Andacht

Andacht zum Gottesdienst am 2. Advent.

Anfangen:
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

Eröffnung:
Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“Dieser ermutigendeWochenspruch steht bei Lukas im 21. Kapitel, Vers 28 b.
aus Psalm 80:

Du Hirte Israels, höre, der du Josef hütest wie Schafe!

Erscheine, der du thronst über den Cherubim, 
vor Ephraim, Benjamin und Manasse!
Erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe!
Gott, tröste uns wieder und lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.
Herr, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen
beim Gebet deines Volkes?
Du speisest sie mit Tränenbrot
und tränkest sie mit einem großen Krug voll Tränen.

Lied: „Macht hoch die Tür“.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt; derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.
Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit;
all unsre Not zum End er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott, mein Heiland groß von Tat.
O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat.
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, eu’r Herz zum Tempel zubereit’.
Die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch, ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott, voll Rat, voll Tat, voll Gnad.
Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.

Predigttext: Jesaja 25, 3-10:
Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.«
Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg, der der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen. Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Liebe Adventsgemeinde,
Georg Weissel (1590-1635) ahnte vor mehr als 400 Jahren nicht, dass er eines der beliebtesten Adventslieder schaffen sollte:
Am zweiten Advent 1623 wurde im ostpreußischen Königsberg die neu gebaute Altroßgärter Kirche eingeweiht.
Und der 33 Jahre alte lutherische Pfarrer und Liederdichter Weissel, der dort gerade seinen Dienst aufnahm, verfasste eigens dafür ein Lied: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.
Dieses Lied ruft die Menschen dazu auf, Gott freudig in ihre Häuser und ihre Herzen einziehen zu lassen.
Und das mitten im 30jährigen Krieg zwischen 1618 und 1648.
Der 30jährige Krieg war eine mehr als unruhige Zeit. Als „Macht hoch die Tür“ entstand, dauerte der Krieg bereits fünf, quälend lange Jahre. Und ein Ende war nicht abzusehen:
Menschen lebten in der ständigen Unsicherheit, wie es weitergehen würde. Der Krieg stand immer vor der Tür. Friede war ein Fremdwort. Eigentlich gab es nur wenig Anlass zu hoffen.
Doch der neu ernannte Pfarrer Weissel in Königsberg stellte sich den schwierigen Zeiten. Er hoffte, dass die biblischen Texte Auswirkungen auf die Realität hätten. Weissel verfasste zahlreiche Lieder. Eines davon ist zum Evergreen geworden: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.
Er selbst beschreibt die Entstehung die Liedes folgendermaßen:
„Neulich, als der starke Nordoststurm von der nahen Samlandküste herüberwehte und viel Schnee mit sich brachte, hatte ich in der Nähe des Domes zu tun. Die Schneeflocken klatschten den Menschen auf der Straße gegen das Gesicht, als wollten sie ihnen die Augen zukleben. Mit mir strebten deshalb noch mehr Leute dem Dom zu, um Schutz zu suchen. Der freundliche und humorvolle Küster öffnete uns die Tür mit einer tiefen Verbeugung und sagte: ‚Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner! … Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen‘.“
Inspiriert von den Worten des freundlichen Küsters, schrieb Weissel noch am selben Abend das bekannte Adventslied, was dann zur Einweihung der Altroßgärter Kirche in Königsberg gesungen wurde.
Allerdings gab es dabei einen Wermutstropfen. Neben der Kirche wohnte der reiche Geschäftsmann Sturgis. Wegen der unruhigen Zeiten hatte er sein Grundstück abgesichert und mit Toren abgeschlossen.
Natürlich war dies sein gutes Recht, doch gerade hinter seinem Grundstück befand sich das Armenhaus des Ortes.
Die Menschen, die dort lebten, konnten nun nicht mehr auf kurzem Wege in die Stadt oder die Kirche gehen. Sie mussten einen weiten Umweg nehmen. Viele waren dadurch abgeschnitten, sie hatten keine Möglichkeit mehr, am Gemeindeleben teilzunehmen. Georg Weissel, der junge Pfarrer, hätte das hinnehmen können, doch das wollte er nicht.
Also kam Weissel mit dem Kurrendechor zu Sturgis‘ Haus. Zahlreiche arme und gebrechliche Leute aus dem Armenhaus hatten sich ihm angeschlossen. Weissel selbst hielt eine kurze Predigt.
Er stand vor der Haustür seines reichsten Gemeindegliedes und wurde sehr konkret: „Heute, lieber Herr Sturgis, steht der König der Könige vor eurem verriegelten Tor.
Ich rate euch, ich flehe euch an bei eurer Seele Seligkeit, öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein, ehe es zu spät ist.“
Dann sang der Chor: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.“
Der Geschäftsmann stand da wie vom Donner gerührt. Noch bevor das Lied verklungen war, griff er in die Tasche und holte den Schlüssel zum Tor heraus. Er sperrte die Pforten wieder auf und sie wurden nie mehr verschlossen.
Die Heimbewohner hatten ihren Weg zur Kirche wieder, der im Ort noch lange Zeit «Adventsweg» genannt wurde.
Und damit, liebe Adventsgemeinde, sind wir mitten in unserem Predigttext aus Jesaja 35, der uns für den heutigen Sonntag zugedacht wurde:
3 Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! 
4 Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht!

