19. Sonntag nach Trinitatis (15.10.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht beim Propheten Jeremia Kap.17, 14 „Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“
Die Erzählung von der Heilung des Gichtkranken macht uns am heutigen Sonntag deutlich, dass der Mensch nicht al-lein aus dem Leib besteht, der krank werden und sterben kann. Wenn Jesus heilt, so heilt er immer den ganzen Menschen.

  • Ein Lied: So lang es Menschen gibt auf Erden Erden (EG 427)
  • Psalm: Psalm 32, Verse 1-7.11

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
darum, wenn große Wasserfluten kommen, werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.
Freuet euch des Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten,
und jauchzet, alle ihr Frommen.

  • Evangelium für den heutigen Sonntag – Markus, 2. Kapitel, Verse 1-12

Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen:
Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?
Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!
Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
es ist jetzt ca. 1 Jahr her, da wurde ich nach einem Gottesdienst im Seniorenheim zu einer Bewohnerin gerufen, die Geburtstag hatte, und bettlägerig war.
Die Frau hatte schon wochenlang nicht mehr gesprochen. Sie lag im Bett und starrte an die Decke oder blickte aus ihrem großen Fenster hinaus in den Himmel, den sie sehen konnte. Als ich die Frau ansprach erhielt ich keine Reaktion, sie schien durch mich hindurchzublicken, sie kannte mich ja auch nicht. Von den Schwestern hatte ich erfahren, dass die Frau nur entfernte Angehörige hatte, die nur sehr selten zu Besuch kamen, lediglich zwei Nonnen schauten etwas öfter vorbei.
Da saß ich nun am Bett, neben einer mir unbekannten Frau, die nicht reagierte. Das war eine ziemlich bedrückende Situation für mich. Ich erzählte ihr, dass wir gerade Gottesdienst gefeiert und worüber wir gesprochen hatten.
Keine Reaktion.
Schließlich fragte ich sie, ob ich ihre Hand halten dürfe und mit ihr beten sollte, sie reagierte nicht wirklich, ließ aber die Berührung der Hand zu. Was betet man in einer solchen Situation? Mir fiel nur der Vaterunser ein und ich begann mit dem Gebet. Dann passierte etwas ganz Erstaunliches, die Frau drückte meine Hand und begann die Worte mitzusprechen, erst ganz zaghaft, dann immer lauter und bewusster. Es war ein unglaublich bewegender Moment für mich und selbst der Pfleger, der mit dem Mittagessen zur Tür hereinkam, blieb wie angewurzelt stehen und wartete mit dem Tablett in der Hand bis wir zu Ende gebetet hatten. Zum Abschluss segnete ich die Frau und ärgerte mich, dass ich kein Öl dabei hatte um sie den Segen noch einmal leiblich erfahrbar machen zu können.
Dieses Erlebnis hat mich tief bewegt, denn es hat mir gezeigt wie viel Kraft in einer Begegnung, in einer Berührung und in einem Gebet stecken kann.
„Liebe Schwestern und Brüder,
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“
So schreibt es der Apostel Jakobus in seinem Brief. Eine klare Handlungsanweisung?
Er richtet diesen Brief an alle Juden die Christen geworden sind und die immer wieder mit der Frage konfrontiert sind, wie sich dieses Christsein im Leben im Alltag zeigt. Christsein, das heißt in Verbindung sein, nicht alleine sein, zu einer
Gemeinschaft zu gehören die füreinander da ist. Egal ob ich froh bin und aus Freude Lieder singe und meinem Gott
danke, oder ob ich leide oder krank bin. Ich bin darauf angewiesen in Beziehung zu bleiben. In Beziehung zu Gott
und zu den Menschen.
