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen, und eine Tagereise weit gekommen war, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und riefen ein Fasten aus und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an. Und als das vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des Königs und seiner Gewaltigen: Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe etwas zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden noch Wasser trinken lassen; 8und sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und heftig zu Gott rufen. Und ein jeder kehre um von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! Wer weiß, ob Gott nicht umkehrt und es ihn reut und er sich abwendet von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben. Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht. 

Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig. (Jona 2,11-4,1)

  • Gehorsam – Gedanken zum Buch Jona

Selbst der Fisch ist gehorsam. Gott sprach zum Fisch und er spuckte Jona aufs Land. Niemals steht nur ansatzweise des Fisches Gehorsamkeit in Frage. Er zieht seine Bahnen durchs Wasser und folgt dem Auftrag Gottes. Er spuckt den Propheten aus und zieht wieder seiner Wege. Er bringt Jona auf den Weg und führt ihn – dem Auftrag Gottes gemäß – nach Ninive. Kein Problem.

Der König und die Menschen und Tiere der Stadt Ninive sind gehorsam. Vorher waren sie es wohl nicht. Die Bosheit der Stadt muss groß gewesen sein. Gott beschließt sie zu zerstören. Näheres über diese Bosheit verrät der Bibeltext nicht. Entsprang er einem Ungehorsam gegenüber Gottes Geboten? Haben sie sich von ihm abgekehrt? Haben sie die Gesetze der Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit verletzt? Was es auch immer war, Gott war zornig über die Stadt. Jonas Predigt verrät ebenso wenig, warum er es war. Es sind noch 40 Tage, so wird Ninive untergehen. Nur ein Satz! Der König glaubt Jona sofort. Er stellt keine Fragen. Er begehrt nicht auf. Er rechtfertigt sich nicht. Er stand auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche. Dann ruft er die ganze Stadt zur Buße und zum Fasten auf. Und die ganze Stadt folgt ihm ohne Zögern. Noch einmal wird auch das Böse erwähnt. Aber ebenso unkonkret. Ein jeder kehre um von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände. Der König erkennt, was das Böse ist. Und auch seine gehorsamen Untertanen wissen anscheinend, was er meint. Den Zweck dieses Tuns spricht der König ebenfalls aus: Wer weiß, ob Gott nicht umkehrt und es ihn reut und er sich abwendet von seinem grimmigen Zorn. Das ist ein eher ungewöhnliches Gottesbild. Denn der König fragt nicht, ob Gottes Zorn gerechtfertigt ist. Er stellt ihn nicht in Frage, er debattiert nicht mit Gott, sondern folgt nur der Erkenntnis, dass Gott die Stadt zerstören wird, weil er eben zornig ist.

Gott ist gehorsam. Auch Gott fragt nicht. Er glaubt dem König und der Stadt. Er traut ihrer Buße. Es reut ihn seine Ankündigung der Zerstörung. Auch hier gibt es keine weiterführende Erwägung. Gott gehorcht dem, was ihm vor Augen ist. Gottes Menschlichkeit trägt diese ganze Geschichte. Es ist durchaus eine ungewöhnliche Perspektive. Es ist ein mächtiger Gott, aber er scheint dem Menschlichen nicht so fern zu sein. Er zürnt, er vergibt, er bereut, er ist barmherzig, er ist gehorsam. Als ob es noch was Größeres gäbe, dem er ebenso folgt wie alle anderen Wesen in dieser Geschichte. Als ob auch der Mensch, wenn er barmherzig ist, reuig und gehorsam, Gott zwingen könnte; dem Unverfügbaren, dem Schicksal, dem Bösen etwas entgegenstelle könnte. Ja, so ist Gott. Gehorsam, oder anders gesagt, ansprechbar.

Jona ist nicht gehorsam. Er folgt nur dem Befehl Gottes. Anfangs weicht er ihm aus. Auch hier wird nicht erzählt warum. Er will vor Gottes Auftrag fliehen, weit weg, dorthin wo Gott ihn vermeintlich nicht finden könne. Hat er keine Lust? Fühlt er sich überfordert? Hat er Angst vor diesem Auftrag? Ich kann das verstehen. Ninive ist eine große Stadt. Drei Tage braucht es, um sie zu durchwandern. Wer weiß, was ihm geschieht, wenn er mit seiner Botschaft kommt. Die Geschichte mit dem Fisch, der ihn nach seinem Sprung vom Boot verschlingt, der voraufgehende Sturm, der das Boot fast sinken lässt, zeigt ihm allerdings, dass er Gottes Auftrag nicht entkommen kann. Der weitere Verlauf der Geschichte zeigt allerdings, dass ihm Gottes Reue gar nicht passt. Er beklagt sich bei ihm. Vielleicht hat er auch die Macht genossen, durch einen einzigen Satz eine ganze Stadt zerstören zu können. Er fühlte sich wohl selbst ein wenig wie Gott. Nun tut dieser nicht, was Jona sagte und insgeheim wohl auch wünscht. Jona ist ungehorsam. Was Gott will, passt ihm nicht. 

Bin ich gehorsam? Bin ich überhaupt angesprochen worden? Mich erschreckt der Satz, die Predigt des Jona: Es sind noch 40 Tage, so wird Ninive untergehen. Noch vierzig Tage, und Ninive wird umgestürzt. Dieser Schrecken gedeiht auf dem, was falsch läuft in dieser Welt. Gegenwärtig fallen mir ausreichend Gründe ein, diese Welt zu stürzen. Krisen folgen auf Krisen. Krieg auf Gewalt. Hunger folgt auf Überfluss. Krankheit folgt auf Krankheit. Dazu die vielen kleinen persönlichen Verfehlungen. Die bösen Wege, der Frevel der Hände. Bin ich ungehorsam wie Jona? Wider besseres Wissen? Aus Bequemlichkeit? Aus Angst? Was mir bleibt, ist der Glaube. An diesen unfassbaren Gott. Der zürnt, dem es reut. Seine Stimme ist deutlich zu hören. Sein Zorn, seine Reue, seine Barmherzigkeit. Wer Ohren hat, der höre.

Amen.

  • Der Grund dafür – Miteinander und füreinander beten 

Unser Gott,
die Erde scheint uns derzeit oft kein sicherer Ort mehr,
der Boden wird uns unter den Füßen weggezogen
und die Erde bebt in Afghanistan.
Gott, wir klagen dir nach dem schweren Erdbeben
mehr als eintausend tote Menschen und ungezählte Verletzte.
Wenn niemand retten kann,
hilf du
Wenn niemand trösten kann,
tröste du
Wenn niemand mehr einen Lichtblick hat,
öffne du ihn für die, die ihn so sehr suchen.
Sei bei den Angehörigen der Toten,
fang sie auf und lass sie nicht verzweifeln.
Heile die Verletzten.
Sende du Weisheit und deine Stärke an alle, die helfen.
Gott, verlass uns nicht in diesen Zeiten der vielen Nöte und vielen Katastrophen.
Bleib bei uns mit deiner Nähe und deiner Geduld.
Wir brauchen dein heilsames Wort.
Wir brauchen die Gewissheit,
dass das, was Menschen dieser Welt erleiden dich anrührt.
Wir brauchen deine Zusage,
dass du immer wieder einen neuen Anfang für uns alle hast.
Gib uns die Einsicht, dass wir,
was auch kommt,
uns gegenseitig als Menschen dieser Welt beistehen und helfen,
und dass der Grund dafür dein Sohn ist,
der uns deine Liebe gezeigt und gelehrt hat.

Vaterunser

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Trinitatis (19.06.)2022

  • Eröffnung

„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Keine einfache Sache, die uns der Evangelist Lukas an diesem Sonntag mit auf den Weg gibt. Wie hören wir Gott richtig und wahrhaftig? Eine Beispielgeschichte wird uns leiten, um über diese Frage nachzudenken und in der Gemeinschaft Zutrauen und Hoffnung zu finden.

  • Als einer im Elend rief – Worte nach Psalm 34

Ich will den Herrn loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
Preiset mit mir den Herrn
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!
Da ich den Herrn suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude,
und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.
Als einer im Elend rief, hörte der Herr
und half ihm aus allen seinen Nöten.
Der Engel des Herrn lagert sich um die her,
die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet!
Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen!
Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.
Reiche müssen darben und hungern;
aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.

  • Nimmst du mich auf – Ein Lied: Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr (EG 382)

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine Wege. Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott; mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm du mir entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und laß mich unter deinen Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

  • Sie haben Mose und die Propheten – Evangelium nach Lukas

Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. (Lk 16,19-31)

  • Mit einer Kopfbewegung – Gedanken zum Lukasevangelium

Ich kann das göttliche Urteil verstehen. Es ist ein Skandal. Menschen hungern, frieren, leiden, unter Krankheiten, unter Krieg, unter Einsamkeit; gegen alle göttlichen und moralischen Gesetze. Und auf der anderen Seite sitzen jene in Pracht und Herrlichkeit; ignorieren, was diese Gesetze an Menschlichkeit verlangen; schauen nur auf sich selbst, ignorieren das Leid ihres Mitmenschen. Es ist müßig darüber zu klagen, sagt der Reiche. So ist sie nun mal, diese Welt. Gott sagt, Irrtum! Jetzt sitzt du in der Hölle, weil du es dir bequem gemacht hast mit deiner Meinung.

Ich kann den reichen Mann verstehen. Er hat Glück gehabt. Er wurde auf der richtigen Seite geboren. Hat Glück gehabt im Verlauf seines Lebens und nun ist er reich. Reich genug, um zu fürchten, dass der lausige Typ unten auf der Straße sein Glück gefährden könnte. Vielleicht sehe ich nicht jeden Tag so einen Menschen auf der Straße. Zum Glück werde ich nicht jeden Tag daran erinnert, dass die Welt ungerecht ist. Zum Glück kann ich das die meiste Zeit ignorieren und mich meinen eigenen Problemen und Sorgen widmen. Es ist auch so alles schon schwer genug.

Liebe Gemeinde,
diese Geschichte vom reichen Mann und Lazarus ist ungewöhnlich. Eine Beispielerzählung, die auch ganz für sich stehen könnte. Im Zusammenhang des Lukasevangeliums macht sie deutlich, dass Lukas derjenige ist, der ein Herz für die Armen hat. Lukas, der Sozialrevolutionär. Jesus führt sie an, um den Pharisäern zu sagen, dass das Gesetz nach wie vor gelte; auch wenn er es scheinbar in Frage stellt. Doch das Gesetz bleibt bestehen: Eher vergehen Himmel und Erde, als dass auch nur ein i-Punkt am Gesetz ungültig wird.
Diese Geschichte ist aber vor allem ungewöhnlich, weil sie ganz ungewöhnliche Vorstellungen in die biblische Theologie einbringt. Der eine Punkt ist: Selten haben wir im Neuen Testament eine ausgeführte Höllendarstellung. Hier wird sie bildlich vorgeführt. Eine wasserlose, quälerische Umgebung. Eine heiße Hölle. Die Phantasie fügt den rothäutigen Gehörnten hinzu, der die Verdammten quält. Im Zusammenhang damit wird die ganze Gerichtsbarkeit göttlicher Strenge aufgerufen. Wem es gut geht auf Erden, wird dem Himmel umso ferner sein. Wer „hier“ leidet, wird „dort“ mit den Freuden des Himmels belohnt.
Der andere Punkt: Dem Himmel umso ferner. Die Kluft zwischen Himmel und Erde ist in dieser Geschichte unüberbrückbar. Nicht mal ein Tropfen Wasser kann diese überwinden. Gottes Allmacht ist in Frage gestellt. Und vielleicht sogar seine Güte. Sein Urteil ist unhintergehbar, sogar für ihn selbst. Das ist ein Bild des Schreckens. Was mich so befriedigt, dass der böse Reiche seine Strafe erhält, während der arme Lazarus für sein Leiden im Himmel sein darf; alles, was mich an Ungerechtigkeit und Bosheit auf dieser Welt empört; und wofür ich gerne eine gerechte Strafe hätte; trifft sie mich in dieser Unüberwindlichkeit nicht selbst?

Es steht alles im Gesetz des Mose und der Propheten. Es ist allen bekannt, so lautet das Urteil. Auch die Brüder des reichen Mannes könnten es wissen. Weiß ich es? Bin ich schon in Ungnade gefallen wegen meiner Bequemlichkeit? Wegen meiner Privilegien? Ist das alles wirklich so klar?

Eine ungewöhnliche Geschichte. Wenn ich über sie nachdenke, merke ich, wie sehr sie mein Denken prägt, mein Gerechtigkeitsempfinden. „Reiche Männer“ gibt es mehr als genug, reiche Männer, böse Menschen, brutale Menschen usw. Ihnen gegenüber fühle ich mich ohnmächtig. Selten habe ich das Gefühl, dass wirklich allen Bosheiten der Welt Genugtuung geschieht. Sollen sie doch in der Hölle braten!
Andererseits spüre ich auch meine Verworfenheit. Vielleicht ist meine Strafe nicht so groß. Kann ich das einschätzen? Der Abstand zwischen Himmel und Hölle ist unüberwindbar. Macht es da noch einen Unterschied, ob ich ganz böse bin oder nur ein bisschen. Meine Befriedigung bei dieser Geschichte schwindet. Ich brauche doch jemanden, der es gut mit mir meint.

Vielleicht geht es aber auch darum, dass ich mir nicht sicher sein darf. Eine Sicherheit, die mir vorgaukelt, dass es selbstverständlich sei, in Frieden und Wohlstand zu leben. Dass mir das alles zusteht, was ich habe. Dass ich mich so sehr in den Gesetzlichkeiten dieser Welt verfangen habe, dass ich das Gesetz des Himmels vergesse.

Vielleicht ist es nicht so schwer. Ein erster Schritt vor die Haustür, und mein Blick fällt auf Lazarus und mein Herz wird weich. Ich gehe ihm entgegen und reiche ihm die Hand. Ich sehe ein, dass ich die Ungerechtigkeit nicht auflösen kann. Ich kann aber ein Anfang machen. Ich kann darauf hinweisen. Ich kann mit einer Kopfbewegung himmlische Gerechtigkeit und irdisches Erbarmen miteinander verbinden. Eine Kopfbewegung, die es möglich macht, dass Gott mir vergibt.
Amen.

  • Dass wir deine Geschöpfe sind – Miteinander und füreinander beten

Herr im Himmel,
hier auf Erden läuft vieles schief.
Menschen hungern, obwohl es genug zu essen gibt.
Menschen sterben, obwohl wir wissen, dass Frieden möglich ist.
Stärke uns, dass wir nicht wegsehen.
Ermuntere uns, auch im Kleinen, den ersten Schritt zu tun,
und nicht klein beizugeben.
Dass wir helfen, wie es uns möglich ist.
Halte uns in deinem Glauben, der klar benennt,
was Recht ist und was Unrecht.
Erinnere uns, dass wir aus deiner Gnade Mut schöpfen,
dass Gerechtigkeit keine Illusion ist,
und unsere Hilfe in deinem Namen Hoffnung und Liebe verspricht.
Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Exaudi (29.05.)2022

  • Eröffnung

“Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Das verspricht uns Christus im Johannesevangelium und dieses Versprechen steht über der kommenden Woche, macht uns Mut und führt uns zu Gott, in Liedern, Worten und Gebeten. Amen.

  • Meines Lebens Kraft – Worte nach Psalm 47

Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und antworte mir!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: /
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Herr, weise mir deinen Weg
und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.
Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde!
Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

  • Lied: „Heilger Geist, du Tröster mein“ (EG 128)

Heilger Geist, du Tröster mein
hoch vom Himmel uns erschein
mit dem Licht der Gnaden dein

Komm, Vater der armen Herd
komm mit deinen Gaben wert
uns erleucht auf dieser Erd

O du sel´ge Gnadensonn
füll das Herz mit Freud und Wonn
aller, die dich rufen an

Ohn dein Beistand, Hilf und Gunst
ist all unser Tun und Kunst
vor Gott ganz und gar umsonst

Lenk uns nach dem Willen dein
wärm die kalten Herzen fein
bring zurecht, die irrig sein

Gib dem Glauben Kraft und Halt
Heilger Geist, und komme bald
mit den Gaben siebenfalt

Führ uns durch die Lebenszeit
gib im Sterben dein Geleit
hol uns heim zur ewgen Freud

  • Mit Flehen und Seufzen – Lesung aus dem Brief an die Römer

In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei,
wo wir selbst unfähig sind.
Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen.
Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet
in angemessener Weise vor Gott bringen.
Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein.
Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.
Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht.
Er versteht, worum es dem Geist geht. Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein.
Wir wissen aber: Denen, die Gott lieben, dient alles zum Guten.
Es sind die Menschen, die er nach seinem Plan berufen hat.
Die hat er schon im Vorhinein ausgewählt.
Im Voraus hat er sie dazu bestimmt, nach dem Bild seines Sohnes neu gestaltet zu werden. Denn der sollte der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern sein. Wen Gott so im Voraus bestimmt hat, den hat er auch berufen. Und wen er berufen hat, den hat er auch für gerecht erklärt. Und wen er für gerecht erklärt hat, dem hat er auch Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben.

(Röm 8,26-30, Übersetzung nach der Basisbibel)

  • Im lichten Hause Gottes – Gedanken zu den Worten des Römerbriefes

Das Ich sei nicht Herr in seinem eigenen Haus. Diese bekannte Formulierung stammt von Sigmund Freud. Damit drückt er aus, dass das menschliche Seelenleben dem Menschen nicht umfassend bewusst sei. Der Mensch wisse also nicht jederzeit, und kann es auch nicht wissen, was mit seiner Seele wirklich los ist. Warum reagiert er jetzt so? Warum macht sie so komische Sachen? Freud nimmt das interessiert zur Kenntnis. Es führt ihn zu der Einsicht, dass das menschliche Bewusstsein bestenfalls den Anschein von Kontrolle hat über seine Gedanken, Gefühle und Taten.
Freuds Formulierung war zu seiner Zeit und ist auch heute durchaus anstößig. Denn Kontrolle bedeutet Macht und Ansehen. Und die lässt sich der Mensch ungern nehmen. Ich stelle mir etwa einen sehr würdigen Familienvater vor. Er hat alles unter seiner Fuchtel, seine Kinder, seine Ehefrau, die nähere Verwandtschaft, die Haustiere, den Hausstand, seine Finanzen, seine Arbeit usw. usw. Die Vorstellung, dass das alles weitgehend durch andere Kräfte bestimmt wäre, wird ihm sicher mehr als fremd sein. Seine Position wird nachhaltig in Frage gestellt und sein Stolz und seine Würde verletzt. Deshalb spricht Freud von einer Kränkung des Menschen. Im Volksmund heißt es schlichter und etwas freundlicher nach einem Wort aus der Bibel, aus dem Buch Sprüche: Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Somit ist dieser Gedanke auch nah an den Gedanken des Apostels Paulus. Freud spricht von bösen, fremden Geistern, die sich ins Seelenleben eingedrängt haben. Der Römerbrief spricht von einem Geist, der Gottes Geist ist, sich aber sehr nah beim, im oder am Menschen befindet. Er tritt dann für den Menschen ein, wenn diesem die Worte fehlen. Oder wenn er nicht einmal genau weiß, was ihn bedrückt. Paulus schreibt: „Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist. Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht.“ Also, der menschliche Verstand richtet vor Gott wenig aus. Ihm ist die Herrschaft über sein Heil entzogen. Er ist geradezu hilflos. Sein Geist aber, der göttliche Geist, der Geist, der im Menschen wohnt, ihn umgibt und ihn durchdringt, kann die Not des Menschen erkennen. Des Menschen Sehnsucht, seine Zweifel, seine ganze schwierige und traurige, ebenso wie seine übermütige und jubilierende Natur an Gott vermitteln. Es ist ein guter Geist, kein böser wie bei Freud, der zwischen Himmel und Erde, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten dafür sorgt, dass der Mensch gut dasteht bei Gott; dass ihm alle Dinge zum Besten dienen, wie Paulus sagt. So, wie es Gottes Plan entspricht.
Es kommt also nur darauf an, diesen Geist auch zu Wort kommen zu lassen. Eine andere Volksweisheit sagt das so: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Den menschlichen Verstand schweigen und Gottes Geist reden lassen, den der Mensch gottgemäß nicht beherrschen kann, dem er eben nicht herr wird; den er nicht verderben kann mit seinen eigenen Plänen und Grausamkeiten; den er nicht übertüncht mit sicher faszinierenden, aber auch verletzenden und todbringenden Gedanken und Erfindungen.
Der Geist hat dort Platz, wo ich spüre, dass meine wahre Natur, meine Herkunft in Gott dort Platz findet, wo ich mich als liebendes und bedürftiges Geschöpf begreife, das nicht alles allein in der Hand hat.
Wo ich nicht mehr Herr im Hause sein will und muss. Wo ich aus der Ohnmacht und dem Schweigen heraus Freundlichkeit und Sanftmut erlebe. Wo ich Traurigkeit teilen kann und das Leid der Welt. Wo ich nicht gekränkt werde in meiner Schwäche und durch böse Geister, sondern durch Gottes Geist verherrlicht werde, denn er hat mir Anteil gegeben an seiner Herrlichkeit. Wo ich erfahre, dass ich nicht allein bin in der Welt, sondern auf Gemeinschaft und Liebe hin geschaffen wurde. Und dass sich diese Schöpfung erst erfüllt, wenn ich dem Miteinander Raum gebe, Gelassenheit übe und Kontrolle abgebe. So bin ich schließlich doch „Herr“ im Hause, im lichten Hause Gottes, der mich erwählt hat zu himmlischer Freude.
Und der Friede Gottes, höher als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

(Freuds Aufsatz kann hier nachgelesen werden: https://schulprojekte-reformation.de/wp-content/uploads/2017/07/Psychoanalyse.pdf)

  • Deinem Geist vertrauen – Miteinander und füreinander beten

Du, Schöpfergott,
in dieser Welt suchen und haschen wir nach Einfluss und Ansehen,
im Großen wie im Kleinen.
Lehre und zeige uns, dass wir deinem guten Geist so nicht gerecht werden.
Schenke uns Sanftmut und Freundlichkeit,
die deinem Geist Raum gewährt und zur Sprache verhilft.
Wir haben es bitter nötig,
wenn wir nicht mehr weiter wissen in dieser Welt,
die uns erschüttert mit den Kriegen in der Ukraine und woanders,
mit den Ungerechtigkeiten und dem Hunger weltweit,
mit der Gewalt und dem Missbrauch in den Familien und den Gemeinden.
mit Einsamkeit, Krankheit und Trauer bei unseren Mitmenschen.

Verleihe uns den Glauben,
dass wir deinem Geist vertrauen dürfen,
dass er bei dir mit Flehen und Seufzen Fürsprache hält.

Dass wir neue Kraft gewinnen mit deinem guten Geist,
für Frieden, Gerechtigkeit und Liebe zu sorgen.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segensbitte

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Rogate (22.05.)2022

  • Eröffnung

„ROGATE“ – BETET ist der Name des heutigen Sonntags.
Der Wochenspruch nimmt Bezug auf das Gebet und lautet „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet“.
So bestärkt er uns, immer wieder das Gespräch mit Gott zu suchen, ganz gleich in welcher Form, ob im stillen Kämmerlein oder in der Gemeinschaft, ob fest verankert im Tageslauf
oder als Stoßgebet in Angst und Not.

  • Lied: „Er weckt mich alle Morgen“ (EG 452,1,4+5)

Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr.
Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor,
dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht.
Schon an der Dämmrung Pforte ist er mir nah und spricht.

Er ist mir täglich nahe und spricht mich selbst gerecht.
Was ich von ihm empfahe, gibt sonst kein Herr dem Knecht.
Wie wohl hat`s hier der Sklave, der Herr hält sich bereit,
dass er ihn aus dem Schlafe zu seinem Dienst geleit.

Er will mich früh umhüllen mit seinem Wort und Licht,
verheißen und erfüllen, damit mir nichts gebricht;
will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag.
Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.

  • Psalm 27

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?
Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:
dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang,
zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn
und seinen Tempel zu betrachten.
Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,
er birgt mich im Schutz seines Zeltes
und erhöht mich auf einen Felsen.
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: „Ihr sollt mein Antlitz suchen“.
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
Die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

  • Text: Lukas 11,5-13

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
Wer unter euch hat einen Freund
und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm:
Lieber Freund, leih mir drei Brote;
Denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise,
und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann,
und der drinnen würde antworten und sprechen:
Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen
Und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett;
Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Ich sage euch: wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt,
weil er sein Freund ist,
so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen
und ihm geben, so viel er bedarf.
Und ich sage euch:
Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden;
Klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet;
und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch,
und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange?
Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid,
euren Kindern gute Gaben zu geben wisst,
wie viel mehr wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

  • Gedanken zu Lukas 11,5-8

Die hier geschilderte Situation scheint klar und ist für mich heute eigentlich nicht realistisch: welcher Freund hätte nicht wenigstens ein Knäckebrot oder aufbackbare Brötchen für so einen Notfall zuhause.
Und es gibt ja bei uns auch nachts geöffnete Tankstellen oder den Bahnhof.
Und welcher Freund würde denn mitten in der Nacht bei mir klingeln?
Doch halt, bei diesem Gedanken kommen mir Zweifel an der Bitte um Brot. Mitten in der Nacht klingelt es – schon dies würde mir auch heute signalisieren: es ist SEHR wichtig!
Aber was kann heute SO wichtig sein, dass so aufdringlich um Hilfe gebeten wird? In welcher Not bittet ein Mensch unter solchen Umständen um Hilfe?
Und das scheint mir das erste Stichwort zu sein: NOT, ein Mensch ist in Not, er braucht dringend Hilfe, und er wendet sich konkret an mich.
Und damit kann es heute für mich sehr wohl aktuell und realistisch sein.
Und nun geht die Frage auch konkret an mich: Nehme ich diese Not ernst, fühle ich mich angesprochen?
Bei dieser dringenden Bitte an mich sollte nicht der Grund entscheidend sein sondern dieser Mensch, der meiner Hilfe bedarf, die Notlage des Bittenden. Ich denke, da gibt es heute viele Situationen in denen meine Aufmerksamkeit für die Menschen, die in Jesu Sinn „meine Nächsten“ sind gefragt ist und das schwierige ist: oft wird nicht geklingelt.
Also ist das zweite Stichwort für mich: höre ich diesen Hilferuf überhaupt? Es sind ja manchmal ganz alltägliche Situationen, die, bei genauerem Hinsehen und Hinhören, mich die Nöte oder Bedürfnisse des Gegenüber erkennen lassen. Und wieder stehe ich vor einer Frage: überhöre ich die Bitte und drehe mich um oder nehme ich diesen Nächsten wahr, wende mich ihm zu – ganz unabhängig ob ich seine Bitte erfüllen kann – und gebe ihm das Gefühl, ihn in seiner Lage ernst zu nehmen und zu tun, was mir möglich ist?
Und das dritte Stichwort ist für mich das Klingeln, dass Aussprechen der Bitte, das Drängen auf Hilfe, auf eine Antwort.
Denn auch dazu sind wir unter Freunden, in der Gemeinde wie Jesus sie meint, aufgefordert: wenn ich Hilfe brauche, wenn ich einen Rat brauche, wenn ich meine Sorgen und Gedanken loswerden und teilen möchte, dann darf und soll ich darum laut und verständlich bitten, keine Scheu haben, mich zu öffnen – unter Freunden – in der Gemeinde Jesu Christi.
Also haben wir den Mut zu Einem laut zu klingeln und zum Anderen aufzustehen und Hilfe zu geben.

  • Gedanken zu Lukas 11,9-13

„Das Gebet ändert nicht Gott, sondern den Betenden“
Dieser Abschnitt unseres Textes enthält die Botschaft, dass alle unsere Bitten erhört werden. Und es ist richtig, dass Gott das Gebet der Bittenden erhört und dass das Beten wirklich etwas ändert.
Aber nicht unbedingt eine Sache, also Bitte um Genesung, Erfolg bei einem Unternehmen, ja auch Frieden in den Kriegsgebieten unserer Welt, der sich einstellen müsste. Sondern mich! Das Beten will mich verändern. Meine Einstellung. Mein Denken. Meine Blickrichtung.
Lukas sagt das am Ende seines Abschnittes so: „Kein aufrichtiger Vater würde seinem Sohn, der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange bieten?
Oder einen Skorpion für ein Ei? Wenn ihr, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!“
Das ist der eigentliche Ertrag des Betens. Die Gabe von Gottes Geist. Der kann bewirken, dass wir zu einer neuen Sichtweise gelangen und umfassender sehen können. Gott weiß, wie schnell große Träume zerplatzen können, Wichtiges, dass wir uns vorgenommen haben, zerbrechen kann und das etwas, was wir meinten ganz sicher zu besitzen, unseren Händen entgleiten kann. Es ist Gottes Anliegen, dass wir deshalb nicht in eine Krise verfallen, wenn etwas in unserem Leben geschieht, was wir nicht für möglich gehalten haben.
Und weil es beim Beten nicht um ein Wegzaubern von Krankheiten oder Zuständen geht, die für uns schwer erträglich sind, deshalb soll unsere Sicht viel weiter, viel tiefer gehen. Eine solche Sicht kann uns „Gottes Geist“ schenken, damit wir veränderte Umstände annehmen können, und das nicht Enttäuschung „jetzt ist alles aus und vorbei“ unser Denken und Handeln erfüllt.
Mit diesem Hintergrund darf ich die Verheißung: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan“ neu hören.
„Bittet, so wird euch gegeben!“
Du darfst mit dem Mut rechnen, der wichtig und nötig ist, ganz neue und ganz andere Schritte zu wagen. Oder mit der Zuversicht rechnen, mit der man nicht einfach aufgibt und alles hinwirft, sondern weiter gegen einen unerträglichen Zustand angehen kann.
„Suchet, so werdet ihr finden!“
Vielleicht muß man woanders suchen. Nicht mehr auf die eine Sache oder Person, auf die so liebgewordene Gewohnheit fixiert sein. Man kann auch unter geänderten Vorzeichen neue Wege entdecken.

„Klopfet an, so wird euch aufgetan!“
Vielleicht wird diese Tür für immer geschlossen bleiben. Vielleicht bekommt man diese Chance nie mehr. Und vielleicht lässt die Gesundheit diese eine liebgewordene Gewohnheit nicht mehr zu.Aber es gibt auch andere Türen, die sich auftun und neue Ansichten, die sich öffnen.
Die Bitte um den Heikigen Geist und damit die Bitte von ganz neuen und ganz anderen Möglichkeiten ist die eigentliche Mitte des Gebets.
Eine Hilfe, neue Wege zu entdecken, war für mich das „Perlenband“, das mir auf einem Kirchentag begegnete. Es stammt aus Schweden. Unter „Perlen des Glaubens“ wurde es bei uns bekannt. Auf einem Band sind verschiedenfarbige Perlen angebracht, die jede einen Namen haben. “Perle der Gelassenheit“, Perle der Nacht“, „Perle der Auferstehung“, „Taufperle“ usw.
Ich nahm diese Anregung für die Arbeit mit Kindern in unseren Gemeinden mit, und wir erstellten unsere „Perlenbänder“, wo jede Perle eine von den Kindern benannte Bedeutung bekam. Sie sollten helfen im Gebet diese einzelnen Dinge zu benennen. Ich weiß nicht, ob und wie lange die Kinder das Perlenband genutzt haben. Aber über diese „handgreifliche“ Beschäftigung gab es gute Gespräche zum Gebet.
Eines ist sicher: Ob Perlenband oder Gebete aus dem Schatz der Christentumsgeschichte, ob selbst formulierte Bitten oder Liedverse aus dem Gesangbuch, wichtig ist allein, dass das Beten etwas mit mir tut und das etwas in mir in Bewegung kommt, meine Blickrichtung ändert oder mir zu einer neuen Sicht der Dinge verhilft.
Der heutige Sonntag Rogate ermuntert uns mit allem, was uns bewegt zu Gott zu kommen. Ihm zu erzählen, wie es uns geht und was uns umtreibt. Aber auch mit seinen Möglichkeiten in unserem Leben zu rechnen, die uns helfen, dass wir uns ändern können und unter neuem Vorzeichen neue Wege ausloten können.
Und der Friede Gottes, der höher und weiter ist als alles menschliche Verstehen bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  • Gebet / Vaterunser

Und so legen wir alle unsere Bitten und unseren Dank in das Gebet, das uns Jesus gelehrt hat.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segensbitte

Es segne und behüte uns, Gott der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Es grüßen Sie aus dem Gottesdienstkreis unserer Gemeinde:
Mechthild Hofmann, Katharina Karg, Gudrun Naumann

Kantate (15.05.)2022

  • Eröffnung

„Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ So jubelt der Psalm 98 in dieser österlichen Zeit. Dieser Jubel ist immer angemessen, auch angesichts des Krieges. Denn Gott stellt uns mit Liedern und Gebeten in eine Wirklichkeit, die uns Hoffnung und Kraft gibt auch in dunkler Zeit.

  • Singet, rühmet und lobet! – Worte nach Psalm 98

Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er tut Wunder.
Er schafft Heil mit seiner Rechten
und mit seinem heiligen Arm.
Der Herr lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.
Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel,
aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt,
singet, rühmet und lobet!
Lobet den Herrn mit Harfen,
mit Harfen und mit Saitenspiel!
Mit Trompeten und Posaunen
jauchzet vor dem Herrn, dem König!
Das Meer brause und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Die Ströme sollen in die Hände klatschen,
und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn;
denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit
und die Völker, wie es recht ist.

  • Auf steinigen Wegen – Ein Lied: Ich sing dir mein Lied (EGE 19)

1) Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben.
Die Töne, den Klang hast du mir gegeben
von Wachsen und Werden, von Himmel und Erde,
du Quelle des Lebens, dir sing ich mein Lied.

2) Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben.
Den Rhythmus, den Schwung hast du mir gegeben
von deiner Geschichte, in die du uns mitnimmst,
du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

5) Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben.
Die Töne den Klang hast du mir gegeben
von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen
du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

  • Reichlich unter euch – Lesung aus dem Brief an die Kolosser

So zieht nun an als die Auserwählten Gottes,
als die Heiligen und Geliebten,
herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
und ertrage einer den andern
und vergebt euch untereinander,
wenn jemand Klage hat gegen den andern;
wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
Über alles aber zieht an die Liebe,
die da ist das Band der Vollkommenheit.
Und der Friede Christi,
zu dem ihr berufen seid in einem Leibe,
regiere in euren Herzen;
und seid dankbar.
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit;
mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern
singt Gott dankbar in euren Herzen.
Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken,
das tut alles im Namen des Herrn Jesus
und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
(Kol 3,12-17)

  • Friedenstiften – Gedanken zu den Worten des Kolosserbriefes

„vor- und nachsicht im miteinander, geduld und liebevolles, aufmerksames zu- und hinhören – nach außen wie auch nach innen. zudem glaube ich, dass es wichtiger denn je ist, im kleinen und bei uns selbst zu beginnen, frieden zu stiften. seit geraumer zeit lasse ich mich daher von der frage „wo stiftest du frieden?“ begleiten.“ (https://literaturoutdoors.com/2022/05/14/)
Diese Worte findet ein Schriftsteller, Anfang 30, aus der Schweiz; keine große Weisheit, nur aus dem Alltag heraus gewachsen; vielleicht auf dem Heimweg mit seiner kleinen Tochter an der Hand.
Angesichts der großen Politik, der Gewalt, der Geschäfte und den übermächtigen Machenschaften, denen ich ohnmächtig ausgeliefert bin, mag diese Ansicht naiv erscheinen. Aber sie wächst – wie gesagt – aus dem schlichten Alltag, sensibel für das, worauf es wirklich ankommt: Freundschaft, Familie, Zärtlichkeit, Sicherheit, Vertrauen. Mit der 3-jährigen an der Hand.

Der Autor des Briefes an die Kolosser scheint von ähnlicher Naivität zu sein: “Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.” Mag sein, dass das tatsächlich naiv ist, mit Liedern dem Bösen etwas entgegenzustellen. Mir gefällt aber diese Weise des Lehrens und Ermahnens außerordentlich gut. Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern. Aus Dankbarkeit. Etwas, was ich nur gemeinsam mit anderen tun kann. Die gottesdienstliche Praxis, gemeinsam etwas zu lesen oder zu sprechen, kommt sonst so gut wie nie in meinem Leben vor. Vielleicht noch im Theater auf der Bühne. Im Gottesdienst übe ich das hingegen ziemlich oft. Bei den Psalmen, den liturgischen Antworten, beim Vaterunser und beim Glaubensbekenntnis. Und körperlich-seelisch treffe ich auf Schwestern und Brüder während des Abendmahls, teile Wein und Brot, übe Frieden im Kreis, wo jeder jede im Blick hat, mein Blick nicht ausweichen kann, wo aus tiefstem Grund des Glaubens klar ist, dass wir zusammengehören; das es das ist, was uns verbindet, wo der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen!

Dass der Schriftsteller das für sich entdeckt, diese Praxis des Aufeinanderhörens, des Friedenstiftens im Kleinen; dass er aus eigenem Antrieb nach der Alternative sucht, die sich nicht im Rechthabenwollen erschöpft, ist ein Zeichen dafür, dass es gar nicht so naiv ist, diese Übung zu vollziehen. Ebensowenig wie das Miteinander im Gottesdienst, im gemeinsamen Beten und Singen. Es ist mindestens das eine Gegengewicht zu all den Grausamkeiten, die sonst niemand grundsätzlich in Frage stellen würde.

Und der Friede Gottes, höher als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  • Nicht nur Worte sondern auch Werke – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
wir bitten dich um Geduld für unsern Alltag.
Das Leben wird nicht leichter und manche Sorge treibt uns um.
Stärke uns, dass wir gerade in diesen Zeiten
den Mitmenschen nicht aus dem Blick verlieren.

wir bitten dich um einen weiten Glauben.
Die Menschen in unseren Gemeinden
und in anderen christlichen Konfessionen
sind sich nicht immer einig darüber, wie wir leben sollen
in diesen Zeiten des Krieges und der Dürre und der Hungersnöte.
Stärke unsere Gemeinschaft, dass sie nicht nur Worte sondern auch Werke teilt.

wir bitten dich um Liebe für unsere Mitmenschen.
Im Kleinen wie im Großen ist unser Mitgefühl gefragt.
Oft kann uns das überfordern.
Stärke unsere Zuversicht, dass jedes gute Wort und jedes gute Werk
unser Miteinander stärkt; bei Geflüchteten, Hungernden, Einsamen,
kranken und alten Menschen, in der Ferne und in der Nähe.

wir bitten dich um Hoffnung für diese zerrissene Welt.
Dass die Gewalt in der Ukraine und in vielen anderen Regionen der Welt
bald friedlich enden möge, dass Gespräche in Gang kommen,
dass die Waffen schweigen und ein Weg der Versöhnung gefunden werden.
Versöhnung jenseits von Kriegen, Ausbeutung und Umweltzerstörung.

Guter Gott, wir bitten dich um deine Gemeinschaft.
Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Jubilate (08.05.)2022

  • Eröffnung

Jeden Morgen werden wir Zeugen. Die Sonne geht auf. Das Licht der Schöpfung erstrahlt über uns. Gott setzt die Ordnung, die auch über den Tod und die Unordnung der Welt hinausreicht. Stimmen wir in den Jubel des Lichtes ein mit dem Wort Gottes, das das Licht geschaffen hat.

  • Seelen am Leben – Worte nach Psalm 66

Jauchzet Gott, alle Lande! /
Lobsinget zur Ehre seines Namens;
rühmet ihn herrlich!
Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!
Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.
Alles Land bete dich an und lobsinge dir,
lobsinge deinem Namen. SELA.
Kommt her und sehet an die Werke Gottes,
der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.
Er verwandelte das Meer in trockenes Land, /
sie gingen zu Fuß durch den Strom;
dort wollen wir uns seiner freuen.
Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, /
seine Augen schauen auf die Völker.
Die Abtrünnigen können sich nicht erheben. SELA.
Lobet, ihr Völker, unsern Gott,
lasst seinen Ruhm weit erschallen,
der unsre Seelen am Leben erhält
und lässt unsere Füße nicht gleiten.

  • Lässt du mir früh die Gnadensonn – Ein Lied: „Frühmorgens, da die Sonn aufgeht“ (EG 111)

1) Frühmorgens, da die Sonn aufgeht,
mein Heiland Christus aufersteht.
Vertrieben ist der Sünden Nacht,
Licht, Heil und Leben wiederbracht.
Halleluja.

2) Wenn ich des Nachts oft lieg in Not
verschlossen, gleich als wär ich tot,
lässt du mir früh die Gnadensonn
aufgehn: nach Trauern Freud und Wonn.
Halleluja.

3) Nicht mehr als nur drei Tage lang
mein Heiland bleibt ins Todes Zwang;
am dritten Tag durchs Grab er dringt,
mit Ehr sein Siegesfähnlein schwingt.
Halleluja.

13) Lebt Christus, was bin ich betrübt?
Ich weiß, dass er mich herzlich liebt;
wenn mir gleich alle Welt stürb ab,
g’nug, dass ich Christus bei mir hab.
Halleluja.

14) Mein Herz darf nicht entsetzen sich,
Gott und die Engel lieben mich;
die Freude, die mir ist bereit‘,
vertreibet Furcht und Traurigkeit.
Halleluja.

15) Für diesen Trost, o großer Held,
Herr Jesu, dankt dir alle Welt.
Dort wollen wir mit größerm Fleiß
erheben deinen Ruhm und Preis.
Halleluja.

  • Licht ward – Lesung aus dem Alten Testament

Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal. Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gott sprach: Licht werde! Licht ward. Gott sah das Licht: daß es gut ist. Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis. Gott rief dem Licht: Tag! und der Finsternis rief er: Nacht! Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.
(1. Mose 1,1-5; Ü: Martin Buber / Franz Rosenzweig)

  • Keine Mühe – Gedanken zum Anfang der Bibel

Vor einigen Jahren war ich mit Kolleginnen und Kollegen für einige Tage in Krakau. Unsere Reise wurde von Gerhard Begrich begleitet. Seiner intimen und lebenslangen Beschäftigung mit dem Alten Testament gemäß, las er jeden Morgen – erst auf Hebräisch und dann auf Deutsch – die ersten Verse der Bibel. Das war die Morgenandacht. Nicht mehr. Sein Vortrag war schlicht. Kein Wort wurde betont oder vorgehoben. Wort reihte sich an Wort. Es folgte keine Auslegung, keine Aufforderung, keine moralische Konsequenz. Es wurde durch den Vortrag nichts beglaubigt oder bewiesen. Es wurde nur festgestellt in Gewissheit und Gelassenheit. So ist es! Das ist der Sinn. Abend ward und Morgen ward: Ein Tag. Auch an diesem Morgen vergeht die Nacht.
Ich mochte seine Stimme. Es lag eine große Ruhe darin. Aber die tägliche Wiederholung verwunderte mich auch. Brauchte es nicht mehr? Erst heute verstehe ich, welche Kraft in diesem morgendlichen Ritual lag. Auf unseren Rundgängen durch die Stadt und bei den Besuchen in den Lagern von Auschwitz vermittelte er uns auf diese einfache Weise, dass es eine göttliche Kraft gibt, die über den Schönheiten und Grausamkeiten der Menschheit wohnt. Eine göttliche Kraft, die das durch den Menschen verursachte Chaos wieder in Ordnung bringt. Die eine Hoffnung vermittelt, die sich an der einfachen Gegebenheit der Wiederholung von Nacht und Tag orientieren kann.

»Die Wärme kann nicht von selbst aus einem kälteren in einen wärmeren Körper übergehen«. Mit diesen Worten formulierte Mitte des 19. Jahrhunderts der Physiker Rudolph Clausius das erstemal den 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Später führte er dafür den Begriff Entropie ein. Was Entropie bedeutet, erfahren wir alltäglich. Die böse Stiefmutter braucht nur eine Handbewegung, um die Linsen in die Asche zu schütten. Aschenputtel braucht die Hilfe der Täubchen und all der Vögel unter dem Himmel, um das wieder in Ordnung zu bringen. „Endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder.“ So beschreibt es das Märchen. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. So beschreibt es die Bibel.
Unordnung entsteht von selbst, Ordnung braucht Energie und Kraft. Dieses universelle Prinzip bestimmt nicht nur die tägliche Arbeit im Haushalt sondern auch das Leben selbst. Wie leicht ist es, etwas zu zerstören; wieviel Mühe braucht es, etwas in Ordnung zu bringen, Leben zu erschaffen und zu erhalten. Dass es etwas gibt, und nicht vielmehr nichts, bleibt in dem Wunder der Schöpfung geborgen. Die Ordnung der Welt, der Wechsel von Nacht und Tag, ist gegeben. Niemand kennt ihren Ursprung. Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis. Gott rief dem Licht: Tag! und der Finsternis rief er: Nacht! Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.

Die Ordnung ist gegeben. Abend ward und Morgen ward. Manchmal erscheint mir diese Ordnung auch als unerbittlich. Egal, was geschieht, jeden Morgen zeigt sich die Sonne, mal hinter Wolken, mal am strahlend blauen Himmel. Sie kümmert sich nicht darum, wie es mir geht. Die alte Dame sagt ungerührt angesichts des nahen Todes: Die Erde wird sich weiterdrehn, ob ich nun noch da bin oder nicht. Der Evangelist Matthäus formuliert: Euer Vater im Himmel lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Auch über der Ukraine wird es wieder Nacht und wieder Tag. Auch über den Lagern in Auschwitz war es so. Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.

Abend ward und Morgen ward: Ein Tag. Früh, als es noch finster war, kam Maria Magdalena zum Grab Jesu. Ihr war ebenso wie uns bewusst, dass die Unordnung zunimmt, dass es keine spontane Umkehrung gibt vom Tod zum Leben, von der Unordnung zur Ordnung. Eine letzte Liebestat, die Salbung des toten Körpers Jesu, macht ihr dennoch keine Mühe. Sie tut es gern und aus vollem Herzen. In den Worten des Physikers, der nur Arbeit und Energie kennt, kommt das nicht vor. In dem, was Maria Magdalena in Liebe vollbringt, ruht ein Abglanz dessen, was am ersten Tag der Schöpfung durch göttliche Kraft möglich wurde. Sie setzt ein Zeichen gegen Krieg und Grausamkeit, gegen Irrsal und Wirrsal und die Finsternis über Urwirbels Antlitz. Sie weiß es nur noch nicht. Morgen ward: Ein Tag.

Amen.

  • Dass wir deine Geschöpfe sind – Miteinander und füreinander beten

Das folgende Friedensgebet wird an diesem Sonntag in vielen Gemeinden unserer Landeskirche und darüber hinaus miteinander gebetet. Die Autorin Sr. Mary Grace Sawe wurde 1974 in Kenia geboren. Die Missionsschwester vom Kostbaren Blut kam 2010 als ausgebildete Krankenschwester nach Deutschland:

Gütiger Gott, wir sehnen uns danach,
miteinander in Frieden zu leben.

Wenn Egoismus und Ungerechtigkeit
überhandnehmen,
wenn Gewalt zwischen Menschen ausbricht,
wenn Versöhnung nicht möglich erscheint,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Unterschiede in Sprache,
Kultur oder Glauben uns vergessen lassen,
dass wir deine Geschöpfe sind und
dass du uns die Schöpfung als gemeinsame
Heimat anvertraut hast,
bist du es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Menschen gegen Menschen
ausgespielt werden,
wenn Macht ausgenutzt wird,
um andere auszubeuten,
wenn Tatsachen verdreht werden,
um andere zu täuschen, bist du es,
der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Lehre uns, gerecht und fürsorglich
miteinander umzugehen und der
Korruption zu widerstehen.

Schenke uns mutige Frauen und Männer,
die die Wunden heilen, die Hass und Gewalt
an Leib und Seele hinterlassen.

Lass uns die richtigen Worte, Gesten und
Mittel finden, um den Frieden zu fördern.

In welcher Sprache wir dich auch als
„Fürst des Friedens“ bekennen,
lass unsere Stimmen laut vernehmbar sein
gegen Gewalt und gegen Unrecht.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Miserikordias Domini (01.05.)2022

  • Eröffnung

“Ich bin der gute Hirte”, sagt Jesus. Ein guter Hirte, der für das Nötige sorgt und mit seinem Leben dafür einsteht. Ein gutes Gefühl. Aber auch nicht selbstverständlich in dieser Welt. Umso besser, dass wir mit Gottes Wort darüber nachdenken und dafür beten können.

  • Im Angesicht meiner Feinde – Worte nach Psalm 23

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

  • In dieser Welt Tücke – Ein Lied: „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (EG 274)

1) Der Herr ist mein getreuer Hirt,
hält mich in seiner Hute,
darin mir gar nicht mangeln wird
jemals an einem Gute.
Er weidet mich ohn Unterlass,
da aufwächst das wohl schmeckend Gras
seines heilsamen Wortes.

2) Zum reinen Wasser er mich weist,
das mich erquickt so gute,
das ist sein werter Heilger Geist,
der mich macht wohlgemute;
er führet mich auf rechter Straß
in seim Gebot ohn Unterlass
um seines Namens willen.

