Andacht am 3.Sonntag der Passionszeit (Okuli)
Anfangen
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Lied: Jesu geh voran … (EG 391)
- Jesu, geh voran auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand bis ins Vaterland. - Soll’s uns hart ergehn, lass uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir. - Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz,
kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden;
richte unsern Sinn auf das Ende hin. - Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege, gib uns auch die nöt’ge Pflege;
tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.
Lesung: 1.Petrus 1, 13 – 21
Darum umgürtet eure Lenden
und stärkt euren Verstand,
seid nüchtern
und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade,
die euch dargeboten wird
in der Offenbarung Jesu Christi.
Als gehorsame Kinder
gebt euch nicht den Begierden hin,
in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet;
sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist,
sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.
Denn es steht geschrieben:
»Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
Und da ihr den als Vater anruft,
der ohne Ansehen der Person
einen jeden richtet nach seinem Werk,
so führt euer Leben in Gottesfurcht,
solange ihr hier in der Fremde weilt;
denn ihr wisst, dass ihr
nicht mit vergänglichem Silber oder Gold
erlöst seid von eurem nichtigen Wandel
nach der Väter Weise
sondern mit dem teuren Blut Christi
als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
Er ist zwar zuvor ausersehen,
ehe der Welt Grund gelegt war,
aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,
die ihr durch ihn glaubt an Gott,
der ihn von den Toten auferweckt
und ihm die Herrlichkeit gegeben hat,
sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.
Gedanken zum Text:
Das mache ich viel zu selten. Auf dem Weg zur Rabeninsel wird es schon besser. Der Körper kommt in Bewegung, auch innerlich. Die trüben Gedanken werden weniger. Längst weiß ich das ja, Körper und Geist hängen eng zusammen. Auf der Insel angekommen, gibt es dann diesen einen Moment. Die Blätter der Bäume rauschen, die Saale gurgelt vor sich hin, die sanfte Frühlingsluft strömt leichter durch die Lungen. Ruhe kehrt ein, ein Moment voller Frieden, innerlich und äußerlich. Die Insel, ein Stück Heimat.
In jüngerer Zeit hat das sogenannte interozeptive System das Interesse der Wissenschaft geweckt. Interozeption nennt sie die Wahrnehmung der Organe des Menschen, ein inneres Sensorensystem, das in Verbindung mit dem Gehirn steht. Es sendet Informationen und interpretiert und verarbeitet sie, bewusst oder unbewusst. Mitunter geschieht es aber, wenn der Körper ein Bedürfnis hat, dass diese Signale falsch verarbeitet werden. Und dann fühlt sich eine innere Spannung oder Hunger wie Trauer oder Depression an. Die Bewegung kann das ändern, die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen im Frühling. Die Informationen fließen wieder in den richtigen Bahnen und ich packe eine Banane aus, wo ich doch vor einer halben Stunde noch keinen Appetit hatte.
Liebe Gemeinde,
Wenn der Petrusbrief von der Nüchternheit spricht, hat er auch ein eher körperliches Phänomen vor Augen.
Eine Deutung des griechischen Wortes geht davon aus, dass das gebrauchte Wort sich von dem Substantiv für Wolke herleitet, die eine große Menge Flüssigkeit festhält. Das Gegenteil von nüchtern wäre also der Zustand, in dem ich diese Flüssigkeit nicht bei mir behalten kann. Ein Zustand, der den meisten bekannt sein dürfte.
Wenn der Mensch also nüchtern ist, ist er bei sich, er nimmt auf und gibt ab, wie es gerade passt und stimmig ist. Die Dinge sind im regulären Fluss, es funktioniert und der Körper fühlt sich wohl. Seine ganze Konzentration kann sich auf das Äußere verlegen. Auf die Schönheit der Natur, auf eine notwendige Arbeit oder auf den Mitmenschen. Er kann genau hinschauen, auch feinere Schwingungen wahrnehmen und gut auf sich und andere achten. Er ist ganz bei sich und kann deshalb bei anderen sein.
Der Petrusbrief nennt das auch heilig. Dieses Wort steht für Reinheit und es liesse sich also sagen, wenn der Mensch mit sich im Reinen ist, dann ist er heilig. Denn so ist der Mensch von Gott gemacht, Bild von seinem Bild, ein wunderbar faszinierendes Geschöpf. Gott ist heilig, so ist es auch der Mensch selbst. Das Buch Levitikus zählt an der Stelle, wo es über die Heiligkeit spricht, eine ganze Reihe von Fehlhaltungen auf. Es geht um Gerechtigkeit, um den Umgang mit den Menschen im Allgemeinen, um Sexualität, dem Umgang mit Fremden und mit Gott.