Krankheit versetzt den Menschen nicht in eine passive Situation, an der er nichts ändern kann. Krankheit wird als Teil des Menschseins begriffen, aber sie geht nicht nur den Kranken an, sondern auch die Gemeinschaft. Der Kranke muss nicht still in seinem Kämmerlein leiden, er kann und soll die Ältesten rufen, ihnen sein Leid klagen und diese Klage gemeinsam im Gebet vor Gott bringen. Der oder die Kranke darf Berührung und wohltuendes Salböl erwarten.
Dabei geht es nicht darum, dass aus einer solchen Begegnung die körperliche Krankheit geheilt wird.
Es geht darum die Seele zu stärken mit der Krankheit umzugehen, sich der Gemeinschaft mit Gott und den Schwestern und Brüdern getragen wissen. Nicht allein, nicht einsam mit den Problemen umgehen zu müssen.
Liebe Gemeinde, was macht das mit uns?
Wie geht es uns mit der praxisorientierten Handreichung des Jakobus? In unsere heutige Zeit ist Krankheit zwar auch
allgegenwärtig, aber sie wird eher versteckt. Alle wollen ewig stark und ewig jung sein. Krankheit gilt als Makel.
Ich erlebe manchmal Menschen, die sagen, dass sie nicht besucht werden wollen, weil sie „keine Umstände“ machen möchten, niemandem von ihren Gebrechen erzählen wollen und dann still leiden, nicht nur körperlich,
sondern auch seelisch.
Dabei hat auch die moderne Wissenschaft immer wieder nachgewiesen, wie wichtig seelische und körperliche Ge-sundheit zusammenhängen. Das Teilen und das Mitteilen des eigenen Zustandes gegenüber Gott und den Menschen versetzt mich in eine aktive Position, ich bin nicht der Krankheit ausgeliefert, sondern kann sie benennen und mich von der Gemeinschaft getragen wissen.
Niemand muss alleine sein, und keiner ist alleine, denn er kann sich der Liebe und der Gnade Gottes sicher sein.
In den letzten beiden Jahren hier im Süden habe ich vielfach erfahren wie sehr die Gemeinschaft in der Gemeinde gelebt und gepflegt wird. Es gibt Besuchsdienste und wenn jemand von einem anderen erfährt, dass jemand krank ist,
dann wird auch schon mal der Pfarrer, die Pfarrerin oder die Vikarin darauf angesprochen und gezielt zu den Men-schen geschickt. Das ist wunderbar.
Wir haben noch eine andere Möglichkeit die über die persönliche, direkte Begegnung mit Leidenden und Kranken vor Ort hinausgeht. Hier im Gottesdienst ist der Ort wo wir gemeinsam die Dinge zur Sprache bringen die uns bewegen.
Heute haben sie am Eingang einen kleinen Zettel bekommen mit der Bitte jemanden zu benennen der oder die krank ist und deren Leiden wir hier zur Sprache bringen sollen. Vielleicht fällt ihnen ja jemand ein, den sie gerne benannt haben möchten. Sie können zur Fürbitte nach vorn kommen und ihr Anliegen selbst vorlesen, oder sie geben den Zettel ab und wir bringen es in der Fürbitte zur Sprache. Bringen unser Anliegen zu Gott und hoffen, dass er die Bitten erhört.
In unsere Fürbitten im Gottesdienst nehmen wir nicht nur den Einzelnen in den Blick, sondern schauen immer auch auf die Umstände in unserer Stadt, in unserem Land in unserer Welt. Da ist zurzeit viel zu bedenken.
Der Terrorkrieg der Hamas in Israel und Palästina hat unsere Welt seit letzter Woche tief erschüttert. Noch immer tobt der Krieg in der Ukraine. Am Montag haben wir an den Anschlag in auf die Synagoge hier in Halle und der beiden völlig unbeteiligten Opfer gedacht.
Eine scheinbar nicht enden wollende Spirale von Gewalt zieht durch unsere Welt. Seit Ausbruch des Krieges treffen sich Menschen zu Friedensgebeten. Bringen ihre Bitte um Frieden vor Gott. Immer wieder.