3) Ob ich wandert im finstern Tal,
fürcht ich doch kein Unglücke
in Leid, Verfolgung und Trübsal,
in dieser Welte Tücke:
Denn du bist bei mir stetiglich,
dein Stab und Stecken trösten mich,
auf dein Wort ich mich lasse.

4) Du b’reitest vor mir einen Tisch
vor mein‘ Feind‘ allenthalben,
machst mein Herz unverzaget frisch;
mein Haupt tust du mir salben
mit deinem Geist, der Freuden Öl,
und schenkest voll ein meiner Seel
deiner geistlichen Freuden.

5) Gutes und viel Barmherzigkeit
folgen mir nach im Leben,
und ich werd bleiben allezeit
im Haus des Herren eben
auf Erd in der christlichen G’mein,
und nach dem Tode werd ich sein
bei Christus, meinem Herren.

  • Petrus wurde traurig – Evangelium des Johannes im 21. Kapitel

Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus:
Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
(Johannesevangelium 21,15-19)

  • Wie neugeboren – Gedanken zum Johannesevangelium

Dreimal fragt Jesus den Petrus, ob dieser ihn liebhabe. Diese wiederholte Frage fällt auf. Bei der dritten Frage gibt es eine deutliche Änderung. Petrus wird traurig. Diese Traurigkeit ist eine schmerzhafte Traurigkeit, eine Kränkung, etwas, was Petrus tief trifft. Eine umfassende Traurigkeit, die anzeigt, dass er etwas begreift, was ihm so vorher noch nicht bewusst war. Petrus ist bis ins Innerste erschrocken.
Diese Traurigkeit könnte daher rühren, dass Petrus nicht einmal, sondern dreimal gefragt werden musste. Es könnte darum gehen, dass Jesus ihm nicht glaubt. Oder dass Jesus das Gefühl hat, dass Petrus ihn nicht richtig verstanden habe. Obwohl Petrus aufrichtigen Herzens antwortet, scheint an seiner Antwort etwas falsch zu sein.
Im griechischen Text des Johannesevangeliums wird dieser Umstand durch eine Wortveränderung zusätzlich hervorgehoben. Jesus gebraucht bei den ersten beiden Fragen ein Wort für Liebe, das eine umfassende, die ganze Existenz betreffende Bedeutung hat. So wie ein Mensch einen anderen Menschen liebt oder Gott, mit Haut und Haaren und mit ganzer Seele. Petrus antwortet hingegen mit einem anderen Wort. Dieses andere Wort drückt Liebe aus in einem Sinne, der eher auf eine Liebhaberei hindeutet, auf ein ausgeprägtes Interesse an einem Gegenstand. In Bezug auf einen Menschen könnte es auch mit dem Wort „Freundschaft“ wiedergegeben werden. Wohlgemerkt, ein inniges Interesse und eine innige Freundschaft, aber nicht Liebe im ersteren Sinne! Nun: Bei der dritten Frage, ob Petrus Jesus liebhabe, benutzt auch Jesus dieses abgeschwächte Wort. Daraufhin wird Petrus traurig.
Diese Traurigkeit könnte also daher rühren, dass Jesus den Unterschied, den Petrus zwischen ihm und Jesus macht, so nicht akzeptiert. Jesus will, dass Petrus ihn liebt, so wie Jesus auch Petrus liebt. Er stellt sich mit ihm auf eine Stufe. Oder anders gesagt: Jesus hebt die Bedeutung dieses Wortes auf ein anderes Niveau. Als ob Jesus sagen würde: Dein Interesse und deine Freundschaft kann und darf nicht weniger sein als die innige Liebe von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft.
Was das im Weiteren bedeutet, wird aus den folgenden Versen deutlich. Er fordert Petrus auf, ihm nachzufolgen. Und diese Nachfolge bedeutet, dass er auch für seine Schafe, für Jesu Schafe, die nun Petrus behüten soll, sterben wird.
Das unterstreicht noch einmal die Traurigkeit und den Schrecken des Petrus. Denn es ist nicht nur eine enttäuschte Traurigkeit mangelnden Vertrauens. Petrus wird vielmehr in diesem Moment klar, was Jesus von ihm fordert. Gehe denselben Weg wie ich. Kehre dich ab von dieser Welt. Nimm das Kreuz an, so wie ich es getan habe. Du kannst dich nicht länger herausreden. Du hast jetzt die Verantwortung. Weide meine Lämmer. Hüte meine Herde. Schütze meine Schafe.

Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt könnte ich mich zurücklehnen und sagen, gut, dass Petrus diese Aufgabe für mich übernommen hat. Oder übernehmen musste. Zum Glück hat Jesus mich nicht gefragt. Aber andererseits glaube ich auch nicht, dass mit dieser Bibelstelle ein besonderes Amt für Petrus begründet wurde. Diese Forderung gilt für alle, die sich ernsthaft zu Jesus bekennen. So wie der gute Hirte sein Leben für die Schafe gibt, bin auch ich – grundsätzlich – dazu aufgefordert. Die Nachfolge Jesu ist nicht mit Petrus zu Ende.
So betrifft der Schrecken des Petrus auch mich.
Dabei bleibt die Frage, was das für mich – hier und heute – konkret bedeutet. Allgemein gesprochen geht es um die Werte dieser Welt, die alle vergänglich sind. Wenn ich diese Werte liebe anstatt Gott, Jesus oder meinen Nächsten, werde ich der Nachfolge nicht genügen. Dieser Stachel bleibt ein Leben lang. Denn die Dinge dieser Welt sind verführerisch. Einerseits kann ich das Begehren nach Macht, Geld, Gesundheit und Ansehen nicht einfach ablegen. Andererseits geht es natürlich darum, auf dieser Welt einigermaßen zurecht zu kommen. Das heißt, diesen Dingen so viel Aufmerksamkeit zu schenken, dass ich leben kann, ohne mein Herz daran zu hängen. Es gibt Tage, da begegne ich dem mit gutem Gewissen und großer Gelassenheit. Aber wenn es kritisch wird, erst dann bewährt sich das, was Jesus Nachfolge und Hirtenamt nennt.
Ein Beispiel dafür liegt dieser Tage auf der Hand. Der Krieg in der Ukraine stellt meine Überzeugungen auf den Prüfstand. Gerade in diesen Tagen wird in Deutschland diskutiert, ob wir der Ukraine auch militärisch helfen sollen. Verzichte ich lieber darauf? Halte ich um jeden Preis Frieden, das heißt, halte ich mich auf jeden Fall von jeder Waffe fern? So habe ich es gelernt. Als Kind. Eine Waffe nehme ich nicht in die Hand. Das gehörte zu meinem Glauben. Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Diese Einsicht, dass durch Gegengewalt nur noch mehr Gewalt entsteht; dass mehr Waffen noch mehr Waffen bedeuten, noch mehr Zerstörung und unendliches Leid, hat diese Haltung in meiner Kindheit bis heute bestärkt.
Und doch bin ich unsicher. Ich weiß nicht, was ich in diesen Tagen dazu sagen soll. Ich lese den offenen Brief einiger prominenter Menschen an Kanzler Scholz, der gegen die Lieferung von Waffen ist. (https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463) Ich fühle mich unbehaglich dabei. Denn schließlich fordert dieser Brief auch, dass nicht nur ich, sondern auch die Menschen in der Ukraine Frieden halten sollen. So gut es geht. In angemessener Weise. Dass sie kein “unerträgliches Missverhältnis” riskieren sollen. Dass sie einen Schritt wagen sollen, der zum Frieden führt. Dass sie nicht mehr kämpfen, die Waffen aus der Hand legen und lieber auf ihre Ansprüche verzichten sollen. Aber kann und darf ich das überhaupt fordern? Von anderen Menschen außer mir selbst?

Nachfolge ist schwer. Liebe deinen Feind, hieße das in dieser Situation. Wie radikal diese Forderung ist, spüre ich, wenn ich in mir die riesengroße Wut auf den Angreifer und die übermächtige Angst spüre, dass dieser Krieg noch viel schlimmer werden könnte. Keiner will das! Nur der Weg, auf dem das zu erreichen ist, darüber wird gerade erbittert gestritten. Also stillhalten, dulden, nichts tun? Werde ich so der Liebe Jesu gerecht? Bloß keine Waffe in die Hand nehmen! So habe ich es doch gelernt. So haben die Christinnen und Christen am Ende der DDR gehandelt. Und wie durch ein Wunder durch diese Haltung ein friedliches Ende befördert. Soll das jetzt nicht mehr gelten?
Oder geht es doch nur um meine Angst, dass ich mein bequemes Leben verlieren könnte? Ein Hirte, der stellt sich doch auch dem wilden Tier entgegen, um seine Herde zu verteidigen. Zumindest gilt das auch in diesen Tagen, wenn ich dem Bild trauen darf. Und ist es in diesem Fall nicht eindeutig, wer das wilde Tier ist und wer zur Herde gehört?

Petrus und Jesus. Auf jeden Fall ist das keine harmlose Geschichte, ein harmloses Bild des Auferstandenen, der seiner Gemeinde noch ein paar freundliche Ratschläge mit auf den Weg gibt. Der Weg zum Kreuz und zur Auferstehung birgt einen großen Ernst in sich. Und wir sind da mittendrin, zwei Wochen nach Ostern.
Ich bin erschrocken, ich bin voller Angst, ich bin voller Traurigkeit und Ratlosigkeit. Ich habe viele Fragen und keine letzte Antwort. Ich bete. Und ich glaube, dass Gott mir vergeben wird. Für das, was ich tue und für das, was ich lasse.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, und tiefer reicht als unsere Angst, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

  • Vor unseren Möglichkeiten – Miteinander und füreinander beten

Meine Hirtin, ich warte auf dich,
Auf deinen Aufgang, wenn ich höre und lese und nicht begreife
Dass heute möglich ist, was eine ferne Vergangenheit zu sein schien,
Nachrichten aus einer anderen Zeit der körnigen Schwarz-weiß-Bilder des Krieges.
Meine Hirtin, wirst du bei den Flüchtenden sein und sie unter deinem Mantel bergen?
Wirst du zusammenführen, die zerstreut werden in die Exile Europas,
Wirst du ihre und unsere Ohnmacht mit deiner Stärke füllen
Und der Friedfertigkeit das letzte Wort geben?
Wenn Gewalt geschieht, als wäre niemand unter einem leeren Himmel, alles zu sehen,
Bist du dann noch da und wendest dich gnadenvoll denen zu, die auf ein Ende der Gewalt setzen?
Wolltest du doch den Gewalttätern in den Arm fallen
die Waffen zum Schweigen bringen und die Saat der Gewalt mitsamt ihren Wurzeln ausreißen.
Würdest du uns beieinander finden lassen, was wir von dir erhoffen,
Freundlichkeit, Zuversicht und Wahrhaftigkeit,
Würdest du alle verstummen lassen, die dich auf ihre Seite ziehen wollen,
Als wären wir nicht alle deine Kinder, Söhne, Töchter, Kinder des Lebens.
Meine Hirtin, bleibst du bei uns?
Und wenn du bei uns bleibst, lehrst du uns dann das Leben in deinem Frieden,
Geduldig und unbeirrt?
Du unsere Trösterin, rettest du uns vor unseren Möglichkeiten?
Meine Hirtin, ich warte auf dich,
auf dich und auf deinen Aufgang bei uns.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Quasimodogeniti (24.04.)2022

  • Eröffnung

“Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.” So jubelt der erste Petrusbrief in österlicher Freude. Wiedergeboren sind wir fast wie Neugeborene. Und in dieser Kindlichkeit fassen wir neues Vertrauen in Gottes Herrlichkeit. Diese Kindlichkeit einzuüben, helfen uns die Lieder und Worte der Bibel.

  • Im Lande der Lebendigen – Worte nach Psalm 116

Das ist mir lieb,
dass der Herr meine Stimme und mein Flehen hört.
Denn er neigte sein Ohr zu mir;
darum will ich mein Leben lang ihn anrufen.
Stricke des Todes hatten mich umfangen, /
des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen;
ich kam in Jammer und Not.
Aber ich rief an den Namen des Herrn:
Ach, Herr, errette mich!
Der Herr ist gnädig und gerecht,
und unser Gott ist barmherzig.
Der Herr behütet die Unmündigen;
wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele;
denn der Herr tut dir Gutes.
Denn du hast meine Seele vom Tode errettet,
mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.
Ich werde wandeln vor dem Herrn
im Lande der Lebendigen.
Ich will den Kelch des Heils erheben
und des Herrn Namen anrufen.

  • Von Herzen rein – Ein Lied: „Mit Freuden zart zu dieser Fahrt“ (EG 108)

1) Mit Freuden zart zu dieser Fahrt
Lasst uns zugleich fröhlich singen,
beid, Groß und Klein, von Herzen rein
mit hellem Ton frei erklingen.
Das ewig Heil wird uns zuteil,
denn Jesus Christ erstanden ist,
welchs erlässt reichlich verkünden.

2) Er ist der Erst, der stark und fest
all unsre Feind hat bezwungen
und durch den Tod als wahrer Gott
zum neuen Leben gedrungen,
auch seiner Schar verheißen klar
durch sein rein Wort, zur Himmelspfort
desgleichen Sieg zu erlangen.

3) Singt Lob und Dank mit freiem Klang
Unserm Herrn zu allen Zeiten
Und tut sein Ehr je mehr und mehr
Mit Wort und Tat weit ausbreiten:
So wird er uns aus Lieb und Gunst
nach unserm Tod, frei aller Not,
zur ewgen Freude geleiten.

  • Ihrer Macht entkleidet – Brief an die Kolosser im Kapitel 2

Mit Christus seid ihr begraben worden
in der Taufe;
mit ihm seid ihr auch auferweckt
durch den Glauben
aus der Kraft Gottes,
der ihn auferweckt hat von den Toten.
Und Gott hat euch mit ihm lebendig gemacht,
die ihr tot wart
in den Sünden
und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches,
und hat uns vergeben alle Sünden.
Er hat den Schuldbrief getilgt,
der mit seinen Forderungen gegen uns war,
und hat ihn aufgehoben
und an das Kreuz geheftet.
Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet
und sie öffentlich zur Schau gestellt
und über sie triumphiert in Christus.
(Kolosser 2,12-15)

  • Wie neugeboren – Gedanken zum Kolosserbrief

Am Anfang kommen die Stimmen von außen: Steh grade! Schling nicht so! Gib dir Mühe! Geh mal raus! Ohne Fleiß, kein Preis! Was Hänschen nicht lernt …! Du musst deinen inneren Schweinehund überwinden! Wie du wieder aussiehst!
Und dann wandern sie langsam nach innen: Das hätte ich doch schaffen können! Selbstverständlich wird das von dir erwartet! Mach dir nichts draus! Irgendwie haben die doch auch recht! So kann ich mich auf keinen Fall den Leuten zeigen! Dazu bin ich doch viel zu alt! Ich schäme mich! Ich bin schuld!
Die Mächte und Gewalten im Kolosserbrief begleiten das ganze Menschenleben. Klaus Berger nennt sie in seiner Bibelübersetzung “Ankläger der Menschen”. Er bringt sie in Verbindung mit dem zuvor erwähnten Schuldbrief. Da stehen alle Missetaten eines Menschenlebens. Mehr oder weniger Punkte sind das. Ohne geht es nicht. Sonst gäbe es ja diese allbekannten Stimmen nicht. Wo es nichts zu beklagen gäbe, wäre auch kein Ankläger.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich nehme mir ein weißes Blatt Papier. Ich stelle mir Fragen: Habe ich immer alles richtig gemacht? Habe ich alles erreicht, was ich erreichen wollte? Werde ich meinen eigenen und den fremden Ansprüchen gerecht? Habe ich alle meine Aufgaben erledigt, mich um meine Mitmenschen ausreichend gekümmert, mich ausreichend informiert, oder irgendetwas geschafft, mit dem ich ganz zufrieden sein kann? Das Blatt füllt sich. Anklage um Anklage. All die Ansprüche, all die Forderungen, all die Fehler und Vergehen.
Und es ist ja nicht so, dass diese nicht berechtigt wären. Sonst würden sie nicht verfangen, sonst schenkte ich ihnen keine Beachtung. Mächte und Gewalten sind mächtig gewaltig. Sie schneiden tief ins Fleisch und bringen die faulen Stellen zum Vorschein.
Da gibt es kein Entkommen. Was mich zum Menschen macht, macht mich zum Angeklagten. Ich stecke mitten drin. Ich kann dem nicht entkommen, es sei denn, durch den Tod.

So radikal ist dann auch die Lösung im Kolosserbrief formuliert. Die Taufe, und die Auferweckung Jesu und sein Tod am Kreuz befreien mich von diesem Schuldschein. Es sind zwar berechtigte Anliegen und Anklagen; aber wenn ich mein ganzes Leben hinter mir lassen kann, bin ich endlich frei, und wie neugeboren, ich kann neu anfangen. Aber der Weg dahin ist der Tod. Mit Christus begraben; tot in den Sünden. Im Grunde also, da das Todesurteil schon feststand, ist es nur der letzte Schritt, den Tod zu erleiden.

Es fühlt sich dennoch ungerecht an. Was kann ich dafür, in diesen begierigen Körper hineingeboren worden zu sein. Ich bin kein Engel. Warum hat mich Gott nicht gleich besser gemacht? Ohne Fehler?
Und woher kommen diese Anklagen? Wer klagt mich an? Wer will, dass ich mich mehr anstrenge, grade dastehe und meinen Teller leer esse? Die Mächte und Gewalten. Deshalb hat sie Gott in Christus öffentlich zur Schau gestellt. Gott hat sie gekreuzigt. Er hat uns Christus gegeben. Seht, da hängt er am Kreuz. Ein Schauspiel dieser Mächte und Gewalten. Die selbst den Menschen ohne Sünde noch in ihr Schauspiel einbauen. Wenn selbst Jesus zur Schau gestellt wird, der ohne Sünde ist, wie könnte ich dann entkommen?
Das heißt aber auch, dass sich diese Mächte und Gewalten selbst richten. Ihr Schauspiel ist Gaukelei, Zauberkunst und Illusion; ebenso wie die Stimmen. Sie haben keine Bedeutung für mein Leben. Sie können keine letzte Antwort sein auf die Frage, wer ich bin und wem ich angehöre.
Die Botschaft des Kolosserbriefes ist: Räume diesen Stimmen ihren gebührenden Platz ein. Ja, sie haben – mitunter – auch ihr eigenes Recht. Aber sie sagen nichts über mich aus. Sie sind Bestandteil dieser Welt. Ich muss diesen Schuldschein am Ende nicht tilgen.
Allerdings kostet auch das etwas. Glauben. Vertrauen. Glauben an die Auferstehung. Hingabe, die letztendlich keine Rücksicht nimmt, auf das, was vergänglich ist. Es kostet den Verzicht auf die irdische Macht, bzw. Gleichgültigkeit gegenüber dieser Macht, die ebenso vergänglich ist wie mein Körper.
Da höre ich schon wieder die Stimmen: Das ist doch unrealistisch! So funktioniert die Welt nicht! Geh weg mit deinem Kinderglauben, deinen Märchen!
Ja, die Stimmen. Ganz weg sind sie wohl nie. Ich schreibe sie zu den anderen auf meinen Zettel. Und hefte ihn ans Kreuz.

Amen.

  • Alle Hoffnung – Miteinander und füreinander beten

Gott,
hilf uns zu verzichten auf Macht und Einfluss in dieser Welt.
Selten dienen sie dem Nächsten.
Immer wieder suchen wir danach und vergrößern das Unheil
auf dieser Welt, je mehr wir davon haben.
Schaffe Frieden, innerlich und äußerlich.
Befreie uns von der Gier, die nach immer mehr verlangt.
Lass die Stimmen verstummen, die uns zum Unfrieden treiben.

Gott,
wir bitten um deinen Glauben,
der das kindliche Vertrauen nährt, dass du uns in deinen Händen hältst,
sanft und warm.
Stärke in uns die Einsicht, dass keine Kultur und keine Tradition irgendwelche Gewalt rechtfertigen.
Unsere orthodoxen Schwestern und Brüder feiern heute ihr Osterfest.
Stärke ihren Glauben, der in Jesu Tod und Auferstehung ruht
und nicht in größerem Einfluss auf die Gesellschaft.

Gott,
wir bitten dich um Hingabe für unsere Mitmenschen.
Lass uns nicht wegsehen, wenn ein Mensch Hilfe braucht.
Gib uns den Mut, auf ihn zuzugehen. Fördere unsere Barmherzigkeit
und bewahre uns vor Selbstgerechtigkeit. Behüte uns vor schnellen Urteilen.
Und überwinde unsere Scham, Hilfe zu geben und Hilfe zu nehmen,
wenn das Äußere uns davon abhalten mag,
wegen Armut, wegen Trauer, wegen Traurigkeit, wegen der Mächte und Gewalten,
die uns selbst ein Leben lang quälen.

Gott des Lebens,
In der Auferstehung
unseres Bruders Jesus Christus
bitten wir um deine Gegenwart.
Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Ostern 2022

  • Eröffnung

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit dem Aufgang der Sonne läuft der Jubelruf der Christenheit um die Welt. Jesus Christus lebt. Gott erweist seine Macht, die stärker ist als der Tod. Gemeinsam wollen wir diese Macht Gottes und die Auferstehung Jesu feiern.

  • Ein Wunder vor unsern Augen – Worte nach Psalm 118

Der Herr ist meine Macht und mein Psalm
und ist mein Heil.
Man singt mit Freuden vom Sieg /
in den Hütten der Gerechten:
Die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Die Rechte des Herrn ist erhöht;
die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Ich werde nicht sterben, sondern leben
und des Herrn Werke verkündigen.
Der Herr züchtigt mich schwer;
aber er gibt mich dem Tode nicht preis.
Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit,
dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke.
Das ist das Tor des Herrn;
die Gerechten werden dort einziehen.
Ich danke dir, dass du mich erhört hast
und hast mir geholfen.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Das ist vom Herrn geschehen
und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr macht;
lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

  • Es bricht ein Stein – Ein Lied: „Wir stehen im Morgen“ (EGE 5)
  1. Wir stehen im Morgen. Aus Gott ein Schein
    durchblitzt alle Gräber. Es bricht ein Stein.
    Erstanden ist Christus.
    Ein Tanz setzt ein.
    Refrain
    Halleluja, Halleluja, Halleluja,
    es bricht ein Stein.
    Halleluja, Halleluja, Halleluja,
    ein Tanz setzt ein.
  2. Ein Tanz, der um Erde und Sonne kreist:
    Der Reigen des Christus, voll Kraft und Geist.
    Ein Tanz, der uns alle dem Tod entreißt.
  3. An Ostern, o Tod, war das Weltgericht.
    Wir lachen dir frei in dein Angstgesicht.
    Wir lachen dich an, du bedrohst uns nicht.
    (T: Jörg Zink)
  • Und sie gingen – Evangelium nach Markus im letzten Kapitel

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.
(Markus 16,1-8)

  • Mit auf den Weg – Gedanken zum Markusevangelium

Wie geht es nun weiter?
Die Frauen haben einen Auftrag. Der Jüngling im langen weißen Gewand sagte: Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Sie sind noch außer Atem. Gerade sind sie voller Entsetzen vom leeren Grab geflohen. Die gute Botschaft ging ihnen durch Mark und Bein. Stumm sehen sie sich an. Keiner geht ein Wort über die Lippen. Dabei sind sie nicht übermäßig furchtsam. Sie sind es gewesen, die ihn am Kreuz haben sterben sehen. Sie haben gesehen, wo sie ihn dann hinbrachten. Sie sind es, die sich am Sonntagmorgen aufgemacht haben, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Sie sind es gewesen, die überrascht feststellen mussten, dass der Stein schon weggewälzt war. Sie waren es schließlich, die das leere Grab gefunden haben und sahen die Stätte, wo Jesus gelegen hatte. Der tote Jesus. Jetzt ist er nicht mehr hier, sagte der Jüngling, er ist auferstanden.

An diesem Sonntagmorgen, am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging, schiebt sich Ereignis auf Ereignis. Am Anfang sind die Frauen in Trauer. Sie wissen, wo sie Jesus finden können. Sie machen sich auf den Weg. Sie sprechen untereinander. Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und dann sehen sie, dass er schon weggewälzt war. Dieser große Stein. Er ist wirklich nicht mehr vor dem Grab. So lief es ab: Sich auf den Weg machen, miteinander sprechen und dann feststellen, sehen, wahrnehmen, wahrhaben. Gehen-Sprechen-Sehen.
Dann gehen sie – was fühlten sie dabei? – in das Grab. Der Jüngling spricht zu ihnen. Kein Wort sagen sie selbst. Aber sie sehen. Sie stellen fest, sie nehmen wahr, sie müssen es wahrhaben, dass Jesus nicht hier ist, dass das die Stelle ist, wo sie ihn hinlegten. Sie machen sich also auf den Weg ins Grab, hören die Worte und sehen, was geschehen ist. Zum zweiten Mal: Gehen-Sprechen-Sehen.
Und drittens: Sie machen sich wieder auf den Weg, diesmal aber nicht in Trauer, nicht in gespannter Neugier, auch nicht in aufgeregter Freude; sondern sie fliehen entsetzt von dem Grab. Zum dritten Mal: Gehen-Sprechen-Sehen?
Genau das ist es ja, was ihnen der Jüngling mit auf den Weg gibt: Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Gehen-Sprechen-Sehen.

Wie geht es nun also weiter?
Die Frauen sagen niemanden etwas. Sie fürchten sich. Hier bricht das Evangelium ab. Später haben diesen abrupten Schluss andere nicht so stehen lassen wollen. Sie wollten eine Antwort auf die Frage: Wie geht es nun weiter?
Doch im Grunde, im ursprünglichen Zustand, bleibt die Frage offen. Bis in alle Zukunft. Ich glaube, dass der Verfasser des Markusevangeliums das beabsichtigt hat. So reicht der Dreiklang bis in meine Zeit. Sich auf den Weg machen, etwas unternehmen, Hilfe leisten, Menschen treffen. Ich komme in Kontakt, ich tausche mich aus. Das können ganz praktische Erwägungen sein, Hilfestellungen oder ein zärtliches Wort, das mir zu Herzen geht.
Dann – und erst dann? – sehe ich etwas Besonderes, Außergewöhnliches, dass ich überrascht wahrnehme. Die Überraschung liegt vielleicht nur bei mir und meinen Begleiterinnen. Anderen mag das gar nicht auffallen.

Die Botschaft von der Auferstehung ist in diesem Sinne immer eine Aufgabe für uns. Sich auf den Weg machen, darüber sprechen und dann erkennen, wie sie im Leben wirksam wird, eine außerordentliche Realität sichtbar macht. Das kann eine Andacht in der Kirche sein, ein Friedensgebet, das meinen Blick auf den Menschen dort oder auf die Welt allgemein ändert. Das kann aber ebenso eine Begegnung sein, die sich zufällig ergibt. Von der ich nichts erwartet habe. Und die doch von der Gegenwart Gottes erzählt. Von Liebe und Zuwendung. Von überraschenden Einsichten und von einem Leben voller Leben.
Wie geht es nun weiter?
Offenbar ging es weiter. Vielleicht haben die Frauen ihre Furcht überwunden. Vielleicht hat sie jemand gefragt. Vielleicht sind sie einfach nach Galiläa gegangen und haben Jesus gesehen. Ich weiß es nicht, an dieser Stelle schweigt das Evangelium, bricht ab. Aber ich weiß, dass es sich lohnt, auf den Weg zu machen.

Amen.

  • Alle Hoffnung – Miteinander und füreinander beten

Vater im Himmel,
geh mit uns auf den Weg und lasse uns laut sagen,
was uns heute auf dem Herzen liegt.

Dass du ein Gott des Lebens bist,
dass du das Leben willst für alle Menschen.
Dass du den Kriegen wehrst und die Gewalt beenden wirst
hier, in der Ukraine und überall auf der Welt.

Dass du ein Gott des Glaubens bist,
der seine frohe Botschaft in Sanftmut und Geduld
den Menschen in unseren Gemeinden nahebringen möchtest.

Dass du ein Gott der Liebe bist,
der sich keiner Not verschließt,
der den Kranken und Trauernden,
den Einsamen und Lebensmüden
Mitmenschen an die Seite stellt,
die ihnen Nähe und Mut schenken.

Dass du ein Gott der Hoffnung bist,
die über Gräber hinausreicht,
und für eine Erde auf der wir
in deiner heilsamen Ordnung gemeinsam leben können,
alle Menschen und auch die Tiere.

Gott des Lebens,
In der Auferstehung
unseres Bruders Jesus Christus
bitten wir um deine Gegenwart.
Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Karfreitag (15.04.)2022

  • Eröffnung

Karfreitag ist höher als unsere menschliche Vernunft. Wir sind dennoch mittendrin. Jesu Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ weiß um das Leiden in der Welt. Das wollen wir bedenken im Lied und in biblischen Worten.

  • Sei nicht ferne – Worte nach Psalm 22

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, /
und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

  • Uns aus Lieb – Ein Lied: „O Traurigkeit, o Herzeleid“ (EG 80)

O Traurigkeit,
o Herzeleid!
Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vaters einigs Kind
wird ins Grab getragen.

O große Not!
Gotts Sohn liegt tot.
Am Kreuz ist er gestorben;
hat dadurch das Himmelreich
uns aus Lieb erworben.

O Menschenkind,
nur deine Sünd
hat dieses angerichtet,
da du durch die Missetat
warest ganz vernichtet.

O selig ist
zu aller Frist,
der dieses recht bedenket,
wie der Herr der Herrlichkeit
wird ins Grab versenket.

O Jesu, du
mein Hilf und Ruh,
ich bitte dich mit Tränen:
hilf, dass ich mich bis ins Grab
nach dir möge sehnen.

  • Es ist vollbracht – Evangelium

Jesus ist also verurteilt, rechtskräftig von Pilatus, durch das Geschrei des Volkes, das es wieder einmal besser weiß und durch die Vertreter der Religion, die ihren wahren Glauben verleugnen, um besser da zu stehen in der Welt. Es ist also wie immer. Jesus wird verurteilt.

Das Evangelium nach Johannes im 19. Kapitel:

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha.
Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.
Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.
Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger,
den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

  • Mit Tränen danach sehnen – Gedanken zum Lied “O Traurigkeit, o Herzeleid”

Herzeleid ist tiefer Kummer,
große Traurigkeit und allerschmerzlichster Verlust.
Ich denke darüber nach, was mir Herzeleid macht.
Ein lieber Mensch ist gegangen,
die Träume der Kindheit sind verloren,
es gibt immer noch keinen Frieden
und keine Gerechtigkeit auf der Welt,
die Hoffnung ist tot, dass es jemals besser würde.
Karfreitagsherzeleid ist, auch wenn es so klingt,
kein wohlfeiles Trauergefühl; dass Jesus am Kreuz gestorben ist,
ist nicht nur eine schauerliche Geschichte,
der ich aus Tradition am Karfreitag, schön besungen, Tribut zolle.
Es wird vielmehr in dieser Welt
zu meiner ureigensten Angelegenheit;
zur Menschlichkeit / Endlichkeit Gottes selbst
bis zum Grab. Die Kerze ist aus,
kein Licht in der Dunkelheit;
mit Gott ist auch jede Hoffnung gestorben.

Ich habe ein großes Herzeleid und du fragst, warum?
Gott selbst ist tot. Er ist der Grund meines Herzeleids,
das Seele und Leib in Traurigkeit stürzt.
Diese Trauer fasst alles in sich.
Was bleibt, wenn Gott tot ist und der Herr der Herrlichkeit
wird ins Grab versenket?
Eine Menschheit, deren Trachten von Jugend auf böse ist.
Wo jeder nur sich selbst sieht, in sich verkrümmt,
auf kurzfristigen Ruhm oder Reichtum bedacht ist;
oder beides.
In einer solchen Welt ist Gott tot, so oder so;
gekreuzigt oder sonst wie hingerichtet.
O Menschenkind, nur deine Sünd / hat dieses angerichtet /
da du durch Missetat / warest ganz vernichtet.
Das ist kein Vorwurf;
es ist eine Zustandsbeschreibung dieser Welt.

Ich habe ein großes Herzeleid über die Welt,
der Gott nicht hilft. Die gar nicht will,
dass Gott hilft. Er würde doch nur stören
beim Raffen und Töten. Jesus am Kreuz stört
doch nur mit Demut und Nächstenliebe.
Braucht doch keiner, solange ich noch
das Benzin bezahlen, mich vor den Fernseher hocken
und aus der Ferne das Leid betrachten kann.
Die Welt ist als wäre Gott tot,
Gott selbst ist tot.

Ich habe ein großes Herzeleid,
und habe Sehnsucht und denke daran,
wie es wäre, wenn Gott lebte.
Wenn ich dieses recht bedenke.
Wenn ich mich mit Tränen danach sehne.
Ob es dann Hilf und Ruh gäbe?
Nächstenliebe und Demut?

Ich habe ein großes Herzeleid,
aber das ist nicht das traurige Ende,
glaube ich. Sondern ein Anfang.
Unter Tränen bitte ich, unter Tränen bete ich,
trotz des Todes trotz ich dem Tod
mitten im Herzeleid und in der Traurigkeit.
Trotz dem alten Drachen. Wie lange noch,
Herr der Herrlichkeit, mag ich fragen.
So hoffe ich, dass es darauf eine Antwort gibt
in dieser Zeit und in Ewigkeit.

Amen.

  • Alle Hoffnung – Miteinander und füreinander beten

Vater im Himmel,
sei du selbst in diesen Tagen und Stunden an der Seite der vielen,
die nur noch schreien können:
„Warum hast du mich verlassen?“
Erbarme dich ihrer Not und allen Unrechts,
unter dem sie zu zerbrechen drohen!

Wir bitten für Menschen in der Ukraine,
und in allen Ländern,
die getroffen sind von den Folgen des Krieges,
der für so viele unfassbares Leid mit sich bringt.

Gott des Lebens,
lass im Tod Jesu Christi,
unseres Bruders,
jenen Trost aufleuchten,
um den wir selbst nur bitten können.

Lass das Licht des Ostermorgens
mitten in der Nacht der unendlichen Karfreitage dieser Welt anbrechen.
Lass du die Hoffnung,
die uns Menschen innewohnt
in allen wieder keimen,
denen alle Hoffnung genommen wurde:
in den zerstörten Seelen,
den Verwundeten und Entrechteten,
den Verzweifelten und Geschundenen,
alle ganz nahe an deinem Herzen.
Die Urheber aller Untaten,
die Gewaltherrscher und ihre blind Untergebenen,
die Kriegstreiber und Mörder
aber richte nach deiner Barmherzigkeit,
damit sich deine Gerechtigkeit unter den Völkern wieder ausbreiten kann.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Palmarum (10.04.)2022

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die kommenden Tage steht im Evangelium des Johannes: „Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Joh 3,14b.15) Große Hoffnung strahlt aus den Worten des Evangelisten. Doch der Menschensohn geht seinen eigenen Weg mit Gott. Mit Worten und Gebeten gehen wir ein Stück mit ihm.

  • Zur Zeit der Gnade – Worte nach Psalm 69

Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
Denn um deinetwillen trage ich Schmach,
mein Angesicht ist voller Schande.
Ich bin fremd geworden meinen Brüdern
und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen,
und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
Ich aber bete, Herr, zu dir
zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand,
und auf Tröster, aber ich finde keine.
Sie geben mir Galle zu essen
und Essig zu trinken für meinen Durst.
Ich aber bin elend und voller Schmerzen.
Gott, deine Hilfe schütze mich!

  • Ein Ärgernis und eine Torheit – Ein Lied: „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ (EG 91)

1) Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,
mich in das Meer der Liebe zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen
uns zu erlösen.
2) Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden,
an unsrer statt gemartert und zerschlagen,
die Sünde tragen:
3) welch wundervoll hochheiliges Geschäfte!
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte,
mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde
den Fluch der Sünde.
4) Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen;
Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.
Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken
am Kreuz erblicken.
5) Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden
ein Ärgernis und eine Torheit werden:
so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes,
die Weisheit Gottes.
6) Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,
es stürzt mich tief und es erhebt mich wieder,
lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde
zu Gottes Freunde.
7) Da du dich selbst für mich dahingegeben,
wie könnt ich noch nach meinem Willen leben,
und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,
zu deiner Ehre?
8) Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend wiederschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder,
schaltst auch nicht wieder.
9) Unendlich Glück! Du littest uns zugute.
Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute.
Du hast mein Heil, da du für mich gestorben,
am Kreuz erworben.
10) Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken,
so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken.
Dein Kreuz, dies sei, wenn ich den Tod einst leide,
mir Fried und Freude.

  • Ich bin in ihnen verherrlicht – Evangelium nach Johannes im 17. Kapitel

Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach:
Vater, die Stunde ist gekommen:
Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche;
so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen,
auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast:
das ewige Leben.
Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist,
und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet,
das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit,
die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart,
die du mir aus der Welt gegeben hast.
Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben,
und sie haben dein Wort bewahrt.
Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben,
und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt,
dass ich von dir ausgegangen bin,
und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Ich bitte für sie.
Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast,
denn sie sind dein. Und alles, was mein ist, das ist dein,
und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verherrlicht. (Joh 17,1-10)

  • Das Hosianna behält recht – Gedanken zum Johannesevangelium

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

ich fühle mich ohnmächtig, ich verstehe die Welt nicht mehr, ich bin traurig und verzweifelt. Solche Aussagen begegnen mir immer wieder in den täglichen Friedensgebeten, die seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine stattfinden. Ich verstehe die Welt nicht mehr; und auch Gott?
Die Worte: Gott hilf uns, wir schaffen es nicht allein, fassen diese Gebetsaussagen bündig zusammen. Wir schaffen es nicht allein in dieser Welt. Die Welt ist dunkel und verdorben. Immer wieder passieren schreckliche Dinge, Gewalt, Mord und Totschlag, Krankheit, Kummer, Armut, Hunger. Eine schier endlose Liste. Immer wieder rufen wir deshalb im Gebet Gott an, dass er uns helfen möge. Wir schaffen es eben nicht allein. Hilf uns!

Der heutige Predigttext ist auch ein Gebet. Zumindest wird er so bezeichnet seit dem 16. Jahrhundert. Jesus wendet sich an Gott. Seine Situation im Zusammenhang des Johannesevangeliums ist folgende: Er hat sich in einigen Reden von seinen Jüngerinnen und Jüngern verabschiedet und ihnen die Situation nach seinem Tod und seiner Auferstehung erklärt und verdeutlicht. So wird es dann sein – in Zukunft, sagt er. Im Anschluss an das Gebet erfolgt die Gefangennahme. Jesus überlässt sich dem Willen Gottes und geht in den Kreuzestod. Zwischen diesen Ereignissen spricht er nun mit Gott, ein Gebet also, so gesehen. Aber es ist ein Gebet, dass Formulierungen benutzt, die für menschliches Beten und Bitten eher ungewöhnlich sind. Jesu besondere Beziehung zu Gott, seine Kindschaft und sein besonderes Schicksal, machen sein Gebet eher zu etwas wie einen letzten Willen. Ein Testament. So soll es sein.

So soll es sein, das bedeutet; so sollen die Kinder Gottes in Zukunft, in dieser Welt leben. Nämlich in der Atmosphäre göttlichen Seins, die durch Jesus in die Welt gekommen ist. Was also Jesus fest-stellt, erkennt und bestätigt, ist der Unterschied der Welt und Gott. Im Kapitel 17 wird das griechische Wort für Welt, Kosmos, immer wieder verwendet. Ebenso das griechische Wort oder der Wortstamm Doxa. In der Lutherbibel ist es mit Herrlichkeit übersetzt und bedeutet Glanz, Licht und Ansehen. Es steht für Gott selbst in diesem Zusammenhang.

Hier mag die Frage anstehen, wie das überhaupt sein kann, wenn ich dem Anfang der Bibel folge und die ganze Schöpfung von Gott gut ist. Oder anders gefragt, warum Gott seine Schöpfung nicht im Guten erhält? Auf der anderen Seite, ist diese Trennung zwischen Doxa und Kosmos eben genau das, was mir als Mensch immer wieder begegnet. Eine grausame Einsicht, dass die Welt, der Kosmos, schlecht und böse ist. Erstmal also stehen diese beiden Einsichten nebeneinander. Eine Erkenntnis, die Jesus selbst seinen Worten beifügt. Dass sie dich, die Menschen, in mir, Jesus Christus, erkennen. Die Doxa also. Dass die Menschen die Welt, den Kosmos, in ihrer Schlechtigkeit erkennen, ist in diesen Worten schon vorausgesetzt.

Welt und Gott, Kosmos und Doxa stehen neben- oder übereinander. Von daher erklärt sich die im Friedensgebet geäußerte Ohnmacht. Von der Welt komme ich und wende mich an Gott. Die Welt ist schlecht und übel und grausam. Nun helfe mir Gott da heraus! Ist er mir das nicht schuldig? Nun, er tut genau das. Das Hosianna des Chores, das die Stimmen der Menschen während des Einzuges Jesu nach Jerusalem komponiert, zielt auf den guten und sanftmütigen Herrscher ab. Allerdings wird kurz darauf diese Hoffnung auf einen starken Mann, der meine – wie immer voll berechtigten – Anliegen vertritt, bitter enttäuscht. Der starke Mann wird gekreuzigt. Nicht in dieser Welt kann er der starke Mann sein, nicht so.

Dennoch behält das Hosianna recht. Er kommt wieder. Anders als „geglaubt“.
Und dieses Andere findet sich in den Worten Jesu an Gott. Was in dieser Welt nicht da ist, der Glanz Gottes, der wird durch Jesus den Menschen, die ihm nachfolgen, nahegebracht. Gott färbt auf Jesus ab und somit auch auf die Menschen, die sich Jesus angeschlossen haben. So will ich es, sagt Jesus in seinem letzten Willen. Diese Verbindung zwischen Gott und uns, der christlichen Gemeinde, ist so stark und eng, dass Jesus sogar sagen kann, ich bin in ihnen verherrlicht. Was ich der Gemeinde Gottes bringe, strahlt auf Jesus selbst zurück. Gott ist gegenwärtig, mitten in dieser Welt. Durch die Gemeinde. Gott hilft uns! Durch uns selbst, durch das Hören der Worte Jesu und das Bedenken seines Todes in dieser Welt. So tragen wir den Glanz und die Herrlichkeit Gottes an uns selbst.

Allerdings heißt das auch, dass diese Gemeinde nicht die Welt besser macht, aber dass sie den Glanz in diese Welt hineinträgt. Ein großer Anspruch. Er drückt mich nieder. Die Herrlichkeit Gottes an mir tragen, das ist mir zu viel. Ja, das wäre zu viel, wenn ich zwei Dinge außer acht lasse. Einmal, dass ich damit nicht allein bin. Hosianna singen wir im Chor. Erst dann klingt es so schön, wie wir es gerade gehört haben. Und das andere, ich muss immer darauf achten, dass ich die Herrlichkeit Gottes nicht mit der Herrlichkeit der Welt verwechsle. Nach den Maßstäben dieser Welt bin ich ein armes Würstchen. Nach den Maßstäben Gottes bin ich bei jedem demütigen Wort und bei jeder Tat der Liebe durch die Herrlichkeit Gottes gekrönt. Mitten in dieser Welt.

Ja, sie könnte offensichtlicher sein, diese göttliche Macht. Oder es könnte schneller gehen mit dem herrlichen Sein in Gott. Deutlicher werden. Bald! Diese Welt vom Glanz Gottes überstrahlen zu lassen. Aber was Jesus sagt, legt letztendlich den Gedanken nahe, dass ich selbst dazu beitragen kann und muss. In der Gemeinschaft. Geduldig, beharrlich, voller Hoffnung und Glauben, als Kind Gottes in seinem Glanz.

Amen.

  • Ein glänzendes Beispiel – Miteinander und füreinander beten

Herrlicher Gott,

schenke uns deinen Glanz, ermutige uns,
dass wir beten und handeln.

Dass wir deine Macht der Macht der Welt entgegenstellen.
Dass wir protestieren.
Gegen den Krieg in der Ukraine und auf dem ganzen Erdball.
Dass wir deutlich sagen, dass es so nicht geht.
Dass wir deinen Glanz in die Welt hineintragen durch Taten der Liebe.

Schenke uns die Geduld des Glaubens.
Dass wir werben für unsere Gemeinschaft mit Freundlichkeit und Toleranz
für die Nöte der Menschen um uns. Dass wir ein glänzendes Beispiel sind
für deine Liebe.

Schenke uns die Sanftmut deiner Güte.
Dass wir uns allen Menschen zuwenden, die Trost und Hilfe brauchen.
Dass wir dem Kummer, der Verzweiflung und der Einsamkeit entgegentreten.

Schenke uns die Zuversicht, dass wir Kinder Gottes sind.
Dass wir bei uns selbst die immerwährende Hoffnung pflegen,
dass du uns bereitet hast, zum Lob deiner Schöpfung
und zu Taten deiner Liebe.

Du hast uns die Worte gegeben, die uns dein Sohn Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Judika (03.04.)2022

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die kommenden Tage steht bei Matthäus: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ (Matthäus 20,28) Über diesen Menschensohn denken wir nach und beten zu ihm. Jede Andacht wird auf diese Weise zu einem Dienst Gottes an uns selbst.

  • Meines Angesichts Hilfe – Worte nach Psalm 43

Schaffe mir Recht, Gott, /
und führe meine Sache wider das treulose Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes, /
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

  • Die Lieb erzeigen jedermann – Ein Lied: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ (EG 76)

1) O Mensch, bewein dein Sünde groß,
darum Christus seins Vaters Schoß
äußert und kam auf Erden;
von einer Jungfrau rein und zart
für uns er hier geboren ward,
er wollt der Mittler werden.
Den Toten er das Leben gab
und tat dabei all Krankheit ab,
bis sich die Zeit her drange,
dass er für uns geopfert würd,
trüg unsrer Sünden schwere Bürd
wohl an dem Kreuze lange.

2) So lasst uns nun ihm dankbar sein,
dass er für uns litt solche Pein,
nach seinem Willen leben.
Auch lasst uns sein der Sünde Feind,
weil uns Gotts Wort so helle scheint,
Tag, Nacht danach tun streben,
die Lieb erzeigen jedermann,
die Christus hat an uns getan
mit seinem Leiden, Sterben.
O Menschenkind, betracht das recht,
wie Gottes Zorn die Sünde schlägt,
tu dich davor bewahren!

  • Für die es bestimmt ist – Evangelium nach Markus im 10. Kapitel

Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10,35-45)

  • Den mir Gott schickt – Gedanken zum Markusevangelium

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Rechts und links vom Altar stehen die Namen. Es gibt sie noch allerorten. Die Gedenktafeln für die Gefallenen in den Weltkriegen. In Holz geschnitten und verziert mit einem geschnitzten Rahmen. Darüber ein Bibelwort: “Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde – Joh.15,13.” Jesus sagt das: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. Ein Opfer. Für viele. Mit dem Leben bezahlt.
Jesus sagt auch: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. In diesen Tagen trifft dieses Wort genau. Das Leben geben und opfern, wofür? Sicher nicht für einen ruhmsüchtigen und gierigen Herrscher. Sicher nicht für die Macht der Mächtigen. Oder für die Freunde?

