Palmarum (10.04.)2022

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die kommenden Tage steht im Evangelium des Johannes: „Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Joh 3,14b.15) Große Hoffnung strahlt aus den Worten des Evangelisten. Doch der Menschensohn geht seinen eigenen Weg mit Gott. Mit Worten und Gebeten gehen wir ein Stück mit ihm.

  • Zur Zeit der Gnade – Worte nach Psalm 69

Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
Denn um deinetwillen trage ich Schmach,
mein Angesicht ist voller Schande.
Ich bin fremd geworden meinen Brüdern
und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen,
und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
Ich aber bete, Herr, zu dir
zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand,
und auf Tröster, aber ich finde keine.
Sie geben mir Galle zu essen
und Essig zu trinken für meinen Durst.
Ich aber bin elend und voller Schmerzen.
Gott, deine Hilfe schütze mich!

  • Ein Ärgernis und eine Torheit – Ein Lied: „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ (EG 91)

1) Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,
mich in das Meer der Liebe zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen
uns zu erlösen.
2) Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden,
an unsrer statt gemartert und zerschlagen,
die Sünde tragen:
3) welch wundervoll hochheiliges Geschäfte!
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte,
mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde
den Fluch der Sünde.
4) Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen;
Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.
Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken
am Kreuz erblicken.
5) Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden
ein Ärgernis und eine Torheit werden:
so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes,
die Weisheit Gottes.
6) Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,
es stürzt mich tief und es erhebt mich wieder,
lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde
zu Gottes Freunde.
7) Da du dich selbst für mich dahingegeben,
wie könnt ich noch nach meinem Willen leben,
und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,
zu deiner Ehre?
8) Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend wiederschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder,
schaltst auch nicht wieder.
9) Unendlich Glück! Du littest uns zugute.
Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute.
Du hast mein Heil, da du für mich gestorben,
am Kreuz erworben.
10) Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken,
so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken.
Dein Kreuz, dies sei, wenn ich den Tod einst leide,
mir Fried und Freude.

  • Ich bin in ihnen verherrlicht – Evangelium nach Johannes im 17. Kapitel

Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach:
Vater, die Stunde ist gekommen:
Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche;
so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen,
auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast:
das ewige Leben.
Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist,
und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet,
das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit,
die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart,
die du mir aus der Welt gegeben hast.
Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben,
und sie haben dein Wort bewahrt.
Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben,
und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt,
dass ich von dir ausgegangen bin,
und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Ich bitte für sie.
Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast,
denn sie sind dein. Und alles, was mein ist, das ist dein,
und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verherrlicht. (Joh 17,1-10)

  • Das Hosianna behält recht – Gedanken zum Johannesevangelium

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

ich fühle mich ohnmächtig, ich verstehe die Welt nicht mehr, ich bin traurig und verzweifelt. Solche Aussagen begegnen mir immer wieder in den täglichen Friedensgebeten, die seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine stattfinden. Ich verstehe die Welt nicht mehr; und auch Gott?
Die Worte: Gott hilf uns, wir schaffen es nicht allein, fassen diese Gebetsaussagen bündig zusammen. Wir schaffen es nicht allein in dieser Welt. Die Welt ist dunkel und verdorben. Immer wieder passieren schreckliche Dinge, Gewalt, Mord und Totschlag, Krankheit, Kummer, Armut, Hunger. Eine schier endlose Liste. Immer wieder rufen wir deshalb im Gebet Gott an, dass er uns helfen möge. Wir schaffen es eben nicht allein. Hilf uns!

Der heutige Predigttext ist auch ein Gebet. Zumindest wird er so bezeichnet seit dem 16. Jahrhundert. Jesus wendet sich an Gott. Seine Situation im Zusammenhang des Johannesevangeliums ist folgende: Er hat sich in einigen Reden von seinen Jüngerinnen und Jüngern verabschiedet und ihnen die Situation nach seinem Tod und seiner Auferstehung erklärt und verdeutlicht. So wird es dann sein – in Zukunft, sagt er. Im Anschluss an das Gebet erfolgt die Gefangennahme. Jesus überlässt sich dem Willen Gottes und geht in den Kreuzestod. Zwischen diesen Ereignissen spricht er nun mit Gott, ein Gebet also, so gesehen. Aber es ist ein Gebet, dass Formulierungen benutzt, die für menschliches Beten und Bitten eher ungewöhnlich sind. Jesu besondere Beziehung zu Gott, seine Kindschaft und sein besonderes Schicksal, machen sein Gebet eher zu etwas wie einen letzten Willen. Ein Testament. So soll es sein.

So soll es sein, das bedeutet; so sollen die Kinder Gottes in Zukunft, in dieser Welt leben. Nämlich in der Atmosphäre göttlichen Seins, die durch Jesus in die Welt gekommen ist. Was also Jesus fest-stellt, erkennt und bestätigt, ist der Unterschied der Welt und Gott. Im Kapitel 17 wird das griechische Wort für Welt, Kosmos, immer wieder verwendet. Ebenso das griechische Wort oder der Wortstamm Doxa. In der Lutherbibel ist es mit Herrlichkeit übersetzt und bedeutet Glanz, Licht und Ansehen. Es steht für Gott selbst in diesem Zusammenhang.