Wir sind ohnmächtig und zugleich nicht sprachlos, und dadurch nicht machtlos.
Wir haben Stimmen und Herzen, die sich erheben können. Wir können aufbegehren gegen das Böse und unsere ei-genen Herzen und Sinne nach dem ausrichten was gut ist, und uns nicht von blindem Hass und hetzerischen Parolen einiger weniger blenden lassen und auf Gottes Liebe vertrauen.
Das ist manchmal schwer auszuhalten, aber in der Gemeinschaft und im Sprechen darüber keimt immer wieder neue Hoffnung. Das letzte Wort hat nicht die Gewalt und das Böse, sondern die Liebe und Gnade Gottes in Ewigkeit, die über uns hinausgeht.
„Dabei hilft uns der Geist Gottes in all unseren Schwächen und Nöten. Wissen wir doch nicht einmal, wie wir beten sollen, damit es Gott gefällt! Deshalb tritt Gottes Geist für uns ein, er bittet für uns mit einem Seufzen, wie es sich nicht in Worte
fassen lässt.“ (Röm 8,26)
Meine kleine Anekdote vom Anfang hat gezeigt, wie wichtig die Begegnung und die Anteilnahme am Leid anderer ist, was eine Berührung ausmachen kann, wie sehr ein Gebet trägt.
Jakobus hat uns vor 2000 Jahren ins Stammbuch geschrieben wie wir als Christen einander beistehen sollen und kön-nen. Er schrieb nicht, dass das Gebet gesund macht, aber dass es Heil machen kann.
Denn; das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden ge-tan hat, wird ihm vergeben werden.
Oft wissen wir nicht, wie das Gebet des Glaubens im richtigen Moment formuliert werden kann, aber Jesus Christus hat für uns vorgesorgt und uns sein Gebet geschenkt – das Vaterunser. Wir haben die Telefonnummer Gottes, denn seine Liebe ist stärker als all unsere Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Hörst du die Klage? Siehst du die Tränen, ewiger Gott?
Die Steine in der Wüste schreien Dein Heiliges Land leidet.
Verzweifelte Eltern trauern um ihre Kinder.
Mit Hohngelächter sind sie gekommen und haben die geschändet, die den Frieden lieben.
Die Mörder prahlen mit ihren Waffen.
Du bist der Gott der Gerechtigkeit.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Hörst du das Weinen? Siehst du die Angst, ewiger Gott?
In verminten Feldern sterben Menschen und Tiere.
Kriegstage folgen auf Kriegsnächte.
Bevor die Wunden vernarben, werden neue geschlagen.
Die Kriegsherren feiern den Tod. Sie verachten dein Gebot.
Du bist der Gott des Friedens.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Siehst du unser Entsetzen.
Immernoch sind wir fassungslos und betroffen über die grausame Tat eines Einzelnen
der in unserer Stadt ein Blutbad anrichten wollte.
Die Tür hielt stand. Danke guter Gott.
Wir bitten dich für die Opfer, nimm sie auf in deinen ewigen Frieden.
Bewahre sie auch in unserem Herzen.

Hörst du das Seufzen? Siehst du die Kranken, ewiger Gott?
Sie warten auf Heilung. Sie warten auf die Linderung ihrer Schmerzen.
Erdbeben und Hunger plagt wehrlose Männer, Frauen und Kinder.
Sie hoffen auf Rettung.
Die, die den Schwachen beistehen, sind müde
und die Mächtigen kennen dich nicht.
Du bist der Gott der Rettung.
Du wirst ja daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.
Hörst du unsere Lieder?
Siehst du unseren Glauben,ewiger Gott?
Wir fragen nach dir.
Wir kommen zu dir.
Wir bitten dich für unsere Kinder.
Wir bitten dich für die, die du uns an die Seite stellst.
Wir bitten dich für deine weltweite Gemeinde.
Du bist gütig und deine Barmherzigkeit hat kein Ende.
Du wirst ja daran gedenken.
So hoffen wir im Namen Jesu und rufen:
Kyrie eleison.

In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Vikarin Christin Schulze-Gerlach)