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Mein Urteil steht fest. Fürchterlich, diese Tafeln. Sie missbrauchen das Wort Jesu für einen schrecklichen Krieg. Noch Jahrzehnte später wird der Tod so vieler gerechtfertigt mit einem frommen Spruch. Keiner dieser Soldaten hat sein Leben für seine Freunde gegeben. Sondern für die Machtgelüste und abartigen Fantasien eines oder einiger weniger Männer. Das ist eine kaum fassbare Entwürdigung des heiligen Wortes. Diese Tafeln gehören nicht in die Kirche. Sie sind das Gegenteil von Demut und Dienerschaft. Für ein falsches Ideal wurden diese Männer in den Tod geschickt. Vielleicht können sie nichts dafür. Aber das Gedenken ist überschattet von der Herrschsucht und der übergroßen Sünde mächtiger Männer.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Neben mir der alte Herr Müller. Er zeigt auf einen der Namen. Das ist der Gert. Mit dem habe ich gern unten am Bach gespielt. Und da drüben, der Herr Fuchs, das war der Vater von unserem Nachbarn. Die Schrecken des Krieges, der so lange vergangen erscheint, ragt bis in meine Gegenwart. Mein Blick wandelt sich. Vielleicht haben diese Soldaten mitten in den grausamen Kämpfen füreinander eingestanden? Verwundete gerettet. Ausgeharrt im Schützengraben. Miteinander geweint und geflucht. Vielleicht auch das. Plötzlich sehe ich diese Namen anders. Ich schäme mich für mein vorschnelles Urteil.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Ich denke darüber nach, wie sehr Jesu Wort die Verhältnisse dieser Welt auf den Kopf stellt. Der Erste soll aller Knecht sein. Ich philosophiere. Mit Hegel. Das Verhältnis zwischen Herr und Knecht. Der Knecht, so dann die Version bei Marx, schafft die materielle Grundlage für die Herrschaft des anderen. Damit stehen beide in einem unauflöslichen Verhältnis zueinander. Das, was Marx schließlich aus Hegel machte, und die Konsequenzen daraus, sprechen aber gegen das Evangelium. Um Hegel vom Kopf auf die Füße zu stellen, sind Millionen getötet worden; für Wenige. Nicht einer für Viele. Die Knechte wurden Herrscher. Und ich glaube, diese Knechte waren schon Herrscher als sie scheinbar noch Knechte waren. Gewalt, Hochmut, Gier und Macht wohnen in uns allen. Jesus sagt: Gib diesen Begierden keinen Raum. So gewinnst du einen Platz zur Rechten und zur Linken des auferstandenen Christus.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Jesus, der Diener, für mich? Jesus, der überantwortet wird den Mächtigen, und zum Tode verurteilt, und überantwortet wird den Gewaltigen, verspottet, angespien, gegeißelt und getötet. Da herrscht kein Glanz, kein Ruhm. Keine irdische Gerechtigkeit. Unter dem Kreuz gibt es für mich keine Handhabe, wie ich mir in dieser Welt einen Platz verdiene zur Rechten oder zur Linken Jesu. Jeder Versuch in diese Richtung bringt mich schon auf den falschen Weg. Es wird denen zuteil, für die es bestimmt ist, sagt Jesu schlicht und rätselhaft zugleich. Es liegt allein in Gottes Hand. Es liegt vielleicht in dieser Situation: Herr Müller erzählt, ich höre zu. Nichts weiter. Es liegt vielleicht darin, dass selbst im grausamen Krieg noch Freundlichkeit und Mut Platz finden. Für einen anderen Menschen. Der mir nichts zu geben hat. Der mir nichts verspricht. Den mir Gott schickt, unerwartet und in himmlischer Freundlichkeit.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche und bete.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Gott im Himmel,

du hast uns gezeigt, wie deine himmlische Macht sich auf Erden zeigt,
im Tod am Kreuz deines Sohnes Jesus Christus,
in Demut und Dienst am Nächsten.

Menschen erleiden Gewalt und üben Gewalt nicht nur in der Ukraine.
Wende von uns die Verführungen der Macht und Gier,
kehre um die Herzen der Mächtigen und Gewaltigen,
dass sie lernen in deinem Frieden zu handeln.

Wir möchten als Christen gern Einfluß haben auf die Gesellschaft.
Schenke uns Geduld, wenn wir deine Botschaft weitertragen.
Lass uns achtgeben auf jeden Menschen,
der nach dir und deinem Frieden fragt.

Schnell sind wir mit einem Urteil bei der Hand,
in den sozialen Medien und beim Gespräch mit dem Nachbarn.
Öffne unsere Augen für alle Menschen,
auch wenn sie uns völlig fremd und verachtenswert erscheinen.

Oft schätzen wir den eigenen Glauben besonders hoch ein.
Öffne unsere Ohren, dass wir dein Wort nicht verachten,
so klein und unscheinbar es auch sei.

Menschen hungern hier in unserem Land und in Afghanistan.
Stärke uns, dass uns die Not des Nächsten nicht klein erscheint,
dass wir sie sehen lernen und uns zu Herzen nehmen.

Jeder Augenblick in unserem Leben ist dafür gemacht
in deiner Gegenwart dem Nächsten zu dienen.
Hilf uns, Gott im Himmel, hier auf Erden.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Lätare (27.03.)2022

  • Eröffnung

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Mit diesem Gleichnis ermuntert uns der Evangelist Johannes die Hoffnung als Licht im Leid nicht zu verlieren. Im Lied, im Wort und im Gebet halten wir daran fest.

  • Die Tür hüten in meines Gottes Hause – Worte nach Psalm 84

Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN;
mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen –
deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln!
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, / wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion.
HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs!
Gott, unser Schild, schaue doch; sieh an das Antlitz deines Gesalbten!
Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.
Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause
als wohnen in den Zelten der Frevler.
Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; / der HERR gibt Gnade und Ehre.
Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!

  • Und ihr Halm ist grün – Ein Lied: Korn, das in die Erde (EG 98)
  1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
    Keim der aus dem Acker in den Morgen dringt.
    Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
    Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
    wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
    Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
    Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
    unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
    hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
    Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
  • Unsre Hoffnung steht fest für euch – Worte aus dem 2. Brief an die Korinther im 1. Kapitel

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes,
der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis,
damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind,
mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen,
so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.
Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil;
werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost,
der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld
dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden.
Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen:
Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.

  • Schwimm raus! – Gedanken zum Korintherbrief

Das scheint eine einfache Rechnung zu sein. Je mehr ich leide, umso größer ist der Trost. Eine Kaufmannsgleichung. Was ich auf mich nehme, wird mir mit gleicher Münze vergolten. Und das wäre schon viel, bedenke ich, wieviel Leid auf dieser Welt herrscht. Und wie wenig Trost und Hoffnung und Gerechtigkeit.
Paulus macht diese Rechnung auf. Mit Jesus Christus. Jesus kommt von Gott, ist Gott selbst, und leidet wie ein Mensch, und ist doch zugleich Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes. Was in ihm verbunden ist, ist auch in Paulus verbunden. Ebenso wie in allen Menschen, die auf diese Gleichung vertrauen. Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Schmerzensmann und Muttertrost zugleich.
Eine einfache Rechnung. Aber hat sie was mit meiner Wirklichkeit zu tun? Also mit der Welt, in der ich lebe? Mir geht es gut, viel besser als den meisten Menschen auf der Welt. Und diese erdulden unglaublich große Leiden. Krieg, Tod, Krankheit, Hunger, Missbrauch, Unglück. So viel Leid und so wenig Trost.
Paulus lobt Gott. Mir geht es aber eher wie der jüdischen Mutter:
Der Junge kämpft mit den Wellen, geht unter, kommt wieder hoch. Die Mutter betet verzweifelt: “Bitte, bitte, o Herr, gelobt und gepriesen sei Dein Name, rette meinen einzigen Sohn. Ich will auch alles tun, was Du von mir verlangst, aber erbarme Dich!” Die nächste Welle spült das Kind an den Strand. Verbittert blickt die Mutter nach oben: “Und wo ist seine Mütze?”
(Josef Joffe, Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß!, München 2015, S.80)
Paulus lobt Gott und Jesus ist sein Grund für das Lob. Der eine, der gelitten hat, wird verherrlicht und sitzt zur Rechten Gottes. Mir geht es aber eher wie der Mutter. Es mag absurd sein, dass sie wegen der Mütze klagt. Warum sollte sich Gott um diesen “Kleinkram” kümmern? Verbittert sei die Mutter, und nur dieses eine Wort erzählt mir, wie mühselig ihre Mutterschaft sein mag. Ich kann lächelnd auf die Mütze verzichten. Wo aber liegt die Grenze? Wieviel braucht es, um zu verzweifeln?
Paulus lobt Gott. Anscheinend interessiert ihn nicht die Bitterkeit einer Mutter. Das Leid der Menschen ist ihm im Großen wie im Kleinen vor allem Anlass für eine größere Hoffnung. Darin sind wir Jesus gleich und werden gleich ihm auch zu Gott erhöht werden, betont er. Für das Leid auf dieser Welt bedeutet das erstmal nichts. Später wird sich die Macht Gottes umso deutlicher zeigen.
Darin steckt aber jene alte Frage, die unauflöslich erscheint. Wann kommt der Trost und ist es dann nicht schon zu spät? Im Griechischen bedeutet dieser Trost wortwörtlich übersetzt “Beistand”. Gott ist im Leid bei mir. So gesehen, geht es eben nicht darum, einen Ausgleich zu schaffen und eine Rechnung zu begleichen. Oder anders gesagt: Für das Leid sind wir selbst verantwortlich. Gott aber legt mir ihre mütterliche Hand auf die Schulter und spricht mir Mut zu: Schwimm raus und hol die Mütze!

Amen.

  • Zum Frieden rufen – Miteinander und füreinander beten

Tröste, guter Gott, und stehe uns bei.
Den Menschen in der Ukraine und in allen Ländern, die von Kriegsgewalt erschüttert werden.
Den Menschen, die sich ohnmächtig fühlen und Angst haben vor einer Ausweitung des Krieges.
Den Menschen, denen diese Nachrichten zu viel werden; die sich nach Ruhe sehnen.
Den Menschen, deren Leid so groß ist, dass sie keine Kraft haben, noch an andere zu denken.
Den Menschen, die in ihre Einsamkeit versinken.
Den Menschen, die sich nach Vertrauen sehnen.
Den Menschen, denen der Glaube verloren geht.
Den Menschen, die trauern.

Tröste, guter Gott, und stehe uns bei.
Dass wir gestärkt werden durch deine Zusage,
dass du bei uns bist;
und so gestärkt unserem Nächsten beizustehen.

Wir trösten uns mit den Worten, die Jesus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Reminiszere (13.03.)2022

  • Eröffnung

„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ So stellt es der Apostel Paulus im Römerbrief fest. Auch am zweiten Sonntag in der Passionszeit bedenken wir das Leiden Jesu. Was es für uns bedeutet. Und wie wir es begreifen können. Vor allem durch das Gebet.

  • Lauter Güte und Treue – Worte nach Psalm 25

Mein Gott, ich hoffe auf dich; lass mich nicht zuschanden werden,
dass meine Feinde nicht frohlocken über mich.
Denn keiner wird zuschanden, der auf dich harret;
aber zuschanden werden die leichtfertigen Verächter.
HERR, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige!
Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich!
Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf dich.
Gedenke, HERR, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte,
die von Ewigkeit her gewesen sind.
Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretungen,
gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit, HERR, um deiner Güte willen!
Der HERR ist gut und gerecht; darum weist er Sündern den Weg.
Er leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg.
Die Wege des HERRN sind lauter Güte und Treue für alle,
die seinen Bund und seine Zeugnisse halten.

  • Frieden ohne Ende – Ein Lied: „Du schöner Lebensbaum des Paradieses“ (EG 96)

1 Du schöner Lebensbaum des Paradieses, gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden. Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier.
2 Nur unsretwegen hattest du zu leiden, gingst an das Kreuz und trugst die Dornenkrone. Für unsre Sünden musstest du bezahlen mit deinem Leben.
3 Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf, dass allen denen wir auch gern vergeben, die uns beleidigt, die uns Unrecht taten, selbst sich verfehlten.
4 Für diese alle wollen wir dich bitten, nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen, dass wir mit allen Heilgen zu dir kommen in deinen Frieden.
5 Wenn sich die Tage unsres Lebens neigen, nimm unsren Geist, Herr, auf in deine Hände, dass wir zuletzt von hier getröstet scheiden, Lob auf den Lippen:
6 Dank sei dem Vater, unsrem Gott im Himmel, er ist der Retter der verlornen Menschheit, hat uns erworben Frieden ohne Ende, ewige Freude.

  • Zu trauern und zu zagen – Evangelium nach Matthäus 26

Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte.
Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

  • Der erste Schritt gegen die Angst – Gedanken zum Evangelium

So fühlt sich das also an. Es ist typisch für sie, dass sie selbst noch in diesem Moment fast einen Scherz macht. Dann aber kommt die Angst. Die Angst umrundet den stechenden Schmerz in der Brust, legt sich als zerquetschende Übelkeit auf ihren Bauch und lässt sie schwitzen. Sie bekommt keine Luft, würde am liebsten davonlaufen. Mit letzter Kraft rettet sie sich auf das Sofa und liegt und ist voller Panik. Die Angst ist schlimmer als der Schmerz, die Übelkeit, das Schwitzen und die Atemnot. Oder nicht schlimmer, sie sind vielmehr eins. In diesem Moment fängt sie an zu beten. Das hat sie lange nicht mehr gemacht, aber jetzt betet sie. Sie kennt das ja, von den Eltern, die Worte perlen ohne Ton aus ihr heraus. Vater unser im Himmel. Bis zur 3. Bitte: Dein Wille geschehe. Bis zur 3. Bitte, wie es der Kleine Katechismus zählt. Dein Wille geschehe. Nicht meiner. Ich kann ohnehin jetzt nichts tun. So Gott will. In diesem Moment legt sich ihr Drang, panisch etwas zu tun, wird ihr Atem etwas ruhiger, die Angst bleibt, aber die Angst ist beherrschbar. Nein, denkt sie, ich beherrsche jetzt nichts mehr. Keine Ahnung, was jetzt geschieht. Es ist Gottes Wille. Nur Gott kann jetzt noch mein Leben retten. Später sagt sie, sehr ernsthaft, das Gebet hat mir mein Leben gerettet.

Weiß Jesus, was geschehen wird? Weiß Jesus in Gethsemane, dass er nach dieser Nacht verhaftet werden wird? Die Bibel lässt das offen. Ich weiß es als Bibelleser. Ich kenne den Verrat des Judas. Ich weiß das angekündigte Leiden zu deuten und verstehe, was Jesus meint, wenn er von der Verleugnung des Petrus spricht. Jesus weiß, dass Judas ihn verraten wird. Beim letzten Abendmahl sagt er es ihm ins Gesicht. Aber weiß er da schon, was dann im Detail geschieht? Verhaftung, Verhör, Folter, Kreuzigung und Tod. Angesichts einer schreienden Menge und gleichgültiger Menschen, weinender Frauen und flüchtender Jünger? Jesus hat Angst. Nüchtern formuliert steht es im Bibeltext: Er fing an zu trauern und zu zagen. Was verbirgt sich dahinter? Jedenfalls, Jesus betet. Und bittet seine Begleiter mit ihm zu wachen. Er braucht ihren Beistand. Jesus betet. Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Dein Wille geschehe. Wie Jesus es den Menschen gelehrt hat. Es fühlt sich bedrückend an, dass Jesus nun selbst darauf zurückgreift. Dass er nun selbst tief in einer menschlichen Not steckt, die er sonst mit der Kraft Gottes zu wenden weiß. Das ist es, was die Bibel so nüchtern feststellt: Jesus leidet und ängstet sich wie ein Mensch. Das Bild des Helden zerbricht. Jesus ist allein und voller Angst wie ich selbst auch.

Seit 17 Tagen nun beten wir täglich für den Frieden in der Ukraine. Schnell haben wir uns darauf verständigt. Es erleichtert nicht allein zu sein mit den Sorgen und den Ängsten, die ein Krieg in Europa und das unerklärliche Verhalten eines Machthabers auslöst. Wir sprechen Gott an, bitten ihn um Hilfe: Gott, ich schreie zu dir, hilf uns, wir schaffen es nicht. Das sind die Bitten der Betenden in Kurzform. Im Gebet wird das Geschehen benannt und die Wünsche, die sich daraus ergeben. Es erleichtert, von den anderen zu hören, dass ihnen ähnliche Gedanken und Nöte durch den Kopf gehen. Aber es taucht auch immer wieder die Frage auf: Hilft das Beten? Ich nehme die Antwort vorweg. Es gibt keine, die dem Bedürfnis nach einer klaren Antwort gerecht wird. Ich blättere in einer Dogmatik. 50 Seiten sind dem Gebet gewidmet. Aber keine Antwort auf diese Frage ist dort zu finden. Das Gebet ist die Anerkennung Gottes, ja. Das Gebet ist ein Zeichen der menschlichen Demut, ja. Das Gebet ist eine Möglichkeit die menschliche Not in Worte zu fassen, ja. Und schließlich ist das Gebet Ausdruck menschlicher Ohnmacht und Sündhaftigkeit, ja. Wir können es nicht alleine, das kann mir das Gebet sagen. Mehr nicht?

Bleibt hier und wachet mit mir, bittet Jesus seine Jünger. Beim wiederholten Lesen der Szene im Garten Gethsemane fällt mir auf, dass Jesus vor allem darum bittet. Nicht allein zu sein. In der Wiederholung wird das sehr deutlich: Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. Die Jünger schaffen es nicht. Sie wollen dem Kommenden entfliehen. Sie drücken sich weg in den Schlaf. Die Erschöpfung ist zu groß, die Angst ist zu groß, sie schließen ihre Augen und ihre Lippen. Kein Gebet. Nur Angst. Gebettet in den stummen Schlaf. Beten aber ist der erste Schritt gegen die Angst. Das gemeinsame Gebet. Ganz wach. Nicht allein. Unübersehbares Zeichen dafür nicht allein zu sein. Mit meiner Angst. Mit meinen schlimmen Gedanken. Mit meinen Fehlern. Mit meiner Ohnmacht. Mit dem Willen Gottes. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Ich bete. Ich glaube, Gott ist da, wie im Himmel so auf Erden.
Amen.

  • Zum Frieden rufen – Miteinander und füreinander beten

Wir bitten dich, Gott,
erbarme dich deiner Kirche, vor allem in Russland und der Ukraine,
segne sie, wenn sie zum Frieden rufen.
Rufe sie zu Buße, wenn sie den Krieg verherrlichen.
Lass alle Verirrungen der Christenheit, wo sie den Krieg verherrlicht,
gestern wie heute im Licht deiner Wahrheit an ihr gerechtes Ende kommen,
damit deine Liebe zu allen wieder leuchten kann und allen,
die sich nach Frieden sehnen.
Wir bitten dich, Gott,
wenn uns das Gebet innerlich frei macht,
dass wir auch nicht vergessen,
wo sonst noch Gewalt und Unrecht geschieht auf der Welt,
wo Menschen hungern und unter der Gier der Menschheit leiden,
wo sonst noch Kriege geführt werden,
wo Menschen gegeneinander streiten in Familien, Orten und Ländern.
Wo Menschen voller Angst um ihr Leben und voller Schmerz und Einsamkeit nach dir rufen.
Wir bitten dich, Gott,
lass uns nicht allein
und gib uns Kraft miteinander zu beten.
So, wie es Jesus uns gelehrt und von uns gefordert hat

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Invokavit (06.03.)2022

  • Eröffnung

„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ Drastisch klingen diese Worte aus dem ersten Johannesbrief. Doch wenn wir auf die Welt schauen, klingt dieser Vers gar nicht übertrieben. Gut, dass wir das in dieser Andacht miteinander bedenken und miteinander beten können.

  • Lass fahren dahin – Ein Lied nach Psalm 46: „Ein feste Burg ist unser Gott“ (EG 362)

Ein feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind,
Mit Ernst er′s jetzt meint;
Groß Macht und viel List
Sein grausam Rüstung ist,
Auf Erd ist nicht seinsgleichen.

Mit unsrer Macht ist nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es streit für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott;
Das Feld muß er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel wär
Und wollt uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
Wie saur er sich stellt,
Tut er uns doch nichts;
Das macht, er ist gericht:
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn
Und kein Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
Lass fahren dahin,
Sie haben’s kein Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben

  • Der Versucher – Evangelium nach Matthäus 4

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

  • Trotz des Krieges – Gedanken zum Lied Ein feste Burg ist unser Gott

Dieses Lied. Ein feste Burg ist unser Gott. Wie es rasselt und klirrt, da passt es gut in diese Tage des Krieges in der Ukraine. Militärische Begriffe: feste Burg, Wehr und Waffen, Rüstung, das Feld behalten.

Aber noch etwas fällt mir ein: Ein Spaziergang auf der Rabeninsel. Die Sonne scheint. Eine Freundin sagt: Ich kann und will mir das gar nicht vorstellen. Ich wäre mit meinen Kindern auf der Flucht und mein Mann müsste hierbleiben, um sich zum Krieg zu melden. So ist es, denke ich nur. Unvorstellbar.

Das sind meine ersten Eindrücke als ich das Lied wieder vor Augen habe. Wochenlied für diesen ersten Sonntag in der Passionszeit. Geschrieben wurde es vor 1529. In diesem Jahr erscheint es in einem der ersten evangelischen Gesangbücher. Martin Luther sieht seine Welt, eine innere Glaubenswelt, in der er dem großen Widersacher begegnet. Den Teufel als Feldherr unserer Seelen. Der altböse Feind, der Fürst dieser Welt. In einer Predigt sagt er: „Der Satan ist der höllische Reiter, von dem die Poeten gesagt haben, er reite die arme Seele und Gewissen wie sein Pferd und führ sie, wohin er will: von einer Sünde zur andern.“ Des Menschen Wille versagt in diesem Fall, nur Christus kann helfen, der das Feld behalten muss. Der Teufel, der sich uns in den Weg stellt, wie in der Versuchungsgeschichte im Evangelium, kann nur von Christus bewältigt werden.
Deshalb erzählt Luther in seinem Lied vom Teufel als einer Macht, die uns von Gott fernhalten will. Der Teufel kommt im ursprünglichen Psalm 46 nicht vor; Luther aber sieht ihn darin walten: „Wir singen den Psalm Gott zu Lobe, daß er bei uns ist und sein Wort und die Christenheit wunderbar erhält wider die höllischen Pforten, wider das Wüten aller Teufel, der Rottengeister, der Welt, des Fleisches, der Sünden, des Todes.“ Deutlich wird, dass Luther hier nicht nur den gehörnten Fürsten der Hölle meint, sondern den Versucher, der sich uns in den Weg stellt auf dem Weg zu Gott. Alle irdischen und teuflischen Versuchungen.
Und ja, um auf meinen ersten Eindruck zurückzukommen: Es fällt mir leicht, diese Teufelei des Krieges diesen Worten zuzuordnen. Die Gründe für den Krieg sind schwer zu fassen und erscheinen mir sinnlos. Geht es um Macht, um Land, um Geschichte und um Glauben gar? Eine weit- und tiefreichende Versuchung, die eine Teufelei als etwas Heiliges ausgibt.
Für Luther war es die Kirche selbst, die den Menschen etwas vormacht und für heilig erklärt, was nur menschlicher Begierde entspringt.
Heute ist es ein Machthaber, der seiner Bevölkerung erklärt, dass sie für eine heilige Sache kämpfen und töten.
Alles Irdische also kann zur Versuchung werden, kann eine Teufelei sein. Ein prächtiger Kirchenbau ebenso wie die Überzeugung, dass ein Nachbarland überfallen werden müsse.
Deshalb sagt Luther allem Irdischen ab. Er verlässt sich allein auf das Wort Christi. Auf das Reich Gottes. Das soll stehenbleiben, „sollen sie lassen stahn“. Für diesen Glauben fordert er: „Lass fahren dahin Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib.“

Kind und Weib. Und plötzlich bin ich wieder bei den Gedanken meiner Freundin auf der Rabeninsel. Ich stocke bei diesen Worten Luthers. Ich versuche sie mir zu übersetzen. Ich stimme Luther zu, wenn es um das irdische Gut geht. Kein Besitz kann uns nützen. Rost und Motten werden ihn fressen. Keine politische Macht hilft uns auf dem Weg zur Seligkeit. Ich stimme Luther zu, wenn es um die Ehre geht. Es ist nichts dagegen zu sagen, seinen Mitmenschen offen und selbstbewusst gegenüberzutreten. Aber wenn die menschliche Ehre dem Glauben widerstrebt, der Liebe Gottes und der Nächstenliebe, dann ist sie grundfalsch. Und ich stimme Luther zu, auch wenn es schwer fällt, dass der Leib nicht der Grund der Seligkeit sein kann. Gott geht mit mir, auch im Leid, auch wenn ich krank bin, einsam und sogar über den Tod hinaus.
Aber ich kann ihm nicht zustimmen, wenn ich an „Kind und Weib“ denke. Es ist eine schreckliche Vorstellung ist, dass ein Mensch dem anderen irgendwie „gehöre“. Obgleich die 10 Gebote das nahelegen. Begehre nicht deines Nächsten Weib. Und obgleich ich es aus historischer Sicht einschätzen muss. Luther, seit 1525 verheiratet, denkt eben noch in dieser Weise von seinem Hausstand mit festen Rollen und Aufgaben. Vielmehr aber als dieser Blick auf die Familienbeziehungen damals und heute widerstrebt mir der Gedanke, dass ein menschliches Wesen in irgendeiner Weise für meinen Glauben verloren gehen soll. Nicht nur, weil ich an die Rabeninsel denke und die unvorstellbare Vorstellung mitten im schönsten Sonnenschein. Sondern weil ich vor allem darin Trost finde, dass die Menschlichkeit in diesen Tagen der lebendigste und fruchtbarste Ausdruck dafür, dass Gott diese Welt in seinen Händen hält. Trotz des Krieges. Menschen, die beten, die helfen, die protestieren, die verzeihen, die Liebe üben; mitten im Krieg, mitten in der Ukraine, in Russland, in unserem Land, weltweit. Darin finde ich den Trost wieder, den Luther im ewigen Wort der Bibel gefunden hat. Ich will sie nicht lassen fahren dahin, das Kind in der Kiewer U-Bahn, den 19jährigen im russischen Panzer, den ohnmächtig betenden Menschen in unserer Kirche. Für keine menschliche Wahrheit, und sei sie noch so überzeugend.

Ein altböser Feind würde Martin Luther sagen, der uns von der Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten abbringen möchte. Der nicht von uns lassen will. Der uns immer wieder verführt. In all der Zeit. Über die Jahrhunderte. Immer wieder Kriege und Gewalt.
Kämpfen wir also in guter Rüstung gegen diesen Feind, für Menschlichkeit, Gottesfurcht und Frieden.
Amen.

  • Nach deiner Hilfe rufen – Miteinander und füreinander beten

Barmherziger Gott,
halte deine Hand über uns,
über alle Menschen.
Erschrocken sind wir und voller Angst,
wenn wir auf die Entwicklungen des Krieges sehen.
Was kann noch passieren,
wie können wir helfen,
wie können wir mit unserer Ohnmacht umgehen?
Barmherziger Gott,
halte deine Hand über uns,
über die Menschen, die verantwortungsvoll mit ihrer Macht haushalten müssen,
über die Menschen, die von der Macht versucht werden,
über die Menschen, die im Krieg kämpfen,
über die Menschen, die in den umkämpften Städten und auf der Flucht sind,
über die Menschen, die mit ihrer Angst allein sind,
über die Menschen, die protestieren,
über die Menschen, die helfen,
über alle Menschen, die nach deiner Hilfe rufen.
Wir rufen mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag vor der Passionszeit (20.02.)2022

  • Eröffnung

„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ So heißt es im Hebräerbrief im 3. Kapitel. Mit dieser Andacht und mit Gottes Wort wollen wir unseren Herzensacker fruchtbar machen.

  • Süßer als Honig – Worte aus Psalm 119

Herr, dein Wort bleibt ewiglich,
so weit der Himmel reicht;
deine Wahrheit währet für und für.
Du hast die Erde fest gegründet, und sie bleibt stehen.
Nach deinen Ordnungen bestehen sie bis heute;
denn es muss dir alles dienen.
Wenn dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre,
so wäre ich vergangen in meinem Elend.
Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.
Dein Wort macht mich klug;
darum hasse ich alle falschen Wege.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte
und ein Licht auf meinem Wege.
Erhalte mich nach deinem Wort, dass ich lebe,
und lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung.

  • Ein Lied: „Gott hat das erste Wort“ (EG 199)
  1. Gott hat das erste Wort.
    Es schuf aus Nichts die Welten
    und wird allmächtig gelten
    und gehn von Ort zu Ort.
  2. Gott hat das erste Wort.
    Eh wir zum Leben kamen,
    rief er uns schon mit Namen
    und ruft uns fort und fort.
  3. Gott hat das letzte Wort,
    das Wort in dem Gerichte,
    am Ziel der Weltschichte,
    dann an der Zeiten Bord.
  4. Gott hat das letzte Wort.
    Er wird es neu uns sagen
    dereinst nach diesen Tagen
    im ewgen Lichte dort.
  5. Gott steht am Anbeginn,
    und er wird alles enden.
    In seinen starken Händen
    liegt Ursprung, Ziel und Sinn.
  • Hundertfach Frucht – Worte aus Lukas 8,4-8

Es ist gut, den Boden zu bereiten für die Saat Gottes. Gottes Wort zu hören ist kein Selbstläufer. Gott bereite unsere Herzen und er bereite das Wort, dass es keimen und treiben kann in unseren Herzen, dass es nicht verloren gehe. Das Evangelium steht bei Lukas im 8. Kapitel:

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach Jesus durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen.
Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf.
Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s.
Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.
Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Wort unseres Herrn Jesus Christus.
Amen.

  • Worte aus Fleisch und Blut – Gedanken zu Hebräer 4,12-13

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Die Psychologin der Station rief mich am nächsten Tag an, einem Montag: Ich wollte nur kurz rückmelden, wie es dem Patienten geht, den Du gestern besucht hast. Ich weiß nicht, was du gemacht hast, aber es geht ihm besser! Als ich wieder aufgelegt hatte, konnte ich nur feststellen, dass ich es auch nicht wusste. Ich hatte doch nur ein paar Worte mit ihm gewechselt.

Worte haben Macht. Erstaunlich, wenn ich davon ausgehe, dass es nur Schallwellen sind, die von einem organischen Nervengewebe hoher Komplexität verarbeitet und interpretiert werden. Vom Gehirn aus werden aber alle Organe und das Immunsystem beeinflusst und gesteuert. Und auf diese Weise lösen Worte nicht nur Gedanken aus, sondern haben auch sehr konkrete körperliche Auswirkungen; je nachdem wie das Gehirn das Gehörte verarbeitet.

Dabei kommt es darauf an, wie Worte wirken und welche Bedeutung sie für mich haben.
Manches ist mir egal, was einen anderen auf die Palme bringen kann. Anderes führt mich in tiefe Scham oder löst Zorn aus. Es kommt darauf an, wer wie was wann sagt. Und welcher Art die Wörter selbst sind. Manche Wörter verändern ihre Bedeutung wie die Wörter „Heimat“ und „Querdenker“. Wenn mich heute jemand Querdenker nennen würde, müsste ich erst nachfragen, wie er es meint. Geht es um eine unkonventionelle Denkweise, würde ich es als Kompliment auffassen. Mutmaßt er hingegen, dass ich ein „Spaziergänger“ sei, würde ich mich eher wundern. (Spaziergänger, noch so ein Wort!) Das Wort „Heimat“ hingegen hat schon lange eine wechselhafte Karriere. Es schillert und wandelt sich ständig in seiner Bedeutung. Es ist sehr schwer zu definieren. Es löst sehr unterschiedliche Reaktionen aus. In der Erzählung „Kein Wort zurück“ von Vera Vorneweg ist die Protagonistin auf der Suche nach diesem Wort, weil es ihr abhandengekommen ist aufgrund rechtsextremer Wahlplakate in ihrem HEIMATdorf. Ist das Dorf noch Heimat nun? Ist das Wort dort noch zu finden? Sie sucht es wie ein verlorenes Kind, weil es ihr doch am Herzen liegt. Es ist jedenfalls keine leichte Suche. (https://www.eva-leipzig.de/product_info.php?info=p5233_Kein-Wort-zurueck.html)

Es ist schwierig mit den menschlichen Worten und so ist die Beschreibung des göttlichen Wortes im Hebräerbrief überzeugend. Die Worte Gottes sind:
Lebendig und kräftig und schärfer. So stand es auch auf dem Plakat des Kirchentags im Jahr 2007. Der abgebildete Fisch, das Symbol der Christen, war mit einer Haifischflosse ausgestattet. Angriffslustig und hungrig. Mit mir ist zu rechnen! Das war die Botschaft des Kirchentagshais. Ich mochte ihn gern, diesen christlichen Hai, am Anfang meiner Ausbildung. Nun sollte ich ja Teil sein dieser angriffslustigen, scharfzüngigen und hungrigen Worttruppe. Ob ich in meinen Predigten ähnlich überzeugend sein könnte?, fragte ich mich. Bin ich geeignet für das Wort Gottes?

Dass das göttliche Wort große Macht hat, belegen viele Stellen in der Bibel. Schon ganz am Anfang. Das Wort Gottes erschafft die Welt. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und die dazugehörige Stelle im Johannesevangelium: Und das Wort ward Fleisch! Vielleicht beschreibt dieser Vers am deutlichsten die Wirkung, die göttliche Worte haben können. Worte sind keine luftigen Gebilde sondern bestehen aus Blut und Fleisch.

Allerdings, wenn ich in den entsprechenden Bibeltext schaue, ist das nur ein Teil der Botschaft. Verbunden mit dieser bissigen Ansage – lebendig und kräftig und schärfer – ist ein bestimmtes Ziel. Die himmlische Ruhe. Die himmlische Ruhe im Vergleich zur irdischen Unruhe. Wahrlich wünschenswert. Nicht nur wegen des Sturmes, der gerade das Wetter beherrscht. Kern der irdischen Unruhe ist aber nicht das Wetter, sondern das menschliche Innere. Gutes und Schlechtes liegen im Geist und in der Seele im Widerstreit. Der Mensch ist ein Hort dieses Widerstreites und das ist der Kern seiner Unruhe. Das göttliche Wort soll da Ordnung schaffen und klare Unterscheidungen treffen.
Insofern ist das göttliche Wort schon etwas sehr anderes als die menschlichen Worte. Denn diese sind von der menschlichen Unruhe getrieben. Heimat, Querdenker, Spaziergang. Gutes und Böses sind in ihnen unentwirrbar.
Die Verheißung des Hebräerbriefes liegt hingegen in der scheidenden Kraft des göttlichen Wortes. Sie liegt in der göttlichen Möglichkeit, unser Inneres, unsere Sehnsüchte und Wünsche, unsere Motivationen und Ziele klar zu benennen. Sie liegt darin, dass wir mit Gott unsere wahre Heimat benennen können. Die Heimat bei Gott ist unhinterfragbar und nicht unseren schwankenden Meinungen unterworfen. Da gehöre ich hin, da will und werde ich sein.

Diese frohe Botschaft befreit mich aber noch nicht von der Frage, wie ich hier auf Erden mit den Worten umgehe. Es bleibt eine offene Frage, wie ich die Worte verstehe und auf welche Weise ich nach ihnen handele. Sowohl hinsichtlich der irdischen wie auch der himmlischen Worte. Das Wesen des himmlischen Wortes besteht darin, das Irdische immer wieder in Frage zu stellen. Immer wieder zu fragen, ob ich auf dem richtigen Weg bin, ob ich richtig verstanden habe, ob ich ruhigen Gewissens weitermachen kann.
Die allgemeine Antwort darauf liegt im göttlichen Gebot: Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst.
Ein großes Wort! Jetzt kommt es darauf an, es hineinzunehmen in mein Leben, es Fleisch und Blut werden zu lassen und ein Licht zu sein in dieser Welt. Manchmal ohne recht zu wissen wie. Zum Beispiel auf einer Krankenstation mit traurigen Menschen voller Unruhe. Manchmal, glaube ich, fließt das Wort Gottes nur durch mich hindurch und landet dort, wo es den himmlischen Frieden bereitet. Wo es für Ruhe sorgt, bei meinem Nächsten und bei mir.

Amen.

  • Mit Bedacht – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,

leite uns unsere Worte mit Bedacht zu wählen.
Wie leicht können wir unseren Mitmenschen damit verletzen, täuschen und unterdrücken.
Ebenso leicht, wie wir ihn trösten, aufbauen und aufklären können.
Leite uns gut zu unterscheiden
zwischen guten und bösen Worten,
dass Krieg nicht Frieden heißt,
dass Heimat Geborgenheit heißt und nicht Unmenschlichkeit,
dass Gewalt nicht Protest heißt,
dass Zwang nicht Liebe heißt,
dass Macht nicht Glaube heißt,
dass Täuschung nicht Hoffnung heißt.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag vor der Passionszeit (13.02.)2022

  • Eröffnung

Der Prophet Daniel ruft uns zu: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Dazu ist jetzt Gelegenheit! Gemeinsam wollen wir beten und auf Gottes Wort hören.

  • In meinem Zagen – Worte aus Psalm 31

Wie groß ist deine Güte, Herr,
die du bewahrt hast denen, die dich fürchten,
und erweisest vor den Menschen
denen, die auf dich trauen!
Du birgst sie im Schutz deines Angesichts vor den Rotten der Leute,
du verbirgst sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen.
Gelobt sei der Herr; denn er hat seine wunderbare Güte
mir erwiesen in einer festen Stadt.
Ich sprach wohl in meinem Zagen:
Ich bin von deinen Augen verstoßen.
Doch du hörtest die Stimme meines Flehens,
als ich zu dir schrie.
Liebet den Herrn, alle seine Heiligen!
Die Gläubigen behütet der Herr und vergilt reichlich dem, der Hochmut übt.
Seid getrost und unverzagt alle,
die ihr des Herrn harret!

  • Ein Lied: „Er weckt mich alle Morgen“ (EG 452)

1) Er weckt mich alle Morgen,
Er weckt mir selbst das Ohr.
Gott hält sich nicht verborgen,
führt mir den Tag empor,
dass ich mit Seinem Worte
begrüß das neue Licht.
Schon an der Dämmrung Pforte
ist Er mir nah und spricht.

5) Er will mich früh umhüllen
mit Seinem Wort und Licht,
verheißen und erfüllen,
damit mir nichts gebricht;
will vollen Lohn mir zahlen,
fragt nicht, ob ich versag.
Sein Wort will helle strahlen,
wie dunkel auch der Tag.

  • Die Letzten die Ersten – Worte aus Matthäus 20,1-16

Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg.

Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.
Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müßig stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin.
Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.
Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben.
Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?
So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Wort unseres Herrn Jesus Christus!
Amen.

  • Wahrer Ruhm – Gedanken zu Jeremia 9,22f.

„So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ (Jer9,22f.)

„Keine Sau will mehr rühmen; jedes noch so dumme Schwein will berühmt werden.“ Diese freche Feststellung des Dichters Robert Gernhardt fasst ganz gut die Forderung Jeremias zusammen. Aber, vielleicht ist das gar nicht so schwer, was der HErr hier von mir fordert: Halte ich wirklich soviel von meiner Weisheit? Mein Reichtum ist doch auch nicht so groß. Von meiner Stärke brauche ich erst recht nicht zu reden. Kein Grund mich zu rühmen. Denn ich finde doch immer Beispiele größeren Reichtums, größerer Weisheit und Stärke.
So gesehen habe ich mir nichts vorzuwerfen.
Auf der anderen Seite bin ich mir aber auch nicht sicher, ob ich wirklich klug bin und den Herrn kenne. Deshalb rühme ich mich – laut oder leise. Denn nie bin ich mir sicher, ob meine Mitmenschen mitbekommen, was ich kann und bin. Das Rühmen und Vergleichen ist mir wichtig. Denn am Ende will ich nicht zu kurz kommen, weil irgendjemand übersieht, was meine Stärken und Vorzüge ausmachen. Im Grunde traue ich diesen Mitmenschen nicht zu, dass sie es gut mit mir meinen. Ich muss mich behaupten.
Auch in Verbindung mit seiner Forderung zeichnet der Prophet selbst so eine Situation:

„Ein jeder hüte sich vor seinem Freunde und traue auch seinem Bruder nicht; denn ein Bruder überlistet den andern, und ein Freund verleumdet den andern. Ein Freund täuscht den andern, sie reden kein wahres Wort. Sie haben ihre Zunge an das Lügen gewöhnt. Sie freveln, und es ist ihnen leid umzukehren. Es ist allenthalben nichts als Trug unter ihnen, und vor lauter Trug wollen sie mich nicht kennen, spricht der Herr.“ (Jer 9,3-5)

Damit die Leute mich kennen, verzichte ich auf die Kenntnis Gottes. Ein bitteres Urteil. Das menschliche Miteinander ist durchdrungen von Misstrauen und Betrug. Keiner vertraut dem anderen. Ich muss meine Rechte verteidigen. Ich muss meinen Anspruch durchsetzen. Ich muss mich rühmen, um das zu erreichen, was mir zusteht.
Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit werden nicht geübt. Ich fordere sie bestenfalls für mich ein. Die anderen sind mir egal. Ihnen ist sowieso nicht zu trauen. Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht. Ein trauriges Bild.
Aber nicht soweit von der Realität entfernt. Der Jurist und ehemalige Politiker Hans Peter Bull stellt in einem Aufsatz über die Regelwut im deutschen Recht fest: Als weiterer Faktor der ständigen Normenvermehrung darf aber auch eine sozialpsychologische Tatsache gelten, die selten als Manko betrachtet wird, nämlich das allseitige gegenseitige Misstrauen der Menschen – Misstrauen, das oft auf der Angst um den eigenen Besitzstand beruht.“ (Vgl. Merkur, Zeitschrift für europäisches Denken, Nr. 873, Heft 2, Februar 2022)
Was er damit sagen will: Ausufernde Gesetze und Vorschriften sind nicht nur dem Kontrollbedürfnis des Staates anzulasten, sondern auch der Angst des einzelnen Menschen, zu kurz zu kommen.
Auch hier wird der Grund im Misstrauen untereinander benannt. Im Kern ruht dieses Misstrauen in der Annahme mangelnder Anerkennung. Ich werde nicht gesehen von meinem Gegenüber, wenn ich mich nicht schmücke. Eben das ist das Rühmen.
Ich traue schlicht meinen Arbeitskollegen, meinem Nachbarn, meinen Freunden, meinen Kindern, meinem Partner, meinen Eltern nicht zu, dass sie mich so annehmen, wie ich bin; dass mir Gerechtigkeit widerfährt. Dann stelle ich doch lieber noch einmal klar, was mich auszeichnet.
Das betrifft also nicht nur einen oberflächlichen Luxus, einem geschmückten Körper oder eine arrogante Art geistiger Überlegenheit. Sondern jede Geste meines Könnens kann davon betroffen sein. Auch die schönen, nützlichen und hilfreichen Taten sind nicht frei davon. Ich spiele gekonnt ein Musikstück. Ich helfe meiner Nachbarin im Garten. Ich gebe eine großzügige Spende. Selbst wenn ich mich nicht damit brüste, registriere ich es doch bei mir. Gut gemacht!, sage ich mir dann, Wer noch? Toller Typ bin ich!
Ansonsten Misstrauen. Gegenüber meinem Nächsten und sogar gegenüber mir selbst.

Vor Gottes Augen ist das eben keine Klugheit. Wer so handelt, kennt den Herrn nicht. Denn Gott hat mich nicht so gemacht, dass mich meiner Existenz, für das, was ich tue und wirklich brauche, rühmen müsste. Wenn ich meine Kraft, meinen Reichtum und meine Weisheit so zur Schau stelle, misstraue nicht nur meinem Nächsten sondern auch Gott selbst.
Ich hänge mich mit all meiner Kraft an Dinge, die immer wieder und jederzeit in Frage gestellt werden können.
Vergleichen macht unglücklich, sagt der Volksmund. Vergleichen und Rühmen ist blind, und sieht nichts. Es kennt Gott nicht und auch nicht seine Geschöpfe. Weder was mein Nächster kann, noch was ich kann, noch was Gott mir gegeben hat.
Es ist immer nur der Unterschied zu sehen, die an sich eben nichts ist.

Wenn aber sogar meine guten Taten so bedenklich zum Ruhm neigen, hilft vielleicht nur ein Gegenangriff. Nämlich der, der in Robert Gernhardts Bonmot schon angelegt ist. Einfach andere rühmen. Sich freuen an dem, was der andere kann. Vor Freude quietschen darüber, was einer anderen gelingt. Eine wunderbare Musik ist mir im Ohr. Wie wunderbar, dass Gott dem Organisten so geschickte Hände geschenkt hat. Und wie die Nachbarin ihren Blumengarten angelegt hat! Ich habe einfach so meinen Anteil daran. Ein Glück, dass ich ihr helfen kann. Danke, Gott! Und wenn ich sehe, wie mein dürftiger Geldbetrag zusammen mit den anderen dürftigen Geldbeträgen etwas bewirken kann, staune ich. Weil ich nicht allein bin. Weil andere mitmachen. Weil ich mich darauf verlassen kann. Weil Gott dabei ist und mir ganz nah.

Amen.

  • Der Ruhm, Gott zu kennen – Miteinander und füreinander beten

Herr, hilf uns dich kennen zu lernen.
Herr, hilf zum Ruhm, der dir entspricht.

Hilf uns zum Ruhm,
der über Tellerränder blickt;
der den politischen Gegner nicht nur als Gegner sieht;
sowohl bei den Verhandlungen über die Krise in der Ukraine;
als auch bei den schwierigen innenpolitischen Streitigkeiten wegen der Coronapandemie.

Hilf uns zum Ruhm,
der Mut zum Glauben hat. Der offen bekennt,
wie sehr uns in der Gemeinde Gott am Herzen liegt;
und niemanden ausschließt von der Gemeinschaft.

Hilf uns zum Ruhm,
der einen Blick auf die Geschichte wirft,
die uns im Frieden hält und zum Frieden hilft.
78 Jahre nach dem Beginn der Zerstörung Dresdens
ist es besonders wichtig, diesen Blick des Friedens zu wahren.

Hilf uns zum Ruhm,
indem wir lernen, Hilfe anzunehmen;
den Mitmenschen zu vertrauen, dass sie es gut meinen,
Macht auch abgeben zu können, sich einzugestehen,
das auch im Schwachsein, im Kranksein, in der Einsamkeit
Gottes Kraft nicht vergeht, wenn wir Hilfe zulassen können.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

4. Sonntag vor der Passionszeit (06.02.)2022

  • Eröffnung

„Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.“ So begrüßt uns der Psalm 66 als wunderbare Menschenkinder Gottes. Getragen in Gottes Armen. Für diesen Tag, für die kommenden Tage, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

  • Seine Wunder im Meer – Worte aus Psalm 107

Danket dem Herrn; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat,
Die mit Schiffen auf dem Meere fuhren
und trieben ihren Handel auf großen Wassern,
die des Herrn Werke erfahren haben
und seine Wunder im Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr,
die dann zum Herrn schrien in ihrer Not
und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter,
dass die Wellen sich legten
und sie froh wurden, dass es still geworden war
und er sie zum ersehnten Hafen brachte:
Die sollen dem Herrn danken für seine Güte /
und für seine Wunder,
die er an den Menschenkindern tut,
und ihn in der Gemeinde preisen
und bei den Alten rühmen.

  • Ein Lied: Stimme, die Stein zerbricht (EGE 21)

Stimme, die Stein zerbricht, · kommt mir im Finstern nah,
jemand, der leise spricht: · Hab keine Angst, ich bin da.
Sprach schon vor Nacht und Tag, · vor meinem Nein und Ja,
Stimme, die alles trägt: · Hab keine Angst, ich bin da.
Bringt mir, wo ich auch sei, · Botschaft des Neubeginns,
nimmt mir die Furcht, macht frei, · Stimme, die dein ist: Ich bin’s.
Wird es dann wieder leer, · teilen die Leere wir.
Seh dich nicht, hör nichts mehr · und bin nicht bang: Du bist hier.

  • Ein Gespenst – Worte aus Matthäus 14,22-33

Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein.
Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen:
Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht.
Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Wort unseres Herrn Jesus Christus!
Amen.

  • Was mir Angst machte Gedanken zu Matthäus 14

In der Kinderbuchreihe „Harry Potter“ gibt es ein Wesen namens Irrwicht. Es hat eine eigentümliche Eigenschaft. Für jede Betrachterin sieht es anders aus. Es nimmt nämlich die Gestalt dessen an, vor dem ich mich am meisten fürchte. Jagt mir etwa meine Grundschullehrerin den größten Schrecken ein, nimmt das Wesen ihre Gestalt an.
Im Evangelium des heutigen Sonntags passiert etwas Vergleichbares. Jesus, der den Jüngern im Boot auf der stürmischen See entgegengeht, erscheint ihnen als Phantasma, als Schreckgestalt, als Gespenst.
Das Phantasma ist ein Trugbild. Die Erscheinung Jesu als Gespenst ebenso wie die individuelle Gestalt des Irrwichts. Sie entsprechen nicht der Wirklichkeit. Wenn sich aber mein Blick verengt und ich voller Angst auf eine gefährliche Situation blicke, sehe ich das, was ich besonders fürchte.
Der Irrwicht steht für eine sehr menschliche Reaktion. Sie gleicht mein Inneres mit dem Äußeren auf eine irrtümliche Weise ab. Die äußere Gefahr wird übergroß angesichts eines inneren Bildes, das mir in der Vergangenheit große Angst machte.
So wiederholt sich diese Fehldeutung auch bei Petrus. Angesichts der Wellen verliert er sein Vertrauen und droht zu ertrinken.
Der Irrwicht kann der Erzählung nach bekämpft werden durch eine Veränderung des inneren Bildes. Was mir Angst und Bange macht, wird ersetzt durch ein ungefährliches Bild, indem ich das Schreckensbild lächerlich mache. Die Grundschullehrerin beispielsweise fängt an zu tanzen und verlässt mit einem verklärten Blick das Klassenzimmer. Die Gefahr ist gebannt. Jesus spricht die Jünger an, und sie erkennen ihn. Dem ertrinkenden Petrus reicht er die Hand. Was die Jünger sehen und erleben, passt wieder zum tatsächlichen Geschehen.
Dazu gehört Jesu Tadel. Du Kleingläubiger! Wo die Angst übergroß ist, hat der Glaube keinen Platz mehr. Er wird kleiner und kleiner.

