Karfreitag (15.04.)2022

  • Eröffnung

Karfreitag ist höher als unsere menschliche Vernunft. Wir sind dennoch mittendrin. Jesu Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ weiß um das Leiden in der Welt. Das wollen wir bedenken im Lied und in biblischen Worten.

  • Sei nicht ferne – Worte nach Psalm 22

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, /
und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

  • Uns aus Lieb – Ein Lied: „O Traurigkeit, o Herzeleid“ (EG 80)

O Traurigkeit,
o Herzeleid!
Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vaters einigs Kind
wird ins Grab getragen.

O große Not!
Gotts Sohn liegt tot.
Am Kreuz ist er gestorben;
hat dadurch das Himmelreich
uns aus Lieb erworben.

O Menschenkind,
nur deine Sünd
hat dieses angerichtet,
da du durch die Missetat
warest ganz vernichtet.

O selig ist
zu aller Frist,
der dieses recht bedenket,
wie der Herr der Herrlichkeit
wird ins Grab versenket.

O Jesu, du
mein Hilf und Ruh,
ich bitte dich mit Tränen:
hilf, dass ich mich bis ins Grab
nach dir möge sehnen.

  • Es ist vollbracht – Evangelium

Jesus ist also verurteilt, rechtskräftig von Pilatus, durch das Geschrei des Volkes, das es wieder einmal besser weiß und durch die Vertreter der Religion, die ihren wahren Glauben verleugnen, um besser da zu stehen in der Welt. Es ist also wie immer. Jesus wird verurteilt.

Das Evangelium nach Johannes im 19. Kapitel:

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha.
Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.
Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.
Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger,
den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

  • Mit Tränen danach sehnen – Gedanken zum Lied “O Traurigkeit, o Herzeleid”

Herzeleid ist tiefer Kummer,
große Traurigkeit und allerschmerzlichster Verlust.
Ich denke darüber nach, was mir Herzeleid macht.
Ein lieber Mensch ist gegangen,
die Träume der Kindheit sind verloren,
es gibt immer noch keinen Frieden
und keine Gerechtigkeit auf der Welt,
die Hoffnung ist tot, dass es jemals besser würde.
Karfreitagsherzeleid ist, auch wenn es so klingt,
kein wohlfeiles Trauergefühl; dass Jesus am Kreuz gestorben ist,
ist nicht nur eine schauerliche Geschichte,
der ich aus Tradition am Karfreitag, schön besungen, Tribut zolle.
Es wird vielmehr in dieser Welt
zu meiner ureigensten Angelegenheit;
zur Menschlichkeit / Endlichkeit Gottes selbst
bis zum Grab. Die Kerze ist aus,
kein Licht in der Dunkelheit;
mit Gott ist auch jede Hoffnung gestorben.

Ich habe ein großes Herzeleid und du fragst, warum?
Gott selbst ist tot. Er ist der Grund meines Herzeleids,
das Seele und Leib in Traurigkeit stürzt.
Diese Trauer fasst alles in sich.
Was bleibt, wenn Gott tot ist und der Herr der Herrlichkeit
wird ins Grab versenket?
Eine Menschheit, deren Trachten von Jugend auf böse ist.
Wo jeder nur sich selbst sieht, in sich verkrümmt,
auf kurzfristigen Ruhm oder Reichtum bedacht ist;
oder beides.
In einer solchen Welt ist Gott tot, so oder so;
gekreuzigt oder sonst wie hingerichtet.
O Menschenkind, nur deine Sünd / hat dieses angerichtet /
da du durch Missetat / warest ganz vernichtet.
Das ist kein Vorwurf;
es ist eine Zustandsbeschreibung dieser Welt.

Ich habe ein großes Herzeleid über die Welt,
der Gott nicht hilft. Die gar nicht will,
dass Gott hilft. Er würde doch nur stören
beim Raffen und Töten. Jesus am Kreuz stört
doch nur mit Demut und Nächstenliebe.
Braucht doch keiner, solange ich noch
das Benzin bezahlen, mich vor den Fernseher hocken
und aus der Ferne das Leid betrachten kann.
Die Welt ist als wäre Gott tot,
Gott selbst ist tot.

Ich habe ein großes Herzeleid,
und habe Sehnsucht und denke daran,
wie es wäre, wenn Gott lebte.
Wenn ich dieses recht bedenke.
Wenn ich mich mit Tränen danach sehne.
Ob es dann Hilf und Ruh gäbe?
Nächstenliebe und Demut?

Ich habe ein großes Herzeleid,
aber das ist nicht das traurige Ende,
glaube ich. Sondern ein Anfang.
Unter Tränen bitte ich, unter Tränen bete ich,
trotz des Todes trotz ich dem Tod
mitten im Herzeleid und in der Traurigkeit.
Trotz dem alten Drachen. Wie lange noch,
Herr der Herrlichkeit, mag ich fragen.
So hoffe ich, dass es darauf eine Antwort gibt
in dieser Zeit und in Ewigkeit.

Amen.

  • Alle Hoffnung – Miteinander und füreinander beten

Vater im Himmel,
sei du selbst in diesen Tagen und Stunden an der Seite der vielen,
die nur noch schreien können:
„Warum hast du mich verlassen?“
Erbarme dich ihrer Not und allen Unrechts,
unter dem sie zu zerbrechen drohen!

Wir bitten für Menschen in der Ukraine,
und in allen Ländern,
die getroffen sind von den Folgen des Krieges,
der für so viele unfassbares Leid mit sich bringt.

Gott des Lebens,
lass im Tod Jesu Christi,
unseres Bruders,
jenen Trost aufleuchten,
um den wir selbst nur bitten können.

Lass das Licht des Ostermorgens
mitten in der Nacht der unendlichen Karfreitage dieser Welt anbrechen.
Lass du die Hoffnung,
die uns Menschen innewohnt
in allen wieder keimen,
denen alle Hoffnung genommen wurde:
in den zerstörten Seelen,
den Verwundeten und Entrechteten,
den Verzweifelten und Geschundenen,
alle ganz nahe an deinem Herzen.
Die Urheber aller Untaten,
die Gewaltherrscher und ihre blind Untergebenen,
die Kriegstreiber und Mörder
aber richte nach deiner Barmherzigkeit,
damit sich deine Gerechtigkeit unter den Völkern wieder ausbreiten kann.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)