Dieser Umgang gelingt, wenn ich bei mir bin, und damit bei Gott. Nüchtern sein. Aufmerksam. In guter Verfassung. Friedvoll und ruhig. Der Petrusbrief weiss natürlich auch, dass dem Menschen das nicht immer gelingt, oder vielleicht auch nur selten? Dann nimmt der Mensch falsch wahr, interpretiert sie verkehrt und erzeugt Gefühle der Habgier und des Festhaltenwollens.
Gold und Silber, die als sichere Bank gesehen werden und doch nur vergänglich sind wie wir selbst. Wer solche Sicherheiten sucht, ist auf dem falschen Weg. Dem spielt die Wahrnehmung einen Streich. Und das schafft Kummer und Hass und Gewalt in der Welt. Der Petrusbrief weiß, dass das unausweichlich ist, und deshalb nennt er diese Welt eine Fremde. Einen Ort, wo der Mensch letztendlich nicht bei sich sein kann.
Was er aber nicht tut, dass er den Menschen an sich ablehnt. Seine Körperlichkeit ist und bleibt ein Werk Gottes. Und so ist er auch gemeint, nicht als abstraktes Geistwesen, dass sich von seinem Körper befreien müsste oder ihn ignorieren.
Dafür steht Christus. Er ist der Bezugspunkt, er ist in gewisser Weise das funktionierende interozeptive System im Glauben. Wenn seine Signale richtig ankämen, dann lebten wir nicht mehr in der Fremde. Aber leider ist es nicht so. Zu oft wird selbst das System Christus für falsche Informationen, Gewalt und Schrecken eingesetzt. Dann fühlt der Mensch Christus, aber begreift nicht, dass aus diesem Gefühl kein besserer Mensch wird. Darum ist Jesu Blut so teuer, weil es so oft verschleudert und missbraucht wird.
Die Blätter der Bäume rauschen, die Saale gurgelt vor sich hin, die sanfte Frühlingsluft strömt leichter durch die Lungen. Ich gehe über die Rabeninsel. Da steht Jesus. Er winkt. Ich bleibe vor ihm stehen. Er sagt nichts. So, als ob schon alles gut wäre. Dann frage ich ihn doch. Warum ist dein Blut so teuer? Weil es für Dich ist, sagt er einfach.
Amen
Fürbitte
(Katharina Wiefel-Jenner
https://www.velkd.de/schwerpunkte/liturgie/wochengebet/gebet/gebet-zu-okuli-2024)
Gelobt seist du,
Jesus Christus.
Du hast uns berufen.
So halten wir dir hin,
was uns bedrängt,
worauf wir hoffen und
wen wir lieben.
Höre uns und erbarme dich.
Jesus Christus,
wahrer Mensch und liebender Bruder.
Die Kriege gehen weiter.
Täglich kommen hinzu
Verzweifelte.
Traumatisierte,
Verletzte und Trauernde.
Täglich fliehen Menschen.
Täglich werden Häuser zu Trümmern.
Täglich verbrennt die Erde.
Täglich wächst der Hass.
Christus, liebender Bruder,
schaffe Frieden.
Erbarme dich.
Jesus Christus,
du beharrliche Barmherzigkeit, du liebender Bruder.
Die Furcht vor dem, was kommt, geht weiter.
Täglich fürchten sich
die Einflusslosen,
die Verachteten,
die Armen.
Täglich sorgen wir uns um unsere Kinder.
Täglich leiden die Kranken.
Täglich ist seufzt die Schöpfung.
Täglich wächst die Hilflosigkeit.
Christus, liebender Bruder,
zeige deine Gerechtigkeit.
Erbarme dich.
Jesus Christus,
du ewiges Wort, du liebender Bruder.
An der Hoffnung halten wir fest.
Täglich demonstrieren wir für
die Menschenwürde,
die Solidarität mit den Bedrängten,
die Gerechtigkeit.
Täglich weckst du die Sehnsucht.
Täglich hören dich die Menschen guten Willens.
Täglich finden Menschen zueinander.
Täglich betet deine Gemeinde.
Christus, liebender Bruder,
sei mit deinem Wort in unserer Mitte.
Gib unserer Liebe einen langen Atem.
Erbarme dich.
Gelobt seist du,
Jesus Christus.
Du hast uns berufen.
Segne uns und alle, die zu uns gehören
heute, morgen und alle Tage.
Amen.
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Es segne und behüte uns der allmächtige
und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.
Pfarrer Olaf Wisch