Zahlen, Masken, Spaziergänge: Alles das wirkt bedrohlich in dieser Zeit. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich zu Beginn der Coronapandemie meinen Blick kaum abwenden konnte von den täglich sich überschlagenden Nachrichten. Ich sitze hinter dem Bildschirm und warte voller Angst auf eine erlösende Nachricht. Aber die kam nicht. Die Gedanken wurden nur noch verwirrter und mein Seele noch ängstlicher. Die Augen wie festgestellt auf das immer bedrohlicher wirkende Szenario. Der Wirklichkeit entsprach das aber nur teilweise. Ja, die Erkrankung ist gefährlich; ja, es ist gut, eine Ansteckung zu vermeiden. Aber es gibt daneben noch mehr. Ebenso Wichtiges. Kontakt zu anderen Menschen, die alltäglichen und besonderen Aufgaben, die Freude am Leben. Wenn dafür kein Platz mehr ist, weil mich die Angst beherrscht, wird das Leben und der Atem und die Seele eng. Ich hocke da wie im Tunnel. Ein Schreckgespenst, genährt aus alten Geschichten und neuen Bildern, hält mich gefangen.
Dann ist es gut und heilsam, wenn ich auf eine Stimme jenseits des Bildschirms höre und eine helfende Hand ergreife. Komm mal vorbei, fordert mich ein guter Freund auf. Trotz Ausgangssperre? Nun ja, was tun? Aber das Gespräch gibt mir schon Orientierung. Ich lege das Handy beiseite. Fühle mich erlöst von angstmachenden Trugbildern, die sich in meinem Kopf breitgemacht haben. Die stürmischen Wellen weichen, die Dinge haben wieder ihren richtigen Platz und ihre angemessene Bedeutung, und ich habe wieder festen Grund unter den Füßen.

Wohlgemerkt, die äußere Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Es hilft auch nichts aus lauter Angst die Gefahr ganz zu leugnen. Ein realistischer Blick hilft. Doch dazu muss ich auch bereit sein. Im Vertrauen auf Jesu göttliche Macht kann der Blick wieder frei werden. So erging es den Jüngern. Im Vertrauen darauf, dass Nächstenliebe und Gemeinschaft stärker sind als meine persönliche Angst, klärt sich mein Blick und mein Denken und Fühlen. Meine Handlungen passen dann wieder zu dem, was um mich vor sich geht. Ein Krankenhauspatient erzählt von der langen Zeit, die seine Genesung braucht und von dem, was ihm geholfen hat. Seine Erfahrung damit bringt es auf den Punkt: Das, was mir erst Angst machte, erwies sich in Wahrheit als heilsam.

Das fühlt sich wunderbar an. Obwohl ich natürlich aus Erfahrung weiß, dass der nächste Moment kleinen Glaubens nicht weit ist, dass das nächste Trugbild nicht lange auf sich warten lässt, kann ich dennoch die Erfahrung – und vor allem meinen Glauben – dagegen stellen, die mir wieder heraus helfen. Wunderbarerweise!

Amen.

  • Unsere Augen – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
schön wäre, dem Petrus es gleich zu tun. Die ersten Schritte gehen, auch wenn das Ergebnis ungewiss ist, auch wenn wir Fehler machen dabei, Angst haben.
Wenn Politiker Fehler machen könnten bei dieser Pandemie, ohne dass die Bevölkerung sofort das Vertrauen verliert. Wenn die Politik akzeptieren könnte, dass eingeschlagene Wege nicht immer beibehalten werden müssen und der Protest dagegen nicht immer eine Bedrohung darstellt.
Schön wäre es, wenn Russland und die Ukraine, und all die anderen Länder in diesem Konflikt aufeinander zugehen könnten. Wenn sie sich die Hand reichen würden und – um des Friedens willen – nicht auf jeden Anspruch bestehen würden.
Schön wäre es, wenn sich die Opfer einer missbrauchenden Kirche endlich gehört fühlen könnten; wenn wir den Mut haben, Fehler zu zugestehen, weil wir darauf vertrauen, dass nur auf diese Weise das Evangelium wahrhaft verkündet werden kann. Wenn die Kritiker ebenso sehen könnten, wie viel Herz und Sanftmut in unseren Gemeinden Platz haben.
Schön wäre, wenn wir aufeinander zugehen können in all unseren privaten Beziehungen; alte Wunden schließen, gern auch mit schiefen Narben; dass wir wieder miteinander sprechen und uns nah sein können in dieser wilden Welt.
Schön wäre es, guter Gott, wenn uns die Worte Jesu gewiss machen könnten, dass du uns mit allen Fehlern, Narben, Kompromissen und mit aller Schuld lieb hast.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Letzter Sonntag nach Epiphanias (30.01.)2022

  • Eröffnung

„Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Mit dieser verheißungsvollen Nachricht eröffnet der Prophet Jesaja diese Woche. Am Ende der Weihnachtszeit. Noch einmal der Glanz des Sternes über der Krippe in Bethlehem. Welchen Platz hat aber dieser Stern in unserer Welt? In Gedanken, Liedern und Gebeten wird dem nachgegangen. Amen.

  • Hoch erhöht über alle Götter – Worte aus Psalm 97

Der Herr ist König; des freue sich das Erdreich
und seien fröhlich die Inseln, so viel ihrer sind.

Wolken und Dunkel sind um ihn her,
Gerechtigkeit und Recht sind seines Thrones Stütze.
Feuer geht vor ihm her
und verzehrt ringsum seine Feinde.
Seine Blitze erleuchten den Erdkreis,
das Erdreich sieht es und erschrickt.
Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem Herrn,
vor dem Herrscher der ganzen Erde.

Die Himmel verkündigen seine Gerechtigkeit,
und alle Völker sehen seine Herrlichkeit.
Schämen sollen sich alle, die den Bildern dienen /
und sich der Götzen rühmen.
Betet ihn an, alle Götter!
Zion hört es und ist froh,
und die Töchter Juda sind fröhlich, weil du, Herr, recht regierest.
Denn du, Herr, bist der Höchste über allen Landen,
du bist hoch erhöht über alle Götter.

Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge!
Der Herr bewahrt die Seelen seiner Heiligen;
aus der Hand der Frevler wird er sie erretten.
Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen
und Freude den aufrichtigen Herzen.
Ihr Gerechten, freut euch des Herrn
und danket ihm und preiset seinen heiligen Namen!

  • Ein Lied: Morgenglanz der Ewigkeit (EG 450)

Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschöpften Lichte,
schick uns diese Morgenzeit
deine Strahlen zu Gesichte
und vertreib durch deine Macht
unsre Nacht.

Deiner Güte Morgentau
fall auf unser matt Gewissen;
lass die dürre Lebensau
lauter süssen Trost genießen
und erquick uns, deine Schar,
immerdar.

Gib, dass deiner Liebe Glut
unsre kalten Werke töte,
und erweck uns Herz und Mut
bei entstandner Morgenröte,
dass wir eh wir gar vergehn,
recht aufstehn.

Ach du Aufgang aus der Höh,
gib, dass auch am Jüngsten Tage
unser Leib verklärt ersteh
und, entfernt von aller Plage,
sich auf jener Freudenbahn
freuen kann.

Leucht uns selbst in jener Welt,
du verklärte Gnadensonne;
führ uns durch das Tränenfeld
in das Land der süssen Wonne,
da die Lust, die uns erhöht,
nie vergeht.

  • Die Haut seines Angesichts glänzte – Worte aus 2. Mose 34,29-35

Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der Herr mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
Und wenn er hineinging vor den Herrn, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Wort des lebendigen Gottes.
Amen.

  • Noch – nicht – Gedanken zu 2. Mose 34

Das Volk Israel ist in der Wüste auf dem Weg in das gelobte Land. Mose führt es an. Wie er es zuvor aus Ägypten herausgeführt hat. Hier, mitten in der Wüste, vor dem Berg Sinai, übergibt Gott dem Volk seine Gebote. Auf zwei steinernen Tafeln. Die ersten Tafeln zerbricht Mose aber, weil das Volk Israel das Goldene Kalb anbetet. Jetzt hat er das zweite Paar Tafeln, von Gott beschrieben, und präsentiert diese erneut. Ein eigentümlicher Begleitumstand wird in die Erzählung eingewoben. Moses Angesicht glänzt von der Begegnung mit Gott, in seine Haut hat sich die Gegenwart Gottes eingeprägt. Die Vertreter des Volkes, Aron und die Obersten der Gemeinde, nähern sich ihm, weichen aber erschreckt vor dem Glanz der Haut Moses zurück. Dieser ruft sie wieder zu sich, ebenso auch das ganze Volk, verweist sie auf die Gebote. Dann verschleiert er sein Gesicht und seine Haut. So bleibt es dann. Mit Gott redet Mose ohne Schleier, mit dem Volk Israel mit Schleier, um den göttlichen Abglanz zu verbergen.
Eine seltsame Geschichte. Obwohl die Menschen vor dem Abglanz erschrecken, wenden sie sich ihm doch zu. Mose verbirgt sein glänzendes Antlitz erst dann, nachdem er ihnen die Gebote gegeben hat.
Eine Erklärung wäre die der religiösen Grundbewegung aus Schrecken und Faszination. Nach dem Religionswissenschaftler Rudolf Otto sind Religionen grundsätzlich von diesem spannungsreichen Paar menschlicher Empfindung geprägt. Nähe suchen, Nähe meiden; so wie ich einem gefährlichen und schönen Tier gegenübertrete. Ich nähere mich, um es besser betrachten zu können. Zugleich aber sehe ich mich vor, um es nicht zu reizen, komme ihm besser nicht zu nahe. Mose trägt den Abglanz von Schrecken und Faszination auf seiner Haut.
Der Glanz aber schreckt nicht nur ab. Anscheinend ist auch die Begier, einen Blick auf Gottes Herrlichkeit zu werfen und Anteil an ihr zu haben, verführerisch. Sobald aber die Israeliten diesen verführerischen Glanz sehen, verbirgt ihn Mose.
So soll sich Gott nicht zeigen. Sagt es nicht weiter, sagt auch Jesus auf dem Berg zu seinen treuen Jüngern. So will sich Gott nicht zeigen. Noch nicht. Deshalb weiß auch Mose nichts von seiner leuchtenden Erscheinung. Er tritt in aller Bescheidenheit vor seine Leute. Er weiß nur von den grauen Steintafeln. Das will er ihnen bringen. Gottes Erscheinung vor den Israeliten sind eben diese Tafeln, die Tafeln der Gebote oder wie sie in der Übersetzung von Buber und Rosenzweig genannt werden: Tafeln der Vergegenwärtigung. Das ist Gottes Gegenwart: Im Kapitel 32 des zweiten Mosebuches wird das bei der Beschreibung ihrer Verfertigung nochmals deutlicher: Mosche wandte sich und stieg nieder vom Berg, die zwei Tafeln der Vergegenwärtigung in seiner Hand, Tafeln beschrieben von ihren beiden Seiten, von hier und von hier waren sie beschrieben, und die Tafeln, Werk Gottes sie, und die Schrift, Schrift Gottes sie, gegraben in die Tafeln. Der hebräische Sprachduktus, der bei Buber-Rosenzweig besonders hervortritt, macht noch einmal die Vergegenwärtigung Gottes in den Tafeln mehr als deutlich.
Es ist nicht zu bestreiten, was Mose in seiner Haut trägt; die strahlende Erscheinung Jesu auf dem Berg; das ist ein Stück Himmel.
Aber so will sich Gott nicht zeigen, so will er nicht erscheinen hier auf Erden: Er zeigt sich vielmehr in den nüchternen Geboten, in Stein gegraben, schlicht und beständig; er zeigt sich, nicht als strahlender Engel und mächtiger Bote Gottes; sondern als Mensch, verletzlich, aus Haut und Knochen; ein Schmerzensmann.
Vielleicht, liebe Gemeinde, ist der Himmel in all seinem Glanz nicht für das Leben, unser Leben hier auf unserer grauen Erde an diesem grauen Januartag, am Ende der Weihnachtszeit, ist – noch – nicht – für uns bestimmt. Für uns gilt vielmehr das höchste Gebot, den Nächsten lieben, und das heißt nichts anderes als Gott zu lieben, so wie er hier auf Erden für uns Menschen da ist, wie er uns erscheint, weihnachtliches Kind in der Krippe.
Mag sein, dass dann, nach diesem Leben, ein ganz anderer Glanz für uns scheint. Ein Glanz der Sonne, wie er im Predigtlied beschrieben ist. Ein Morgenglanz für die Welt im Jenseits. Später!

Aber jetzt sind wir noch hier. Also, ihr Volk Israel, ihr Christenheit, bescheidet eure Augen; lenkt sie nicht auf den Glanz des Himmels, sondern auf den grauen Stein vom Berg Sinai; lenkt sie nicht auf den Glanz der Welt, sondern auf den Menschen, der dir grade nicht besonders glanzvoll gegenübertritt. Da ist Gott vergegenwärtigt, eingeschrieben, Werk Gottes, und die Schrift Gottes.

Amen.

  • Unsere Augen – Miteinander und füreinander beten

Lenke unsere Augen, Gott im Himmel, hier auf Erden,
dass sie nicht verführt werden durch den Glanz,
den Geld und Macht auf dieser Welt versprechen.
Stärke den Mut aller Menschen, die Verantwortung dafür tragen,
für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen, beständig und treu.

Hüte unsere Augen, Gott im Himmel, hier auf Erden,
dass sie nicht im falschen Eifer nach Götzenbildern suchen.
Stärke unsere Gemeinden, dass sie deine Botschaft
von dem Menschen Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen
auch in den grauen, schweren Tagen weitertragen.

Wahre unsere Augen, Gott im Himmel, hier auf Erden,
dass sie sich nicht verschließen vor dem Kummer und den Tränen
der Kranken und Einsamen, der Wütenden und Verzweifelten.
Stärke uns, dass wir unseren Blick fest auf dich richten,
auf den, der durch sein Leid uns durch den Tod trägt.

Öffne unsere Augen, Gott im Himmel, hier auf Erden,
dass wir dich sehen lernen; mit all unseren Gedanken
und unserer Sehnsucht legen wir vor dich, was uns gerade beschäftigt.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag nach Epiphanias (23.01.)2022

  • Eröffnung

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“
Mit dieser Verheißung grüßt uns der Evangelist Lukas. Wir werden Grenzen überschreiten, innere und äußere, für eine bessere Gemeinschaft in Frieden und Sanftmut.

  • Weise mir, Herr, deinen Weg – Worte aus Psalm 86

Herr, neige deine Ohren und erhöre mich;
denn ich bin elend und arm.
Bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu.
Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich.
Denn du, Herr, bist gut und gnädig,
von großer Güte allen, die dich anrufen.
Vernimm, Herr, mein Gebet
und merke auf die Stimme meines Flehens!
In der Not rufe ich dich an;
du wollest mich erhören!
Herr, es ist dir keiner gleich unter den Göttern,
und niemand kann tun, was du tust.
Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen
und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren,
dass du so groß bist und Wunder tust
und du allein Gott bist.
Weise mir, Herr, deinen Weg,
dass ich wandle in deiner Wahrheit;
erhalte mein Herz bei dem einen,
dass ich deinen Namen fürchte.

  • Ein Lied: Lobt Gott, ihr Heiden all (EG 293)

Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all,
lobt Gott von Herzensgrunde,
preist ihn, ihr Völker allzumal,
dankt ihm zu aller Stunde,
dass er euch auch erwählet hat
und mitgeteilet seine Gnad
in Christus, seinem Sohne.

Denn seine groß Barmherzigkeit
tut über uns stets walten,
sein Wahrheit, Gnad und Gütigkeit
erscheinet Jung und Alten
und währet bis in Ewigkeit,
schenkt uns aus Gnad die Seligkeit;
drum singet Halleluja.

  • Solchen Glauben – Worte aus Matthäus 8,5-13

Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm;
der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.
Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.
Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s.
Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast.
Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Wort unseres Herrn Jesus Christus.
Amen.

  • Eine Geschichte

Herr B., aber nennen wir ihn ruhig Paul, also Herr B., Paul also geht in seinen Dreiviertelmeterschritten durch die Stadt. Jetzt nur noch die Trauermusik, denkt er. Diese Musik ebenso wie das Aussehen der Urne, die Paul wenige Minuten zuvor beim Bestatter aussuchte – ohne Bild, aus Holz, elegante Form (eine Abbildung aus dem Katalog hat er dabei, damit seine Schwiegertochter den passenden Blumenschmuck aussuchen kann) – war schon längst festgelegt für den Fall, dass sie, Pauls Frau, sterben würde. Das entsprechende Musikstück soll er nun als Tonträger für die Trauerfeier bereit halten. Der aber fehlt Paul eben noch, denn sie hatten diese Musik genau genommen nur einmal gehört, während eines Konzertes. Paul wirkt irritiert wegen dieser Nachlässigkeit, die ihm so gar nicht eigen ist. Nun lenkt er seine Schritte zur Musikalienhandlung Schmidt und ist sich nicht sicher, ob es dort überhaupt eine entsprechende CD zu kaufen gibt, ja, er kann sich im Grunde gar nicht sicher sein, ob es dieses Geschäft überhaupt noch gibt. Es ist fast ein ganzes Leben her, dass er es betreten hat. Nötigenfalls wird er dort nach einer Alternative fragen. Ein Versuch ist es wert, ermuntert er sich. Dennoch, diese Unsicherheit lässt ihn leicht abweichen von seinem gemessenem Schrittmaß.
Erleichtert erkennt er den vertrauten Schriftzug über dem Schaufenster. Selbst die Türglocke ist noch dieselbe. Altmodisch, denkt Paul, wobei dieser Gedanke nicht zu seiner Erleichterung passt. Sehr wohl aber die Wehmut, die sich mit dem Klang der Glocke einstellt. Im Laden werden seine Schritte kleiner, während er sich suchend umschaut. Sein Blick streift einen schwarzen Flügel. Nicht berühren!, liest Paul, der glänzende Lack soll von Fingerabdrücken verschont bleiben. Für einen Moment vergisst Paul sein Vorhaben. Das sieht ihm wirklich nicht ähnlich. Es werden Momente daraus. Erinnerungen.

Klavierstunden!, entschied der Vater. Eine wohlüberlegte Entscheidung. Denn ein Klavier war schon vorhanden. Mitte der 50er Jahre hinter dem hohen Fenster eines Gründerzeithauses. Keine Anschaffung wäre also nötig, nur ein Klavierstimmer. Und so geschah es. Paul widersprach nie. Der 10jährige übte fortan gewissenhaft jeden Tag zur festen Zeit zwei Stunden. Genau zwei Stunden. Gehorsam folgte er den Anweisungen der Klavierlehrerin. Aber umso mehr er übte, exakt zwei Stunden am Tag, umso mehr fehlte seiner Lehrerin das musikalische Gefühl ihres Schülers. Paul schüttelte den Kopf, wenn sie ihn darauf ansprach. Nein, er wolle kein anderes Instrument lernen. Paul brauchte kein Gefühl. Er sah nur das Nicken seines Vaters, wenn er nach zwei Stunden auf die Sekunde Czernys Etüden wieder zuklappte. Sie passten am besten zu Pauls gewissenhafter Art in ihrem eintönigen Auf und Ab. Diese Gewissenhaftigkeit führte dann aber auch zum Ende des Klavierspielens. Als Paul nach dem Abitur die elterliche Wohnung verliess, um in Dresden Elektrotechnik zu studieren, verliess er auch das Reich der Musik. Im Studentenwohnheim war kein Platz für ein Klavier. Seit dieser Zeit hatte er nie wieder ein Instrument angerührt, so wie es auch das Schild hier im Laden forderte.

CDs haben wir hier nicht, ist die lächelnde Auskunft des Verkäufers. Paul schreckt auf. Hatte er denn schon gefragt? Bevor er sich aber selbst eine Antwort geben kann, sind seine Gedanken wieder bei dem Schild auf dem Flügel. Nicht berühren! Der Verkäufer weist auf das schwarzlackierte Instrument als ob er die Gedanken Pauls erriete: Sie schauen sich noch um? Paul nickt. Er stellt keine Frage mehr. Er geht auf den Flügel zu. Geradewegs. Der Verkäufer entfernt sich und hantiert an den ausgestellten Gitarren im hinteren Teil des Geschäftes. Dennoch ist er erstaunt, als er plötzlich den Flügel hört. Czernys Etüden, ausgerechnet Czernys Etüden, fragt er sich. Aber dann lächelt er wieder, denn mit so viel Gefühl vorgetragen hat er sie noch nie gehört.

  • Wirksame Stimmen – Gedanken zu Matthäus 8

Liebe Gemeinde,

welcher Stimme folgen wir? Wer gibt den Ton an? Wer erteilt die Befehle?
Innere oder äußere Stimmen können das sein. Und oft werden aus äußeren Stimmen innere; und innere Stimmen werden als äußere hingestellt und angesehen. Mein Vater hat gesagt. Meine Frau meint. Mein Hauptmann hat befohlen. Ich muss. Gott will. So könnten die Antworten lauten. Entscheidend ist aber nur, ob wir diesen folgerichtigen, tonangebenden und befehlenden Stimmen nachgeben. Wenn es uns – angeblich – gut tut, beispielsweise; oder aus Angst; oder aus Tradition.
Davon abzuweichen ist schwer. Es ist ein Wagnis und eine Grenzüberschreitung. Dafür braucht es gute Gründe.
Paul setzt sich an den Flügel und ignoriert das strenge Schild, wie er es – mutmaßlich – noch nie getan hat. Weil ihn die Trauer gepackt hat.
Der römische Hauptmann überschreitet die kulturelle, politische und religiöse Grenze zwischen römischem Reich und palästinischer Provinz. Weil er seinem Kind helfen möchte.
Jesus verbindet diesen mutigen Schritt mit dem Glauben. Der Glauben ist offenbar nicht festgelegt auf die religiöse Gemeinschaft der Anhänger Jesu zu dieser Zeit. Niemand ist ausgeschlossen. Glauben bedeutet in diesem Sinne, dass sich der Hauptmann aufmacht zu Jesus, und ihm vertraut. Weil Worte nach seiner Erfahrung wirksam sind. Dass diese Erfahrung für ihn eine militärische ist, finde ich persönlich irritierend. Eine Welt strikter Ordnung und Unterordnung. Auch eine Welt der Gewalt, die keine Abweichung toleriert. Gewissermaßen steht das sogar im Widerspruch zur Grenzüberschreitung. Es ist ein Bild für die unausweichliche Macht, der sich Menschen unterwerfen; elterlicher, militärischer, politischer, staatlicher, religiöser, und nicht zuletzt finanzieller Macht. Jesus sieht aber nur den Glauben. Egal, wo er herrührt. Der Hauptmann findet ihn eben in seiner militärischen Welt. Paul bringt den Kontakt zu seiner Trauer ausgerechnet mit Czernys Etuden zum Ausdruck. Das ist in der Geschichte eine humorvolle Pointe. Bitterernst ist aber der Grundgedanke. Glauben heißt eben Vertrauen auf Jesu Wort, diesem Wort unausweichliche Macht im eigenen Leben einzuräumen. Dazu gehört mitunter die Grenzüberschreitung und die Infragestellung anderer innerer und äußerer Stimmen und Gehorsamkeiten. Paul und der Hauptmann müssen den passenden Weg zu Jesus in ihrer eigenen Welt finden. Wie sieht es aber in meiner aus? Welchen Stimmen sind für mich tatsächlich tonangebend. Bitterernste Fragen. Das harte Höllenwort Jesu deutet das an. Und auch das eintönige Leben Pauls, der fast die Trauer um seine Frau „verpasst“ hätte.
Ich gehe also auf die Suche nach meinen inneren und äußeren Stimmen, denen ich mehr oder weniger gern gehorche. Und stelle sie in Frage, ob sie wirklich heilsam sind, ob sie – mit der Sprache des Evangeliums – zu Jesus führen.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Wieder hören – Miteinander und füreinander beten

O Gott,
hilf uns mit dem Wort Jesu.
Seine Stimme soll laut erschallen,
dass wir sie hören können.

Befreie uns aus den Fesseln der Stimmen dieser Welt.
Stimmen, die nach Krieg klingen und Grausamkeit.
Stimmen, die so verführerisch den Klang des Geldes über uns ausbreiten.
Stimmen, die uns fernhalten von den anderen Menschen, zu denen wir – angeblich – nicht gehören.
Stimmen, die unser Gewissen übertönen.
Stimmen, die uns verurteilen, nicht zu genügen, nicht schön, reich und klug genug zu sein.

Stelle diese Stimmen leiser,
dass wir wieder hören die leisen Stimmen,
die uns von Sanftmut und Zärtlichkeit erzählen,
von Mut, sich gegen das Unrecht zu stellen,
und von Liebe, die Gott uns schenkt.

Hilf uns mit dem Wort Jesu.
Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Epiphanias (16.01.)2022

  • Eröffnung

Über diesen Sonntag und dieser Woche steht ein Wort des Evangelisten Johannes. Er stellt fest: „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Welcher Art ist aber diese Fülle und wir werden wir ihrer teilhaftig? Dieser Frage wird in den folgenden Zeilen und Gedanken nachgegangen.

  • Sein Antlitz allezeit – Worte aus Psalm 89

Danket dem Herrn und rufet an seinen Namen;
verkündigt sein Tun unter den Völkern!
Singet ihm und spielet ihm,
redet von allen seinen Wundern!
Rühmet seinen heiligen Namen;
es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen!
Fraget nach dem Herrn und nach seiner Macht,
suchet sein Antlitz allezeit!
Gedenket seiner Wunderwerke, die er getan hat,
seiner Zeichen und der Urteile seines Mundes,
du Geschlecht Abrahams, seines Knechts,
ihr Söhne Jakobs, seine Auserwählten!
Er ist der Herr, unser Gott,
er richtet in aller Welt.
Er gedenkt ewiglich an seinen Bund,
an das Wort, das er verheißen hat für tausend Geschlechter,

  • Ein Lied: „In dir ist Freude“ (EG 398)
https://www.youtube.com/watch?v=8mJ8lsROAj8

1) In dir ist Freude in allem Leide,
o du süßer Jesu Christ!
Durch dich wir haben himmlische Gaben,
du der wahre Heiland bist;
hilfest von Schanden, rettest von Banden.
Wer dir vertrauet, hat wohl gebauet,
wird ewig bleiben. Halleluja.
Zu deiner Güte steht unser G’müte,
an dir wir kleben im Tod und Leben;
nichts kann uns scheiden. Halleluja.

2) Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden
Teufel, Welt, Sünd oder Tod;
du hast’s in Händen, kannst alles wenden,
wie nur heißen mag die Not.
Drum wir dich ehren, dein Lob vermehren
mit hellem Schalle, freuen uns alle
zu dieser Stunde. Halleluja.
Wir jubilieren und triumphieren,
lieben und loben dein Macht dort droben
mit Herz und Munde. Halleluja.

  • Was kein Auge gesehn hat – Worte aus 1. Korinther 2,1-10

Der Apostel Paulus schreibt:

Auch ich, meine Brüder und Schwestern,
als ich zu euch kam,
kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit,
euch das Geheimnis Gottes zu predigen.

Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.

Und ich war bei euch
in Schwachheit
und in Furcht
und mit großem Zittern;
und mein Wort und meine Predigt geschahen
nicht mit überredenden Worten der Weisheit,
sondern im Erweis des Geistes und der Kraft,
auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit,
sondern auf Gottes Kraft.

Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen;
doch nicht von einer Weisheit dieser Welt,
auch nicht der Herrscher dieser Welt,
die vergehen.
Sondern wir reden von der Weisheit Gottes,
die im Geheimnis verborgen ist,
die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,
die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat;
denn wenn sie die erkannt hätten,
hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Sondern wir reden, wie geschrieben steht:
»Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat
und in keines Menschen Herz gekommen ist,
was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist;
denn der Geist erforscht alle Dinge,
auch die Tiefen Gottes.

Wort des lebendigen Gottes. Amen.

  • Gerade dann ist Gott dabei – Gedanken zum 1. Korinther

Vor einiger Zeit hat die Evangelisch-reformierte Kirche im Norden des Landes einen Flyer für die Krankenhausseelsorge in Auftrag gegeben.
Hier können Sie sich ihn anschauen:

https://www.reformiert.de/files/reformiert.de/Bilder/artikelbilder/Krankenhaus/170221_khs-heft.pdf

Der Flyer wirbt mit den überraschenden und irritierenden (Nicht)-Angeboten:
Wir spenden keinen Trost.
Wir reden nicht vom lieben Gott.
Wir machen nichts.
Was genau dahinter steht, wird dann in deutlich kleinerer Schrift ausführlicher erklärt. Wer moderne Seelsorge kennt, weiß aber, dass die so absurd erscheinenden Aussagen durchaus dem Stand der seelsorgerlichen Praxis entsprechen. Trost spenden kann nur der, der ihn hat, erklärt der Flyer, nämlich Gott; oder dass Gott eben nicht immer „lieb“ sei, wie es auch viele biblische Geschichten erzählen; oder dass eben die Seelsorgerin nichts „macht“ in dem Sinne, dass nichts am oder mit den Patienten gemacht werde. Das Angebot der seelsorgerlichen Begleitung stellt eben den Menschen in den Mittelpunkt; und das, was diesen gerade beschäftigt. Nicht nur medizinische Probleme sind dafür in jedem Fall ausschlaggebend.

Ich komme also zum Patienten; und was passiert dann? Er sieht mich, er hat bestimmte Vorstellungen davon, was ein Seelsorger so tut. Und auf eine bestimmte Art und Weise ist auch Gott gegenwärtig. Manche sagen auch: Ich glaube nicht an Gott, aber schön, dass sie da sind. Eine andere sagt vielleicht auch: Außerhalb des Krankenhauses habe ich nichts mit Kirche zu tun, aber hier …

Es geschieht etwas in diesen Begegnungen, dass dem, was Paulus beschreibt, ziemlich nahe kommt. Was der Apostel aufgreift, sind dreierlei Dinge. Er schreibt etwas darüber, warum er kommt, unter welchen Umständen und was seine Botschaft ist.
Und auch das wirkt bei genauerem Hinsehen erstmal überraschend. Paulus kommt nicht als Kind dieser Welt, nicht als machtvoller Redner, sondern als von Gott gesandter Bote.
Auch ich kam nicht mit hohen Worten, sagt er. Dieses „auch“ nimmt darauf Bezug, dass sich in Korinth Streitigkeiten darüber ergeben hatten, wer das Sagen hat in der Gemeinde. Paulus sagt sehr deutlich, ich (auch) nicht! Die Seelsorgerin sagt, ich spende keinen Trost. Ich mache nichts. Ich erzähle nichts vom superlieben Gott. Ich habe hier nicht das Sagen.
Ebenso sind die Umstände unter den Paulus seine Botschaft mitbringt. Er kommt in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und nicht mit überredenden Worten der Weisheit, also der Weisheit der Welt. Ein fragwürdiger Bote, dieser Paulus. Er hat keine goldene Zunge und bietet einen erbarmungswürdigen Auftritt. Kann nichts, spendet nichts, bringt nichts mit, was einen vernünftigen Menschen überzeugen könnte.
Er weiß auch nicht viel: Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. Vier Worte also umfasst dieses Botschaft: Jesus Christus, den Gekreuzigten. Diese Botschaft in aller Kürze bedeutet: Es ist Jesus, der wahrhafte Mensch, einer wie du und ich; der aber zugleich der Gesalbte Gottes ist, der Retter und Heiland, der zur Rechten Gottes sitzt und der Auferstandene; es ist aber auch der Gekreuzigte, der einen schmachvollen Tod unter der Sündenlast der Menschen erlitten hat. Ein ganz normaler Mensch, einer, der den höchsten Titel trägt und ebenso einer, der zu den Verworfenen und Allerverachtesten gehört. Das ist die Botschaft. Gottes Botschaft. Sie spricht gegen alle Vernunft und Logik dieser Welt.

Liebe Leserin, lieber Leser,
was Paulus nun sagen will, ist dieses: Wer sich zu dieser Botschaft bekennt, braucht nicht die Weisheit dieser Welt, er braucht keinen brillianten Auftritt oder die überzeugende Kraft eines herausragenden Redners. Wer sich zu dieser Botschaft bekennt, steht in der Kraft der Weisheit Gottes. Die Weisheit, die uns Menschen zu Kindern Gottes erschaffen hat; die Weisheit, die uns weit über das irdische Los hinaus auf Händen trägt; die Weisheit, die uns nicht verderben lässt in Schuld und Scham.
Es geschieht, wenn Gottes Kraft gegenwärtig ist. Diese Kraft kann ich, ganz im Sinne des Seelsorgeflyers, nicht bei mir tragen. Sie lässt sich auch nicht reduzieren auf einen „lieben“ Gott, der alle meine Wünsche erfüllt; und ich kann sie auch nicht machen oder einsetzen wie ein Werkzeug. Sie geschieht eben.
So stehe ich in der Welt.
Praktisch heißt das, dass ich nun doch mit der Weisheit der Welt meine Arbeit und meinen Alltag bestreite. Dass ich mir Gedanken mache, wie ich gute Seelsorge leiste oder eine gute Predigt schreibe. Dass ich für das Nötige sorge, Rechnungen bezahle beispielsweise oder ein Treffen mit Freunden arrangiere. Das geschieht ja nicht von allein. Dass ich auch streite, meine Meinung vertrete und sage, was ich von dem, was in der Welt geschieht für falsch halte. Diese Fragen, auf die es so viele Antworten gibt. Wie erziehe ich meine Kinder richtig? Wie rette ich die Welt vor der Klimakatastrophe? Wie kann ich für Frieden sorgen und was kann ich gegen den Hunger in der Welt machen? Selbstverständlich habe ich da – mehr oder weniger – gute Antworten. Aber im Letzten bleiben sie unvollkommen. Auch durch Gottes Kraft ändert sich das nicht. Ich werde kein besserer Vater oder Meteorologe oder Politiker durch Gott. Aber es ändert sich etwas daran, wie ich letztendlich über meine weltlichen Weisheiten denke. Letztendlich werden sie nicht reichen.
In der Krankenhausseelsorge wird das sehr deutlich: Ich habe Bücher gelesen, ich habe eine Ausbildung absolviert und immer wieder darüber nachgedacht, wie ein Besuch verlaufen ist und mich dann mit anderen darüber ausgetauscht. Bei aller Mühe bleibt es aber dabei. Ich spende keinen Trost. Ich rede nicht vom lieben Gott. Ich mache nichts.
Ich glaube nur, dass gerade dann Gott dabei ist.

Amen.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Verwandle die Sorgen – Miteinander und füreinander beten

Lieber Gott,

gerne würden wir für Gerechtigkeit und Frieden sorgen;
dass deine guten Gaben für alle Menschen da sind.
Unsere Weisheit, das zu bewerkstelligen, ist sie zu schwach?
Sei mit uns, wenn wir daran festhalten und dafür arbeiten,
dass für alle Platz da ist und Essen und Frieden.

gerne würden wir für Gerechtigkeit und Frieden sorgen;
um endlich diese Pandemie zu beenden.
Immer wieder werden die Vorhaben durchkreuzt,
durch die Natur des Virus ebenso wie durch die Natur des Menschen.
Sei mit uns, wenn wir daran festhalten und dafür streiten,
dass wir nur gemeinsam dagegen ankommen können.

gerne würden wir deine Botschaft weitertragen und sie
vielen Menschen mitteilen; und machen doch immer wieder die Erfahrung, dass die Ohren wie verstopft sind.
Sei mit uns, wenn wir uns unverzagt doch wieder auf den Weg machen,
um Jesus Christus, den Gekreuzigten, den Menschen an das Herz zu legen.

gerne würden wir unseren Nächsten aufhelfen aus seinem Krankenbett,
dass er gesund an Leib und Seele unter uns ist;
manchmal aber hilft alles nichts, auch keine medizinische Kunst.
Sei mit uns, weil dann unsere Nähe besonders wichtig ist.

Hilf gerade dann unsere Ohnmacht mit deiner Weisheit zu tragen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Epiphanias (09.01.)2022

  • Eröffnung

„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ (Röm 8,14)
Es ist nicht so leicht, sich wieder wie ein Kind zu fühlen und den Geist Gottes zu spüren. Aber wir können Gott darum bitten und uns daran erinnern, was er uns in die Wiege gelegt hat.

  • Du bist mein Vater – Worte aus Psalm 89

Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich
und seine Treue verkünden mit meinem Munde für und für;
denn ich sage: Auf ewig steht die Gnade fest;
du gibst deiner Treue sicheren Grund im Himmel.
»Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Auserwählten,
ich habe David, meinem Knechte, geschworen:
Ich will deinem Geschlecht festen Grund geben auf ewig
und deinen Thron bauen für und für.« SELA.
Er wird mich nennen: Du bist mein Vater,
mein Gott und der Hort meines Heils.
Und ich will ihn zum erstgeborenen Sohn machen,
zum Höchsten unter den Königen auf Erden.
Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade,
und mein Bund soll ihm fest bleiben.
Ich will ihm ewiglich Nachkommen geben
und seinen Thron erhalten, solange der Himmel währt.

  • Ein Lied: EG432 Gott gab uns Atem (EG 432)

1
Gott gab uns Atem, damit wir leben,
er gab uns Augen, daß wir uns sehn.
Gott hat uns diese Erde gegeben,
daß wir auf ihr die Zeit bestehn.
Gott hat uns diese Erde gegeben,
daß wir auf ihr die Zeit bestehn.
2
Gott gab uns Ohren, damit wir hören.
Er gab uns Worte, daß wir verstehn.
Gott will nicht diese Erde zerstören.
Er schuf sie gut, er schuf sie schön.
Gott will nicht diese Erde zerstören.
Er schuf sie gut, er schuf sie schön.
3
Gott gab uns Hände, damit wir handeln.
Er gab uns Füße, daß wir fest stehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.

  • Halte dich bei der Hand – Worte aus Jesaja 42,1-9

Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
So spricht Gott, der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen: Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.
Ich, der Herr, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich’s euch hören.

Wort des lebendigen Gottes

  • Mit offenen Augen – Gedanken zu Jesaja 42

Einmal nichts tun, wirklich nichts tun.
Keine Arbeit, keine Körperertüchtigung, keine gute Tat, kein Gespräch, kein Hobby, keine Fahrt, keine Erledigung, keine Vergnügung, nicht einmal Schlaf. Ich liege auf der Wiese, auf einer Decke, die ist dicht um mich geschlagen.
Über mir der Himmel und die Zweige eines Baumes. Vor mir – direkt vor Augen – die Halme der Gräser. Sie schwanken im Wind ebenso wie die Blätter des Baumes. Am Himmel ziehen heiter die Wolken, spielen mit dem Sonnenlicht. Meine Gedanken sind ungebunden, mein Atem fließt, sanft und gleichmäßig. Meine Augen sind weit geöffnet und mein Geist ist hellwach. An das Gras und den Baum und den Himmel heften sich die Bilder, die mich ungeordnet und zufällig heimsuchen. Ich halte sie nicht fest und überlasse sie ohne Bedauern dem Wind, der das Gras und die Blätter und die Wolken bewegt. Einatmen – Ausatmen.
Gott, der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen: hält mich bei der Hand.

Liebe Leserinnen und Leser, Jesaja, der Prophet spricht hier den Knecht an, der Gerechtigkeit bringt, das Volk, das zum Licht der Heiden wird, und in unseren christlichen Glauben gewandt, Jesus Christus, das Licht der Welt; und schließlich fühle auch ich mich angesprochen.
Der Knecht, das Volk Gottes, Jesus Christus und schließlich auch ich, sind diejenigen, die nicht schreien noch rufen, die nicht ihre Stimme erheben auf den Gassen, die nicht zerbrechen das geknickte Rohr, die nicht auslöschen den glimmenden Docht, die in Treue hinaustragen das Recht. Der Knecht, das Volk Gottes, Jesus Christus und schließlich auch ich, sind diejenigen, die sich gehalten fühlen in Gottes guter Schöpfung, die Atem und Lebensodem bekommen unter den herrlichen Gewächsen des Himmels und der Erde. Geborgen in der Schöpfermacht Gottes.

In diesem Vertrauen auf die Güte Gottes, und in der Kraft der Sanftmütigkeit und Vergebung, des stillen und kräftigen Glaubens, in der Macht der Liebe, öffnen sie die Augen der Blinden, öffnen sie die Gefängnisse und Kerker, solche mit Mauern aus Stein und solche mit Eisengittern aus Angst.

Wenn ich aber höre die Leute schreien und rufen höre, die Stimmen höre auf den Gassen, mit Fackeln und Plakaten? Wie kann ich ihnen begegnen? Ich höre die Nachrichten und sehe die Bilder, von den Grenzen und Kriegen der Welt; Gewalt und Kälte und Hunger regieren. Wie kann ich meiner Ohnmacht begegnen? Ich spüre meine Grenzen und Fehler, kann nicht aus meiner Haut, fühle mich in mir gefangen? Wie schöpfe ich neuen Mut?

Ich wickle mich aus meiner Decke, recke meine Glieder, rapple mich auf, die Welt um mich hat sich verändert. Noch immer ist sie voller Angst und Schrecken, noch immer ringt die Dunkelheit um Macht, noch immer ertönt das Geschrei auf den Gassen. Aber mein Augenmerk liegt auf dem ersten Licht der Schöpfung, liegt nun auf dem, was geknickt ist und nur noch glimmt. Meine Gedanken sind sanfter geworden, meine Schritte leichter. Es ist wie ein Gebet. Diese Zeit, Gott zu überlassen, diese Gedanken, diese Pläne, diese Aufgaben und Überzeugungen. Keine Frage, der Alltag wird sich wieder einschleichen. Meine Stimme wieder zu hören sein auf den Gassen. Die dunklen Gedanken werden wieder Fuß fassen. Aber in diesem Moment weiß ich, wo ich wirklich hingehöre und was mein Auftrag ist. Augen öffnen, meine und die meiner Nächsten, Licht sein, weil Gott mir das Licht gegeben hat. So gut es geht, hier und jetzt. Wenn mein Kopf frei ist, liegt mir das klar vor Augen, was zu tun ist. Wenn mein Herz leicht ist, fasse ich auch den Mut, es anzugehen. Denn Gott hält mich bei der Hand.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Verwandle die Sorgen – Miteinander und füreinander beten

Herr, wir kommen zu Dir mit unseren Sorgen um die Menschen überall auf der Erde,
in den Nöten der Corona-Pandemie, in Hunger, Ausbeutung und Gewalt,
in den Katastrophen durch den fortschreitenden Klimawandel.

Wir bitten Dich, verwandle die Sorgen in Tatendrang und sinnvolle Aktionen.
Lass uns gemeinsam mit nahen und fernen Nächsten für Gerechtigkeit arbeiten.
Hilf uns teilen: Geld, Ideen, Medizin, Impfstoffe,
Nahrung, Wasser und Böden, dass alle leben!
Du sprichst: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Darum: sende Deinen Geist und inspiriere uns,
dass wir dir darin nachfolgen.
Mach aus unseren Herzen einen offenen Ort für andere,
für Flüchtlinge, für Entrechtete und für Versklavte.
Zeige uns, dass wir niemals alleine zu Dir kommen,
sondern in jedem Gebet vor Dir mit unzähligen Menschen verbunden sind, mit allen,
die um Frieden und Segen bitten.
Ein neues Jahr ist uns geschenkt –
hilf es gestalten in Deinem Sinn und Geist!

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Altjahrsabend 2021

  • Eröffnung

„Meine Zeit steht in deinen Händen.“
Der Psalmbeter des 31. Psalms weiß um seine Macht in Zeit und Ewigkeit.
Wir haben die Zeit nicht in unseren Händen. Die vergangene ebenso wenig wie die kommende. Deshalb vertrauen wir uns Gott an. In Worten, Gebeten und Liedern.

  • Schläft noch schlummert nicht – Worte aus Psalm 121

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels
schläft noch schlummert nicht.

Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.

Der Herr behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!

  • Ein Lied: „Jesus soll die Losung sein“ (EG 62)

1) Jesus soll die Losung sein,
da ein neues Jahr erschienen;
Jesu Name soll allein
denen als ihr Zeichen dienen,
die in seinem Bunde stehn
und auf seinen Wegen gehn.

2) Jesu Name, Jesu Wort
soll bei uns in Zion schallen;
und so oft wir an den Ort,
der nach Ihm genannt ist, wallen,
mache seines Namens Ruhm
unser Herz zum Heiligtum.

3) Unsre Wege wollen wir
nur in Jesu Namen gehen.
Geht uns dieser Leitstern für,
so wird alles wohl bestehen
und durch seinen Gnadenschein
alles voller Segen sein.

4) Alle Sorgen, alles Leid
soll der Name uns versüßen;
so wird alle Bitterkeit
uns zur Freude werden müssen.
Jesu Nam sei Sonn und Schild,
welcher allen Kummer stillt.

5) Jesus, aller Bürger Heil,
und der Stadt ein Gnadenzeichen,
auch des Landes bestes Teil,
dem kein Kleinod zu vergleichen,
Jesus, unser Trost und Hort,
sei die Losung fort und fort.

  • Bis zur Ernte – Worte aus Matthäus 13,24-30

Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach:
Das Himmelreich gleicht einem Menschen,
der guten Samen auf seinen Acker säte.
Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind
und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.
Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten,
da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm:
Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät?
Woher hat er denn das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan.
Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten?
Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft,
wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen
bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen:
Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel,
damit man es verbrenne;
aber den Weizen sammelt in meine Scheune.

Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Nicht immer perfekt – Gedanken zu Matthäus 13

Als Kind konnte ich dieses Gleichnis gut hören auf eine sehr anschauliche Art.
Die mühselige Arbeit des Unkrautzupfens zuhause und im Schulgarten
versuchte ich immer zu vermeiden; weil ich ja nicht wissen konnte, welche der grünen Pflänzchen stehen bleiben sollten und welche nicht. Eine gewisse Größe brauchten die nützlichen Pflanzen, um sie von den unerwünschten kleineren zu unterscheiden.

Das Bild des Matthäus geht hingegen davon aus, dass dieser Größenunterschied nicht besteht. Sie sind ununterscheidbar. Deshalb ist schlechterdings kein Zupfen möglich. Erst wenn die Zeit der Ernte naht, kann das Unkraut gesammelt und verbrannt werden. Es heißt also sich in Geduld üben und Unkraut und den guten Samen miteinander wachsen zu lassen. Bis zur Ernte.

Das Bild zielt ab auf die Gemeinde Jesu Christi. Unter den Gemeindegliedern mag es „Unkraut“ geben. Aber für menschliche Augen ist es nicht erkennbar. Der Evangelist sieht das mit einem weiten Blick. In seiner Deutung des Gleichnisses ist der Acker die Welt, der gute Same die Kinder des Reiches (Gottes) und das Unkraut die Kinder des Bösen. Mit Blick auf das Umfeld des Evangeliums könnte ich Bezug nehmen auf das jüdische Umfeld. Die Menschen, die sich zu Christus halten, trennen sich von der Synagoge ihrer Schwestern und Brüder, die sich nicht zum neuen Glauben bekennen. Das führt zu Konflikten. Sie werden in der Deutung des Gleichnisses greifbar. Möglicherweise steht auch eine feindliche Umwelt im damaligen römischen Reich im Hintergrund. Wer ist Feind und wer Freund? Diese Frage bleibt „bis zur Ernte“ offen und dem Urteil Gottes vorbehalten.

Wer ist ein guter Christ? Wer gehört zum Reich Gottes? Diese Frage kann ich auch heute noch stellen. Ich kann sie stellen mit Blick auf die Art und Weise, wie ich mein Christsein lebe und praktiziere. Ich kann sie stellen mit dem Augenmerk darauf, ob ich den Geboten klar und konsequent folge.
Am Jahresende aber, wo es üblich ist, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, kann ich sie auch stellen in der Weise, dass ich frage: Wer in den aktuellen Konflikten, wie z. B. Klimawandel, Flüchtlingskrise und Coronapandemie handelt im christlichen Sinne. Die Frage nach guten Samen hier und Unkraut dort ist dann eine der christlichen Ethik.
Neben meinen persönlichen Ansichten darüber, wie der Pandemie zu begegnen ist, ob Autofahren ein Grundrecht darstellt oder welchen Menschen dieses Land Obdach und Asyl gewähren sollte, gab und gibt es ganz konkrete Fragen, die auch unser Gemeindeleben direkt betreffen. Wie im vergangenen Jahr stellte sich auch in diesem besonders die Frage, ob und wie wir Gottesdienste feiern.
Mit der Coronapandemie war die Gemeinde und vor allem der Gemeindekirchenrat vor eine ungewöhnliche Verantwortung gestellt. Der Gottesdienst auf der einen Seite: eine Grundäußerung unseres Glaubens und ein Hort für die geplagte Seele. Die Gesundheit auf der anderen: die Gefahr der Ansteckung und eines gefährlichen Verlaufs der Infektion.
Die verschiedenen Meinungen dazu, der Umgang damit und die Entscheidungen, die schließlich getroffen wurden, haben viele in unserer Gemeinde beschäftigt und werden uns auch weiterhin beschäftigen. Wer kann, wenn Gottesdienst gefeiert wird, kommen? Das ist die Grundfrage. Und niemand soll ausgeschlossen sein. Offensichtlich gibt es dafür nicht die perfekte Lösung. Wer hat Recht und wer nicht? Das ist schwer zu unterscheiden. Die Pflanzen sind grün und gleich groß. Welche sollte ausgerupft werden?

