Heiligabend 2022

  • Eröffnung

Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren! Mit diesem Gruß erscheint der Engel in der Heiligen Nacht bei den Hirten auf dem Feld. Er verkündet eine segensreiche Zeit und verheißt mit seiner guten Botschaft Hoffnung für alle Menschen.

  • Mit den Hirten – Ein Lied: „Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her“ (EG 24)

Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her,
ich bring‘ euch gute neue Mär,
der guten Mär bring‘ ich soviel,
davon ich sing’n und sagen will.

Euch ist ein Kindlein heut geborn
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eur Freud und Wonne sein.

Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eur Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.

Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott der Vater hat bereit‘,
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.

So merket nun das Zeichen recht:
die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.

Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehn, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.

  • Die Geschichte sehen – Worte aus Lukas 2

Es begab sich aber zu der Zeit,
dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt geschätzt würde.
Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit,
da Quirinius Statthalter in Syrien war.
Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe,
ein jeglicher in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa,
aus der Stadt Nazareth,
in das judäische Land zur Stadt Davids,
die da heißt Bethlehem,
darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war,
auf dass er sich schätzen ließe mit Maria,
seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Und als sie daselbst waren,
kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn
und wickelte ihn in Windeln
und legte ihn in eine Krippe;
denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend
auf dem Felde bei den Hürden,
die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und des Herrn Engel trat zu ihnen,
und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie;
und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu ihnen:
Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren,
welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind
in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und alsbald war da bei dem Engel
die Menge der himmlischen Heerscharen,
die lobten Gott und sprachen:
Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren,
sprachen die Hirten untereinander:
Lasst uns nun gehen gen Bethlehem
und die Geschichte sehen, die da geschehen ist,
die uns der Herr kundgetan hat.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef,
dazu das Kind in der Krippe liegen.
Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus,
welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede,
die ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte
und bewegte sie in ihrem Herzen.
Und die Hirten kehrten wieder um,
priesen und lobten Gott für alles,
was sie gehört und gesehen hatten,
wie denn zu ihnen gesagt war.

  • Kein geschenkter Frieden- Gedanken zur Weihnachtsgeschichte in Lukas 2

Liebe Leserinnen, wie kommen die Hirten in die Weihnachtsgeschichte, lautet eine weit verbreitete Frage unter Theologinnen. Es gibt verschiedene Ansichten dazu. Eine der beliebtesten ist die, dass die Hirten Underdogs sind; arme Hunde, die die kalte Nacht draußen verbringen müssen, um das Nötigste zum Leben zu verdienen. Das jüdische Umfeld würde angeblich auf die Hirten herabschauen, weil sie sich selten an die religiösen Gesetze hielten. Das passte wiederum gut zu Jesus, der genau diese Traditionen in Frage stellt. Der Evangelist Lukas legt aus diesem Grund besonderes Augenmerk auf die Außenseiter und stellt sie mit dieser Geschichte in den Vordergrund.
Die meisten Krippenspiele nehmen diese Deutung auf. Die Hirten sind abgerissene Gestalten, die sich am mühselig ernährten Feuer über ihr armseliges Leben unterhalten. Ohnmächtig und wehrlos sind sie. Dann, nach der himmlischen Botschaft, erscheinen sie demütig an der Krippe und staunen mit großen Augen und gesenkten Köpfen über das, was da geschehen ist. Wie die Kinder.

Es ist aber – liebe Leser*in, Du ahnst es schon – auch eine andere Sichtweise möglich. Immerhin sind die Hirten in der Antike angesehene Leute. Die Schafzucht ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Schäfer und die Schäferin in der sogenannten Bukolik ein beliebtes Thema in der Literatur. Die Schafzucht verdient also eher den Respekt der Zeitgenossen Jesu bzw. der des Evangelisten Lukas. Diese Sicht findet sich im Alten Testament wieder, im bildhaften Vergleich des Hirten mit dem König des Volkes Israel. Der Hirte steht für den König, der sein Volk weise regiert und schlagkräftig verteidigt. König David selbst wurde von den Schafen weggerufen, um gegen den Philister Goliath anzutreten. Diese kriegerische Haltung verträgt sich durchaus mit der Arbeit des Hirten. Deshalb sind sie wach mitten in der Nacht, damit sie nahende Raubtiere in die Flucht schlagen können. Und das tun sie auch, so wie David mit Hirtenmitteln den hochgerüsteten Philister tötet.
Darüberhinaus ist die Weihnachtsgeschichte selbst in einen herrschaftlichen Machtkampf eingebunden. Es gibt den Befehl des Kaisers Augustus, der sich einen Überblick verschaffen will über den ganzen Weltkreis. Wer den Überblick hat, hat auch die Kontrolle.
Von der himmlischen Seite her sind es der Verkündigungsengel und die himmlischen Heerscharen, die ebenso das Bild eines großen Herrscherhofes zeigen. Hier stehen sich also zwei Mächte gegenüber; und jede präsentiert diese Macht, so gut es geht.
Repräsentanten dieser himmlischen Macht, die der irdischen Macht gegenübergestellt wird, sind eben diese Hirten, deren Wehrhaftigkeit und Symbolkraft jedem Hörer und jeder Leserin der antiken Welt sofort einleuchtet. Wenn sie davon sprechen, dass das Neugeborene der Retter des Volkes ist, nimmt man es ihnen ab. So werden sie die ersten Botschafter der neuen Gottesherrschaft.
Alles sehr kriegerisch und gewaltsam! Auf den ersten Blick scheint das nicht zur weihnachtlichen Friedensbotschaft zu passen. Es gibt ja noch dieses ganz andere Bild Gottes, der eben als zartes Neugeborenes zur Welt kommt. Auch die Hirten sehen Gott in dieser Weise. Es ist das Erkennungszeichen, das ihnen der Engel angibt. Ihr werdet das Kind finden in einer Krippe liegend und in Windeln gewickelt. Dennoch sind sie es, die die Botschaft vom neugeborenen König weitertragen, obwohl die Umstände nicht für einen machtvollen und siegreichen Herrscher zu sprechen scheinen.
Ich stelle mir also die Frage, ob ich auf den zweiten Blick mit den Hirten den Gedanken zulassen kann, dass dieser Friede in der Weihnachtsbotschaft ein teurer und erkämpfter Friede ist? Dass es also kein Frieden ist, der mir andächtig vor der Krippe kniend einfach so geschenkt wird. Sondern ein Frieden, der auch meinen Einsatz fordert in dieser Welt. Das ist das Bild der Hirten. Deshalb gehören sie zur Weihnachtsgeschichte. Sie wissen sich zu verteidigen. Sie kennen das Leben. Sie sind die ersten, die die Botschaft erreicht. Sie machen sich auf den Weg. Sie knien vor der Krippe. Sie sind überwältigt von der ebenso wunderbaren wie alltäglichen Tatsache, dass ein Mensch ein Kind zur Welt bringt. Sie verstehen und staunen. Sie wissen, was sie jetzt zu tun haben.

  • Herr, halte mich – Miteinander und füreinander beten

Herr, halte meine Augen, dass ich das Wunder deiner Geburt sehen und weitersagen kann.
Herr, halte mein Herz, dass ich das Wunder deiner Geburt darin bewahren und bedenken kann.
Herr, stärke meine Hände, dass ich deinem weihnachtlichem Frieden gerecht werde.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)