so heißt es.
Wir wissen nicht genau, in welcher konkreten Situation hier der Prophet Jesaja gesprochen hat. Wir sehen aber im weiteren Gang unseres Textes, dass es um Ermutigung zu einem neuen Zug durch die Wüste geht.
Gott befreit sein Volk. Die Menschen dürfen jetzt endlich nach Hause kommen.
Geschichtlich passt dies ins späte 6. Jahrhundert vor Christus, wo die nach Babylon Verschleppten wieder nach Jerusalem zum Zion zurückkehren durften.
Diese Rückkehr war keine leichte Sache: Es galt, den Entschluss zu fassen, das im Zweistromland aufgebaute Leben zu verlassen und den gefährlichen Weg nach Jerusalem auf sich zu nehmen mit ungewissem Ausgang.
Auch der Prophet Jesaja erlebt im Laufe seines Lebens immer wieder die Angst vor Kriegen und Katastrophen. Seine Aufgabe ist es in diesen Situationen, den Menschen um sich herum Mut und Hoffnung zuzusprechen. Er entwickelt für sich und seine Zeitgenossen eine Vision:
4 Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, Gott selbst kommt und wird euch retten. 5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet. 
6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und jauchzen wird die Zunge des Stummen. Denn in der Wüste bricht Wasser hervor und Bäche in der Steppe. 
Was für eine Vision! Was für ein großartiges Bild, wenn in der Wüste das Wasser ausbricht, wenn Blinde wieder sehen und Lahme wieder springen können!
Liebe Gemeinde, Frieden und Heilsein leben von Visionen.
Mit seinen Visionen konnte Jesaja seine Zeitgenossen ermutigen.
Von dieser Ermutigung ließen sich Menschen über Jahrhunderte und Jahrtausende immer wieder anstecken. Nicht zuletzt der Königsberger Pfarrer Georg Weissel, der seine Mitmenschen aufforderte, die Herzens Tür zu öffnen.
Und ich bin überzeugt davon: Diese Visionen können auch noch immer eine Inspiration für uns Christenmenschen
heute sein.
„Meins Herzenstür dir offen ist… „ Eine Zeile aus der 5. Strophe von Macht hoch die Tür! Was für ein schönes Bild!
„Meins Herzenstür dir offensteht“ – schwungvoll trifft dieser Vers bei vielen Menschen (ob fromm oder weniger fromm) einen besonderen Nerv.
Der Vers ergreift die Gefühle, schafft einen heilsamen Moment der Ruhe in einer unruhigen, krisengebeutelten Welt.
Er drückt den Wunsch nach Frieden aus – und die Hoffnung auf einen Heiland, der gewaltlos alles gut werden lässt.
Jeder kann das Lied singen, summen oder brummen, es schafft Gemeinschaft: in der Kirche heute und hier beim Gemeindegesang, in der Konzerthalle oder beim Singen zu Hause. Und lassen Sie sich erinnern: Unser Glaube lebt von Visionen! Von hoffnungsvollen Bildern: Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht!
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Miteinander und füreinander beten:

Gott, sie sagen, du kommst. Du kommst in unsere Welt.
Du wirst uns erlösen.
Du wirst uns und die Welt verändern.
Gott, wir warten auf dich.
Wir heben den Kopf und halten Ausschau nach dir.

Heute bitten wir für Menschen, denen es schwer fällt aufzusehen.
Den Kopf zu heben. Ihn hoch zu halten.
Die Last des Lebens drückt sie nieder.
Wir bitten dich: Richte sie auf.

Wir bitten für Menschen, die auf der Straße wohnen.
Sie haben kein Obdach.
Sie gehen mit gesenktem Blick durch die Straßen.
Den nächsten Schritt vor Augen. Die nächste Stunde.
Wir bitten dich: Richte sie auf.

Wir bitten für Menschen, die in der Pflege arbeiten.
Ihre Arbeit ist wichtig. Ohne sie geht es nicht.
Allzu oft kommen sie an ihre körperlichen und seelischen Grenzen.
Wir bitten dich: Richte sie auf.

Wir bitten für Menschen, die auf der Flucht sind.
Sie suchen Sicherheit und eine Zukunft.
Sie fürchten den Blick zurück.
Wir bitten dich: Richte sie auf.
In der Stille bringen wir vor dich,
was wir für uns, für andere und für diese Welt erbitten.

Jesu Namen beten wir:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen.
Es segne und behüte uns Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen. (D. Herfurth-Rogge)Andacht