Ich lese daher das Gleichnis so: Einerseits ist es gut, zuzuhören, Meinungen auszutauschen, klug abzuwägen und das Herz sprechen zu lassen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Andererseits ist es gut, den Frieden zu wahren, immer wieder um Verständnis zu werben und offen zu bleiben für das, was den Menschen unserer Gemeinde und des Stadtviertels am Herzen liegt. Geduld zu haben und zu üben. Auf Gott zu vertrauen, dass er es am Ende gut machen wird.

Nicht immer wird das perfekt gelingen. Nicht immer wird es möglich sein für jede und jeden von uns, demütig zu sein und gleichzeitig mit kühlem Kopf und Klarheit das eigene Anliegen vorzutragen. Manche Entscheidungen, Zugeständnisse und Kompromisse sind nur schwer auszuhalten. Manches bleibt unfertig. Das ist die Signatur unserer Welt. Solange wir noch auf das Reich Gottes warten. Umso wichtiger ist es, gemeinsam zu warten.

Ich wünsche mir für das neue Jahr, dass diese schwierige Zeit bald vorbei wäre. Und wage dennoch den Gedanken, dass sie auch etwas Gutes haben kann. Vielleicht kommt etwas klarer zum Vorschein, was uns wirklich wichtig ist und worauf unsere Gemeinschaft beruht. Ob es uns gelingt, Frieden zu wahren. Dafür braucht es noch viel Geduld bis wir – mit Gottes Hilfe – aufatmen und ernten können.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Nach außen leuchten – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
Krieg und Hunger auf der Welt,
Streit und Unverständnis in unserem Land.
Gib den Verantwortlichen im Großen wie im Kleinen
einen klaren Blick, dass sie sehen können,
was gut und was hilfreich ist.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
für unsere christlichen Gemeinden,
dass sie nie vergessen, dein Wort weiterzusagen,
und deine Hoffnung zu schüren.
Gib uns ein weites Herz und starke Worte,
dass wir deine gute Botschaft weitertragen.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
für alle Menschen, die krank sind an Körper und Geist,
die einsam sind und sich nach Nähe sehnen,
die Hilfe brauchen und die Hoffnung auf Zuwendung verloren haben,
für die Sterbenden und jene, die zurückbleiben.
Zeige ihnen deine Liebe und stärke uns,
dass wir diese Liebe zeigen können.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
stärke unsere Gemeinschaft,
dass wir nach außen leuchten
und nach innen deinen Frieden wahren.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Christfest 2021

  • Eröffnung

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ Unter uns und für uns. Zeit und Ort für unsere Gebete und unsere Freude. Christus ist geboren, Hallelujah!

  • In sein Reich – Worte aus Psalm 96 (Transformation nach Gottfried Schille)

Singt dem Herrn, alle Völker.
Ein neues Lied soll es sein.

Lobt den Namen des Herrn überall,
erzählt von der Größe unseres Gottes.
Da ist keiner so hoch zu loben wie er,
keiner zu fürchten wie der Unsichtbare.
Denn Maskottchen sind wohlfeile Einbildung,
er aber schafft das Leben.

Gebt unserm Gott die Ehre!
Bringt eure Gaben zu Ehren seines Namens.
Betet ihn an im festlichen Kleid,
im Schmuck der Lichte, Blumen und Girlanden!
Sagt euren Dank laut, dass alle es hören,
wem ihr zu danken habt.

Im Felde neigen sich die Garben,
seht: die Bäume recken sich stolz vor ihm,
darüber schwebt das Loblied der Lerchen
und nachts der glitzernde Reigen der Sterne!
Der Herr kommt in sein Reich,
mit ihm Hoffnung und Recht auf das Leben.

  • Ein Lied: „Ihr Kinderlein kommet“ (EG 43)
  1. Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all!
    Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall.
    Und seht was in dieser hochheiligen Nacht
    Der Vater im Himmel für Freude uns macht.
  2. O seht in der Krippe im nächlichen Stall,
    Seht hier bei des Lichtes hellglänzendem Strahl,
    In reinlichen Windeln das himmlische Kind,
    Viel schöner und holder, als Engelein sind.
  3. Da liegt es, ihr Kinder, auf Heu und auf Stroh,
    Maria und Josef betrachten es froh;
    Die redlichen Hirten knien betend davor,
    Hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.
  • Wir sind schon Gottes Kinder – Worte aus 1. Johannes 3,1-2

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen,
dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!
Darum erkennt uns die Welt nicht;
denn sie hat ihn nicht erkannt.
Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder;
es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.
Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein;
denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

  • Augenöffner – Gedanken zu 1. Johannes 3,1-2

Die Welt hat ihn nicht erkannt. Dabei gibt es doch so viele Hinweise und Botschaften, wer da auf Heu und auf Stroh liegt. Der Heiland, der König Israels, der Retter, der Sohn Gottes. Mein Herr Jesus. Die himmlischen Heerscharen und der Stern zeigen es an. Die Hirten und die Könige knien vor der Krippe. Und selbst Herodes „sieht“ zumindest, was da geschehen könnte. Aus dem Buch Micha wird ihm prophezeit: Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Der herrschende König Herodes nimmt sie so ernst, dass er sicherheitshalber den Tod aller Neugeborenen in Bethlehem fordert und befiehlt.
Es ist offensichtlich, was da geschieht in diesem Stall.
Dennoch hat es die Welt nicht erkannt.

Ich komme also zur Krippe und sehe sie mit den Augen der Welt. Ich finde bestätigt, was ich sonst auch von der Welt sehe. Menschen in Not finden keine Herberge. Menschen, denen das Nötigste vorenthalten wird. Menschenleben werden in Gefahr gebracht. Er gilt nicht viel, der Mensch in dieser Welt. Wenn er auf der falschen Seite des Zaunes geboren wird. Wenn er nicht zufällig noch einen Platz in der Herberge findet und ausreichend Geld dafür hat.
So sehe ich die Welt. In den Nachrichten, in Büchern und in Geschichten und der Geschichte. Meine Augen haben sich daran gewöhnt. Manche schaffen es, manche haben Glück und das Schicksal meint es gut mit ihnen und manche eben nicht.

Wenn ich mit diesen Augen auf das Kind in der Krippe schaue, werde ich es nicht erkennen. Die Bereiche im Hirn und im Herz, die dafür gemacht sind, den Stern und die Engel, die Hirten und Könige wahrzunehmen, werden nicht aktiviert.
Oder um es mit dem Brief des Johannes zu sagen: Ich sehe mit den Augen dieser Welt und nicht mit den Augen eines Gotteskindes. Die Augen des Gotteskindes sind verstopft und verklebt mit den Bildern der Welt. Schlimmer noch: mit einem geheimen Vergnügen sehe ich diese Bilder und mache mir meine klugen Gedanken dazu. Sie lenken mich ab von meinem eigenen Elend. Nichts Schönes und Gutes und Lichtes und Herrliches dringt da noch durch. Müde und matt bleibe ich vor dem Stall stehen, enttäuscht und traurig.

Da höre ich ein leises Knallen. So zart und leise, dass es sich unversehens einen Weg bahnt in mein dunkles Gemüt. Und dann sehe ich sie. Vorbei an den mächtigen Bildern der Welt haben sie sich eingeschlichen. Seifenblasen. Schillernd bunt. Im Licht des Sternes und der kleinen Laterne, die notdürftig den Stall und das Kind in der Krippe beleuchten. Wie schnell sie platzen und wie faszinierend sie doch sind. Wenn ich ihrer Bahn mit den Augen folge, dann eröffnet sich mir die ganze Szenerie. Die knienden Hirten mit gefalteten Händen würden gerne nach ihnen greifen; ebenso die Könige mit ihren kostbaren Geschenken. Ach, hätten sie doch die Hände frei! Nur die Engel hoch oben, die hält nichts davon ab, mit den zarten Kugeln zu spielen. Sie müssen dazu nicht einmal ihre Instrumente absetzen.

Jetzt kann ich sie sehen, die Herrlichkeit und das Heil. Jetzt ist mir offenbar, was ich bin, was ich schon immer war, was ich bin durch dieses Kind in der Krippe – selbst ein Gotteskind.

Und ich meine gesehen zu haben, woher die Seifenblasen plötzlich kamen.

Und der Friede Gottes, in, um und bei den Menschen seines Wohlgefallens
bewahre unsere Herzen und Sinne bei dem Kind in der Krippe.
Amen.

  • Wie die Hirten – Miteinander und füreinander beten

Wir danken dir, Gott, für diese Zeit,
in der wir hier miteinander versammelt sind:
Lass unsere Lieder, gedämpft, vielleicht alleine,
müde und schwach, traurig und verzweifelt,
voller Sorgen und Missmut und Zorn,
hinter unseren Masken,
doch einstimmen in die Chöre aller Engel,
gestern und heute;
Rühre unsere Herzen wieder an,
wie du einst die Hirten berührt hast auf den Feldern Bethlehems,
mach uns neugierig wie sie,
damit wir aufbrechen können aus den alltäglichen Sorgen
in die Zukunft,
die du uns und aller Welt durch das Kind in der Krippe zusagst.
Lass uns so zurückkehren in unseren Alltag
und wie die Hirten aller Welt erzählen,
was wir gehört und gesehen haben.
(https://www.brot-fuer-die-welt.de/gemeinden/fuerbitte/2021-friede-auf-erden/)

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Vierter Advent (19.12.)2021

  • Eröffnung

„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ Allewege sei Freude, wie es der Philipperbrief verheißt. Auf allen Wegen komme zu uns die Freude. Denn der Herr ist nahe!

  • Vom Himmel auf die Erde – Worte aus Psalm 102

Du aber, Herr, bleibst ewiglich
und dein Name für und für.
Du wollest dich aufmachen und über Zion erbarmen;
denn es ist Zeit, dass du ihm gnädig seist, und die Stunde ist gekommen
dass die Völker den Namen des Herrn fürchten
und alle Könige auf Erden deine Herrlichkeit,
wenn der Herr Zion wieder baut
und erscheint in seiner Herrlichkeit.
Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen
und verschmäht ihr Gebet nicht.
Denn er schaut von seiner heiligen Höhe,
der Herr sieht vom Himmel auf die Erde,
dass er das Seufzen der Gefangenen höre
und losmache die Kinder des Todes,
dass sie in Zion verkünden den Namen des Herrn
und sein Lob in Jerusalem,
wenn die Völker zusammenkommen
und die Königreiche, dem Herrn zu dienen.

  • Ein Lied: „O komm, o komm, du Morgenstern“ (EG 19)
  1. O komm, o komm, du Morgenstern,
    lass uns dich schauen, unsern Herrn.
    Vertreib das Dunkel unsrer Nacht
    durch deines klaren Lichtes Pracht.
    Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
    Freut euch und singt Halleluja.
  2. O komm, du Sohn aus Davids Stamm,
    du Friedensbringer, Osterlamm.
    Von Schuld und Knechtschaft mach uns frei
    und von des Bösen Tyrannei.
    Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
    Freut euch und singt Halleluja.
  • Der Herr ist’s aber – Worte aus Lukas 1,26-38

Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

  • Die Mutter meines Herrn – Gedanken zu Lukas 1

Maria heißt diese Mutter. Der Sohn heißt Jesus.
Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt,
ihm wird der Thron seines Vaters David gegeben
und er wird König sein über das Haus Jakob
in Ewigkeit und das Reich wird kein Ende haben.

So ein Sohn wird das sein. Und Maria fragt: Wie soll das zugehen? Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten, lautet die Antwort des Engels.

Eine jüdische Geschichte ist das, Verheißungen der Heiligen Schriften werden endlich in Erfüllung gehen, und das Volk Israel aus Schmach und Schande erlösen.

Diese Geschichte beim Evangelisten Lukas ist aber ebenso die Grundlage einer ganzen Frömmigkeitskultur, der Marienverehrung, als Heilige Maria mit unbefleckter Empfängnis, mit leiblicher Auferstehung und sogar einer Himmelfahrt. Um es mit sehr einfachen Worten zu sagen: Nicht ganz so, aber fast so gut wie Jesus selbst,
die Gottesmutter. Und ja, es steht ja auch dort, Gottes Sohn wird er genannt werden.

So ist das, so macht das Gott im Himmel, wenn er auf die Erde kommt, als Neugeborenes, von Angesicht zu Angesicht. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Was hat das aber mit der Mutter zu tun, mit Maria? Sie hat da schon eine besondere Aufgabe, keine Frage. Aber der biblische Text, der das Wirken des Heiligen Geistes
mit der Schwangerschaft Elisabeths erklärt und belegt, dass also diese hochbetagte Frau entgegen aller Erfahrung doch nicht kinderlos bleiben wird, ordnet auch die Geschichte Marias in die Geschichten der Erzeltern im Alten Testament ein: Abraham und Sara etwa, wobei letztere sich nicht nur freut sondern sogar darüber lacht,
dass sie doch noch schwanger werden soll. Sara, Elisabeth, Maria. Frauen werden schwanger. Obwohl sie naturgemäß nicht schwanger sein dürften. So einfach wie wunderbar ist diese Geschichte.

Und die Marienfrömmigkeit, ja, die hat vielleicht mit unserer tiefen Sehnsucht zu tun, dem Heiligen nah zu sein, aber ihm nicht zu nah zu kommen. Das anschaulichste Beispiel dazu habe ich in den Geschichten um Don Camillo und Peppone gefunden. Peppone, der kommunistische Bürgermeister, der sich in die Kirche schleicht, und um Hilfe bitten möchte, wendet sich eben nicht an Jesus, sondern an seine Mutter.
Sie kommt ihm unpolitisch vor. Nicht so wie ihr Sohn, der ja doch mit dem Vatikan
unter einer Decke stecken wird.

Hm, bei alledem frage ich mich auch, was da für ein Frauenbild vermittelt wird? Kinderlosigkeit als Schande? Frauen als unpolitische Wesen, die dann gut genug sind,
wenn das innere Kind mal Trost braucht?

Aber noch etwas erzählt mir die Geschichte Marias!
Dass bei Gott kein Ding unmöglich ist,
dass er sich denen zuwendet, von denen andere sich abwenden, von Angesicht zu Angesicht, ein Segen,
dass er sich also in einer Frau wiederfindet, einer Frau mit Haut und Haaren, so ganz menschlich, mit geplatzter Fruchtblase und Wehen und Nabelschnur.

Das ist die Geschichte. Darauf warten wir.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Deine Möglichkeiten, Gott – Miteinander und füreinander beten

Deine Möglichkeiten, Gott, lehre uns zu bedenken, nicht das, was wir Menschen für möglich halten, aus guten oder aus schlechten Gründen. Deine Wege, das Evangelium zu verkünden, deine Wege, Herr, den Menschen nah zu sein, deine Wege, jeden Menschen unablässig zur Umkehr zu rufen.
Bei allem, was wir tun, denken, wünschen und fordern, halte den Glauben in uns wach, dass deine Kraft in den Schwachen mächtig ist. Deshalb beten wir mit den Worten Jesu Christi:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)


Hirtenwort zum Christfest 2021 (Kirchenleitung der EKM)

Dritter Advent (12.12.)2021

  • Eröffnung

„Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig.“ So ruft es uns der Prophet Jesaja zu. Bereitet Eure Herzenspfade für den, der da kommt! Mit Wort, Lied und Gebet.

  • Wende dich doch – Worte aus Psalm 85

Herr, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande
und hast erlöst die Gefangenen Jakobs;
der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk
und all ihre Sünde bedeckt hast; – SELA –
der du vormals hast all deinen Zorn fahren lassen
und dich abgewandt von der Glut deines Zorns:
Hilf uns, Gott, unser Heiland,
und lass ab von deiner Ungnade über uns!
Willst du denn ewiglich über uns zürnen
und deinen Zorn walten lassen für und für?
Willst du uns denn nicht wieder erquicken,
dass dein Volk sich über dich freuen kann?
Herr, zeige uns deine Gnade
und gib uns dein Heil!

  • Ein Lied: EG16 Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16)
  1. Die Nacht ist vorgedrungen,
    der Tag ist nicht mehr fern.
    So sei nun Lob gesungen
    dem hellen Morgenstern.
    Auch wer zur Nacht geweinet,
    der stimme froh mit ein.
    Der Morgenstern bescheinet
    auch deine Angst und Pein.
  2. Dem alle Engel dienen,
    wird nun ein Kind und Knecht.
    Gott selber ist erschienen
    zur Sühne für sein Recht.
    Wer schuldig ist auf Erden,
    verhüll nicht mehr sein Haupt.
    Er soll errettet werden,
    wenn er dem Kinde glaubt.
  3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
    macht euch zum Stalle auf!
    Ihr sollt das Heil dort finden,
    das aller Zeiten Lauf
    von Anfang an verkündet,
    seit eure Schuld geschah.
    Nun hat sich euch verbündet,
    den Gott selbst ausersah.
  4. Noch manche Nacht wird fallen
    auf Menschenleid und -schuld.
    Doch wandert nun mit allen
    der Stern der Gotteshuld.
    Beglänzt von seinem Lichte,
    hält euch kein Dunkel mehr.
    Von Gottes Angesichte
    kam euch die Rettung her.
  5. Gott will im Dunkel wohnen
    und hat es doch erhellt.
    Als wollte er belohnen,
    so richtet er die Welt.
    Der sich den Erdkreis baute,
    der lässt den Sünder nicht.
    Wer hier dem Sohn vertraute,
    kommt dort aus dem Gericht.
  • Der Herr ist’s aber – Worte aus 1. Korinther 4,1-5

Dafür halte uns jedermann:
für Diener Christi
und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern,
als dass sie für treu befunden werden.
Mir aber ist’s ein Geringes,
dass ich von euch gerichtet werde
oder von einem menschlichen Gericht;
auch richte ich mich selbst nicht.
Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst,
aber darin bin ich nicht gerechtfertigt;
der Herr ist’s aber, der mich richtet.
Darum richtet nicht vor der Zeit,
bis der Herr kommt,
der auch ans Licht bringen wird,
was im Finstern verborgen ist,
und das Trachten der Herzen offenbar machen wird.
Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

  • Ans Licht – Gedanken zu 1. Korinther

Die Korinther wieder!
In dieser Gemeinde gab es doch immer Ärger.
Immer wieder muss sich der Apostel dort einbringen.
Sein ganzer Brief versucht Einigkeit zu stiften.
Aber das ist anscheinend nicht so einfach.
Gleich am Anfang zählt er sie auf, die Kontrahenten und Streithähne.
Einem Apollos folgen einige, andere lieber dem Paulus selbst.
Außerdem gibt es die Petrusanhänger, und dann welche, die sich
„direkt“ zu Christus zählen.
Absurde Veranstaltung.
Am absurdesten findet Paulus, dass sich manche auf ihn selbst berufen,
anstatt auf Christus. Obwohl er doch immer betont hatte, dass er nur ein Botschafter an Christi statt sei.
Es gibt nur die eine Gemeinde. Alle sind Glieder eines Leibes. Es kann da keine Spaltung geben.

Und spätestens bei diesem Wort, liebe Leser*innen,
horchen wir auf.
Aber um die gegenwärtig oft thematisierte Spaltung der Gesellschaft geht es hier gerade nicht.
Sondern um die Spaltung der Christen in Korinth.
Trotzdem.
Die Zeit der Korinther und derer christlichen Gemeinde im 1. Jahrhundert
ist wohl unserer Gegenwart gar nicht so unähnlich.
Beziehungsweise auch der Vergangenheit, was unseren Glauben angeht.
Protestanten, gleich zweimal, Katholiken, Orthodoxe und dann jede Menge weiterer Konfessionen und Bekenntnisse
Alle wissen es besser. Jeder meint, näher dran zu sein an der göttlichen Wahrheit.

Und innerhalb der konfessionellen Grenzen beargwöhnen wir uns
möglicherweise noch untereinander,
prüfen, meist mit dem Blick auf den Nächsten.
Ob er oder sie das Richtige glaubt?
Ob es richtige Christen sind?
Gerade zu Weihnachten und in der Zeit davor.
Wenn ich das mit den Korinthern vergleiche, dann ging es da ja noch friedlich zu.
Oder anders gesagt: Der Korintherbrief ist wie ein Blick in die Zukunft.

Paulus sagt allerdings auch, dass da was dran ist.
Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der Gemeinde Unterschiede.
Das Unkraut unter dem Weizen.
Er spricht von dem „was im Finstern verborgen ist“; und vom
„Trachten der Herzen“, das wir von Außen nicht erkennen können.
Aber die Zeit wird kommen, in der das Alles „ans Licht“ gebracht wird.

Nur jetzt, darauf beharrt der Apostel, ist noch nicht die Zeit dafür.
Gerade, wenn es auch noch gegen ihn selbst geht.
Paulus versucht mit allen Mitteln ein treuer Haushalter der Wahrheit Jesu zu sein.
Vielleicht ist er manchmal etwas zu eifrig.
Schon als er die Christen noch verfolgte, war er mit voller Energie dabei.
Aber er sagt: Ich bin mir keiner Schuld bewusst.
Also, keiner Schuld dahingehend, ein untreuer Haushalter gewesen zu sein.
Urteilt nicht, stellt er fest; denn wir wissen nicht, was unsere Schwester oder unser Bruder wirklich im Herzen tragen. Überlasst das Gott im Himmel.

In der Adventszeit warten wir auf diesen Gott im Himmel. Er will sich zeigen als kleines Kind in der Krippe. Macht- und hilflos. Und dennoch ein Licht, das das Trachten der Herzen offenbart.
Der Hintergrund nämlich all dieser Streitigkeiten ist ein Begehren nach Macht. Wer glaubt und handelt richtiger? Wer hat was zu sagen? Wer darf bestimmen?
Ein begehrenswertes Ziel!
Gott zeigt sich aber als ein Kind, dass keinerlei Macht hat. Und zeigt uns so, was unser herzliches Trachten und Wollen tatsächlich bestimmen sollte.
Demut, Sanftmut und Barmherzigkeit.
Darin wird uns Gottes Lob zuteil.
Im Licht des Sternes über Bethlehem.

Amen.

  • Auf der dunklen Seite des Wohlstands – Miteinander und füreinander beten

Allzu leicht neigen wir dazu, allmächtiger Herr, jede Forderung nach Verzicht von uns zu weisen und ängstlich an dem festzuhalten, was wir unser nennen. Auch auf Kosten der Menschen, die nah und fern, unter unerträglichen Bedingungen dafür arbeiten müssen. Mache uns die Herzen leicht im Licht der Krippe von Bethlehem.

Allzu leicht neigen wir dazu, allmächtiger Herr, unser Beten und unsere Frömmigkeit für die einzig richtige zu halten. Räume einen Platz für alle Menschen ein in unserer Gemeinde, die ernsthaft nach dir suchen, auch wenn es uns nicht so erscheint. Mache uns die Herzen leicht im Licht der Krippe von Bethlehem.

Allzu leicht neigen wir dazu, allmächtiger Herr, unsere Sorgen und Nöte ganz nach vorn zu stellen. Unser Blick wird stumpf für das, was unsern Mitmenschen schwer auf der Seele liegt. Stärke uns dafür, zuzuhören und mitzufühlen und zu teilen, was uns das Leben schwer macht. Mache uns die Herzen leicht im Licht der Krippe von Bethlehem.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Bericht aus dem Gemeindekirchenrat (03.11.2021 und 01.12.2021)

03.11.2021

Nach längerer Krankheit von Pfarrer Wisch konnte der Gemeindekirchenrat wieder unter seinem Vorsitz am 3. November tagen. Eine Vielzahl von Themen stand auf der Tagesordnung, die (fast) alle bearbeitet werden konnten. Ganz obenauf lag das Themen Gottesdienst und Abendmahl. Beide wurden in der Gemeindeversammlung am 24. Oktober angesprochen.
Dabei wurde beschlossen, dass Abendmahl in nächster Zukunft mit Einzelkelchen durchzuführen. Dies gilt, solange wir auf die Regeln während der Covid-Pandemie Rücksicht nehmen müssen.
Noch nicht abschließend ausdiskutiert wurde die Möglichkeit, Gottesdienste auch nach den geltenden Regeln im Großen Saal des Gemeindehauses feiern zu können. Grundsätzlich wurde dem zugestimmt. Der begrenzte Platz erlaubt dabei folgende Lösung. Bei kleinerer Teilnehmerzahl (ca. 25) kann auf die auch in der Kirche angewendeten Vorsichtsmaßnahmen zurückgegriffen werden. Ist die Teilnehmerzahl aber größer, wird eine modifizierte 2G bzw. 3G-Regel favorisiert. In jedem Fall ist es hilfreich, einen Impf- oder Genesenennachweis oder einen gültigen Test beim Gottesdienstbesuch bei sich zu haben. Grundsätzlich wird aber festgehalten, dass kein Besucher vom Gottesdienst ausgeschlossen wird.
Nun noch einige Themen, die uns darüber hinaus beschäftigt haben. Große Resonanz erfuhr in den Rückblicken die Seniorenfahrt nach Herrnhut, die ein einhellig positives Resumee erfuhr. Ebenso gewürdigt wurde der Reformationsgottesdienst in Johannes und die musikalische Ausgestaltung durch den Tricantus-Chror unter der Leitung von Katharina Gürtler.
Wir freuen uns, dass auch die Zusammenarbeit mit dem Zeitpaten e.V. und der Luthergemeinde auch in Zukunft sichergestellt ist. Da Frau Eisentraut-Voß jetzt den Vorsitz innehat, wird Frau Gudrun Naumann die stimmberechtigte Vertreterin der Luthergemeinde sein.
Einige bauliche Fragen und die Gebäude betreffende Erwägungen wurden ebenfalls erörtert. An der Planung einer dringenden Sanierung des oberen Flures, des Balkons und eines Wasserschadens im Wohnhausteil wird eifrig gearbeitet. Zur Zeit ist es aber nicht leicht die Arbeiten an entsprechende Fachfirmen zu vergeben. Um so schneller konnte ein Sturmschaden am Dach der Kirche behoben werden. Der Aufmerksamkeit Uwe Meissners ist es zu verdanken, dass nicht nur der Schaden schnell bemerkt wurde, sondern dass auch schon wenige Tage später die Dachdeckerfirma vor Ort war.
Besprochen wurde auch der Auszug von Abrao Gomes, der nach Berlin gezogen ist. Dafür wünschen wir ihm viel Glück und Gottes Segen. Seine Wohnung ist aber derzeit nicht vermietbar, da die sanitären Anlagen erst wieder in einen angemessenen Zustand versetzt werden müssen.
Eine letzte bauliche Beratung betraf den Kleinen Saal. Die Mitglieder des GKR hatten sich verabredet, den Wänden einen neuen Anstrich zu geben. Wenn man jetzt den Raum betritt, ist die Veränderung gar nicht so augenfällig. Alles steht wieder an seinem Platz. Doch deutlich bemerkbar ist die viel freundlichere Atmosphäre. Einen Freitagabend und fast den ganzen Samstag hat die Arbeit gedauert, und ist neben dem Fleiß der Mitglieder vor allem der Beharrlichkeit und Planung von Sibylle Schmid zu verdanken.

01.12.2021

Der Gemeindekirchenrat der Luthergemeinde hat Folgendes in seiner Sitzung am 01. Dezember 2021 beschlossen:
Gottesdienste finden im Großen Saal bis auf Weiteres unter 3-G statt.
Wer keinerlei Nachweis erbringen kann, wird gebeten einen Test vor Ort durchzuführen. Tests stellen wir für 5€ zur Verfügung.

Einmal im Monat findet ein Gottesdienst in der Kirche ohne Zugangsbeschränkung statt, nach geltenden Regeln der Landeskirche.

Folgende Gedanken haben den Gemeindekirchenrat zu dieser Regelung bewogen.
Grundsätzlich soll niemand ausgeschlossen werden. Weder jemand, für den diese Maßnahmen nicht in Frage kommen, noch jemand, der befürchtet infiziert zu werden und zu erkranken.
Unter den gegebenen Bedingungen (hohe Inzidenz und Hospitalisierungsraten, die Regeln der landeskirchlichen Gremien u.ä.) müssen zugleich geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die die Gefahr der Ansteckung und Übertragung möglichst minimieren.
Der Platz im Großen Saal erlaubt eine regelkonforme Gestaltung des Gottesdienstes nur bis zu einer Zahl von etwa 25 Teilnehmern.
Mit der 3G-Regelung kann auch eine höhere Teilnehmerzahl ermöglicht werden.
Die monatlichen Gottesdienste in der Kirche können aufgrund der Größe des Raumes ohne Zugangsbeschränkungen, die über das Tragen einer Maske und ausreichendem Abstand hinausgehen, gewährleistet werden.
Der Gemeindekirchenrat sieht in dieser Regelung die Möglichkeit, möglichst vielen Menschen den Zugang zum Gottesdienst zu ermöglichen, und zugleich für möglichst große Sicherheit zu sorgen.
Tragfähig ist dieses Modell vor allem auch deshalb, weil die Erfahrung gezeigt, dass ein sehr hoher Anteil unserer Gottesdienstbesucher vollständig geimpft ist.

Im Namen des Gemeindekirchenrates, Pfarrer Olaf Wisch.

Zweiter Advent (05.12.)2021

  • Eröffnung

„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
So eröffnet der Evangelist Lukas diese Woche.

Seht also auf und erhebt eure Häupter, dass ihr euch von den Gedanken lösen könnt, die nur um sich selbst kreisen.
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil ihr durch Gottes Licht wieder erhobenen Hauptes gehen dürft.
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil wir uns zum Himmel wenden und Gott loben und preisen wollen. Amen.

  • Wende dich doch – Worte aus Psalm 80

Du Hirte Israels, höre, /
der du Josef hütest wie Schafe!
Erscheine, der du thronst über den Cherubim!
Erwecke deine Kraft
und komm uns zu Hilfe!
Herr, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen
beim Gebet deines Volkes?
Du speisest sie mit Tränenbrot
und tränkest sie mit einem großen Krug voll Tränen.
Gott Zebaoth, wende dich doch! /
Schau vom Himmel und sieh,
nimm dich dieses Weinstocks an!
Schütze doch, was deine Rechte gepflanzt hat,
den Sohn, den du dir großgezogen hast!
So wollen wir nicht von dir weichen.
Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen.
Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder;
lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.

  • Ein Lied: „O Heiland reiß die Himmel auf“ (EG 7)

O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf.
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloß und Riegel für!

O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ!
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

O Erd’, schlag aus, schlag aus, o Erd’,
daß Berg und Tal grün alles werd’!
O Erd’, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring!

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all’ ihr’ Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal!

O klare Sonn’, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern.
O Sonn’, geh auf, ohn’ deinen Schein
in Finsternis wir alle sein!

Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig’ Tod:
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland!

Da wollen wir all’ danken dir,
unserem Erlöser, für und für.
Da wollen wir all’ loben dich
je allzeit immer und ewiglich

  • Bist du doch unser Vater – Worte aus Jesaja 63,15-64,3

So schau nun vom Himmel
und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung!
Wo ist nun dein Eifer und deine Macht?
Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich.

Bist du doch unser Vater;
denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht.
Du, HERR, bist unser Vater;
»Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name.

Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen
und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten?
Kehr zurück um deiner Knechte willen,
um der Stämme willen, die dein Erbe sind!
Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben,
unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten.
Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest,
wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.

Ach dass du den Himmel zerrissest
und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen,
wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht,
dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden
und die Völker vor dir zittern müssten,
wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten,
und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen!
Auch hat man es von alters her nicht vernommen.
Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen
einen Gott außer dir, der so wohltut denen,
die auf ihn harren.

  • Unerhört – Gedanken zu Jesaja 63,15-64,3

Unerhört ist diese biblische Stimme.
Unerhört ist ihre Klage, ihr Flehen, ihr Zorn,
ihr Grummeln und Zanken, Bitten und Schreien.
Die Stimme ist gerichtet gegen die hohe Wohnung Gottes
und fordert von Gott sich zu zeigen,
seinen Eifer und seine Macht und seine Barmherzigkeit.
Sie fordert seine Vaterschaft ein. Ja, Eltern haben Verantwortung.
Verstecke dich nicht, Gott Vater; zerreisse den Himmel, zeig dich,
sieh unser Elend, sagt die Stimme.

Unerhört ist diese biblische Stimme,
denn so war das nicht abgemacht;
sie ist im Unrecht, spricht doch selbst
unverblümt von falschen Wegen,
von verstockten Herzen und fehlender Gottesfurcht.
Nichts hat sie zu verlangen, solange sie nicht zurückfindet
zu Gott. Aber das ist für diese Stimme kein Grund zu schweigen.
Sie klagt, fordert, schimpft, weint weiter.

Unerhört ist diese Stimme, die darauf vertraut,
dass Gottes Wege unerhört, ungesehn, unvorhersehbar sind.
Die Stimme weiß, dass dieses Vertrauen die einzige Möglichkeit ist,
wieder zu Gott zurückzufinden auf seinen Wegen,
sein Wohltun beschert zu bekommen,
auszuharren.

Unerhörte Stimmen von der Frau an der Grenze und dem Mann auf dem Mittelmeer.
Sie fordern: ein Leben ohne Krieg und Hunger, ein Leben, dass ihnen Chancen verschafft, vorwärts zu kommen.
Die Antwort: So war das nicht abgemacht. Ihr sollt doch eure Heimat so gestalten,
dass sie ohne Krieg und Hunger und mit Möglichkeiten blüht. Wir helfen gerne, wenn ihr dort bleibt. Wir spenden einmal im Jahr, wenn ihr uns in Ruhe lasst.
Die Frau an der Grenze, der Mann auf dem Mittelmeer schütteln verständnislos den Kopf.
Hilfe brauchen wir jetzt und Barmherzigkeit. Erlösung von der Not.

Unerhörte Stimmen von dem übergewichtigen Mann und der Frau mit der Flasche.
Sie fordern: Nähe und Zärtlichkeit, ein freundliches Wort und ohne Scham Hilfe zu bekommen.
Die Antwort: So war das nicht abgemacht. Ihr sollt euch doch gesund und leistungsfähig erhalten. Verantwortung zeigen und für die Zukunft sorgen. Wir zahlen doch schon genug Steuern und Krankenkassenbeiträge.
Der übergewichtige Mann und die Frau mit der Flasche schütteln verständnislos den Kopf.
Hilfe brauchen wir jetzt und Barmherzigkeit. Erlösung von der Not.

Unerhörte Stimmen von der Frau im Fitnessstudio und dem Mann in seinem großen Haus.
Sie fordern: Lasst uns in Ruhe mit diesen Stimmen. Wir haben unsere eigenen Sorgen. Was können wir tun, als uns gut zu kümmern, für unsere Kinder und Eltern da zu sein, Steuern zu zahlen und Weihnachten was zu spenden?
So war das nicht abgemacht, Gott, erlöse uns doch von den schrecklichen Bildern und den kranken Nachbarn. Haben wir denn keine Stimme in dieser verlorenen Welt? In unserer zerbrechlichen Sicherheit?
„O zerrissest du den Himmel,
zögest hernieder,
dass vor deinem Antlitz die Berge wankten!
Von Urzeit her
hat man nicht gehört,
hat man nicht erlauscht,
nie hat etwas ein Auge ersehn
von einem Gott
außer dir,
ders tut für den, der seiner harrt:
Du begegnest dem Freudigen,
dem Täter der Wahrhaftigkeit,
denen, die dein gedenken
auf deinen Wegen.
Und nun bist du es, der grollt,
wir aber verfehlen die Wege weiter!
Auf sie zurück, für Weltzeit!
Schon sind wir befreit.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft und tiefer reicht als unsere Angst,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Herr im Himmel,
o zerrissest du den Himmel
und zögest hernieder
wie ein sanfter Regen
nach einem sonnigen Tag.
Verbirg dich nicht hinter Wolkendunst
sondern führe uns durch deine Barmherzigkeit auf den rechten Weg.
Dass wir uns befreien von der Spirale des Immer-Mehr,
und stattdessen Impfstoffe für alle Menschen bereitstellen.
Dass wir die Augen öffnen für die Gewalt in der Welt,
für einen friedlichen Regierungswechsel in Honduras.
Dass wir uns nach Kräften bemühen, etwas Frieden in die Welt zu tragen,
und der Situation in den Krankenhäusern durch eigene Umsicht entgegen zu kommen.
Herr im Himmel,
o zerrissest du den Himmel
und zögest hernieder
wie ein sanfter Regen
nach einem sonnigen Tag.
Verbirg dich nicht hinter Wolkendunst
sondern führe uns durch deine Barmherzigkeit auf den rechten Weg.
Erhobenen Hauptes
beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Erster Advent (28.11.)2021

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für den 1. Advent steht bei Sacharja im 9. Kapitel:
„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“
Gerechtigkeit und Hilfe können wir gut gebrauchen in diesen Tagen.
In Gedanken und Gebeten bringen wir unsere Anliegen vor Gott.

  • Ein Psalmlied (nach Psalm 24): Macht hoch die Tür (EG 1)

Macht hoch die Tür‘, die Tor‘ macht weit,
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich‘,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Segen mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Schöpfer reich von Rat.

Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt‘,
Sein Königskron‘ ist Heiligkeit,
Sein Zepter ist Barmherzigkeit;
All‘ unsre Not zum End‘ er bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott;
Mein Heiland groß von Tat.

O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
So diesen König bei sich hat!
Wohl allen Herzen insgemein,
Da dieser König ziehet ein!
Er ist die rechte Freudensonn‘,
Bringt mit sich lauter Freud‘ und Wonn‘.
Gelobet sei mein Gott;
Mein Tröster früh und spat.

Macht hoch die Tür‘, die Tor‘ macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘;
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud‘;
So kommt der König auch zu euch,
Ja Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
Voll Rat, voll Tat, voll Gnad‘.

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Mein’s Herzen’s Tür‘ dir offen ist;
Ach zeuch mit deiner Gnade ein,
Dein‘ Freundlichkeit auch uns erschein‘,
Dein heil’ger Geist uns führ‘ und leit‘
Den Weg zur ew’gen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
Sei ewig Preis und Ehr‘.

  • Der König der Könige des Jeremia

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. 6 Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR ist unsere Gerechtigkeit«. 7 Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, 8 sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen. (Jeremia 23,5-8)

  • Gedanken zu Jeremia 23

Siehe, es kommen Tage:
Eine erwartungsvolle Zeit. Was werden diese Tage bringen? Etwas Gutes? Und müssen wir noch etwas vorbereiten? Wie können wir diesen Tagen entgegengehen?
Versprochen wird der „Spross Davids“, ein gerechter König, der mit Macht und mit Weisheit herrschen wird. Recht und Gerechtigkeit, Ordnung und Sicherheit, aber auch Solidarität und Fürsorge werden das Leben der Menschen prägen. Einigkeit und Recht und Freiheit, sozusagen. Heil und Sicherheit, in allen Teilen des Landes. Alte Wunden werden geschlossen und die Städte werden blühen und das Land fruchtbar sein. Menschen werden wieder einander finden, Familien zusammengeschlossen, Freunde sich in die Arme schließen, Gemeinden wachsen.

Darum, siehe, es werden Tage kommen:
Andere Tage als diese Tage. So wie damals, als Israel aus Ägypten herausgeführt wurde. Das waren Tage der Sklaverei und des Elends. Weit weg von einem glücklichen Leben. Die Menschen leben in schwierigen Verhältnissen. Wie sind also die Tage im Hier und Jetzt? Wird etwas Wunderbares geschehen? So wie damals, in Ägypten? Es sind schlimme Tage, aber auch Tage, die große Kraft in sich bergen. Am Ende steht die Verheißung, der Weg in das Gelobte Land.
So eine Zeit ist jetzt? Noch sind wir in der Dunkelheit! Aber dann kommt eine weite und helle Zeit, auf die wir mit Dankbarkeit zurückschauen werden.

Siehe, es kommen Tage:
Ja, wie werden sie sein, die Tage, die nun kommen werden? Bleibt doch nur wieder alles beim Alten? Was sollen mir die Worte des Jeremia hier und heute sagen?
Mir wird nahegelegt, dass ich mich nicht verschließen soll, dem, was da kommt. Es mag vielleicht anders sein, als ich wünsche und erwarte. Möge es so sein, dass niemand darunter leide, unter dem, was da kommt. Licht und Luft, für die Herzen und Seelen. Ein gemeinsames Essen, ein versöhnliches Gespräch, ein rauschendes Fest.
Macht hoch die Tür, singen wir deshalb aus dem Psalm 24. Lasst sie herankommen diese Tage. Denn in dieser Zeit, die uns bedrückt, können wir nur eines tun: Nicht verzagen, auf Gott vertrauen und aufeinander zugehen. Sich wieder einfinden, zusammenkommen, Türen öffnen und Tore, um in unserem Land nicht nur zu existieren, sondern wahrhaft zu wohnen.

  • Miteinander und füreinander beten

Überwinde Grenzen, führe uns zusammen, guter Gott,
dass wir wahrhaft wohnen können in deinem heiligen Land.
Dass wir gemeinsam singen, feiern und beten können.
Dass wir zusammenkommen, dass uns nichts trennt,
keine Staatsgrenze, keine Religion, kein Groll, keine Theorie, keine Maßnahme.
In deinen Augen erkennen wir, dass wir Schwestern und Brüder sind.
In Jesu Augen sind wir gemacht für die Gemeinschaft mit dir, Gott,
und mit allen Menschen nah und fern.
Deshalb beten wir mit seinen Worten:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Ewigkeitssonntag (21.11.)2021

  • Eröffnung

„Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“
Der Evangelist Lukas mahnt uns zur Wachsamkeit. Ja, Lichter sollen brennen. Als Hoffnungslicht. Für die friedliche Zukunft Gottes. Und für die Menschen, die wir vermissen. Amen.

  • Ein Lied: „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (EG 147)

1 »Wachet auf«, ruft uns die Stimme der Wächter sehr hoch auf der Zinne, »wach auf, du Stadt Jerusalem! Mitternacht heißt diese Stunde«; sie rufen uns mit hellem Munde: »Wo seid ihr klugen Jungfrauen? Wohlauf, der Bräut’gam kommt, steht auf, die Lampen nehmt! Halleluja! Macht euch bereit zu der Hochzeit, ihr müsset ihm entgegengehn!«

2 Zion hört die Wächter singen, das Herz tut ihr vor Freude springen, sie wachet und steht eilend auf. Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig, von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig, ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf. Nun komm, du werte Kron, Herr Jesu, Gottes Sohn! Hosianna! Wir folgen all zum Freudensaal und halten mit das Abendmahl.

3 Gloria sei dir gesungen mit Menschen– und mit Engelzungen, mit Harfen und mit Zimbeln schön. Von zwölf Perlen sind die Tore an deiner Stadt; wir stehn im Chore der Engel hoch um deinen Thron. Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude. Des jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für.

  • Aus Psalm 126

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Völkern:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Herr, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen guten Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

  • Das Friedensreich des Jesaja

Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des Herrn, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr.
(Jesaja 65,17-19.23-25)

  • Gedanken zu Jesaja 65

Auf meinem ganzen heiligen Berge.
Der neue Himmel.
Auf meinem ganzen heiligen Berge.
Eine neue Erde.
Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Die neue Erde und der neue Himmel sind Gottes Heiligtum.
In diesem Frieden wird der heilige Berg erstrahlen.
Wonnevoll, ohne Klage, fruchtbar und friedlich.
Hoch oben über dem, was längst vergangen ist.
Fest gegründet auf dem Felsen.
Geschützt vor Flut und Sturm.
Geborgen, warm und sicher, wie im Schoß einer Mutter.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Ein Garten, den meine Schritte schon lange nicht mehr erreichen; der aber meine Freude war von klein auf, vor allem, weil ich Blumen so sehr liebe, und den Wind in den Apfelbäumen; ich sehne mich sehr nach ihm.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Ein Bett, ein gemeinsames, die Liebste neben mir, wo meine Hand und mein Kopf und meine Seele ruhen können; jetzt fehlt jede Ruhe, denn sie fehlt, seit Monaten schon, und trotzdem ist mir manchmal, als wäre sie noch da.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Auf meiner Maschine, alles erzittert, wenn ich am Gas drehe, und der Fahrtwind mir um die Ohren pfeift; so lange ist das her, Jahre, seit dem Unfall, dass ich lieber in meinem Rollstuhl bleibe, geschweige denn wieder auf ein Motorrad steigen würde.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

So ein Kind bleibt, es stirbt nicht, es ist einfach nur weg, nicht da, nicht zu fassen; der Schmerz bleibt, die Erinnerung und die Scham, dass ich es nicht besser konnte; als ob es meine Schuld wäre, dass es nicht älter wurde als ein paar Wochen; noch einmal möchte ich es in meinen Armen halten.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

So habe ich es gelernt, rührig sein; nie die Hände in den Schoß legen, immer was schaffen; aber keiner braucht mich, ich hocke zuhause und gucke aus dem Fenster, zusammen mit der Katze; schaue meine Hände an, ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen und die Jahre liegen noch vor mir.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Ich habe das deutsche Wort „Heimat“ gelernt; habe lange nicht verstanden, was es genau bedeutet; vielleicht, weil der Schmerz zu groß ist, wenn ich an meine alte Heimat denke; neue Heimat, alte Heimat; irgendwie bin ich noch dazwischen und kann meine Sehnsucht so schwer fassen.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Die Welt ist mir fremd geworden, unversehens kommt sie mir abhanden, plötzlich ist alles wie im Nebel, plötzlich stehen Menschen vor mir, bekannte und unbekannte, und ich frage mich, frage mich … irgendwann habe ich vergessen, was ich vergessen habe.

Auf meinem ganzen heiligen Berge.

Sagt Gott zu mir: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Ihr werdet’s sehen, und euer Herz wird sich freuen und euer Gebein soll grünen wie Gras.

Amen.

  • Vaterunser

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr (14.11.)2021

  • Eröffnung

„Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ Mit diesem Wort aus dem 2. Korintherbrief wird diese Woche eröffnet. Möge der Blick Christi so barmherzig sein, wie wir selbst unseren Mitmenschen gegenübertreten. Dafür beten wir.

  • Ein Lied: Es mag sein, dass alles fällt (EG 378)

1 Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen. Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: er hält sein Versprechen.

2 Es mag sein, dass Trug und List eine Weile Meister ist; wie Gott will, sind Gottes Gaben. Rechte nicht um Mein und Dein; manches Glück ist auf den Schein, lass es Weile haben.

5 Es mag sein, so soll es sein! Fass ein Herz und gib dich drein; Angst und Sorge wird’s nicht wenden. Streite, du gewinnst den Streit! Deine Zeit und alle Zeit stehn in Gottes Händen.

  • Aus Psalm 50,1-6.14.15.23 – der schöne Glanz Gottes

Gott, der Herr, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu
vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.
Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.

Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Fressendes Feuer geht vor ihm her
und um ihn her ein gewaltiges Wetter.
Er ruft Himmel und Erde zu,
dass er sein Volk richten wolle:
»Versammelt mir meine Heiligen,
die den Bund mit mir schlossen beim Opfer.«

Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkünden;
denn Gott selbst ist Richter. SELA.

Opfere Gott Dank
und erfülle dem Höchsten deine Gelübde,
und rufe mich an in der Not,
so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.«
Wer Dank opfert, der preiset mich,
und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.«

  • Lesung nach 2. Korinther 5,1-10 – dem Leben einverleibt

Der Apostel Paulus schreibt:

Wir wissen doch:
Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird,
dann bekommen wir einen Ort zum Wohnen,
den Gott uns bereitet,
ein nicht von Menschenhand gebautes,
Zeiten und Welten überdauerndes
Haus im Himmel.

Darum stöhnen wir laut.
Wir sehnen uns danach,
die himmlische Wohnung
wie ein Kleid überzuziehen.
Nur wenn wir wirklich überkleidet werden,
stehen wir nicht nackt da.
Denn während wir in diesem Zelt leben,
stöhnen wir und haben es schwer.
Wir wollen uns ja dieses Zelt nicht wegziehen lassen,
sondern lieber das andere darüberziehen.
Das,
was dem Tod ausgeliefert ist,
soll doch dem Leben einverleibt werden.
Für das Leben hat Gott uns doch geschaffen
und uns als Anzahlung die Geistkraft geschenkt.

So sind wir zu jeder Zeit zuversichtlich,
wir wissen ja:
Wir sind im Körper zu Hause und wir leben in der Fremde,
fern von dem, dem wir gehören.
Denn im Vertrauen gehen wir unseren Weg,
nicht aber in Orientierung an der sichtbaren Gestalt.
Doch wir sind zuversichtlich
und wollen viel lieber das Zuhause im Körper verlassen,
um bei dem, dem wir gehören, zu Hause zu sein.

Darum ist es für uns von größtem Wert, ihm zu gefallen,
ob wir dabei zu Hause oder fern vom Zuhause sind.
Denn wir alle müssen vor dem Gerichtssitz des Messias erscheinen,
damit jede und jeder unter uns etwas für das erhält,
was wir im Laufe des Lebens getan haben,
sei es Gutes oder sei es Böses.