Hier mag die Frage anstehen, wie das überhaupt sein kann, wenn ich dem Anfang der Bibel folge und die ganze Schöpfung von Gott gut ist. Oder anders gefragt, warum Gott seine Schöpfung nicht im Guten erhält? Auf der anderen Seite, ist diese Trennung zwischen Doxa und Kosmos eben genau das, was mir als Mensch immer wieder begegnet. Eine grausame Einsicht, dass die Welt, der Kosmos, schlecht und böse ist. Erstmal also stehen diese beiden Einsichten nebeneinander. Eine Erkenntnis, die Jesus selbst seinen Worten beifügt. Dass sie dich, die Menschen, in mir, Jesus Christus, erkennen. Die Doxa also. Dass die Menschen die Welt, den Kosmos, in ihrer Schlechtigkeit erkennen, ist in diesen Worten schon vorausgesetzt.

Welt und Gott, Kosmos und Doxa stehen neben- oder übereinander. Von daher erklärt sich die im Friedensgebet geäußerte Ohnmacht. Von der Welt komme ich und wende mich an Gott. Die Welt ist schlecht und übel und grausam. Nun helfe mir Gott da heraus! Ist er mir das nicht schuldig? Nun, er tut genau das. Das Hosianna des Chores, das die Stimmen der Menschen während des Einzuges Jesu nach Jerusalem komponiert, zielt auf den guten und sanftmütigen Herrscher ab. Allerdings wird kurz darauf diese Hoffnung auf einen starken Mann, der meine – wie immer voll berechtigten – Anliegen vertritt, bitter enttäuscht. Der starke Mann wird gekreuzigt. Nicht in dieser Welt kann er der starke Mann sein, nicht so.

Dennoch behält das Hosianna recht. Er kommt wieder. Anders als „geglaubt“.
Und dieses Andere findet sich in den Worten Jesu an Gott. Was in dieser Welt nicht da ist, der Glanz Gottes, der wird durch Jesus den Menschen, die ihm nachfolgen, nahegebracht. Gott färbt auf Jesus ab und somit auch auf die Menschen, die sich Jesus angeschlossen haben. So will ich es, sagt Jesus in seinem letzten Willen. Diese Verbindung zwischen Gott und uns, der christlichen Gemeinde, ist so stark und eng, dass Jesus sogar sagen kann, ich bin in ihnen verherrlicht. Was ich der Gemeinde Gottes bringe, strahlt auf Jesus selbst zurück. Gott ist gegenwärtig, mitten in dieser Welt. Durch die Gemeinde. Gott hilft uns! Durch uns selbst, durch das Hören der Worte Jesu und das Bedenken seines Todes in dieser Welt. So tragen wir den Glanz und die Herrlichkeit Gottes an uns selbst.

Allerdings heißt das auch, dass diese Gemeinde nicht die Welt besser macht, aber dass sie den Glanz in diese Welt hineinträgt. Ein großer Anspruch. Er drückt mich nieder. Die Herrlichkeit Gottes an mir tragen, das ist mir zu viel. Ja, das wäre zu viel, wenn ich zwei Dinge außer acht lasse. Einmal, dass ich damit nicht allein bin. Hosianna singen wir im Chor. Erst dann klingt es so schön, wie wir es gerade gehört haben. Und das andere, ich muss immer darauf achten, dass ich die Herrlichkeit Gottes nicht mit der Herrlichkeit der Welt verwechsle. Nach den Maßstäben dieser Welt bin ich ein armes Würstchen. Nach den Maßstäben Gottes bin ich bei jedem demütigen Wort und bei jeder Tat der Liebe durch die Herrlichkeit Gottes gekrönt. Mitten in dieser Welt.

Ja, sie könnte offensichtlicher sein, diese göttliche Macht. Oder es könnte schneller gehen mit dem herrlichen Sein in Gott. Deutlicher werden. Bald! Diese Welt vom Glanz Gottes überstrahlen zu lassen. Aber was Jesus sagt, legt letztendlich den Gedanken nahe, dass ich selbst dazu beitragen kann und muss. In der Gemeinschaft. Geduldig, beharrlich, voller Hoffnung und Glauben, als Kind Gottes in seinem Glanz.

Amen.

  • Ein glänzendes Beispiel – Miteinander und füreinander beten

Herrlicher Gott,

schenke uns deinen Glanz, ermutige uns,
dass wir beten und handeln.

Dass wir deine Macht der Macht der Welt entgegenstellen.
Dass wir protestieren.
Gegen den Krieg in der Ukraine und auf dem ganzen Erdball.
Dass wir deutlich sagen, dass es so nicht geht.
Dass wir deinen Glanz in die Welt hineintragen durch Taten der Liebe.

Schenke uns die Geduld des Glaubens.
Dass wir werben für unsere Gemeinschaft mit Freundlichkeit und Toleranz
für die Nöte der Menschen um uns. Dass wir ein glänzendes Beispiel sind
für deine Liebe.

Schenke uns die Sanftmut deiner Güte.
Dass wir uns allen Menschen zuwenden, die Trost und Hilfe brauchen.
Dass wir dem Kummer, der Verzweiflung und der Einsamkeit entgegentreten.

Schenke uns die Zuversicht, dass wir Kinder Gottes sind.
Dass wir bei uns selbst die immerwährende Hoffnung pflegen,
dass du uns bereitet hast, zum Lob deiner Schöpfung
und zu Taten deiner Liebe.

Du hast uns die Worte gegeben, die uns dein Sohn Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)