  • Irdisches Zelt – himmlisches Haus. Gedanken zum 2. Korinther 5,1-10

Das irdische Zelt.

So wanderte das Volk Israel durch die Wüste. Sie wohnten in Zelten. Jederzeit und an jedem Ort zum Aufbruch bereit in das Gelobte Land. Die Wüste ist nicht ihre Heimat. Sie ist nur die unumgängliche Reiseroute. Die Zelte sind das sinnenfällige Erscheinungsbild dieser Vergänglichkeit. Die irdische Wohnung auf Lebenszeit.

Meine Lebenszeit verbringe ich in meinem Körper. Äußerlich ist er umspannt von meiner Haut. Darüber trage ich die Kleidung. Beide, Haut und Kleidung geben Auskunft darüber, wer ich bin und wie mein Leben verlaufen ist. Ebenso wie das, was ich außerdem vorweisen kann. Fotos, Zeugnisse, Begegnungen, geäußerte Worte, die Wohnungseinrichtung. Ein Blick darauf verrät, wer ich bin. Dem menschlichen Blick gelingt das mehr oder weniger gut. Er lässt sich täuschen oder auch nicht. Schminke, die eilig aufgeräumte Küche, die zurechtgezupfte Kleidung können den Eindruck korrigieren. Aber nichts ist perfekt. Es gibt Narben der Haut, Falten, es gibt die Löcher im Pullover, die zerkratzte Brille, den Fleck auf der Hose.

Der Blick des himmlischen Richters aber ist unbestechlich. Vor dem „Gerichtssitz des Messias“ nützt mir das nichts. Jede äußerliche Korrektur ist vergeblich. Ich vermag nichts zu verstecken. Keine Freude, kein Leid, keine Schuld und keinen Erfolg. Ich stehe nackt vor Gott. Ach, könnte ich doch in diesem Moment diese „Wohnung“, dieses Zelt bedecken und ein gefälligeres Bild zeigen. Ihm, dem Richter, zu gefallen.

Das himmlische Haus.

Gottes Worte erzählen mir davon. Im himmlischen Haus herrscht Frieden. Es ist meine wahre Heimat. Ein nicht von Menschenhand gebautes, Zeiten und Welten überdauerndes Haus. Ein Haus ohne Tränen und Tod, ohne Leid, Geschrei und Schmerz, ohne Falten, Wunden und Flecken.

Ich ziehe mir dieses Kleid über. Was mich bedrückt – und auch das, was mich freut? – Schuld und Glück meines Lebens werden davon bedeckt. Mein Erscheinungsbild wird von Grund auf geändert. Im Spiegel sehe ich nichts davon. Im Glauben wird es aber offenbar. Mein himmlisches Kleid der Zuversicht. Was war, ist damit nicht einfach verschwunden. Mein irdisches Zelt wird aber verwandelt. Einverleibt.
Das,
was dem Tod ausgeliefert ist,
soll doch dem Leben einverleibt werden.
Mein irdisches Leben dem himmlischen Leben. Was ich im Laufe des Lebens getan habe, dafür brauche ich mich nicht mehr zu schämen. Sei es Gutes oder Böses. Vor Gottes Augen.

Bis dahin aber übe ich – so gut ich es vermag – diesen Blick meinen Mitmenschen gegenüber. Trotz aller Falten und Flecken ihr himmlisches Kleid zu sehen und zu glauben.
Denn im Vertrauen gehen wir unseren Weg,
nicht aber in Orientierung an der sichtbaren Gestalt.

Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Himmlischer Vater,
unsere Sorge um unser irdisches Ansehen
leitet unser Handeln und Denken.
Bewahre uns davor, in diesem Sinne schlimme Fehler zu begehen.
Stärke in uns die Zuversicht, dass dein Kleid unfehlbar unser wahres Wesen zeigen wird.
Bekleide und bedecke uns, verwandle und erlöse uns
von den Schrecken und Bildern weltweit,
lenke die Gedanken der einflussreichen Menschen,
dass sie nicht nur das Naheliegende erwägen
und so jede Grausamkeit für erträglich halten:
an den Grenzen Europas,
in den Kriegen Afrikas und in Nahost,
in den Zentren der wirtschaftlichen Macht,
für eine friedliche Welt,
in der Platz ist für einen Widerschein deines himmlischen Hauses.

Besonders bitten wir das für das Haus unserer evangelischen Kirche und ihrer neuen Leitung, dass sie Mut findet, neue Wege zu gehen und sorgsam das hütet, was den Menschen Kraft und Segen schenkt. Dass die wunderbare Vielfalt unter ihrem Dach bewahrt bleibt und gestärkt wird.

Und wir bitten für jeden Menschen, dessen irdische Wohnung von Krankheit, Schuld, Scham und Trauer betroffen ist. Öffne ihre Augen für dein himmlisches Haus.

Mache uns gewiß mit den Worten deines Sohnes Jesus Christus:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Bittgottesdienst für den Frieden (07.11.)2021

  • Eröffnung

„Reichweite Frieden“ steht als Thema über der diesjährigen Friedendekade vom 7. – 17. November.
Lassen Sie sich ein auf das Lesen und Bedenken der Gedanken, die im Gottesdienstkreis unserer Gemeinde für diese Andacht bedacht worden sind. Gott segne diese Andacht.

  • Lied: Gib Frieden, Herr, gib Frieden (EG 430)

Die erste Strophe zum Anhören: https://www.eingesungen.de/player.php?track=1388&buch=21#player

Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange, wer stark ist, der Gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange? Hilf uns, die friedlos sind.

Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr.
Es wird soviel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.

Gib Frieden, Herr, wir bitten! Du selbst bist, was uns fehlt.
Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt,
damit wir leben könnten in Ängsten und doch frei,
und jedem Freude gönnten, wie feind er uns auch sei.

Gib Frieden, Herr, gib Frieden: Denn trotzig und verzagt
hat sich das Herz geschieden von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Händereichen, zur Rede, die nicht lügt,
und mach aus uns ein Zeichen dafür, dass Friede siegt.

  • Kyrie

Weitreichender Frieden: Eine schöne Richtung, ein gutes Ziel.
Wie weit ist es – bis zum Frieden? Reicht unsere Kraft?
Wir sehnen uns nach Gottes Frieden. Auf Erden.
Unsere Sehnsucht und den Unfrieden in der Welt bringen wir vor Gott.

Weitreichender Frieden:
fängt doch bei mir an, in mir. Gott, du weißt um unsere Unruhe.
Du kennst unsere Ängste. Die begrenzten Gaben.
Die kurze Sicht. Vergib das böse Wort,
die kränkende Ignoranz, das selbstzufriedene Genug.

Weitreichender Frieden:
Auf der Erde ist das eine Riesenaufgabe.
Das Klima ändert sich, nicht nur beim Wetter gibt es Unwetter und Dürre.
Und die Vielfalt der Pflanzen und Tiere stirbt still. Ohnmächtig.
Auch zwischen den Menschen gehen die Wogen hoch,
herrschen raue Töne, abwertende Blicke, alltäglicher Rassismus.
Das schreit zum Himmel.

Weitreichender Frieden:
Eigentlich wissen wir, wie Frieden geht:
Ehrlich sein und fair. Alles Leben auf der Erde achten.
Nur: wir trauen dem Frieden oft nicht.
Zu viele schöne Worte und leere Versprechen in uns selbst,
in der Politik, in der Kirche.
Ernüchtert sind wir, im Herzen kalt.

Weitreichender Frieden:
Wie schön ist diese Vorstellung, dass dein Frieden weit reicht.
Weiter als unsere Vernunft. Freiheit gehört zum Frieden.
Den wünschen wir uns im Denken und Handeln
für Deine Erde, Planet Heimat für alle.

  • Credo

Ich glaube an Gott der die Welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein Ding, dass immer so bleiben muss.
Ich glaube an Gott der den Widerspruch des Lebendigen will
und die Veränderung aller Zustände durch unsere Arbeit.
Ich glaube an Jesus Christus der aufersteht in unser Leben,
dass wir frei werden von Angst und Hass
und seine Revolution weitertreiben.
Ich glaube an den Geist an die Gemeinschaft der Völker
und unsere Verantwortung für das, was aus unserer Erde wird.
Ich glaube an den gerechten Frieden,
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens für alle Menschen.
Ich glaube an die Zukunft dieser Welt Gottes. Amen.
(Dorothee Sölle / Fulbert Steffenski)

  • Gedanken zu Joh 14,26-27

Liebe Leserinnen und Leser, der Text für unseren Bittgottesdienst steht im Johannesevangelium im 14. Kapitel.
Jesus spricht:
„Den Frieden lasse ich euch. Meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch , wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht
Und fürchte sich nicht.“
Unser heutiger Text gehört zu den Abschiedsreden Jesu, in denen er seine Jünger darauf vorbereitet, dass er nicht mehr lange bei ihnen sein wird. Er will sie trösten, indem er ihnen einen Beistand (Paraklet) genannt, senden wird.
Die Gemeinde, die Johannes vor Augen hat, als er sein Evangelium schreibt, erlebt die ungläubige Welt um sich herum und muss sich mit ihr auseinander setzen. Zweifel am Glauben kommen auf, denn die Christen haben mit dem baldigen Anbruch des Gottesreiches gerechnet. Augen- und Ohrenzeugen Jesu starben. Wie sollte unter diesen Bedingungen eine lebendige Beziehung zu Jesus aufrechterhalten bleiben? Der Beistand, den Gott schicken wird soll eine Brücke, zwischen der Zeit des anwesenden Jesus und der Zeit in der sie leben, bilden.
Sie ist nicht auf die sichtbare Anwesenheit Jesu angewiesen. Aber – in dem Helfer, Tröster und Beistand ist Gottes Geist unsichtbar anwesend. Sie ist nicht allein und so, wie sie den Worten Jesu folgt, so wird Gott sich ihr zuwenden und Jesus wird in Gott anwesend sein.
Für die beiden letzten Verse hat sich unsere Vorbereitungsgruppe entschieden:
„Den Frieden lasse ich euch. Meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“
Frieden! – Was genau ist das?
Da ist der private Frieden den wir in unseren Familien, im Freundeskreis unter Arbeitskollegen erleben und halten wollen.
Doch gibt es immer wieder Streitigkeiten obwohl wir uns mühen den anderen Respekt, Interesse und Wärme entgegen zu bringen. Auch unsere Gemeinden erleben, wie übrigens auch schon die urchristlichen Gemeinden Streit, Unverständnis, Engstirnigkeit. Da helfen nur klare Worte, eindeutige Regeln für das Miteinander in der Vielfalt der Gemeinde. Im Neuen Testament hat der Apostel Paulus solche Regeln aufgeschrieben und sie sind auch für uns heute, natürlich für unsere Zeit modifiziert, umsetzbar.
Da geht es auch um Eingeständnis von Verfehlungen, das gegenseitige Verzeihen, die Bereitschaft zur Versöhnung.
Sie kennen sicher den Ausspruch, der bei Streitigkeiten und Diskussionen Verwendung findet „Na ja, um des lieben Friedens willen“ bin ich still oder stimme zu und in Klammern gesagt: Ich sage nicht, was ich denke und fühle und wie ich eigentlich reagieren möchte.
Das ist ein „fauler“ Frieden und wird nicht lange halten.
Ja, und da ist der Frieden in unserem Land. Wir können sicher leben. Ohne Angst vor nächtlichem Sirenengeheul, Bomben und Luftschutzkeller, wie manche von uns es noch erlebt haben.
Wir haben Soldatinnen und Soldaten, die freiwillig Wehrdienst leisten, weil sie von den Friedensfördernden Einsätzen der Truppe überzeugt sind.
Wir haben weitgehend soziale Sicherheit, Bildungsmöglichkeit und Arbeit.
Doch blicken wir auf die jetzige Pandemie Situation sind wir von Frieden in unserer Gesellschaft weit entfernt.
Die Gräben zwischen Geimpften und Impfgegnern wachsen. Verantwortliche in Regierungen, Ärzteverbänden, Arbeitgebern finden zu keiner Einigung. Wie soll, wie kann es weiter gehen?
Das schafft Unsicherheit – Unzufriedenheit.
Es geht auch um Heilung und um Frieden mit der Natur und Die Sehnsucht nach einem, der die Lösung bringt wächst.
Die Sehnsucht nach einem Ort des allumfassenden Friedens.
Und wir erleben den als so unendlich weit entfernt.
Täglich bringen uns Funk, Fernsehen und Zeitungen an die Unruheorte dieser Erde.
Da sind die Kriege in der Ukraine, Afghanistan, Westafrika, Israel, Palästina und vielen anderen Orten der Erde.
Überall sind Menschen bedroht durch Gewalt, Machtgier, schlechte Lebensbedingungen wie Dürre oder Naturkatastrophen.
Je mehr ich mich damit beschäftige, umso deutlicher wird mir wie groß und umfassend der Begriff von Frieden ist.
Das es um viel mehr geht als um das Schweigen der Waffen.
Nämlich um Gerechtigkeit und Versöhnung, um sozialen Frieden, Chancengleichheit, Humanität.
zwischen Mensch und Tier.
Für das alles hat die Bibel das Wort „Schalom“.
Schalom ist etwas, dass ganz eng mit Gott verbunden ist.
Gott schenkt Schalom!
So wie wir es von Jesus hören: „Meinen Frieden gebe ich euch.“
Dieser Friede ist sein Abschiedsgeschenk, sein Vermächtnis.
Es ist das – was uns bleibt – mal als Sehnsucht und mal als Vorgeschmack. (Die meiste Zeit wohl aber Sehnsucht). Und es ist der Frieden, den wir Menschen nicht selbst machen können.
Unsere Welt ist weit weg von diesem Frieden im umfassenden Sinn.
Einen Frieden „nicht wie die Welt gibt“ verheißt Jesus und fügt hinzu: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“.
Das ist nicht leicht, denn die Bilder von Krieg, Gewalt, Zerstörung, Flucht und Vertreibung sind stark. Sie gehören zum Alltag unserer Welt.
Das Johannesevangelium verweist noch auf eine andere Ebene.
Da ist der Vater im Himmel, der seinen Sohn zu uns gesandt hat, damit wir verstehen: unser Leben ist mehr als das, was wir täglich vor Augen haben.
Da ist ein liebender Gott, der wie Vater und Mutter für uns sorgt.
Da gibt es Frieden und Versöhnung, da gibt es Heilung und Schalom.
Alles, was ihr euch nicht zu träumen wagt, was eure Vorstellung übersteigt, gibt es bei ihm.
Bei Johannes klingt das sehr geheimnisvoll, fast verschwörerisch als sei es ein Geheimwissen das die Christen verteidigen müssen gegen die böse Welt.
Wir, die diesem Christus folgen, haben eine Vorstellung, ein Bild vom Frieden, dem wir anhängen und für den wir uns einsetzen können.
Oft schaffen wir das nur mit Mühe, manchmal gelingt es nur im kleinen Kreis. Wenn wir aber Glück haben, dann strahlt dieser Frieden aus und wächst weiter, führt zum Ausgleich der verschiedenen Interessen, zur Verständigung bis hin zur Einigung.
Über allen diesen Versuchen steht dieses Wort Christi „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“
Der Frieden ist schon da, wir können ihn entdecken, ihm nachgehen, ihm anhängen im Großen und Kleinen
Gott schenkt uns ihn als seinen Frieden, den weltumspannenden Schalom.
Davon träumen wir, darauf hoffen wir, danach sehnen wir uns.
Jeden Tag bis er kommt. AMEN.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn.

  • Gebet

Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man sich hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist; dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
Wer sich selbst vergisst, der findet; wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.

Vater unser im Himmel geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns,
er lasse sein Antlitz leuchten.
Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte ihn!

(Gudrun Naumann)

Reformationstag (31.10.)2021

  • Eröffnung

Spruch des Gedenktages der Reformation:
„Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1.Kor. 3, 11) Mit diesem Zuspruch, der wohl auch Martin Luther in seinem Denken und Tun bewegt hat, können wir getrost durch diesen Tag und in die neue Woche gehen.

  • Lied: „Herr Jesu Christ dich zu uns wend(EG 155)

https://www.eingesungen.de/player.php?track=616&buch=21#player

Herr Jesu Christ, dich zu uns wend, dein Heilgen Geist du zu uns send;
mit Hilf und Gnad er uns regier und uns den Weg zur Wahrheit führ.
Tu auf den Mund zum Lobe dein, bereit das Herz zur Andacht fein,
den Glauben mehr, stärk den Verstand,
dass uns dein Nam’ werd wohl bekannt.
Bis wir singen in Gottes Heer: „Heilig, heilig ist Gott, der Herr!“
Und schauen dich von Angesicht in ewger Freud und sel`gem Licht.

  • Psalm 46

Gott ist unsere Zuversicht und Stärke,
eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge
und die Berge mitten ins Meer sänken,
wenngleich das Meer wütete und wallte
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.
Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein,
da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.
Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben.
Gott hilft ihr früh am Morgen
Die Völker müssen verzagen und die Königreiche fallen,
das Erdreich muss vergehen, wenn er sich hören lässt.
Der Herr Zebaoth ist mit uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz.
Kommt her und schauet die Werke des HERRN,
der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet,
der den Kriegen ein Ende macht in aller Welt,
der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt
und Wagen mit Feuer verbrennt.
Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!
Ich will mich erheben unter den Völkern,
ich will mich erheben auf Erden.
Der HERR Zebaoth ist mit uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz.

  • Text

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott alleine.
(Evangelisches Gesangbuch, Nr. 421)

  • Gedanken zum Text

Es sind unruhige Zeiten als Martin Luther das Lied verfasst.
Die Reformation hat Auseinandersetzungen und auch Kriege mit sich gebracht. Und so wandert die Bitte um Frieden nahtlos weiter durch die Jahrhunderte. Sie war und ist immer aktuell und sie darf nie enden.
Luthers Lied wird in unzähligen Sprachen gesungen. Am Ende von Gottesdiensten, bei Friedensgebeten, bei Sitzungen und auch zum Läuten der Glocken zur Mittags- oder Abendstunde. Das ist gut. Das brauchen wir. Für uns selbst und für die Welt, das Gebet für den Frieden.
In diesen Zeiten darf das Wort Friede nicht zur Floskel werden, zum harmonischen Wohlfühlwort, an das man sich gut halten kann, solange niemand aus dem nahen Umkreis in einem Kriegsgebiet zu Schaden kommt. Frieden wird umso wichtiger, je mehr Konflikte auftreten. Das war für Luther nicht anders als für uns heute. Und wenn ich auf die Melodie schaue und sie höre oder singe, so klingen schon die ersten Töne wie eine Fanfare „Ver -leih – uns –
Frie – den“. Sie mahnen, hier ist etwas ganz wichtig, nimm es nicht auf die leichte Schulter! Mach es zu deiner Sache. Steh dafür ein!
Und Luther wendet sich nicht an seine Anhänger, das eine oder andere Lager. Er wendet sich an Gott: „Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“
Gott ist sein Adressat uns das erinnert daran, wie es damals war, als Gott auf die Erde kam. „Friede auf Erden“ lautete die Botschaft des Engels auf dem Feld. Die Zeit damals war ebenfalls alles andere als friedlich. Der Friedensbringer, Jesus, fand keine friedliche Welt vor. Die Geschichte in Nahost, die Geburt Jesu im Stall, stand unter einem guten Stern. Doch sie hing auch an einem seidenen Faden. Der König Herodes ließ alle männlichen Kinder umbringen, nur um diese eine Kind, den neugeborenen König zu töten. Es gelang nicht. Maria und Josef waren mit ihrem neugeborenen Kind schon auf der Flucht – und in Sicherheit.
Schauen wir auf Jesus, dann zeigen uns seine Worte und Taten etwas von dem Frieden, den Gott uns Menschen schenken will.
Deshalb ist es wichtig: Wir dürfen uns unsere Hoffnung, unsere Zuversicht nicht nehmen lassen. Das hat Gott durch Jesus deutlich gemacht: Seine Auferweckung nach Leiden und Tod dass das Leben auch von Schergen und Despoten nicht aufzuhalten ist. Jesus steht dafür, dass Gewalt nicht das letzte Wort hat.
Für Frieden muss man eintreten. Gott antwortet auf den Unfrieden der Welt mit Frieden, mit der Auferweckung seines Sohnes.
Leben soll sein, wo Gewalt und Krieg herrschen. Deshalb ist es an uns für Frieden einzutreten. Wir können es tun in der Gewissheit, dass wir Gott an unserer Seite finden. Amen.

  • Gebet

Dass wünsche ich sehr, Gott, dass du bei den Menschen bist.
Ich bitte dich für alle kleinen und großen Menschen, die sich fürchten.
Für alle, denen Angst gemacht wird.
Für alle, die auf der Flucht sind.
Für alle, die in Katastrophen alles verloren haben.
Für alle, die mitten im Terror leben müssen.
Für alle, die einen Menschen verloren haben.
Dass wünsch ich sehr, Gott, dass du uns ganz nahe bist und tröstest.
Ich bitte dich, Gott, um Lebenskraft für uns und alle, die ganz besonders viel Kraft brauchen und uns am Herzen liegen.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns,
er lasse uns sein Angesicht leuchten.
Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte ihn!

(Gudrun Naumann)

21. Sonntag nach Trinitatis (24.10.)2021

  • Eröffnung

Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Römer: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Was für ein Anspruch. Aber, mit Gottes Hilfe! Dafür beten wir.

  • Ein Lied: „Zieh an die Macht, du Arm des Herrn“ (EG 377)
  1. Zieh an die Macht, Du Arm des Herrn,
    wohlauf und hilf uns streiten!
    Noch hilfst du deinem Volke gern,
    wie du getan vorzeiten.
    Wir sind im Kampfe Tag und Nacht,
    o Herr nimm gnädig uns in Acht
    und steh uns an der Seiten.
  2. Mit Dir, du starker Heiland Du,
    muss uns der Sieg gelingen;
    wohl gilt’s zu streiten immerzu,
    bis einst wir Dir lobsingen.
    Nur Mut! Die Stund ist nimmer weit,
    da wir nach allem Kampf und Streit
    die Lebenskron erringen.
  3. Drängt uns der Feind auch um und um,
    wir lassen uns nicht grauen.
    Du wirst aus Deinem Heiligtum
    schon unsre Not erschauen.
    Fort streiten wir in Deiner Hut
    und widerstehen bis aufs Blut
    und wollen Dir nur trauen.
  4. Herr, Du bist Gott! In Deine Hand,
    o lass getrost uns fallen!
    Wie du geholfen unserm Land,
    so hilfst Du fort noch allen,
    die Dir vertraun und Deinem Bund
    und freudig Dir von Herzensgrund
    ihr Loblied lassen schallen.
  • Aus Psalm 19,8-14 – erleuchten die Augen

Das Gesetz des Herrn ist vollkommen
und erquickt die Seele.
Das Zeugnis des Herrn ist gewiss
und macht die Unverständigen weise.
Die Befehle des Herrn sind richtig
und erfreuen das Herz.
Die Gebote des Herrn sind lauter
und erleuchten die Augen.
Die Furcht des Herrn ist rein und bleibt ewiglich.
Die Rechte des Herrn sind wahrhaftig, allesamt gerecht.
Sie sind köstlicher als Gold und viel feines Gold,
sie sind süßer als Honig und Honigseim.
Auch lässt dein Knecht sich durch sie warnen;
und wer sie hält, der hat großen Lohn.
Wer kann merken, wie oft er fehlet?
Verzeihe mir die verborgenen Sünden!
Bewahre auch deinen Knecht vor den Stolzen,
dass sie nicht über mich herrschen;
so werde ich ohne Tadel sein
und unschuldig bleiben von großer Missetat.

  • Evangelium nach Matthäus 10 – um meinetwillen

Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin,
Frieden zu bringen auf die Erde.
Ich bin nicht gekommen,
Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Denn ich bin gekommen,
den Menschen zu entzweien mit seinem Vater
und die Tochter mit ihrer Mutter
und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.
Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
der ist meiner nicht wert;
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich,
der ist meiner nicht wert.
Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach,
der ist meiner nicht wert.
Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren;
und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

  • Gedanken zu Matthäus 10

Harte Worte sind es, die Jesus spricht. Zu seinen Jüngern. Sie werden mit der Kraft Jesu begabt. Aber diese Kraft kostet ihnen ihr Leben.
Die ungewöhnliche Rede vom Schwert. Höre ich da noch den Jesus, der mich zu Frieden und Vergebung auffordert?
Jesus stellt sich gegen alles in dieser Welt, was mir lieb und teuer ist. Gerade war ich noch zu Besuch bei meiner Mutter. Wichtige Fragen haben wir besprochen. Und ich bin so froh, dass das gut gelungen ist. Aber: Alles, was ich suche, um mein Leben gut zu erhalten und gut zu gestalten, fällt unter das Schwert Jesu.
Die Beziehung zur Familie, oder zu Freunden, Gesundheit, die Freude an den schönen Dingen.
Alles das stellt Jesus in Frage. Nur er allein. Verleugne dein irdisches Leben, sagt er, sonst, wirst Du es verlieren. Nämlich, das wahre Leben, die wahre Seligkeit, die allein auf dem Weg zu Christus zu finden ist.

Ich versuche mir eine Vorstellung davon zu machen, wie dieser Weg aussehen könnte. Gibt es etwas, was mir dieses Wort Jesu zugänglicher machen könnte? Die Worte weniger gewaltsam, weniger scharf und unerbittlich klingen zu lassen.
Denn es geht nicht darum, gute Ratschläge zu erteilen. Es geht nicht darum, dass ich mein Verhältnis zur Familie klug gestalte. Ja, manchmal ist es klug, Abstand zu gewinnen; sich von den Eltern zu lösen und den Kindern Freiraum zu gewähren. Vielleicht auch gegen mein eigenes Bedürfnis. Nur, darum geht es hier eben nicht.
Jesus stellt nicht diese Frage, wie kann ich in meiner Familie und mit meiner Familie auf gute Weise umgehen. Jesus stellt die Familie generell in Frage. Er stellt jede Verbindung zu diesem irdischen Leben nicht nur in Frage, sondern verdammt sie regelrecht.
Nur so kann kann ich ihm folgen.

Der Preis für das wahre Leben ist also sehr hoch und steht quer zu den Vorstellungen und Werten, die mir doch am Herzen liegen. Familie, Freunde, Gesundheit, schöne Dinge …
Ich könnte einwenden, dass sich die Rede nur an die Jünger richtete. Aber auch das wäre eine Ausflucht.
Sie reichte gerade so weit, um zu sagen; nun, ich muss nicht das Leben eines Wanderpredigers führen; fern von der Heimat, dem Geburtsort und einer festen Wohnstätte.
Es wäre zu billig, diesen zufälligen Umständen noch heute zu folgen.
Das wahre Leben kostet aber das irdische Leben, das ich hier und jetzt führe.

Weil ich aber keine klare Regel dafür finden kann, so möchte ich stattdessen zwei Bibelgeschichten der Rede Jesu zur Seite stellen.
Beziehungsgeschichten.
Gott schickt Adam sein Gegenüber. Das ist Adams unausweichlicher Weg. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. (1. Mose 2,24) Selbst die Eltern wird ein Kind deshalb verlassen. Für das gottgewollte Gegenüber. Die Schöpfung Gottes will es so.
Ruth folgt diesem Willen. Aber anders als Adam. Sie gibt alles auf; die Aussicht auf einen Mann, ihre Heimat, ihre Sprache und ihre Religion; nur um ihrer verwitweten und kinderlosen Schwiegermutter Noomi zu folgen: Wo du hingehst, will auch ich hingehen. (Ruth 1,16) Noomi versucht, es ihr auszureden. Unvernünftig ist das, was Ruth vorhat. Aber Gott und Jesus fragen nicht nach unserer Vernunft.

Besser weiß ich es auch nicht zu sagen als mit dieser Geschichte.

So mache ich mich auf den Weg, suche und lausche auf das, was Gott mir schon ein Leben lang erzählt. Und der Frieden Gottes, der eben höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unsere Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,
nichts brauchen wir mehr als deine elterliche Fürsorge.
Lehre uns, deinem Ruf zu trauen
und uns dir anzuvertrauen.
Dass wir selbst auf diese Weise Kraft und Zuversicht gewinnen,
uns jedem Menschen auf unserem Lebensweg zuzuwenden.
Und dass wir nicht aus den Augen verlieren,
was uns nicht direkt vor Augen liegt.
Sende deine Gnade aus für die Menschen,
die auf der Flucht sind, unter Armut und Hunger leiden,
Gewalt erfahren und Krankheit.
Lasse dein Ruf hören, denen, die Abschied von dieser Welt nehmen;
Und denen, die darum trauern.
Stärke uns Herr, durch dein Wort.
Wir beten mit den Worten Jesu Christi.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

19. Sonntag nach Trinitatis (10.10.)2021

  • Eröffnung

Eine Kerze anzünden, still werden und in sich hinein lauschen.
Der Spruch „Heile du mich, Herr, so werde ich heil;
hilf du mir, so ist mir geholfen“ aus dem Buch des Propheten Jeremia begleitet uns durch die neue Woche.

  • Lied: „Ich singe dir mit Herz und Mund“ (EG 324)

Das Lied zum Anhören: https://www.eingesungen.de/player.php?track=775#player

  1. Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust;
    ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst.
  2. Wenn unser Herze seufzt und schreit, wirst du gar leicht erweicht
    und gibst uns, was uns hoch erfreut und dir zur Ehr gereicht.
  3. Du zählst, wie oft ein Christe wein und was sein Kummer sei;
    kein Zähr- und Tränlein ist so klein, du hebst und legst es bei.
  4. Du füllst des Lebens Mangel aus mit dem, was ewig steht,
    und führst uns in des Himmels Haus, wenn uns die Erd entgeht.
  5. Wohlauf mein Herze, sing und spring und habe guten Mut!
    Dein Gott, der Ursprung aller Ding, ist selbst und bleibt dein Gut.
  • Psalm 32

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
das mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde,
und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
Darum, wenn große Wasserfluten kommen,
werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.

  • Text: Jesaja 38,9-20

Dies ist das Lied Hiskias, des Königs von Juda,
als er krank gewesen und von seiner Krankheit gesund geworden war:
Ich sprach: In der Mitte meines Lebens muss ich dahin fahren,
zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre.
Ich sprach: Nun werde ich nicht mehr sehen den HERRN,
ja, den HERRN im Lande der Lebendigen,
nicht mehr schauen die Menschen, mit denen, die auf der Welt sind.
Meine Hütte ist abgebrochen
und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt.
Zu Ende gewebt habe ich mein Leben wie ein Weber;
er schneidet mich ab vom Faden.
Tag und Nacht gibst du mich preis; bis zum Morgen schreie ich um Hilfe;
aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe;
Tag und Nacht gibst du mich preis.
Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube.
Meine Augen sehen verlangend nach oben:
Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!
Was soll ich reden und was ihm sagen? Er hat`s getan!
Entflohen ist all mein Schlaf bei solcher Betrübnis meiner Seele.
Herr, davon lebt man, und allein darin liegt meines Lebens Kraft:
Das lässt mich genesen und am Leben bleiben.
Siehe, um Trost war mir sehr bange.
Du aber hast dich meiner Seele angenommen, dass sie nicht verdürbe;
denn du wirfst alle meine Sünde hinter dich zurück.
Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht,
und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue;
sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.
Der Vater macht den Kindern deine Treue kund.
Der HERR hat mir geholfen,
darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben,
im Hause des HERRN!

  • Gedanken zum Text

Singen und spielen, Gott loben. Mit Leichtigkeit und Lebensfreude.
So endet Hiskias Dankgebet.
Hiskia, König im Südreich Juda in den Jahren 725 – 696 v. Chr.,
Hiskia, der regierte und tat, was dem Herrn wohlgefiel.
Und doch! Diesen König befällt eine schwere Krankheit, die ihn verzweifeln lässt, ja dem Tod nahe bringt. Doch er darf genesen. Der Prophet Jesaja vekündet ihm im Auftrag Gottes die Genesung.
Und so schildert Hiskia in seinem Dankgebet rückblickend seinen Weg durch Krankheit und Verzweiflung.
Er schildert eine, auch uns, nicht unbekannte Erfahrung, die sprachlos macht, wenn ein bis dahin gesunder, fröhlicher und tatkräftiger Mensch plötzlich sterbenskrank wird.
Mit starken Worten schreit er seinen Schmerz heraus
„heimatlos ist er geworden, bewegungslos ist er den Gefahren ausgeliefert, sein Leben erscheint ihm wie das Werk eines Webers, der den letzten Faden vom Webstuhl abschneidet, wenn es vollendet ist. Ja, der Schmerz ist schlimm, aber unerträglich ist die Trennung von Menschen, die mit ihm auf der Welt sind.
Und er sieht auch die Trennung von Gott, wenn er ins Totenreich eingeht.
So hat es Hiskia vor Augen und so klagt er.
Denn Hiskia sieht in Gott den Urheber seines Leidens.
Aber so wird sein Weg durch die Krankheit ein Weg mit Gott.
Da, die Anklage und Distanz: „Er hat`s getan, Tag und Nacht gibst du mich preis“
Und da die Zuwendung zu Gott: „Herr, ich leide Not, tritt du für mich ein“
Ja, Hiskia tut es: Klagen, klagen und sogar Gott anklagen.
Darf man das? Es ist nicht sehr populär, wenn einer klagt, deshalb nach einer Klage auch oft die Einschränkung:
„Ich darf nicht klagen, anderen geht es noch schlechter.
Klar, geht es anderen noch schlechter. Aber wer nicht klagt, wird auch nicht gehört, bekommt keine Hilfe.
Das können wir von Hiskia lernen: richtig zu klagen.
Auch an Gott meine / unsere Klage zu richten.
Gott hört die Klage und er hält das aus.
Doch nicht nur Gott soll wissen, wie es uns geht.
Auch unsere Mitmenschen müssen es wissen.
Wer nicht darüber spricht, wie schlecht es ihm geht, der droht einsam zu werden.
Auch wenn wir uns oft eingestehen müssen, nicht direkt helfen zu können, dass wir nicht wissen, wie es weitergehen soll, dass wir gemeinsam den Tod fürchten.
Noch etwas können wir von Hiskia lernen:
Wie kommen wir durch die Verzweiflung hindurch zum „Singen und Spielen“!
Ganz plötzlich schlägt die Stimmung um.
Hiskia schildert die Rettung aus seiner Krankheit.
War vorher alles Verzweiflung, erklingt jetzt das Lob.
Es ist als wäre ein Schalter umgelegt worden.
Das Dunkel ist vorbei und Licht erscheint.
Im Leben ist es oft anders. Eine Krankheit kann Wochen, Monate manchmal sogar Jahre dauern.
Gesundheit stellt sich nur ganz langsam wieder ein
und manchmal gibt es Rückschläge.
In Hiskias Beziehung zu Gott fällt auf, dass es kein Nacheinander gibt, die Gottesferne in der Krankheit und Gottesnähe nach der Gesundung.
Gott berührt ihn auch und gerade in der Krankheit.
Hiskia glaubt, dass Gott die Krankheiten schickt.
Ich denke da anders als Hiskia. Aber ich bin sicher, dass Gott in einer Krankheit Fragen und Hinweise gibt.
Was macht mein Leben aus? Worauf kommt es im Leben an?
Wer oder was ist mir wichtig?
So kann eine Krankheit mir helfen etwas neu vom Leben zu begreifen und anders Weiterzugehen.
Gott geht diesen Weg mit. Auch durch Verzweiflung und Angst.
In kleinen Zeichen lässt er seine Nähe spüren.
z.B in Beistand, den ich erlebe, in freundlichen Menschen, die sich mir zuwenden.
Erst durch die Krankheitserfahrung kann Hiskia das sehen und erfährt, was es bedeutet.: Gott hört mein Schreien, er gibt mir Halt.
Sein Klagen richtet sich an Gott, sein Lob auch:
„Du, Gott gibst meinem Leben Kraft. Du hast dich meiner Seele angenommen.“
Darum singt und spielt Hiskia für alle, die zu ihm gehören, seine Familie, die Hof- und Tempelangehörigen und singt zum Lobe Gottes. Denn wäre er tot, könnte er Gott nicht loben und von seiner großen Treue singen.
Aber in allem Glanz des Lobgesangs schwingt ein Schatten mit.
Es ist Hiskias Erfahrung der Tiefe. Die fast zerschlagene Seele, der nahe Tod oder die tiefe Verzweiflung, die kein Leben mehr kennt.
Er lobt Gott dafür, dass er diesen Weg aus der Verzweiflung mit ihm gegangen ist.
Es ging um mehr als die Heilung des Körpers.
Und es kann auch unsere Erfahrung werden. Wenn wir in der Krankheit Gottes Ferne erfahren, erfahren wir vielleicht auch seine heilende Berührung. So kann sich die Gottesbeziehung erneuern, ja sogar vertiefen. Sie kann zu einem neuen Blick auf andere Menschen werden, die mit uns auf dieser Welt leben.
Darum wollen wir singen und spielen solange wir leben und antworten mit dem Lied „Herr, du hast mich angerührt“ (EG 383).

  • Gebet

Wir beten miteinander und füreinander.
Deine Nähe, Gott, heilt. So willst du für uns sein.
Voller Liebe. Danke dafür.
Und nun kommen wir zu dir und erbitten deine Nähe für andere.
Behüte die Kranken.
Tröste die Sterbenden.
Stärke denen die Rücken, die sie pflegen.
Beschütze die Kinder.
Wecke die Freude in den Traurigen.
Gib Heimat denen, die auf der Flucht sind.
Beflügele die Phantasie der Forscherinnen und Forscher.
Heile deine gequälte Schöpfung.
Bewahre uns alle vor Hass und Gewalt.
Du bist Schirm und Schutz für uns.
Behüte und bewahre uns.
In dieser Zeit und in der kommenden.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der barmherzige und allmächtige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

(Lektorin Gudrun Naumann)

Bericht aus dem Gemeindekirchenrat (09/2021)

Sitzung am 01. September 2021

Nach einer Sommerpause im August traf sich der Gemeindekirchenrat Anfang September zu seiner Sitzung. Erstmalig seit Dezember vergangenen Jahres waren alle Mitglieder in Präsenz versammelt.

In thematischer Hinsicht war diese Sitzung eher ruhig. Auch weiterhin muss sich der GKR mit der Entwicklung der Pandemie-Situation befassen und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten befinden, welche Form von Veranstaltungen in welcher Form verantwortet werden können.

Für die Auszeit von Pfarrer Wisch waren verschiedene Fragen der Vertretung zu klären. Bedingt durch die Abwesenheit wurde die Gemeindeversammlung auf den 24. Oktober 2021 verschoben.

Auch stand die Organisation künftiger Termine (Gottesdienst zur Konfirmation, Lebenswendefeiern) im Mittelpunkt. Deutlich wird in diesem Zusammenhang leider einmal mehr die zu kleine Besetzung des Technikteams. So wird die Betreuung der Feiern zur Lebenswende nur mit Hilfe des Kirchenkreises abgesichert werden können.

Abschließend hat sich der GKR erste Gedanken zu Heiligabend gemacht – auch in diesem Jahr werden wir hier auf die Pandemie zu achten haben.

Martin Kötters

Autorenlesung am 15. Oktober 2021, 19 Uhr

Ein Abend mit satirischen und melancholischen Texten von Prosa bis Lyrik. Im Großen Saal des Gemeindehauses. Freier Eintritt. Es gilt 3G (geimpft – genesen – getestet) – denken Sie an die entsprechenden Nachweise!

Ein Atheist, ein Agnostiker und eine Katholikin treffen sich an einer protestantischen Kirche. Das ist kein Witz, sondern eine Lesung der drei befreundeten Autoren Christine Hoba, Peter Berg und Christian Kreis an der Lutherkirche. Nicht ausgeschlossen natürlich, daß es auch heiter werden kann. Es gibt komische Gedichte, satirische Kolumnen, ein paar sehr ernste Geschichten über Gott und Halle, ein Dach über dem Kopf im Gemeindesaal und ein Glas Wein.

Christine Hoba: Preisträgerin des MDR-Kurzgeschichten-Wettbewerbs, Mitglied des PEN, zuletzt veröffentlichte sie den Roman „Schräger Regen“ im Mitteldeutschen Verlag.

Christian Kreis: Stadtschreiber von Halle 2019 und Autor des „Halle Alphabets“. Peter Berg: Autor des Mitteldeutschen Verlages, zuletzt erschien dort „Letzter Mann“.

Erntedankfest (03.10.)2021

Andacht zum Erntedanksonntag

Im Zentrum des Erntedankgottesdienstes stand ein kleines Theaterspiel: Hans im Dank – Eine Adaption des Grimmschen Märchens „Hans im Glück“:

Hans hat endlich seinen Lohn ausgezahlt bekommen. Einen schweren Koffer voller Münzgeld (sein Chef hatte wohl keine Scheine). Nun will er nach Hause, zu seinen Eltern und Freunden. Darauf freut er sich schon sehr. Nach einiger Zeit wird ihm der Koffer jedoch ganzschön scher. Da kommt eine Fahrradfahrerin daher. Sie kommt mit Hans ins Gespräch und Hans kauft ihr das Fahrrad ab, um schneller voran und nach Hause zu kommen. Nach einer Runde durch die Kirche hat Hans jedoch leider einen Platten. Enttäuscht schiebt er sein Fahrrad weiter. Da kommt eine Wanderin des Weges, ausgerüstet mit Schuhen, Wanderstock und Rucksack. Um besser laufen zu können tauscht Hans das kaputte Fahrrad gegen die Wanderausstattung. So läuft er befreit weiter. Nach einiger Zeit wird er jedoch müde und seine Füße schmerzen. Da trifft er eine Frau, die auf einem Hocker sitzt und ihrerseits besseres Schuhwerk braucht. Ihr Sandalen sind verschlissen. Schnell kommen Sie ins Geschäft: Hans bekommt den Hocker und die Frau die Wanderausrüstung. Glücklich ruht er sich erstmal eine Weile aus. Doch bald schon wird ihm langweilig. Einfach nur so rumsitzen, das ist nichts für ihn. Da kommt eine Frau des Weges, die in ein spannendes Büchlein vertieft zu sein scheint. Hans will es unbedingt haben und tauscht seinen Hocker ein. Das Büchlein ist schon bald ausgelesen und da er sich ja langsam auch mal wieder auf den Weg machen will, verschenkt er es an ein Kind. Fröhlich zieht er seines Weges. So sehr freut er sich seine Familie und Freunde wieder zu sehen. 

Predigt

Ihr und Sie habt das Märchen vom Hans im Glück sicher gleich erkannt. Auch wenn wir es heute in etwas abgewandelter Form gespielt haben. Aber ein Pferd, eine Kuh und eine Gans in die Kirche zu bekommen, war einfach ein bisschen zu kompliziert. Da war das mit dem Drahtesel schon einfacher…

An der Geschichte vom Hans im Glück hat uns als Vorbereitungsteam eine Sache fasziniert: Der Hans ist immer richtig dankbar für die Dinge die er sich ertauscht. Deswegen haben wir unsere Version auch Hans im Dank genannt.

Der Hans freut sich immer an den Dingen, die er gerade hat. Sie helfen ihm auch immer richtig weiter. Er schaut da gar nicht so sehr darauf was mehr Geld wert ist, sondern vielmehr auf den Nutzen. Auf den Nutzen, den die Dinge ganz persönlich für ihn haben.

Und er trauert auch nicht den Dingen hinterher, was er nicht mehr hat nicht nach. Er hat sie ja auch nicht ohne Grund abgegeben. Er lebt ganz im Augenblick. Er schaut nicht auf das, was er nicht mehr hat, sondern auf das was er hat. Ich glaube das ist eine gute Einstellung.

In einem Brief schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich: „Seid dankbar in allen Dingen!“. Und das klingt vielleicht erstmal ziemlich hart, vor allem wenn man bedenkt, dass es der Gemeinde damals gar nicht so gut ging.

Aber wenn man genau liest: „Seid dankbar IN allen Dingen!“ dann merken wir:

Du musst nicht dankbar für alles sein. Aber denk doch auch in schlechten Zeiten daran, wofür du alles dankbar sein kannst:
Dinge, die du ganz selbstverständlich hast: Luft zum Atmen, die warme Sonne, Wasser, Strom, ein Dach über dem Kopf, ein gedeckter Tisch, etwas zum Anziehen, vielleicht eine gute Freundin, ein guter Freund, eine Familie …

Sei dankbar für Deine Talente und Gaben, deine guten Erinnerungen und Erlebnisse, das was trotz allem gerade wunderbar ist, mag es noch so klein oder selbstverständlich sein.

Und sei dankbar für die Dinge, die du gar nicht so selber in der Hand hast. Die unverhoffte, zufällige Begegnung mit einem lieben Menschen, eine glückliche Fügung, eine gute Nachricht im Alltag.

„Seid dankbar in allen Dingen“, auch in schlechten Zeiten, dann lässt es sich leichter ertragen. Dann können wir von diesem Schatz an guten Dingen zehren.

Ich glaube der Hans, der hat genau danach gelebt. Auch am Ende, nachdem alles weggetauscht war, was er am Beginn der Geschichte noch hatte, selbst dann ist er fröhlich und grämt sich nicht. Man könnte das dumm oder naiv nennen. Aber ich glaube der Hans war gar nicht so dumm. Der freut sich auf seine Familie. Die Gemeinschaft mit anderen Menschen. Auf das gemeinsame Lachen und Beisammensein. Auf all die Dinge, die man mit Geld nicht bezahlen kann.

Denn ich glaube der Hans wusste, es kommt nicht nur auf Geld und Besitz an. Es gibt daneben noch so vieles mehr. Und der Hans war dankbar dafür, „dankbar in allen Dingen“. Amen.

(Gemeindepädagoge Jakob Haferland)

17. Sonntag nach Trinitatis (26.09.)2021

  • Begrüßung mit Wochenspruch

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1.Johannes 5,4c)   

Um den Glauben geht es heute und ums Überwinden, um unseren Glauben und um den Glauben von Menschen, die anders sind als wir. Um das, was uns vertraut ist von Kindheit an und darum, dass Glauben nie fertig ist sondern ein Prozess. Und dass Gott immer noch größer ist als das, was wir von ihm erkannt haben. Ob er in uns überwinden kann, was seiner Liebe im Wege steht? 

Ich wünsche uns allen einen gesegneten Gottesdienst

  • Lied: „Er weckt mich alle Morgen

1. Er weckt mich alle Morgen,

er weckt mir selbst das Ohr.

Gott hält sich nicht verborgen,

führt mir den Tag empor,

dass ich mit seinem Worte

begrüß das neue Licht.

Schon an der Dämmrung Pforte

ist er mir nah und spricht.

2. Er spricht wie an dem Tage,

da er die Welt erschuf.

Da schweigen Angst und Klage;

nichts gilt mehr als sein Ruf.

Das Wort der ewgen Treue,

die Gott uns Menschen schwört,

erfahre ich aufs Neue

so, wie ein Jünger hört.

3. Er will, dass ich mich füge.

Ich gehe nicht zurück.

Hab nur in ihm Genüge,

in seinem Wort mein Glück.

Ich werde nicht zuschanden,

wenn ich nur ihn vernehm.

Gott löst mich aus den Banden.

Gott macht mich ihm genehm.

  • Aus Psalm 138    

Ich danke dir von ganzem Herzen,

vor den Göttern will ich dir lobsingen.

2Ich will anbeten zu deinem heiligen Tempel hin und deinen Namen preisen für deine Güte und Treue;

denn du hast dein Wort herrlich gemacht

um deines Namens willen.

3Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich und gibst meiner Seele große Kraft.

4Es danken dir, Herr, alle Könige auf Erden,

dass sie hören das Wort deines Mundes;

5sie singen von den Wegen des Herrn,

dass die Herrlichkeit des Herrn so groß ist.

6Denn der Herr ist hoch und sieht auf den Niedrigen und kennt den Stolzen von ferne.

Wenn ich mitten in der Angst wandle,

so erquickst du mich

und reckst deine Hand gegen den Zorn meiner Feinde

und hilfst mir mit deiner Rechten

Der Herr wird’s vollenden um meinetwillen

Herr, deine Güte ist ewig.

Das Werk deiner Hände wollest du nicht lassen 

  • Evangelium Matthäus 15, 21 –  28

21Und Jesus ging weg von dort und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon. 22Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt. 23Er aber antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach. 24Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.

25Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! 26Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. 27Sie sprach: Ja, Herr; aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. 28Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

  • Predigt über Römer 10, 12  

„Ob jemand Jude oder Nichtjude ist, macht keinen Unterschied: Alle haben denselben Herrn, und er lässt alle an seinem Reichtum teilhaben, die ihn im Gebet anrufen“. 

Liebe Gemeinde, vor 14 Tagen waren wir im Teutoburger Wald, haben Urlaub gemacht, schöne alte Städte angesehen und natürlich auch die Kirchen. In Lemgo sind wir auf gestoßen, worüber wir sehr erschrocken sind – inmitten von wunderbaren Zeugnissen der Frömmigkeit die mittelalterliche Steinfigur eines Juden mit seiner Spitzmütze, der diskriminierenden Kopfbedeckung, die ihme aufgezwungen wurde und einem Schwein auf seinen Knien. Dem Tier, das er weder essen noch berühren durfte. Die Verhöhnung eines Glaubens, mit dem wir zutiefst verbunden sind. Haben wir nicht vorhin einen Psalm gebetet, in dem sich das Gottvertrauen dieses Volkes ausspricht? Und spricht uns das nicht bis heute an? Wir wissen, wohin das geführt hat, diese Verachtung, dieser Hass, und dass das bis heute lebendig und gefährlich ist.

Das Schlimme ist, es hat seine Wurzeln  schon im Neuen Testament, ob man an die Darstellung des Judas denkt, die von Evangelium zu Evangelium immer schlimmer wird und mit dem die Juden dann identifiziert werden, oder auch an manche Passagen bei Paulus, der von den Juden   sagt, „dass sie ie den Herrn Jesus getötet haben und die Propheten und die uns verfolgt haben und die Gott nicht gefallen und allen Menschen feind sind.“ Allerdings gibt es bei ihm eine Veränderung. In seinem letzten Brief nach Rom spricht er ganz anders, und unser Predigttext ist ein Zeugnis davon. Paulus ringt mit dem Schicksal seines Volkes, das zum großen Teil Jesus als Messias, als Christus ablehnt und sagt, dass er lieber selber seine Seligkeit verlieren würde, als dass sein Volk in die Irre geht. Aber er ist zutiefst davon überzeugt, dass Gott an seiner Verheißung für das Volk Israel festhält und es am Ende zu sich nach Hause holen wird. 

Paulus verschweigt die Unterschiede nicht, aber er verurteilt sein Volk nicht, nicht mehr müßte man eigentlich sagen Und es kommt in unserem Text zu diesem wunderbaren Satz.

Ob jemand Jude oder Nichtjude ist, macht dabei keinen Unterschied: Alle haben denselben Herrn, und er lässt alle an seinem Reichtum teilhaben, die ihn im Gebet anrufen. 

Er verschweigt die Unterschiede nicht, diese Erkenntnis, die von Jesus Christus herkommt, dass kein Mensch mit seiner Leistung vor Gott bestehen kann, auch nicht mit seiner frommen Leistung, sondern dass ihn allein die Gnade Gottes, diese Liebe ohne Vorbedingungen zu einem Menschen machen kann, wie Gott ihn haben will. Und im jüdischen Glauben steht die Einhaltung der Gebote, des Gesetzes, der Thora im Mittelpunkt. 

Aber Paulus hat offensichtlich erkannt, dass Gott auch noch ganz andere Wege mit Menschen hat, und dass die Erfahrung der Gnade im eigenen Leben überhaupt kein Grund ist, sich über die anderen zu erheben.

Und so vertraut er darauf, dass Gott auch für sein Volk Israel einen Weg hat und dass am Ende auch sie zu Gott nach Hause kommen.

Es ist ein anderer Ton, in dem er spricht, eine tiefere Erkenntnis, die in ihm gewachsen ist. Und es macht einen anderen Umgang mit seinem eigenen Volk, mit unseren älteren Brüdern und Schwestern möglich. 

Wissen Sie, für mich ist die Erkenntnis, dass Gott Menschen ganz unabhängig von ihrer Leistung, von ihrer sozialen Stellung, ihrer Frömmigkeit annimmt eine der Grundpfeiler meines Glaubens. Aber ist es nicht ein ganz großes Geschenk, eine völlig unverdiente Gnade, wenn ich das erkennen konnte und mein Leben darauf aufbauen kann? Und es gibt mir in keiner Weise das Recht, mich über andere zu erheben. Im Gegenteil – ist diese unverdiente Liebe nicht ein Grund, sich Menschen mit einem anderen Glauben voller Respekt und in Liebe anzunähern und wahrzunehmen, wie sie mit den gleichen Fragen und Problemen umgehen und nach Antworten für ihr Leben suchen? 

Unsere Berührungen mit jüdischen Menschen sind wahrscheinlich eher selten, aber es ist schrecklich, dass der Antisemitismus sich bei uns wieder neu verbreitet. Wir brauchen nur an den Anschlag vom 9.Oktober 2019  zu denken. Aber es war sehr tröstlich, wieviele Christen sich damals nach dem Anschlag vor der Synagoge versammelt haben, um unseren jüdischen Geschwistern beizustehen. Und es ist klar, wie sehr sie unsere Solidarität brauchen, um in Frieden in unserem Land leben zu können. – Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Durch die Geflüchteten, die in unser Land kommen, steht  der Islam sehr im Vordergrund und die Ablehnung der Menschen, die diese Religion hierher mitbringen. Manche reden dann von „Kümmelhändlern und Kameltreibern, Kopftuchmädchen und anderen Taugenichtsen“. Und schon die Wortwahl zeigt, wes Geistes Kind sie sind. Aber da, wo wirkliches Christentum auf den Islam trifft, geschieht etwas ganz anderes. Vielleicht hat einer von ihnen einmal den Film gesehen, Von Menschen und Göttern. Er beruht auf wahren Ereignissen und erzählt von einer Gruppe französischer Mönche in Algerien, die dort friedlich unter den muslimischen Dorfbewohnern leben, ihr Leben teilen und helfen, wo sie nur können. Als dann der Islamische Staat sich breit macht, werden sie gewarnt, und sie könnten fliehen, aber sie wollen ihre muslimischen Brüder und Schwestern nicht im Stich lassen. Sie werden entführt und getötet. Sie ahnen es vorher und gehen trotzdem diesen Weg. Eine der berührendsten Szenen in diesem Film ist es, als sie ein letztes Mal Abendmahl miteinander feiern.- Und einmal fällt einer der Terroristen dann den Soldaten der Regierung in die Hände, wird fürchterlich gequält und wie ein Stück Vieh behandelt. Aber einer der Mönche verteidigt die Würde auch dieses Menschen, der eigentlich sein Feind war. 

Ein Muslim, der sich intensiv mit dem Christentum beschäftigt hat, schreibt „Wenn ich etwas am Christentum bewundere, oder an den Christen, deren Glauben mich mehr als überzeugte, nämlich bezwang, aller Einwände beraubte … dann ist es die spezifisch christliche Liebe, sofern sie sich nicht nur auf den Nächsten bezieht. In anderen Religionen wird ebenfalls geliebt, es wird zur Barmherzigkeit, Mildtätigkeit, Nachsicht angehalten. Aber die Liebe, die ich bei vielen Christen und am häufigsten bei jenen wahrnehme, die ihr Leben Jesus verschrieben haben, den Mönchen und Nonnengeht über das Maß hinaus, auf das ein Mensch auch ohne Gott kommen könnte: Ihre Liebe macht keinen Unterschied.“

Navid Kernani hat das geschrieben in dem Buch: „Ungläubiges Staunen Über das Christentum“ – und er erzählt von einem italienischen Pater, der in einer kleinen Klosterkirche in der syrischen Wüste zusammen mit Muslimen betet und  eine Seite der Kirche deshalb von Bildern freigehalten hat.

Ist das nicht der beste Weg etwas von unserem Glauben zu erzählen – diese Liebe, die keinen Unterschied macht? Und dieser Liebe einen Platz freizuhalten in unserer Gesellschaft, inmitten von Ablehnung und Verachtung, von Egoismus, Engstirnigkeit und Lieblosigkeit, inmitten von so vielem, was uns davon abhalten möchte: 

Es gibt ja diesen Satz im Neuen Testament, in dem es heißt,  „solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ So wie Jesus im heutigen Evangelium sagt: „ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen Israels.“ Und „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ Aber die Frau antwortet Jesus „ Ja, Herr; aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. 

Und er  läßt sich von ihr überwinden. „Warum nicht auch wir?

An vielen Stellen ist das längst passiert, wenn ich an das denke, was in unseren Gemeinden geschieht, auch  z.B. mit den „Zeitpaten“ hier in der Luthergemeinde. Lassen Sie uns weitergehen auf diesem Weg, dass wir uns einbringen, wo es nötig und möglich ist und so an einer Gesellschaft mitwirken, die den Namen menschlich wirklich verdient.Und weil wir heute die Wahl haben, lassen Sie uns nicht zuerst nach dem fragen, was draußen dran steht  sondern danach, welche Absichten und Vorhaben sich hinter dem verbergen, was in den Programmen der Parteien benannt iund in den schönen Reden gesagt wird, und wem es dann eigentlich nützt. Amen 

  • Lied: „Wo Menschen sich vergessen

Wo Menschen sich vergessen,
Die Wege verlassen,
Und neu beginnen,
Ganz neu,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verschenken,
Die Liebe bedenken, Und neu beginnen,
Ganz neu,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.

Wo Mensch sich verbünden, den Hass überwinden, und neu
Beginnen, ganz neu,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns,
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns. 

  • Wir beten: 

Herr, wir danken Dir dafür, dass wir von Jesus Christus wissen und an ihn glauben können. Wir danken dir dafür, dass wir in Deiner Gemeinde zu Hause sein dürfen. Wir danken dir dafür, dass wir immer wieder deine Liebe geschenkt bekommen, ganz umsonst. Aber es gibt viele, die einen anderen Weg gehen in ihrem Leben. Und Menschen, die anders glauben als wir. Wir bitten dich, dass wir uns vor ihnen nicht verschließen oder sie herabwürdigen sondern ihnen mit Respekt begegnen. Dass wir das Gespräch mit ihnen suchen und das, was gemeinsam möglich ist.

Wir bitten dich für die jüdischen Gemeinden in Deutschland, dass sie ihren Glauben ohne Angst und Bedrohung leben können. Hilf uns, dass wir ihnen beistehen und für sie eintreten, wo immer es nötig ist.

Wir bitten dich für die, die als Muslime in unserem Land leben. Dass sie nicht unter einem Generalverdacht stehen sondern als Menschen gesehen werden, genau wie wird.

Wir bitten dich für ein friedliches Zusammenleben und aufeinander hören, damit Vertrauen entstehen kann und lebendiges Miteinander.

Wir bitten dich, Herr, lass uns deine Liebe leben zu jedem Menschen. 

Wir bitten dich, heute am Tag der Wahl, dass Menschen an die Macht kommen, denen das Wohl aller am Herzen liegt und nicht nur eine bestimmte Gruppe  oder die eigene Macht. Wir bitten dich, dass sie ernsthaft versuchen, unsere Erde zu erhalten als wunderbaren Lebensraum für alle Menschen. 

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir 

und sei dir gnädig

der Herr erhebe sein Angesicht auf dich

und gebe dir Frieden 

Amen

(Pfr. i.R. Christoph Lemme)

14. Sonntag nach Trinitatis (05.09.)2021

  • Eröffnung

Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. (Psalm 103,2).

Der Spruch für die neue Woche lenkt den Blick auf das Gute in unserem Leben und macht Mut dies auch im Alltag nicht zu vergessen und Gott dafür „Danke“ zu sagen.

  • Lied: „All Morgen ist ganz frisch und neu“ (EG 440)

All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu;
sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.
O Gott, du schöner Morgenstern, gib uns, was wir von dir begehrn:
Zünd deine Lichter in uns an, lass uns an Gnad kein Mangel han.

Treib aus, o Licht all Finsternis, behüt uns Herr vor Ärgernis,
vor Blindheit und vor aller Schand und reich uns Tag und Nacht dein Hand,
zu wandeln als am lichten Tag, damit, was immer sich zutrag,
wir stehn im Glauben bis ans End und bleiben von dir ungetrennt.

  • Worte aus Psalm 146

Halleluja! Lobe den Herrn meine Seele!

Ich will den Herrn loben, solange ich lebe,

und meinem Gott lobsingen, solange ich bin.

Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist,

der seine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott.

Der Herr macht die Gefangenen frei. 

Der Herr macht die Blinden sehend.

Der Herr richtet auf, die niedergeschlagen sind.

Der Herr liebt die Gerechten.

Der Herr behütet die Fremdlinge

und erhält Waisen und Witwen;

aber die Gottlosen führt er in die Irre.

Der Herr ist König ewiglich,

dein Gott, Zion, für und für. Halleluja!

  • Gedanken zum Bibeltext Lukas 19,1-10

Sie kennen sie vermutlich seit Kindertagen, die Geschichte vom Oberzöllner Zachäus.

Kommen Sie mit in seinen Wohnort. Dort kennt man sich.

Man meint genau zu wissen, wie die anderen sind, wie sie leben, wie sie denken. Man – das sind die Frauen und Männer im Dorf;

So ist es auch bei Zachäus. Man kennt ihn. Man kennt seinen Wohlstand.

Man sieht es ihm an. Sein Haus, sein Kleid, seine Einrichtung. Alles zeugt davon. Aber Freunde, richtige Freunde sieht man bei ihm nicht.

Mit seinem Beruf macht man sich keine Freunde.

Aber jemand muss den Job doch machen. Wenn nicht er, dann macht es jemand anderes. Er ist ein Oberzöllner. Er lebt von den Beträgen, die er auf römisch festgelegte Steuern drauf schlägt.

Jede Mehreinnahme in seinem Zuständigkeitsgebiet wandert in seine Tasche. Die anderen müssen es ihm oder seinen Mitarbeitern bezahlen, sonst drohen Strafen.

Immerhin ist es jetzt jemand – aber er ist allein – oft fühlt er sich einsam.

Eine Nachricht lässt ihn aufhorchen. 

Von einem Rabbi ist die Rede, der anders lehrt als üblich.

Er hat schon viel von Jesus, diesem Rabbi aus Nazareth, gehört.

Er zieht von Dorf zu Dorf und findet immer mehr Anhänger, Frauen und Männer. Er hilft vielen Menschen.

Auch den Ausgestoßenen, Aussätzigen und Kranken.

Er heilte sogar den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum.

Obwohl der eine römische Uniform trägt. 

So wie er selbst als Zöllner für die Römer arbeitet.

Die Frauen und Männer erzählen, dass Jesus ins Dorf kommt.

Es bildet sich eine Menschentraube, um ihn zu empfangen.

Diesen ungewöhnlichen Rabbi möchte Zachäus wenigstens einmal sehen.

Aber sich einfach unter die Leute zu mischen kann er sich nicht leisten. Sie würden ihn verjagen.

So steigt er auf einen Baum. Aber er  bleibt nicht unbemerkt.

Man kennt sich. Man kennt ihn.

Böse Blicke, die ihn auf dem Baum erblickt haben, begegnen ihm.

Es sind die Blicke seiner Mitmenschen, die ihm Geld am Zoll aushändigen mussten. Sie drücken aus: „Wie kann er es nur wagen in die Nähe von Jesus zu kommen. Dieser Verräter, Ausbeuter und Sünder.

Dann beginnen die Jubelrufe: Jesus ist im Dorf angekommen. Er läuft auf der Hauptstraße. Zachäus bleibt nicht unbemerkt.

Der Rabbi aus Nazareth spricht ihn an: „Zachäus, steig eilend herunter, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“

Zachäus zuckt zusammen. Er ist gemeint! Sofort steigt er vom Baum herunter. Er verspürt soviel Lebensfreude wie schon lange nicht.

Das Gemurmel der Menschenmenge und deren entgeisterte Blicke halten ihn nicht auf. Jetzt ist er bereit alles auf eine Karte zu setzen. Ohne darüber nachgedacht zu haben spricht er zu Jesus: “Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.

Jesus kehrte in das Haus des Zachäus ein. 

Nachdem Jesus das Dorf wieder verlassen hat, verstummen die Gespräche über den „Fall Zachäus“ nicht.

Hören wir in ein Gespräch hinein.

Einer sagt: “Jesus von Nazareth hat mir bisher gut gefallen. 

Aber diesmal ging er eindeutig zu weit.

Wie kann man nur das Haus dieses Halsabschneiders betreten?

Das Haus dieses Sünders!“

Ein anderer gibt zu bedenken: „Aber hat Jesus nicht gesagt, er will das Verlorene suchen und selig machen?

Hast du nicht die seligen Augen des Zöllners gesehen?

Er hat ja auch die Hälfte seines Vermögens der Armenkasse gegeben.“

Der eine erwidert: „Wer einmal mit den Wölfen heult, wird immer die Schafe reißen! Er bleibt der Wolf im Schafspelz.“

Der andere antwortet: 

„Habt ihr vergessen, wie oft wir früher Zachäus Leid zugefügt haben? Wie wir ihn verachtet haben, weil er so klein war?

Hatte er jemals eine Chance, einer von uns zu werden?

Wieviele Wunden wir ihm zugefügt haben?

Nicht umsonst musste Zachäus auf einen Maulbeerbaum steigen.

Wir wissen doch alle, dass der Saft der Früchte Wunden heilen kann.

Unterhalte dich doch einmal mit Zachäus! 

Lass ihn erzählen. Vielleicht lernst du ihn ganz neu kennen.

Vielleicht erfährst du von seinen Sehnsüchten und Wünschen nach einem Leben mit uns?“

Ja, es berührt, wenn Menschen die Sehnsucht nach einem Neuanfang beschreiben können. Und es beschämt mich, wenn ich in meinen Gedanken oder sogar mit meinen Worten in den Chor derer einstimme, die alle Menschern zu kennen meinen; die zu wissen meinen, wer zu den Guten und zu den Schlechten gehört.

So erkenne ich Teile von mir in Zachäus, wieder, der seine Sehnsüchte im Verborgenen schlummern lässt. Und ich erkenne Teile von den murrenden Leuten wieder, die bei ihren Urteilen über andere Menschen hängen bleiben.

Dankbar bin ich, dass durch Jesus Christus immer wieder Menschen angesprochen werden, sich zu verändern und so ihre Lebensfreude neu entfalten können.

(nach einer Vorlage von Pfarrer Dr. Hans-Jörg Wahl)

  • Gebet

Gott, für alles Gute, das du uns tust, danken wir dir:

Wir bitten dich für alle, 

die morgens mit einem Dank auf den Lippen aufstehen

und abends dankbar zu Bett gehen.

Wir bitten dich für die Menschen, die das Gute nicht sehen können,

die das Leben bitter und misstrauisch gemacht hat.

Wir bitten dich für alle,

die aus allem das Beste machen und denen oft viel zugemutet wird.

Wir bitten dich für jene, die andere teilhaben lassen

an dem Guten, dass ihnen widerfährt.

Die teilen und abgeben. Die sich kümmern und sorgen.

Die sich engagieren und Verantwortung übernehmen.

Wir bitten dich für alle, denen vorenthalten wird,

was sie zum Leben brauchen: ein Auskommen und Frieden,

ein Zuhause und Geborgenheit, Liebe und Respekt.

So bitten wir:

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung, 

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns,

er lasse uns sein Antlitz leuchten.

Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte ihn!

(Lektorin Gudrun Naumann)

13. Sonntag nach Trinitatis (29.08.)2021

  • Eröffnung

Gottes Frage: Wo bist du, Adam?; oder allgemeiner gesprochen: Wo bist du, Mensch? Wer bist du, Mensch? Diese Fragen stellen wir an ein Bild der aktuellen Ausstellung in der Lutherkirche. Wir legen unser Menschsein mit Lied und Gebet in Gottes Hand.

  • Ein Lied: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns“ (EGE 24)

Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.

  1. Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir.
    In Sorge, im Schmerz – sei da, sei uns nahe, Gott. Refrain
  2. Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir.
    In Ohnmacht, in Furcht – sei da, sei uns nahe, Gott. Refrain
  3. Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir.
    In Krankheit, im Tod – sei da, sei uns nahe, Gott. Refrain
  4. Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir.
    Wir hoffen auf dich – sei da, sei uns nahe, Gott. Refrain
  • Aus Psalm 18 – er hatte Lust zu mir

Herzlich lieb habe ich dich, HERR, meine Stärke!
HERR, mein Fels, meine Burg, mein Erretter;
mein Gott, mein Hort, auf den ich traue,
mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz!
Es umfingen mich des Todes Bande,
und die Fluten des Verderbens erschreckten mich.
Des Totenreichs Bande umfingen mich,
und des Todes Stricke überwältigten mich.
Als mir angst war, rief ich den HERRN an
und schrie zu meinem Gott.
Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel,
und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren.
Er streckte seine Hand aus von der Höhe
und fasste mich und zog mich aus großen Wassern.
Der HERR ward meine Zuversicht.
Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus;
denn er hatte Lust zu mir.
Darum will ich dir danken, HERR, unter den Völkern
und deinem Namen lobsingen.

  • Evangelium nach Markus 2

Und nach etlichen Tagen ging Jesus wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?
Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

  • Gedanken zum Bild „Welten in Welten“ von Mattes Fischer (Ausstellung in der Lutherkirche Halle (Saale) vom 21.08.2021 bis 12.09.2021)
„Welten in Welten“ von Mattes Fischer

I Innen und Außen, Außen und Innen

Ein Mensch, ein Mann, nackt, mitten im Wasser. Ein Schöpfungsklang, Licht von Finsternis, Wasser von Festem geschieden. Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Der heitere Himmel wölbt sich über ihm, hinter ihm erstreckt sich das weite Meer.
Ein Psalmenklang: Und fasste mich
und zog mich aus großen Wassern.
Er führte mich hinaus ins Weite,
er riss mich heraus.
Und siehe, es war sehr gut. Eine Welt.
Wohin lenkt ihn aber sein neugieriger Blick. Warum gibt er sich nicht zufrieden? Warum hält er Ausschau nach dem, was hinter der himmlischen Sphäre weiterhin existiert? Nach den Welten jenseits seiner Welt.
Aus dem Urschlamm kriechen die Wesen der Dunkelheit. Unter dem Meeresspiegel tummeln sich Urgestalten. Müde, enttäuscht, gierig, scheel, misstrauisch und traurig wenden sie ihren Blick dem Licht zu. Sie sind ausgeschlossen aus der guten Welt. Gefangen in der Finsternis.
Ein Psalmenklang: Es umfingen mich des Todes Bande,
und die Fluten des Verderbens erschreckten mich.
Des Totenreichs Bande umfingen mich,
und des Todes Stricke überwältigten mich.
Wohin lenkt der Mann im Licht seinen Blick. Warum gibt er sich nicht zufrieden? Was sucht er dort hinter der himmlischen Sphäre? Fühlt er sich eingeschlossen oder ausgeschlossen?
Ist es Neugier oder ein Spiegel? Das Innere nach Außen gekehrt? Zwei Seiten desselben Menschen?
Das Loch im Himmel und die Kreatur, die vorwitzig hindurchschaut, verraten, dass diese Aufteilung in lichtes Diesseits und dunkles Jenseits keine Selbstverständlichkeit ist.

II Lähmungen

Durch ein Loch im Dach lassen sie den Gelähmten zu Jesus hinab. In seinem Raum, in seine Sphäre. Dort hat die Finsternis keine Macht. Was den Gelähmten bannt, seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, ihn an das Bett und an sich selbst fesselt, zerstäubt unter der Macht der Worte Jesu.
Keiner behauptet, dass das selbstverständlich sei. Der Schöpfungsklang entfaltet seine Melodie. Die Augen aller sind auf Gott gerichtet und kann wieder laufen. Ein Mensch kann wieder aufrecht gehen.
Egal, ob wir nur auf uns schauen, in den Spiegel oder auf die dunklen Geheimnisse, die uns umgeben. Ob wir müde, enttäuscht, gierig, scheel, misstrauisch und traurig auf das schauen, was uns umgibt. Wir bleiben auf der Stelle stehen. Was schön und licht ist, haben wir dann im Rücken.
Vielleicht lassen sich die traurigen Wesen jenseits der Sphäre nicht leugnen; vielleicht verdienen sie auch Aufmerksamkeit.
Gott hat uns aber für mehr erschaffen: friedvoll äußerlich und innerlich, ohne Scham, weil wir schön sind und voller Lust auf die weite Welt über dem Meer. Jesus rückt das ins rechte Maß und ins rechte Licht. Damit wir wieder aufrecht gehen können.
Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Guter Gott, reiß uns heraus
aus dem Unfrieden in unserer Welt.
Voller Kummer sehen wir, dass wir keinen Frieden finden können:
weder am Hindukusch noch in unmittelbarer Nachbarschaft.
Gott, zieh uns heraus
aus dem Unfrieden mit uns selbst.
Voller Ungeduld richten wir unseren Blick auf jede Unzulänglichkeit,
und vergessen darüber, welche Gaben und Talente in uns schlummern.
Gott, mache uns Lust
auf dein Wort und deine Kraft,
dass wir es wohlgemut und fröhlich weitergeben können,
und Licht und Salz sein können in einer glaubensarmen Zeit.
Gott, führe uns hinaus ins Weite
auf die Hoffnung, die Liebe und den Glauben hin,
die jeden Schatten und selbst den Tod hinter sich lassen.

Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

12. Sonntag nach Trinitatis (22.08.)2021

  • Eröffnung

Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Das verheißt uns der Prophet Jesaja. Ein hoffnungsvoller und stärkender Blick auf Gott. Schön, dass wir diesen Blick auf Gott und auf uns hier miteinander einüben können.

  • Ein Lied: Nun lob, mein Seel, den Herren (EG 289)

https://www.youtube.com/watch?v=Bf6g7QyYIk

1) Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein.
Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein.
Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß,
er rett‘ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß,
mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich;
der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.

2) Er hat uns wissen lassen sein herrlich Recht und sein Gericht,
dazu sein Güt ohn Maßen, es mangelt an Erbarmung nicht;
sein‘ Zorn lässt er wohl fahren, straft nicht nach unsrer Schuld,
die Gnad tut er nicht sparen, den Schwachen ist er hold;
sein Güt ist hoch erhaben ob den‘, die fürchten ihn;
so fern der Ost vom Abend, ist unsre Sünd dahin.

3) Wie sich ein Mann erbarmet ob seiner jungen Kindlein klein,
so tut der Herr uns Armen, wenn wir ihn kindlich fürchten rein.
Er kennt das arm Gemächte und weiß, wir sind nur Staub,
ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum und fallend Laub:
Der Wind nur drüberwehet, so ist es nimmer da,
also der Mensch vergehet, sein End, das ist ihm nah.

4) Die Gottesgnad alleine steht fest und bleibt in Ewigkeit
bei seiner lieben G’meine, die steht in seiner Furcht bereit,
die seinen Bund behalten. Er herrscht im Himmelreich.
Ihr starken Engel, waltet seins Lobs und dient zugleich
dem großen Herrn zu Ehren und treibt sein heiligs Wort!
Mein Seel soll auch vermehren sein Lob an allem Ort.

5) Sei Lob und Preis mit Ehren Gott Vater, Sohn und Heilgem Geist!
Der wolle in uns mehren, was er aus Gnaden uns verheißt,
dass wir ihm fest vertrauen, uns gründen ganz auf ihn,
von Herzen auf ihn bauen, dass unser Mut und Sinn
ihm allezeit anhangen. Drauf singen wir zur Stund:
Amen, wir werden’s erlangen, glaubn wir von Herzensgrund.

  • Aus Psalm 147 – die zerbrochenen Herzens sind

Lobet den HERRN! /
Denn unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding,
ihn loben ist lieblich und schön.
Der HERR baut Jerusalem auf
und bringt zusammen die Verstreuten Israels.
Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind,
und verbindet ihre Wunden.
Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen.
Unser Herr ist groß und von großer Kraft,
und unermesslich ist seine Weisheit.
Der HERR richtet die Elenden auf
und stößt die Frevler zu Boden.
Der HERR hat Gefallen an denen,
die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.

  • Evangelium nach Markus 7,31-37 – die Sprachlosen reden

Und als Jesus wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, dass er ihm die Hand auflege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite
und legte ihm die Finger in die Ohren
und spuckte aus
und berührte seine Zunge
und sah auf zum Himmel
und seufzte
und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf!
Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge wurde gelöst, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten’s niemandem sagen. Je mehr er’s ihnen aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden.

  • Gedanken zum Evangelium

Jesus nimmt, Jesus legt, Jesus spuckt, Jesus berührt, Jesus sieht auf, Jesus seufzt und, schließlich, Jesus spricht. Jesus handelt. Sein Sprechen ist nur eine Tat unter vielen. Wie ungewöhnlich das klingt. Jesu Worte haben einen festen Platz in unseren Gottesdiensten. Seine Taten weniger. Aber hier eine ganze Kaskade von Tätigkeiten. Ein Verb nach dem anderen. Und dann nur ein Wort. Hefata. Tu dich auf.
Reicht nicht ein Wort? In der heutigen Medizin ergibt das Verhältnis zwischen Handlung und Wort einen guten Sinn. Leidet etwa ein Mensch an Rückenschmerzen, dann gibt es Diagnosen, bildgebende Verfahren, Rückenschulen, Operationen und Rehamaßnahmen. Alles mehr oder weniger handfeste Behandlungsmethoden. Gespräche, also Worte – nicht nur im Sinne einer Psychotherapie – gehören aber auch dazu.
Handfeste Behandlungsmethoden gehören auch bei Jesus dazu. Mir kommt das zwar ein wenig seltsam vor. Finger in die Ohren legen, ausspucken (wohin?) und Zunge berühren. Nicht gerade die Standardmethoden der Schulmedizin. Allerdings weiß man heute auch, dass das Pusten auf ein Aua durchaus hilft. Das ist schon ziemlich nah an dem einen Wort – Hefata.
Neben den auf den Körper gerichteten Maßnahmen Jesu gibt es aber auch andere. Er seufzt und sieht zum Himmel auf. Eine Gebetshaltung. Die Kraft Gottes gehört mit dazu. Besonders berührt mich aber seine erste Tat. Er nimmt den Kranken aus der Menge beiseite. Jesus schafft ihm einen Raum, in der die beiden unter sich sind mit Gott. Ein Raum für Vertrauen und Sicherheit. Es geht niemanden etwas an, was die beiden jetzt miteinander tun und reden. Könnte es sein, dass es nicht nur diesem Mann in der Menge die Sprache verschlägt? Wie wähle ich meine Worte abhängig von den Menschen, die mich umgeben?
Wenn mich etwas gefangen nimmt, kann das durchaus etwas Schönes sein. Aber ebenso kann es mich nachhaltig hindern, das zu tun und zu sagen, was wichtig und an der Zeit wäre. Das Beispiel der Behandlung von Rückenschmerzen zeigt, dass es nicht nur körperliche Beschwerden sind, die Krankheiten auslösen können. Alles aber, was Jesus tut, deutet auf eines hin: Der taube und stammelnde Mann ist Gottes geliebtes Kind ebenso wie alle anderen, die gesund sind. Alles an ihm ist schön. Sein Ohr und seine Zunge, sein Reden und sein Leiden, sein Glauben und seine Bedürfnisse. Sie sind aber gefesselt. Nicht nur durch sein Leiden, sondern auch durch die Erwartungen und Anforderungen der Menschen um ihn. Schwer zu sagen, ob in böser oder in guter Absicht. Deshalb nimmt Jesus ihn als erstes aus der Menge beiseite. Betet und seufzt zu Gott. Er schafft eine Raum, in dem der Mensch so sein kann, wie Gott ihn geschaffen hat. Dann braucht es nur noch ein Wort – Hefata.
Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Löse die Fesseln unserer Zungen, Herr,
dass wir deutlich sagen können, was uns das Herz schwer macht.
Für den Frieden in der Welt.
Für die Menschen in Afghanistan. Niemand soll wegen religiöser Ideen leiden.
Jeder und jede soll so leben können, wie es ihm oder ihr gut tut.
Für den Frieden mit Gott.
Für eine Gemeinde, in der Freude und Dankbarkeit; aber auch Klage und Leid geäußert werden können. In der, frei von sozialen Zwängen, liebevoll und zärtlich miteinander gebetet, gesungen und nachgedacht werden kann.
Für den Frieden in unserem Land.
Für ein gedeihliches Miteinander, für gute und, notfalls, auch harte Auseinandersetzungen. Für die Einsicht, dass hier für eine große Vielfalt von Lebensweisen Platz ist. Auch wenn uns die Meinungen und Ansichten nicht gefallen.
Für den Frieden mit uns selbst.
Für einen offenen Blick auf uns selbst. Der nicht durch verstellt ist durch den Blick anderer. Der feststellt, so schön hast Du mich gemacht, Gott.
Mit den Worten Jesu beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

11. Sonntag nach Trinitatis (15.08.)2021

  • Begrüßung

Ein sorgenfreier Sommertag. Ein Tag, an dem mich nichts drängt und nichts zu schaffen ist. Innerlich und äußerlich frei für Gottes Wort, für den Glauben und für ein gutes Werk an meinen Mitmenschen. Dazu helfe mir Gott. Amen.

  • Lied: Meine engen Grenzen (EGE 12)
  1. Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht
    Bringe ich vor dich.
    Wandle sie in Weite, Herr, erbarme dich?
  2. Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt
    Bringe ich vor dich.
    Wandle sie in Stärke, Herr, erbarme dich?
  3. Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit
    Bringe ich vor dich.
    Wandle sie in Wärme, Herr, erbarme dich?
  4. Meine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit
    Bringe ich vor dich.
    Wandle sie in Heimat, Herr, erbarme dich?
  • Aus Psalm 145

Ich will dich erheben, mein Gott, du König,
deinen Namen loben immer und ewiglich.
Ich will dich täglich loben
und deinen Namen rühmen immer und ewiglich.

Der HERR hält alle, die da fallen,
und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind.

Der HERR ist gerecht in allen seinen Wegen
und gnädig in allen seinen Werken.
Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen,
allen, die ihn mit Ernst anrufen.
Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren,
und hört ihr Schreien und hilft ihnen.
Der HERR behütet alle, die ihn lieben,
und wird vertilgen alle Gottlosen.

Mein Mund soll des HERRN Lob verkündigen,
und alles Fleisch lobe seinen heiligen Namen immer und ewiglich.

  • Worin wir wandeln – Worte aus dem Epheserbrief im 2. Kapitel

Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden,
in denen ihr früher gewandelt seid nach der Art dieser Welt,
unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht,
nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist
in den Kindern des Ungehorsams.
Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt
in den Begierden unsres Fleisches
und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft
und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.
Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit,
hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,
auch uns, die wir tot waren in den Sünden,
mit Christus lebendig gemacht
– aus Gnade seid ihr gerettet –;
und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.
Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

  • Gedanken zum Bibelwort

IN DER LUFT HÄNGEN
Ich schaffe das nicht allein. Die guten Werke. Weder aus meinem – festen – Willen noch aus meiner Vernunft. Jeder kluge Plan und jedes gute Ziel verliert sich in mir. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Meine besten Absichten finden keinen Halt. Es gibt nichts außer mir, wo sie einen Platz finden könnten. Ich baue ein Haus, aber niemand will darin wohnen. Ich pflanze eine Blume, aber niemand will daran riechen. Ich beginne ein Gespräch, aber niemand hört zu. Ich spreche die Worte der Bibel, aber sie bleiben Papier und Druckerschwärze. Alles verfliegt. Unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht. Alles verschwindet in der Haltlosigkeit. Je mehr ich will, je sicherer ich mir bin, um so weniger komme ich von mir los.

GEFUNDEN
Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.
Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?
Ich grub’s mit allen
Den Würzlein aus.
Zum Garten trug ich’s
Am hübschen Haus.
Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.
(Johann Wolfgang von Goethe)

Kein Wille und kein vernünftiger Gedanke führt mich. Ich gehe – einfach so. Verschwende meine Zeit. Im Schatten – rein zufällig – entdecke ich das Blümchen. Da gehört es doch nicht hin. Da hätte ich es nie gesucht. Gott hat es geschaffen. Er hat mir gesunde Hände und Beine gegeben, damit ich es ausgraben und wieder einpflanzen kann. Das sonderbare Blümchen, das zu mir spricht. Ich höre seine Stimme. Ein Gegenüber. Es ängstigt sich. Es vertraut mir. Ich folge diesem göttlichen Wesen. Ich wandele auf seinen Wegen. Ich habe es aus dem Schatten gerettet. Nun schenkt es mir jeden Tag Freude. Unerwartetes Glück. Von allein wäre ich da nie drauf gekommen. Ein gutes Werk für dich und mich. Ein gutes Werk von Gott gemacht. Mitten in dieser Welt.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Herr im Himmel,
befreie die Mächtigen von ihrem Willen und ihrer Vernunft,
um ihre Gedanken und Taten, ihre Möglichkeiten auf das zu lenken,
was dem Frieden dienen kann.

Herr im Himmel,
befreie unsere Kirche von ihrem Willen und ihrer Vernunft,
dass sie wieder Vertrauen fasst in dein Wort,
um deiner Gemeinde Zuversicht und Trost zu geben.

Herr im Himmel,
befreie einsame, kranke und sterbende Menschen von ihrem Willen und ihrer Vernunft,
dass sie deinem Licht Platz einräumen können,
um getrost ihren Weg zu gehen.

Herr im Himmel,
befreie uns von unserem Willen und unserer Vernunft,
dass wir im Beten und Singen dich finden.

Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Gott, der Herr, segnet dich.
Er bietet dir seine Nähe und seine Hilfe an.
Er schenkt dir Freude und Zuversicht.
Er ist dir Trost und Erfüllung.

(Pfr. Olaf Wisch)

9. Sonntag nach Trinitatis (01.08.)2021

  • Eröffnung

Mit dem Wochenspruch für die neue Woche grüße ich Sie:
„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern“. (Lukas 12, 48b)

  • Lied: Danke, für diesen guten Morgen (EG 334)

Das Lied zum Anhören: https://www.eingesungen.de/player.php?track=1103&buch=21#player

Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag.
Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.
Danke für alle guten Freunde, Danke, o Herr, für jedermann.
Danke, wenn auch dem größten Feinde ich verzeihen kann.
Danke für meine Arbeitsstelle, danke für jedes kleine Glück.
Danke für alles Frohe, Helle und für die Musik.
Danke für manche Traurigkeiten, danke für jedes gute Wort.
Danke, dass deine Hand mich leiten will an jedem Ort.
Danke, dass ich dein Wort verstehe, danke, dass deinen Geist du gibst.
Danke, dass in der Fern und Nähe du die Menschen liebst.
Danke, dein Heil kennt keine Schranken, danke, ich halt mich fest daran.
Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.

  • Psalm 63

Gott, du bist mein Gott, den ich suche.
Es dürstet meine Seele nach dir,
mein ganzer Mensch verlangt nach dir
aus trockenem, dürren Land wo kein Wasser ist.
So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum,
wollte sehen deine Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Güte ist besser als Leben;
meine Lippen preisen dich.
So will ich dich loben mein Leben lang
und meine Hände in deinem Namen aufheben.
Das ist meines Herzens Freude und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;
wenn ich mich zu Bett lege, denke ich an dich,
wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.
Denn du bist mein Helfer,
und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Meine Seele hängt an dir;
deine rechte Hand hält mich.

  • Text: Matthäus 7,24-27

Jesus sprach:
Wer diese meine Rede hört und tut sie,
der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen
und die Winde wehten und stießen an das Haus,
fiel es doch nicht ein.
Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht,
der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen
und die Winde wehten und stießen an das Haus,
da fiel es ein und sein Fall war groß.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
„auf das Fundament kommt es an“
Fels oder Sand, wo kann man sicherer bauen und wohnen.
Ein eindrückliches Bild, das uns Jesus da vor Augen führt,
eine klare, gut verständliche Sache. Wenn die Regengüsse und Sturzbäche kommen, braucht man ein gutes Fundament, sonst rutscht alles ab.
Auf das Fundament kommt es an, weil es einem einen festen Halt gibt. So ein festes Fundament im Leben – das wäre schön.
Es ist das Ende der Bergpredigt, wo unser Text steht.
Gerade die Worte der Bergpredigt haben es in sich.
Von Barmherzigkeit ist die Rede, vom Salz der Erde und Licht der Welt. Jesus redet von Versöhnung und Feindesliebe, unvergänglichem Reichtum und fordert dazu auf, sich nicht den Sorgen zu unterwerfen. In dieser Bergpredigt lehrt er uns zu beten und warnt vor Irrwegen und Irrlehren.
Die Bergpredigt ist eine Herausforderung. Jesus ermutigt seine Predigthörer, sein Wort in die Tat umzusetzen.
Ja, gern würde ich nach seinen Verhaltensregeln leben.
In Gedanken stimme ich Jesus zu – und weiß doch, wenn ich ehrlich mit mir bin, wie oft ich in der Praxis hinter seinen Aufforderungen zurückbleibe – wie sehr Hören und Tun auseinanderklaffen.
Wie gehe ich mit diesen Worten um, die im Denken und Handeln mein Leben als Christin bestimmen möchten.
Laufe ich nicht Gefahr, mich beider Umsetzung der Worte selbst zu überfordern und letztendlich zu resignieren und es sein zu lassen? Das kann Jesus nicht so gemeint und gewollt haben.
Es muss noch einen Weg geben. Dabei kann ein Blickwechsel helfen – weg vom Errichten eines Fundamentes samt Hausbau,
hin zu Jesus in seiner Gesamtheit. Ich verstehe das Reden und Handeln Jesu so, dass er das Reich Gottes den Menschen nahe bringen wollte.
Ein Reich, in dem die Liebe Gottes regiert und seine Gnade unübersehbar ist. Doch dieses Reich gibt es nicht einfach zu kaufen.
In einer kleinen Geschichte erzählt Heinz Summerer:
Ein junger Mann betrat im Traum einen Laden. Hinter der Theke stand ein Engel.
Hastig fragte er ihn: Was verkaufen Sie, mein Herr?
Der Engel antwortete freundlich: „Alles, was Sie wollen.“
Der junge Mann begann aufzuzählen: „Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Arbeit für die Arbeitslosen, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche, und …
Da fiel ihm der Engel ins Wort:
„Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.“
Diese kleine Geschichte sagt uns, dass wir selbst tätig werden sollen, ja dürfen.
Ganz gleich, was wir anlegen möchten, festes Fundament oder einen wunderschönen Garten- wir dürfen selbst tätig werden.
Dahinter verbirgt sich eine große Freiheit, die Freiheit des Probierens. Die Freiheit des „Nicht-Funktionieren-Müssens“.
Die Freiheit, sich selbst so anzunehmen, wie man ist.
Wir leben in einer Welt, die oft von Forderungen und Zwängen
bestimmt ist, die wir uns selbst auferlegen.
Das Ganze ist einhergehend mit dem Streben nach materieller Absicherung und bestmöglicher Gesundheit. Ist dieses vorhanden, so sind viele Menschen unserer Tage überzeugt, werde sich das Leben ganz gut und lange leben lassen.
Nur, steckt darin eine Gefahr. Egoismus, Neid und Unzufriedenheit machen sich breit, wenn ich meine haben zu müssen, was der Nachbar hat, angesehen zu sein, wie ein guter Bekannter. Und schon kreisen die Gedanken in diese Richtung.
Ohne, dass wir es merken gerät das Fundament unseres Lebenshauses ins Wanken. So, als wäre es von Schwamm befallen .
Die Empathie für andere nimmt immer mehr ab. Menschen verhärten, während das Fundament ihres Lebenshauses immer stärkere Risse bekommt.
Zumal, wenn der Alltag anders verläuft als geplant, Ereignisse eintreten, die weder geplant waren noch gewünscht sind.
Gegen all das steht die Freiheit, zu der Jesus uns einlädt.
Es gibt nur einen Haken dabei: wir müssen es zumindest einmal versuchen!
Den ersten Schritt zu gehen; es zu wagen, das zu leben, was im Sinne Gottes ist; der Sehnsucht zu trauen, das etwas neu lebendig werden kann in mir, in meinen Beziehungen zu anderen,
im Vertrauen auf Gott.
Das hat Bedeutung über das Persönliche hinaus.
Denn auch für das Haus unserer Gesellschaft ist es von Belang, zu hören und zu tun, was Jesus uns ans Herz legt.
Unsere Gesellschaft muss mehr sein als ein mehr oder weniger funktionierendes Wirtschaftssystem, in dem alle Risiken abgesichert scheinen.
Die in den vergangenen Monaten so oft und laut beschworene Wertegemeinschaft tut gut daran, sich von Orientierungen Jesu leiten zu lassen. Den Samen dazu können wir am besten in unseren Familien und Gemeinden legen.
Zwar existiert oft die Meinung, dass der Prophet im eigenen Land nichts gelten würde. Doch wie ist es mit dem Fundament in Jesu Sinn in unseren Gemeinden und Familien?
Strahlen sie deshalb oft so wenig von der befreienden Botschaft aus, weil zu viel Sand im Spiel ist?
Sind es vielleicht gar wir selbst, die für die fortschreitende Erosion des Fundamentes verantwortlich sind?
So kommt zu dem, dass wir den ersten Schritt wagen, noch etwas hinzu oder besser, sollte ihm vorausgehen:
Die ehrliche und selbstkritische Erkenntnis darüber, in wie weit wir uns selbst noch einem festen christlichen Fundament befinden.
Das „Kehren vor der eigenen Tür“ gehört zwar mit zu den schwersten Aufgaben, die es zu meistern gilt, doch es lohnt sich in vielfacher Hinsicht.
Haben wir das geschafft, können wir auch daran gehen, ein neues Haus zu errichten.
Ein Lied, das beschreibt, wie schön es sein kann, so ein lebendiges Haus zu bauen, stammt von Peter Jannsens:
„Komm bau ein Haus“. Darin heißt es:
Komm, bau ein Haus, das uns beschützt, pflanz einen Baum, der Schatten wirft, und beschreibe den Himmel, der uns blüht.
Ich wünsche uns von Herzen, dass es mit Gottes gütiger Hilfe gelingen möge, auf einem festen Fundament zu lebendigen Steinen im Haus Gottes zu werden.
Amen.

  • Gebet miteinander und füreinander

Gott, zu dem wir voller Vertrauen Vater sagen dürfen,
wir danken dir für alles, was uns Tag für Tag am Leben erhält,
für alle guten Gedanken und richtigen Entscheidungen.
Doch wir bekennen auch, dass wir das von dir uns an Gaben und Gut geschenkte, nicht immer richtig nutzen.
Zu oft setzen wir sie nur für uns selbst ein
und vergessen dabei dir zu danken. Wir bitten dich um Vergebung.
Genauso erbitten wir von dir auch die Kraft zur Veränderung.
Hilf uns bei der Errichtung eines festen Fundamentes in Jesu Sinn,
so dass wir zu einer Gemeinde werden, in der man nicht übereinander, sondern miteinander redet, in der man Hilfe gibt und empfängt.

Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Gudrun Naumann)

8. Sonntag nach Trinitatis (25.07.)2021

  • Eröffnung

Ein „Sommer deiner Gnad“ möge es sein, oh Herr des Himmels und der Erde. Nicht überall scheint dieser Wunsch in Erfüllung zu gehen. Die Nachrichten melden Schreckliches. Dennoch: Mit Paul Gerhardts Lied „Geh aus, mein Herz“ suchen wir Trost und Zuversicht im Glauben an Gott für uns und diese Welt.

  • Ein Lied: Geh aus, mein Herz (EG 503)

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier,
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide.
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an,
als Salomonis Seide.

3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fleucht aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder,
Die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Thal und Felder.

4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist ihr’ Jungen,
Der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh, und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

5. Die Bächlein rauschen in dem Sand,
und mahlen sich und ihren Rand
mit schattenreichen Myrthen,
Die Wiesen liegen hart dabei,
und klingen ganz von Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

6. Die unverdroßne Bienenschaar
zeucht hin und her, sucht hier und dar
ihr’ edle Honigspeise,
Des süßen Weinstocks starker Saft
kriegt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

7. Der Waizen wächset mit Gewalt,
darüber jauchzet jung und alt,
und rühmt die große Güte
Des, der so überflüßig labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüthe.

8. Ich selbsten kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Thun
erweckt mir alle Sinnen:
Ich singe mit, wenn alles singt,
und laße, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

9. Ach, denk ich, bist du hie so schön,
und läßt du’s uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden,
Was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnem Schloße werden?

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein?
wie muß es da wohl klingen,
Da so viel tausend Seraphim
mit eingestimmtem Mund und Stimm
ihr Allelujah singen?

11. O wär ich da! O stünd ich schon,
ach, süßer Gott! vor deinem Thron,
und trüge meine Palmen!
So wollt ich nach der Engel Weis’
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

12. Doch will ich gleichwohl, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen,
Mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

13. Hilf nur und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
daß ich dir stetig blühe!
Gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seelen früh und spat
viel Glaubensfrücht erziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich Wurzel treiben
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis
und laß mich bis zur letzten Reis’
an Leib und Seele grünen:
So will ich dir und deiner Ehr
allein, und sonsten keinem mehr,
hier und dort ewig dienen.

  • Aus Psalm 92 – Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum

Das ist ein köstlich Ding, dem HERRN danken 
und lobsingen deinem Namen, du Höchster, 
des Morgens deine Gnade 
und des Nachts deine Wahrheit verkündigen.
Denn, HERR, du lässest mich fröhlich singen von deinen Werken, 
und ich rühme die Taten deiner Hände. 
HERR, wie sind deine Werke so groß! 
Deine Gedanken sind sehr tief. 
Ein Törichter glaubt das nicht, 
und ein Narr begreift es nicht. 
Die Gottlosen grünen wie das Gras, / und die Übeltäter blühen alle – 
nur um vertilgt zu werden für immer! 
Aber du, HERR, bist der Höchste 
und bleibest ewiglich. 
Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, 
er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon. 
Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, 
werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. 
Und wenn sie auch alt werden, 
werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, 
dass sie verkündigen, dass der HERR gerecht ist; 
er ist mein Fels und kein Unrecht ist an ihm.

  • der Sommer deiner Gnad – Gedanken zu Geh aus, mein Herz (EG 503)

1. Zahlenspiele

Der „Sommergesang“ wird der Liedtext von Paul Gerhardt in den Sammlungen seiner Gedichte überschrieben; dieser Sommergesang ist kunstvoll gebaut. Rein zahlenmäßig ist die Strophe 8 das Zentrum. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt. Die Ansprache an das „Herz“ aus der 1. Strophe wechselt zum lyrischen Ich. Von der Beschreibung der üppigen Natur geht der Autor über zur Beschreibung des Menschen und seiner Beziehung zu Gott. Die Fruchtbarkeit des Sommers des ersten Teils wird im zweiten Teil zum Bild für ein gnadenreiches und liebevolles Leben mit und bei Gott. 
Auch die Strophen 2-7 weisen eine Symmetrie auf. In den ersten drei Strophen wird die Tier- und Pflanzenwelt für sich beschrieben, während die folgenden 3 Strophen diese Welt als Nahrungsquelle für den Menschen betrachten. Beides hat seinen Platz. Die Bedürfnisse des Menschen und die Herrlichkeit seiner Mitgeschöpfe. 

Ebenso ist das Verhältnis zwischen den Strophen 9-11 und 12-14. Das Paradies wird beschrieben und dann der Zustand der gegenwärtigen Welt. Verbunden wird beides durch den Gedanken, dass des „Leibes Joch“ dem Menschen im „festen Himmelszelt“ abgenommen werde.

Wunderbar, wie kunstvoll dieses Werk geschaffen wurde und ein wahrer Spiegel dessen ist, was es über die Schöpfung Gottes und seiner Gnade mir mitteilen will.

2. Arbeit im Weinberg

Selbstverständlich kommt auch der Wein vor in der 6. Strophe: „Des süßen Weinstocks starker Saft“. Der Wein, der auch in der Bibel immer wieder eine besondere Bedeutung für das Wohl der Menschen hat. Er soll mich stärken, dass ich mich anderen Menschen zuwenden kann. Daher hat mich folgende Meldung aus dem Internet in diesen Tagen besonders bewegt. Mit Blick auf die Flutkatastrophe im Westen des Landes schreibt ein Nutzer: „Im Fernsehen erzählt gerade ein Winzer von der Ahr, der sich wie viele andere gerade nicht um seine Weinberge kümmern kann, dass Kollegen von der Mosel frühmorgens mit Maschinen anrücken, stillschweigend die Arbeit in fremden Weinbergen tun und dann wieder abrücken.“ Wie wohltuend ist diese Solidarität in den Zeiten, wo sich die Medien mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen, mit Anklagen und Besserwissereien zu überbieten versuchen. In der 13. Strophe des Liedes heisst es: „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum.“ Die wortlose Hilfe der Winzer von der Mosel gibt mir ein wunderbar anschauliches Beispiel dafür. 

3. Der Sommer deiner Gnad

Als der Sommergesang 1653 das erste Mal in einem Gesangbuch veröffentlicht wird, liegt der 30jährige Krieg etwa 5 Jahre zurück. Das ist der historische Hintergrund vor dem die Zeilen des Gedichts entstanden. Trotz der Greuel des Krieges bringt der Dichter sein Gottvertrauen zur Sprache. Das ist allerdings lange her. Aber Paul Gerhardts wunderbare Wendung „der Sommer deiner Gnad“ berührt mich heute noch genau so. Die Früchte des Sommers müssen damals wie heute für den Herbst und den Winter reichen. Was ich mir an Sanftmut, Umsicht und Tatkraft heute erwerbe, wird mir in Zukunft helfen, auch finstere Tage zu überstehen. Das ist Gottes üppige Gnade. Den reichen Segen eines sonnigen Sommertages nehme ich in mir auf, oder wie es ein anderer Dichter schreibt: „denn sie wußten: sie hatten den Sommer vor sich
und der rasselnde Herbst war noch fern.“ (Theodor Kramer, Der reiche Sommer) Mögen Sie auch einen reichen Sommer vor sich haben und eine gute Ernte in all seiner Fülle und Gnade. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Habe ein Herz, Gott, für unsere Herzen,

dass wir dir und deiner Schöpfung ehrfürchtig und sorgsam begegnen;
dass wir nicht das zerstören, was wir selbst zum Leben brauchen;
dass wir dich aus voller Brust loben können;
das wir Vertrauen haben auf sommerliche Tage in deinem Garten;
dass wir nie vergessen, dass jeder Mensch durch Jesus für das Paradies erwählt ist.

Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

7. Sonntag nach Trinitatis (18.07.)2021

  • Eröffnung

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Gott nimmt uns auf in seine Gemeinschaft und stärkt unser Miteinander. Als Schwestern und Brüder loben wir Gott mit Liedern und Gebeten. Amen.

  • Ein Lied: Nun lasst uns Gott dem Herren (EG 320)

1 Nun lasst uns Gott dem Herren Dank sagen und ihn ehren
für alle seine Gaben, die wir empfangen haben.

2 Den Leib, die Seel, das Leben hat er allein uns geben;
dieselben zu bewahren, tut er nie etwas sparen.

3 Nahrung gibt er dem Leibe; die Seele muss auch bleiben,
wiewohl tödliche Wunden sind kommen von der Sünden.

4 Ein Arzt ist uns gegeben, der selber ist das Leben;
Christus, für uns gestorben, der hat das Heil erworben.

  • Aus Psalm 107 – Er sättigt die durstige Seele

Danket dem HERRN; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.

So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN,
die er aus der Not erlöst hat,
die er aus den Ländern zusammengebracht hat
von Osten und Westen, von Norden und Süden.
Die irregingen in der Wüste, auf ungebahntem Wege,
und fanden keine Stadt, in der sie wohnen konnten,
die hungrig und durstig waren
und deren Seele verschmachtete,
die dann zum HERRN riefen in ihrer Not
und er errettete sie aus ihren Ängsten
und führte sie den richtigen Weg,
dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten:
Die sollen dem HERRN danken für seine Güte /
und für seine Wunder,
die er an den Menschenkindern tut,
dass er sättigt die durstige Seele
und die Hungrigen füllt mit Gutem.

  • Welcher Mensch? – Aus dem 1. Buch der Könige im 17. Kapitel

Und es sprach Elia, der Tischbiter, aus Tischbe in Gilead zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.
Da kam das Wort des HERRN zu ihm: Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen. Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.
Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. Da kam das Wort des HERRN zu ihm: Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge. Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke! Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit! Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben.
Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen. Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden. Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Elia.

  • „soll nichts mangeln bis auf den Tag“ – Gedanken zum 17. Kapitel im 1. Buch der Könige

Die Fülle des Lebens, das Gute und das Böse sind in diesen Worten gegenwärtig. Ein böser König – Ahab – und ein Mann Gottes – Elia. Diese stehen gegeneinander. Die Dürre, die das Land betrifft und die wundersame Versorgung durch einen Raben und eine Witwe. Hunger und Not auf der einen Seite, und der Überfluss auf der anderen Seite.
Es steht in Gottes Hand, was Elia geschieht und den Menschen, mit denen er zu tun hat. Ahab – der König der 10 Stämme Israels, die sich von dem Heiligtum in Jerusalem abgewandt haben. Gegen den Willen Gottes. Das Volk Gottes gespalten in zwei Königtümer – Juda im Süden und Israel im Norden. So soll es nicht sein, sagt Gott. Elia soll dies in seinem Namen bezeugen.
Eine schwere Aufgabe, die Elia übertragen bekommt. Gott erlegt sie ihm auf und sorgt für das Nötigste. Trotz der Dürre im Land und trotz der Gefahr durch den feindseligen Ahab. Schließlich kommt Elia bei einer Witwe in Sarepta unter. Das Leben der Witwen ist schwer. Es gibt keine soziale Absicherung. Die Arbeitskraft und die Gemeinschaft eines Mannes fehlen. Dennoch muss sie einen Sohn versorgen. Elia schenkt ihr neuen Mut und ist zugleich mit versorgt.
Die Geschichten um den Propheten Elia sind nicht leicht verdaulich. Diese Gottesspeise ist ein hartes Brot. Zumal, wenn ich Gott als gütig verstehe. Hier in dieser Geschichte wendet sich die Dürre gegen Ahab. Ebenso aber auch gegen alle anderen Menschen, die im Lande wohnen, einschließlich der Witwe. Um Elias Willen wird ihr geholfen.
Die schrecklichen Bilder aus dem Westen Deutschlands lassen mich ähnliche Fragen stellen. Sind sie die Konsequenz eines falschen Lebens? Eines Lebens im Überfluss, der unsere Natur auf solche Art verändert, dass sie sich gegen uns wendet? Wenn ich die Stimmen der weinenden Menschen höre, fällt es mir schwer zu glauben, dass sie diese „Strafe“ verdient hätten.
Aber es ist die Realität. Eine erschreckende Wirklichkeit auch in unserer Zeit. Eine Dürre, eine Flut. Ein unausweichliches Schicksal oder gar der Wille Gottes? Das Leben und die Menschen und die Natur und Gott – alles das ist zu vielfältig und unüberschaubar, um darauf eine einfache Antwort geben zu können. Diese Wirklichkeit tritt mir entgegen, ohne dass sie mir sagt, wie es weiter geht.
Elia handelt im Auftrag Gottes. Er ist in diesem Auftrag ebenso in diese Wirklichkeit verstrickt mit allem Guten und Bösen darin. Als im weiteren Verlauf der Geschichte der Sohn der Witwe stirbt, fleht Elia zu Gott, ihn wieder leben zu lassen. Das Leben kehrt zurück. Eine prägende Geschichte im Glauben des Volkes Gottes. So prägend, dass die Zeitgenossen Jesu glauben, dass dieser ein wiedergekehrter Elia sei. Jesu Wunder, die Heilungen und Speisungen, die Auferweckungen und Sturmstillungen legen das nahe. Wie Elia ist er ein Mann Gottes und hat einen „direkten Draht zu ihm“. Elia und Jesus sind Fürsprecher bei Gott. Petrus korrigiert aber diese Ansicht und benennt das wahre Sein Jesu: „Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ (Matthäus 16,16)
Jesus ist mehr als ein Fürsprecher. Jesus ist Gottes Sohn. Gott tritt dem Menschen in menschlicher Gestalt gegenüber. Er leidet mit ihnen. Er lacht mit ihnen. Er isst mit ihnen. Er stirbt mit ihnen. Er teilt die menschliche Ohnmacht. Das scheint zunächst viel zu wenig zu sein. Das lindert keinen Hunger, stiftet keinen Frieden und baut auch kein niedergestürztes Haus wieder auf. Ich glaube aber, dass in diesem Miteinander neue Kraft erwachsen kann und die Gemeinschaft der Leidenden gestärkt wird. Für die durstigen Seelen und die tatkräftigen Hände.
Auch wenn ich mir wünschen würde, dass Gott mit einem Fingerstreich alles Leid beenden könnte, sehe ich doch, dass das nicht der Wirklichkeit entspricht. Aber ein Miteinander ist möglich, um einander zu helfen, zu trösten und Frieden zu bringen. Im Namen Gottes. Im Namen Jesu. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Guter Gott im Himmel,
obwohl du Mensch geworden bist,
sehen wir das Unglück in dieser Welt,
so viel Unglück, dass wir schon das eine vergessen,
wenn das nächste über uns hereinbricht.
Die Bilder aus diesem Land, von diesem Planeten,
und aus der nächsten Nachbarschaft sind kaum erträglich.
Wecke den Gedanken, dass das Antlitz
der Menschen, die leiden, dein Antlitz ist,
bei denen, die große Verantwortung tragen.
Wecke den Gedanken bei denen,
die den Mut verlieren, dass sie neue Kraft gewinnen,
wenn wir auf den Nächsten achten.
Wecke den Gedanken bei denen,
die zweifeln, dass ein Gebet in deinem Namen
größere Kraft hat, als unser kleiner Glaube es zulässt.
Wecke den Gedanken bei denen,
die großes Leid erfahren, dass du ihnen näher als nah bist.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

5. Sonntag nach Trinitatis (04.07.)2021

  • Eröffnung

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen.

  • Lied: „Allein auf Gottes Wort will ich“ (EG 195)

Lied zum Anhören: https://www.eingesungen.de/player.php?track=683&buch=21#player

1. Allein auf Gottes Wort will ich mein Grund und Glauben bauen.
Das soll mein Schatz sein ewiglich, dem ich allein will trauen.
Auch menschlich Weisheit will ich nicht dem göttlich Wort vergleichen,
was Gottes Wort klar spricht und richt`, dem soll doch alles weichen.

2. Alleine Christus ist mein Trost, der für mich ist gestorben.
Mich durch sein Blut vom Tod erlöst, die Seligkeit erworben.
Hat meine Sünd getragen gar, bezahlt an seinem Leibe,
das ist vor Gott gewisslich wahr, hilf Gott, dass ich`s fest glaube.

3. Gott Vater, Sohn und Heilger Geist, hilf, dass mein Glaub dich preise.
Mein Fleisch dem Geist gehorsam leist, des Glaubens Frucht beweise.
Hilf, Herre Christ, aus aller Not, wenn ich von hinnen scheide,
und führe mich auch aus dem Tod zur Seligkeit und Freude.

  • Psalm 73

Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind.
Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen;

mein Tritt wäre beinahe geglitten.
Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen,

da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging.,
Sie höhnen und reden böse, sie reden und lästern hoch her.

Was sie reden, soll vom Himmel herab geredet sein;
was sie sagen soll gelten auf Erden.

Darum läuft ihnen der Pöbel zu
und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen.

Dennoch bleibe ich stets an dir;
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,

du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich am Ende in Ehren an.

Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet,
so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

  • Gedanken zum Text 1. Korinther 1,18-25

Kommen sie mit mir nach Korinth, der griechischen Hafenstadt. Wir besuchen die junge christliche Gemeinde. Eine bunte Fülle von Menschen aus verschiedenen Ländern mit ihren Meinungen und Erfahrungen erwartet uns dort.
Das Denken und Handeln wird auch durch  Schiffsbesatzungen beeinflusst, die Neuigkeiten, aus anderen Ländern, Erkenntnisse sowie Glaubensvorstellungen vermitteln.
Verschiedene religiöse Kulte werden in der Stadt ausgeübt. Man hat mit Andersgläubigen zu tun und lernt deren Kulte und Bräuche kennen.
In der christlichen Gemeinde haben sich Gruppen gebildet, die sich einem Lieblingsapostel zuordnen. Da sind Anhänger von Paulus, Kephas oder Apollos, den Mitarbeitern von Paulus. Und sie rühmen natürlich den besonders dessen Reden ihnen am meisten zusagen oder dem sie besonders vertrauen.
Es gibt Streit unter den Gruppen. Und in diese Situation hinein schreibt Paulus einen langen Brief aus dem einige Verse unserem Predigttext zugrunde liegen.

Paulus schreibt:

Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.
Denn es steht geschrieben: Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.
Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?
Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben.
Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

Liebe Gemeinde,

ist es so? Ist der Kern unseres Glaubens eine Torheit? Ist es unvernünftig so etwas zu glauben, dass Jesus uns durch sein Leiden Frieden mit Gott verschafft hat?

Schon am Anfang wurden die Frauen, die den Jüngern vom leeren Grab erzählten von denen ausgelacht. Auch später wurden Christen dafür verspottet, dass sie einem Gekreuzigten anhingen. Eine Zeichnung aus dem 2. Jhdt. zeigt den Gekreuzigten mit einem Eselskopf. Unter dem Kreuz steht ein Mann und die Worte auf der Zeichnung heißen: „Alexamos betet Gott an“.

Aber Paulus schreibt: Gottes Torheit ist weiser, als die Menschen sind. Gott zeigt sich in Schwachheit als Jesus am Kreuz stirbt und es ist mit menschlichem Verstand nicht zu begreifen, dass er nicht eingreift.

Versuchen wir doch selbst oft mit aller Kraft etwas zu bewegen, voran zu kommen, uns gegen andere durchzusetzen. Aber das bindet alle Kräfte, die körperlichen und die geistigen. Wie sollen wir da von Gottes Weisheit auch nur ganz wenig zu Gesicht bekommen? Da gleichen wir dem Urlauber in einer kleinen Geschichte von Heinrich Böll:

„Ein Fischer lag am helllichten Tag bei seinem Fischerboot am Strand und ließ sich von der Sonne bescheinen. Da kommt ein Urlauber vorbei und sieht das. Er spricht den Fischer an: „Haben sie einen guten Fang gemacht?“ „Ja, habe ich.“ „Haben sie ihn verkauft?“ „Ja, habe ich.“ „Ja dann könnten sie doch ein größeres Boot anschaffen, und mehr Fische fangen und verkaufen.“ „Ja, könnte ich.“ „Und sie könnten noch mehr Boote anschaffen und Leute anstellen. Und sie könnten große Schiffe anschaffen und ihre eigene Fischfabrik aufmachen. Und dann würden sie so viel verdienen, dass sie selbst den ganzen Tag in der Sonne liegen könnten.“
Da richtet sich der Fischer auf, schiebt seine Mütze aus dem Gesicht und schaut den Urlauber mit großen Augen an:

      „Aber das tu ich doch schon.“

Wer ist hier der Weise und wer der Tor, der Dumme?
Wo stehen wir? Wo stehe ich?
Versuchen wir es nicht immer mal möglichst das Beste zu erreichen, nicht zu kurz zu kommen, die anderen hinter sich zurückzulassen.
Gute Beziehungen werden ausgenutzt, auch wenn dies zum Nachteil anderer geschieht. Die letzten Monate haben es gezeigt, wie einzelne oder Gruppen versuchen, früher geimpft zu werden als es ihnen nach der Impfordnung zusteht. Ich bin doch nicht dumm, ich nutze meine Chance sagen sie sich und anderen.
Schauen wir auf Jesus, wird uns anderes gezeigt. Er hatte öfter die Chance nach weltlichen Maßstäben gemessen groß herauszukommen.
Ganz am Anfang, noch ehe er öffentlich in Erscheinung trat, machte der Teufel ihm verlockende Angebote.
„Du kannst alle Menschen satt machen, du kannst Herrscher über ein riesiges Reich werden, du kannst von der Zinne des Tempels springen und wirst nicht verletzt werden. Du musst nur mich anbeten.
Es hat Jesus viel Kraft gekostet diese Versuchungen abzuwehren.
Gottes Engel kamen und richteten ihn auf und stärkten ihn.
Wir Menschen können Gottes Weisheit nicht verstehen oder gar nachahmen.
Paulus sagt es so: „Die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind.“
Es ist ein unüberbrückbarer Abstand zwischen der Menschen Schlauheit und Gottes Weisheit.
Vielleicht ahnen wir in seltenen Momenten etwas von dieser Weisheit.
Jesus verkörpert ganz und gar Gottes Weisheit. Macht und Klugheit mit menschlichen Maßstäben gemessen, liegen ihm fern.
Aber – das hat Folgen. Er wird gequält, er muss unendlich leiden und den Spott derer, die ihn quälen ertragen. Am Kreuz hängend verhöhnen sie ihn: „Bist du Gottes Sohn, so steige herab vom Kreuz.“
Sie haben ihn aus dem Leben hinaus gestoßen in den Tod.
Aber dann zeigt sich die Weisheit Gottes, die alle Schlauheit der Menschen zunichte macht.
Auf Seiten der Menschen ist der Tod Jesu am Kreuz ein Endpunkt.
Auf Seiten Gottes bedeutet dieser Tod einen Neuanfang.
Gott lässt sich nicht aus Welt herausdrängen.
Er ist bei denen, die leiden, Schmerzen haben, die unter der
Ungerechtigkeit der Welt stöhnen.
Er ist bei den Schwachen und Ohnmächtigen.
Er hat Jesus zurückgeholt ins Leben, schon nach drei Tagen.
So zeigt Paulus einen Gott, der nicht seine Allmacht ausspielt.
Er zeigt einen schwachen menschlichen Gott, dessen Torheit so klug ist, dass sie den Tod überwindet.
Und diesem Gott vertrauen wir.
Amen.

  • Gebet

Guter Gott im Himmel und auf Erden.
Du traust uns viel zu. Und wir wollen viel tun.
Doch unsere Kraft ist begrenzt. Unser Wille ist zu schwach.
Unser Tun reicht nicht aus. Wir brauchen deine Kraft.
Wir brauchen dich. Wir bitten dich:

Für alle, die krank sind –
unsere Angehörigen und Freunde, für alle, die leiden.
Für alle, die keine Kraft zum Leben haben,
die auf nichts mehr hoffen, die sich nicht mehr spüren.
Für alle, die ausgegrenzt sind,
mit denen keiner etwas zu tun haben will.
Für alle, die sich verrannt haben,
die eine falsche Entscheidung getroffen haben,
die meinen alles selbst regeln zu können.
So beten wir  so, wie Jesus es uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern und
führe uns nicht in Versuchung sonder erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns Gott,
der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Gudrun Naumann)

4. Sonntag nach Trinitatis (27.06.)2021

  • Lied „O dass ich tausend Zungen hätte“ (EG 330)

1. O dass ich tausend Zungen hätte
Und einen tausendfachen Mund,
So stimmt‘ ich damit in die Wette
Vom allertiefsten Herzensgrund
Ein Loblied nach dem andern an
Von dem, was Gott an mir getan! 

2. O dass doch meine Stimme schallte
Bis dahin, wo die Sonne steht.
O dass mein Blut mit Jauchzen wallte,
So lang es noch im Laufe geht.
Ach wär ein jeder Puls ein Dank
Und jeder Odem ein Gesang. 

3. Ihr grünen Blätter in den Wäldern,
Bewegt und regt euch doch mit mir.
Ihr schwanken Gräschen in den Feldern,
Ihr Blumen, lasst doch euer Zier
Zu Gottes Ruhm belebet sein,
Und stimmet lieblich mit mir ein. 

  • Psalm 42 – Sehnsucht nach Gott (Psalm 42,2-6.9-12)

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser,
so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott,
nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen,
dass ich Gottes Angesicht schaue?
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht,
weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
Daran will ich denken
und ausschütten mein Herz bei mir selbst:
wie ich einherzog in großer Schar,
mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes
mit Frohlocken und Danken
in der Schar derer, die da feiern.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er mir hilft mit seinem Angesicht.
Am Tage sendet der Herr seine Güte,
und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens.
Ich sage zu Gott, meinem Fels:
Warum hast du mich vergessen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, /
wenn mich meine Feinde schmähen
und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott?
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

  • Predigttext 1. Mose 50,15-21 – Josefs Edelmut und sein Tod

15Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. 16Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: 17So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. 18Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. 19Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? 20Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. 21So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

  • Predigt 

Eine der großen Sorgen von Eltern ist es, dass sich nach ihrem Tod die zurückbleibenden Kinder miteinander streiten und entzweien. Gründe dafür gibt es einige, aber am weitaus häufigsten sind wohl Erbstreitigkeiten, die bei den Nachkommen zu unversöhnlichen Konflikten führen. Vielleicht hat auch Jakob derlei Ängste, als er jedem seiner 12 Söhne, die mit ihm zusammen in Ägypten wohnen, den Segen erteilt und schließlich stirbt. Da jeder der Söhne einen anderen Segenszuspruch von Jakob als Erbteil erhält, wäre die Angst vor Folgekonflikten nicht unbegründet. Und tatsächlich: Kaum ist der Patriarch von seinen Söhnen in Kanaan zur letzten Ruhe gebettet worden, züngelt in den Brüdern von Joseph, die ihren neunmalklugen Bruder einst nach Ägypten verkauften, das Misstrauen und die Angst, Joseph könnte es ihnen nun heimzahlen – jetzt, wo auf den gebrechlichen Vater keine Rücksicht mehr zu nehmen ist und der mächtige Joseph alle Trümpfe in der Hand hält. „Wie du mir – so ich dir!“ – das ist die gnadenlose Vergeltungslogik, die bis heute ganze Familien auslöscht und den Hass über Generationen weitervererbt. Das ist im Übrigen kein vermeintliches Überbleibsel archaisch geprägter Landstriche und Kulturen, sondern auch ein Teil unserer eigenen Wirklichkeit. Hinter dürren Nachrichtenmeldungen von Familiendramen in gepflegten Einfamilienhaussiedlungen stehen oft uralte Muster von Neid, Eifersucht und Rachefantasien, welche in tödliche Gewalt münden. 

Die Brüder von Joseph kennen diese Muster nur zu gut, und deshalb versuchen sie, dem schlau vorzubeugen, indem sie Joseph die Geschichte vom vermeintlich letzten Willen ihres Vaters auftischen. Es geht hier also um ein manipuliertes Testament, was die Brüder retten soll. Was aber dann folgt, ist eine so unglaubliche wie anrührende Wendung, die der jüdische Ausleger Benno Jacob als die „moralische Quintessenz der Josephsgeschichte“, als „Höhepunkt der alttestamentlichen Moral“ bezeichnet. Joseph erkennt schmerzlich das Misstrauen und die tiefsitzende Angst seiner Brüder und spricht ihnen gut zu. Ein wichtiges Detail dabei: Wir hören von Joseph keine schnelle Zusage einer Vergebung. „Stehe ich denn an Gottes statt“ sagt Joseph, aber zugleich benennt er das mittlerweile Offensichtliche: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Es geht hier – noch einmal Benno Jacob – um nicht weniger als die „Überwindung der strafenden Vergeltung durch den Glauben an die göttliche Fügung, deren Ausgang nicht Tod, sondern Leben ist.“ Damit bekommt nicht nur die Erzählung von den Erzvätern im 1. Buch Mose einen überaus versöhnlichen Abschluss – erinnert sei hier an die harten Trennungsgeschichten von Isaak und Ismael sowie von Jakob und Esau. Sondern es wird zugleich eine Perspektive eröffnet, die dem Volk Gottes ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Was für ein schönes Bild: eine große Familie mit vielen Geschwistern, dazu vielleicht noch Partner, Kinder, Enkel, alle ganz verschieden und doch friedlich vereint an einem Tisch. Hier zeigt sich das Idealbild des Volkes Israel, aber es ist auch unser Idealbild. Zugleich wissen wir – sowohl aus der Geschichte Israels wie auch aus unserer eigenen Geschichte und Gegenwart -, dass ein solches Idealbild der Wirklichkeit kaum standhält. Wo immer Harmonie gewaltsam erzwungen wird – ob durch einen mächtigen König oder durch eine Ideologie, bröckelt irgendwann das mühsam errichtete Haus. Das lässt sich herunterbrechen bis in den Bereich von Familie und Partnerschaft: Wenn dort unterschiedliche Bedürfnisse dauerhaft übergangen und Machtansprüche zementiert werden, zerbricht irgendwann die heile Welt. 

In dem Hollywood-Film „Everybody’s fine“ – „Allen geht’s gut“ – macht sich ein Familienvater nach dem Tod seiner Frau auf den Weg, um seine vier Kinder zu besuchen, von denen er nur weiß, dass sie alle Karriere gemacht haben. Nach und nach findet er heraus, dass hinter der Fassade der heilen Familienwelt lauter Brüche zu finden sind. Weder seine verstorbene Frau noch seine Kinder haben ihm davon erzählt, um ihm gegenüber die schöne Fassade aufrecht zu erhalten. So erfährt er, dass er mittlerweile ein Enkelkind aus einer zerbrochenen Beziehung einer seiner Töchter hat, aber auch, dass ein Sohn von ihm an seiner Drogensucht gestorben ist. Dem Vater wird klar, dass er all die Jahre nur das gehört und gesehen hat, was er hören und sehen wollte. Der Film endet versöhnlich: Der Vater sitzt nach allem wieder am Tisch mit seinen verbliebenen Kindern, seinem Enkelkind und den Bildern seiner Frau und seines Sohnes, und er sagt sich, alles ist gut so – das Schöne und das Schwere, alles gehört zum Gesamtbild dazu. 

Und da sind wir auch wieder bei Joseph und seinen Brüdern, für die eine Geschichte voller Konflikte und Brüche gut zu Ende geht. Das wirklich Schöne am Ausgang der Geschichte ist, wie Joseph dargestellt wird: da ist keine Spur von Triumph oder Zufriedenheit. Man nimmt Joseph den Schmerz angesichts seiner misstrauischen, ängstlichen Brüder ab, und sicher schwingt da der Schmerz über das ihm widerfahrene Unrecht mit. Das verschwindet ja nicht einfach. Und dann legt er all das einfach in Gottes Hand. Das ist kein Fatalismus, sondern die Fähigkeit, von sich abzusehen, offen zu werden für das Unerwartete, den Verängstigten und Gescheiterten mit Liebe zu begegnen. Und genau da bekommt das Leben eine Wendung hin zum Guten, steht Zukunft für Hoffnung, kommt auch unsere Sehnsucht nach Annahme und Vergebung zum Ziel. 
Amen.

(Pfarrer Sven Hanson (Mitteldeutsches Bibelwerk))

3. Sonntag nach Trinitatis (20.06.)2021

Hinweis: Sie können sich diese Andacht auch anhören:

  • Eröffnung

„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ So steht es über dieser Woche im Lukasevangelium. Aus Liedern und Gebeten nähren wir die Hoffnung, dass Gott uns nicht verloren gehen lässt. Amen.

  • Ein Lied: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt (EGE 17)

1. Ich lobe meinen Gott,
Der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe.
Ich lobe meinen Gott,
Der mir die Fesseln löst, damit ich frei bin.

Refrain:
Ehre sei Gott auf der Erde
In allen Straßen und Häusern
Die Menschen werden singen
Bis das Lied zu Himmel steigt
Ehre sei Gott und den Menschen Frieden

2. Ich lobe meinen Gott,
Der mir den neuen Weg weist, damit ich handle
Ich lobe meinen Gott,
Der mir mein Schweigen bricht, damit ich rede

3. Ich lobe meinen Gott,
Der mir die Tränen trocknet, damit ich lache
Ich lobe meinen Gott,
Der meine Angst vertreibt, damit ich atme 

  • Aus Psalm 103 – So hoch der Himmel über der Erde

Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist, seinen heiligen Namen! 
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünde vergibt
und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom Verderben erlöst,
der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deinen Mund fröhlich macht
und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht
allen, die Unrecht leiden.
Er hat seine Wege Mose wissen lassen,
die Kinder Israel sein Tun.
Barmherzig und gnädig ist der Herr,
geduldig und von großer Güte.
Er wird nicht für immer hadern
noch ewig zornig bleiben.
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden
und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
So fern der Morgen ist vom Abend,
lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

  • Welcher Mensch? – Aus dem Lukasevangelium im 15. Kapitel

Es nahten sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:

Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

  • „Gott hält auch zu denen, die Mist bauen“* – Gedanken zum 15. Kapitel im Lukasevangelium

Das Zitat aus der Überschrift ist der Titel einer religionspädagogischen Arbeit, die das Verständnis von Grundschulkindern zum Gleichnis vom verlorenen Schaf untersucht.  Am schönsten in dieser Arbeit sind die wörtlichen Aussagen der Kinder: Eines sagt: „Jedes Schaf ist dem Hirten wichtig. Egal ob es dumm war oder nicht.“ Oder aus der Sicht des Schafes: „Man ist da ganz alleine und man hat Angst, aber wenn man  dich findet, dann ist man froh und hat keine Angst mehr und dann ist es ganz warm.“ Aber es gibt auch kritische Stimmen: „Die Geschichte ist negativ, weil sie unlogisch ist, wo lässt er die 99 Schafe?“

Gerade diese letztere Antwort stellt die Frage Jesu „Welcher Mensch …?“ selbst in Frage. Ist sie nur rhetorisch, also eindeutig mit „Ja!“ zu beantworten? Ja, jeder Mensch würde das Schaf suchen oder die Münze im Haus? Oder könnte es auch sein, dass Jesus eher die Antwort erwartet: Eigentlich macht sich niemand die Mühe wegen eines Schafes (oder einer kleinen Münze) den halben Tag zu verschwenden oder die anderen Tiere in Gefahr zu bringen. Und selbst wenn, wird niemand deswegen eine Riesensache daraus machen und es allen erzählen und feiern auch noch. 
Nein, es sind diese beiden, dieser Hirte und diese Frau, die so handeln. Logisch ist das nicht! Da hat der Neunjährige vollkommen recht. (Auch wenn es manche Bibel-Kommentare zu erklären versuchen.) Aber diese beiden machen es. Warum weiß keiner. Es wird nicht erklärt. Aber Jesus sagt deutlich: Und genauso ist es im Himmel! 

Vielleicht brauchte er auch so ungewöhnliche Beispiele, um klar zu machen, dass er genau weiß, was die Pharisäer und Schriftgelehrten stört. Dass es unlogisch ist, mit Zöllnern und Sündern zu essen. Sie sind rettungslos verloren. Sie zurückzuholen, ist einfach zu aufwändig. Das lohnt sich doch nicht! Jesus aber meint: Vielleicht nicht in dieser Welt. Aber vor den Engeln Gottes! 

Also, wie gestalten wir unsere Gemeindearbeit? Wen laden wir ein? Zu wem gehen wir hin? Und welche Erwartungen haben wir dabei? Es gibt einen leichten Bruch zwischen den erzählten Geschichten und dem Vergleich Jesu. Die Freude im Himmel gilt einem reuigen Sünder. Der Hirte und die Frau suchen aber ein Tier und eine Münze. Von Reue ist da keine Rede. Immerhin lassen sie sich finden. So wie die Sünder zu Jesus kommen und ihm zuhören. Das reicht schon!

Die Frage Jesu lässt sich schließlich nicht eindeutig beantworten. Selbstverständlich ist es gut los zu gehen und das Verlorene zu suchen. Auch wenn die Erfolgsaussichten gering erscheinen. Oder wie es eines der Kinder sagt: „Der Hirte ist nicht ganz so schlau, oder es lag ihm was an dem Schaf. Denn er verlor ja auf diese Weise 99 Schafe. Oder er wollte es retten, weil es allein war.“

Amen.

*https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=638229

  • Miteinander und füreinander beten

Guter Gott im Himmel,

schnell sind wir mit einem Urteil bei der Hand.
Wir scheinen genau zu wissen, was sich lohnt und mit wem wir Zeit verbringen.
Störe unsere Sicherheit.
Stelle in Frage, was uns selbstverständlich klug und weise erscheint.

In der Politik ebenso wie in der großen Wirtschaft.
Am Nachbarzaun ebenso wie in der Familie.
Stärke unseren Mut, auf die zuzugehn, die uns verloren erscheinen.
Öffne unsere Herzen und Münder, wenn wir selbst Hilfe brauchen.
Mach uns bereit, uns finden zu lassen ebenso wie andere zu finden.
Und gib uns Lust und Laune, das auch zu feiern.
Wenn wir vergeben können und uns vergeben wird.
Wir bitten darum mit den Worten Jesu Christi:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.

Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Trinitatis (13.06.)2021

  • Eröffnung

Für ein göttliches Wort halten wir inne. Wir machen Platz für den Heiligen Geist und für unseren Nächsten. Damit wir gemeinsam Heil geben und Heil empfangen können. Amen.

  • Ein Lied: nach Psalm 36 – Eduard Grell: Herr, Deine Güte (Arrangement für gemischten Chor)

https://www.youtube.com/watch?v=M-up6qANHgc

Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit so weit die Wolken gehn.
Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist.
Halleluja!

  • Verständliche Worte – Aus dem 1. Korintherbrief im 14. Kapitel

Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe!
Strebt nach den Gaben, die der Heilige Geist schenkt –
vor allem aber danach, als Prophet zu reden.
Wer in unbekannten Sprachen redet,
spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott.
Denn niemand versteht ihn.
Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt,
bleibt vielmehr ein Geheimnis.
Wer dagegen als Prophet redet,
spricht zu den Menschen.
Er baut die Gemeinde auf,
er ermutigt die Menschen und tröstet sie.
Wer in unbekannten Sprachen redet,
baut damit nur sich selbst auf.
Wer aber als Prophet redet,
baut die Gemeinde auf.
Ich wünschte mir,
dass ihr alle in unbekannten Sprachen reden könntet.
Noch lieber wäre es mir,
wenn ihr als Propheten reden könntet.
Wer als Prophet redet, ist bedeutender als derjenige,
der in unbekannten Sprachen redet –
es sei denn, er deutet seine Rede auch.
Das hilft dann mit, die Gemeinde aufzubauen.
Was wäre, Brüder und Schwestern,
wenn ich zu euch komme und in unbekannten Sprachen rede.
Was habt ihr davon,
wenn ich euch nichts Verständliches vermittle?
Das kann eine Vision sein oder eine Erkenntnis,
eine prophetische Botschaft oder eine Lehre.
So ist es ja auch bei den Musikinstrumenten,
zum Beispiel bei einer Flöte oder Leier:
Nur wenn sich die Töne unterscheiden,
kann man die Melodie der Flöte oder Leier erkennen.
Oder wenn die Trompete kein klares Signal gibt,
wer rüstet sich dann zum Kampf?
Genauso wirkt es,
wenn ihr in unbekannten Sprachen redet.
Wenn ihr keine verständlichen Worte gebraucht,
wie soll man das Gesagte verstehen können?
Ihr werdet in den Wind reden!
Niemand weiß, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt.
Und kein Volk ist ohne Sprache.
Wenn ich eine Sprache nicht verstehe,
werde ich für den ein Fremder sein, der sie spricht.
Und wer sie spricht,
ist umgekehrt ein Fremder für mich.
Das gilt auch für euch.
Ihr strebt nach den Gaben des Heiligen Geistes.
Dann strebt nach Gaben, die die Gemeinde aufbauen.
Davon könnt ihr nicht genug haben.

  • Sich verständlich machen – Gedanken zum 14. Kapitel im 1. Korintherbrief

Von den Gaben, die die Gemeinde aufbauen, könnt ihr nicht genug haben. Eine dieser Gaben ist das verständliche Reden. Soweit so selbstverständlich gibt der Paulus seinen Rat an die Gemeinde in Korinth. Es sei ein Gebot der Liebe. Das hält schon der erste Satz fest. Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe! Dennoch muss der Apostel darüber reden. Es ist eben nicht selbstverständlich. Denn Paulus unterscheidet zwei Arten der Rede. Die prophetische Rede und die Rede unter dem Einfluss des Geistes. Beide sind Gaben Gottes. Doch die letztere ist eine Rede in unbekannten Sprachen. Wer sie spricht, rede nur zu Gott. Die prophetische Rede hingegen bemühe sich darum, verständlich für den Mitmenschen zu sein.
Für Paulus ist somit die prophetische Rede wichtiger. Jede und jeder soll verstehen, um getröstet und ermutigt zu werden. Die Rede in unbekannten Sprachen muss unverständlich bleiben, obwohl sie auch eine Gabe des Heiligen Geistes ist.
Diese Rede in unbekannten Sprachen ist bis heute bekannt. Vor allem in pfingstlich geprägten Gemeinden wird sie gepflegt. Wer so redet, gebraucht tatsächlich unverständliche Worte. Das Gefühl, Gott sehr nah zu sein, ist in diesem Moment innig und intensiv. Aber er bleibt für sich. Er teilt nichts davon. Streng genommen kreist er um sich selbst. Fast eine Sünde. Doch Paulus sieht darin immerhin das Gespräch mit Gott. Deshalb kann er diese Redeweise nicht verdammen. Viel wichtiger ist ihm aber das verständliche Reden zum Trost und zur Erbauung der Mitmenschen.
Auch auf andere Weise ist das verständliche Reden wichtig. Die obenstehende Übersetzung des Korintherbriefes stammt aus der BasisBibel. Sie enthält eine neue Übersetzung, die den heutigen Lesegewohnheiten Rechnung trägt. Tina Arnold, eine der Mitarbeiterinnen an der Übersetzung, sagt es kurz und knapp: Wir müssen den Leuten aufs Smartphone schauen. Deshalb gelten folgende Regeln: Ein Satz in der BasisBibel umfasst in der Regel nicht mehr als 16 Worte und besteht normalerweise aus einem Hauptsatz und höchstens einem Nebensatz. In bestimmten Ausgaben wird jede Sinneinheit in einer eigenen Zeile wiedergegeben. Neben diesen formalen Regeln bemüht sie sich um große Sinntreue und Nähe zum griechischen oder hebräischen Urtext.
Kritik blieb da nicht aus. Der Theologe Bernd Beuscher beklagt die mangelnde Offenheit dieser Übersetzung. Mehrdeutigkeiten würden verschwinden und das wahre Übersetzungsprinzip Luthers verraten. Es ginge nicht nur darum, dem Volk aufs Maul zu schauen. Es ginge auch darum, Lebensgeschichten zu erzählen. Lebensgeschichten, die den Hörern ihre menschliche Situation deutlich machen. Luther sei das gelungen. Der BasisBibel nicht. Sie lösche das, was uns Menschen wirklich angeht, zugunsten „richtigerer“ Wörter.
Ich will dem widersprechen. Etwa so: STrebet nach der Liebe / Vleissiget euch der geistlichen Gaben / Am meisten aber / das jr weissagen möget. Denn der mit der Zungen redet / der redet nicht den Menschen / sondern Gotte / Denn jm höret niemand zu / Jm geist aber redet er die geheimnis. Kaum einer will so Luther heute noch lesen. Übersetzungsleistungen waren schon immer nötig. Sonst gäbe ich hier den griechischen Text weiter. Der ist wohl noch näher an den Worten des Paulus. Aber gerade er besteht auf Verständlichkeit. Der Versuch der BasisBibel nimmt Rücksicht auf jene, die schlichtweg mit der Sprache der Lutherbibel kaum was anfangen können. Die Verteidiger der richtigen Übersetzungen übersehen überdies, dass Gott sich uns auf vielfältige Weise verständlich machen kann. Nicht nur durch Worte des Verstandes.
Mir gegenüber sitzt ein Mann. Seine Beziehung zu seinem Sohn ist schwierig. Er kann keine großen Worte darüber machen. Ich weiß nicht, ob er viel in der Lutherbibel gelesen hat. Aber ich spüre die Nähe des Heiligen Geiste, wenn er sagt: Ich habe ihm verziehen, weil Jesus uns dazu auffordert.
Ermutigung und Trost, Nächstenliebe und Großzügigkeit, Verzeihen und Freude meinem Nächsten gegenüber, das ist die Sprache des Geistes. Sie legt nicht viel Wert auf diese oder jene Worte. Es kommt nur darauf an, ob es auch geschieht. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Gütiger Geist Gottes,
lenke unseren Verstand und unsere Liebe,
dass wir unser Sinnen darauf richten,
unseren Mitmenschen etwas Gutes zu tun.
In der Hoffnung darauf, dass wir verstanden werden.
In der Hoffnung darauf, dass wir dazu fähig sind.
In der Hoffnung darauf, dass wir so Liebe und Frieden weitergeben.
Dass wir unsere Zungen hüten, wenn es nur um unser Wohl geht.
Dass wir unsere Worte weise wählen, um nicht Gottes Wort zu kränken.
Dass wir unsere Worte danach bemessen, welche Taten daraus folgen.
Dass wir mit unseren Worten niemanden ausschließen.
Mit den Worten Jesu Christi beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Trinitatis (06.06.)2021

  • Eröffnung

Aus den vielen Stimmen des Alltags kommen wir vor dir, Herr, zur Ruhe. Vor dir haben wir Gelegenheit, diese Stimmen zu sichten, zu sortieren und uns zum Besten dienen zu lassen. Dazu möge Gott uns helfen. Amen.

  • Ein Lied: „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“ (EG 382)

1 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine Wege. Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott; mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

2 Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

3 Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und lass mich unter deinen Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

  • Psalm 34

Ich will den HERRN loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des HERRN,
dass es die Elenden hören und sich freuen.

Preiset mit mir den HERRN
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!

Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude,
und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.
Als einer im Elend rief, hörte der HERR
und half ihm aus allen seinen Nöten.
Der Engel des HERRN lagert sich um die her,
die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.

Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet!
Fürchtet den HERRN, ihr seine Heiligen!
Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.
Reiche müssen darben und hungern;
aber die den HERRN suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.

  • Weit weg vom Herrn – Aus dem Buch Jona Kapitel 1 und 2

Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem HERRN nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom HERRN.
Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde.
Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben. Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona. Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du? Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat.
Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist.
13Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, HERR, tust, wie dir’s gefällt.
Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde.
Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches. Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.

  • Den Schuß nicht hören – Gedanken zum Propheten Jona

Der Dackel war alt geworden. Seine Zähne konnten kaum noch beißen, die Augen ware trübe und hören konnte er gar nicht mehr. Aber der Jäger liebte seinen Dackel. Jeden Tag nahm er ihn mit auf die Pirsch über die Felder. Mühsam schlich sein Hund neben ihm her. Er wusste ja, wie sein Herrchen riecht. Das gab ihm Sicherheit.
Doch eines Tages, der Dackel hatte sich gerade an einem Mauseloch festgeschnuppert und sein Herrchen hatte sich ein paar Meter entfernt, griff ihn ein Adler und flog mit dem Hund davon. Der Jäger sah das – höchst erschrocken – und obwohl ihn der schöne Vogel dauerte, zögerte er keinen Augenblick seinen Dackel zu retten, zielte, traf, und der Adler fiel zu Boden. Nur der Dackel flog unbeirrt weiter. Seine Ohren flatterten im Flugwind gen Himmel. Er hatte wohl den Schuß nicht gehört!
Wer den Schuß nicht hört, ignoriert offensichtliche Fakten und macht so weiter wie bisher. Auch wenn es ihm schadet. Mitunter fällt es dem Menschen wohl so schwer, eine liebgewordene oder zwanghaft ausgeübte Gewohnheit aufzugeben, dass er sie gegen alle Vernunft stur beibehält. Bei den Propheten des Alten Testaments hat das einen festen Platz in den Berufungsgeschichten. Der offensichtliche und unausweichliche Fakt besteht darin, dass diese Berufung von Gott selbst kommt. Kein Mensch kann dem ausweichen.
Jona probiert es trotzdem. Er schifft sich ein und flieht an die fernste Küste, die er kennt. Das nützt ihm aber nichts. Die Geschichte erweist in ihrem Verlauf, dass der Versuch Jonas geradezu lächerlich erscheint. In unserem – politischen – Alltag ist das leider nicht immer so eindeutig. Autofreie Innenstadt und Coronamaßnahmen? Was der einen richtig erscheint, wird von einem anderen geflissentlich ignoriert. Autos zerstören die Umwelt und Corona ist gefährlich, ja. Aber was folgt daraus? Wer tatsächlich den Schuß nicht gehört hat, wird sich in der Zukunft erweisen. Nur könnte es dann eben auch zu spät sein.
Die mitreisenden Seemänner allerdings, die mit Jona auf dem Schiff fahren, haben das Offensichtliche klar vor Augen. Ein Sturm, der den Untergang bedeuten kann. Aber auch nachdem sie begriffen haben, woher das Unglück kommt, wollen sie Jona nicht einfach opfern. Sie geben alles, um ihn, sich selbst und das Schiff zu retten. Erst als dieser Versuch scheitert, nehmen sie das Unausweichliche hin. Bevor wir also einander vorwerfen, den Schuß nicht gehört zu haben, ist es besser, unserem Mitmenschen beizustehn. Das ist eine sichere Tatsache, dass Nächstenliebe, Geduld, Vergebung und Treue sich in Zukunft auszahlen. Denn auch der Jäger wird nicht aufgeben. Er wird alles versuchen, seinen geliebten Dackel aufzufangen, falls er doch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommt. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Allmächtiger Gott,
erleuchte unser Herz, dass wir dein Wort hören können.
Öffne unsere Ohren, dass wir uns einander hören können.
Dass wir nicht darauf beharren, was schon in unseren Köpfen wohnt,
dass wir für Veränderungen bereit sind,
wenn wir begreifen, dass sie uns und unserem Nächsten nützlich sind.
Öffne die Ohren jener, die an diesem Wahlsonntag Verantwortung übertragen bekommen. Öffne die Ohren der Mächtigen in dieser Welt, dass sie dem Frieden dienen, auch wenn er fern scheint.
Öffne die Ohren der Menschen, die in unseren Gemeinden arbeiten. Dass sie aufmerksam und liebevoll nach der Guten Botschaft reden und handeln.
Öffne die Ohren aller, die in helfenden Berufen arbeiten. Dass sie spüren können,
wie wichtig ihre Arbeit ist. Und wie dankbar jene, die diese Hilfe erfahren.
Öffne unsere Ohren, Herr, dass wir mit ganzer Seele spüren, dass du uns trägst und Kraft gibst, für unseren Nächsten da sein zu können.
Mit den Worten Jesu Christi beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)