Exaudi (29.05.)2022

  • Eröffnung

“Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Das verspricht uns Christus im Johannesevangelium und dieses Versprechen steht über der kommenden Woche, macht uns Mut und führt uns zu Gott, in Liedern, Worten und Gebeten. Amen.

  • Meines Lebens Kraft – Worte nach Psalm 47

Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und antworte mir!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: /
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Herr, weise mir deinen Weg
und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.
Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde!
Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

  • Lied: „Heilger Geist, du Tröster mein“ (EG 128)

Heilger Geist, du Tröster mein
hoch vom Himmel uns erschein
mit dem Licht der Gnaden dein

Komm, Vater der armen Herd
komm mit deinen Gaben wert
uns erleucht auf dieser Erd

O du sel´ge Gnadensonn
füll das Herz mit Freud und Wonn
aller, die dich rufen an

Ohn dein Beistand, Hilf und Gunst
ist all unser Tun und Kunst
vor Gott ganz und gar umsonst

Lenk uns nach dem Willen dein
wärm die kalten Herzen fein
bring zurecht, die irrig sein

Gib dem Glauben Kraft und Halt
Heilger Geist, und komme bald
mit den Gaben siebenfalt

Führ uns durch die Lebenszeit
gib im Sterben dein Geleit
hol uns heim zur ewgen Freud

  • Mit Flehen und Seufzen – Lesung aus dem Brief an die Römer

In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei,
wo wir selbst unfähig sind.
Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen.
Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet
in angemessener Weise vor Gott bringen.
Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein.
Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.
Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht.
Er versteht, worum es dem Geist geht. Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein.
Wir wissen aber: Denen, die Gott lieben, dient alles zum Guten.
Es sind die Menschen, die er nach seinem Plan berufen hat.
Die hat er schon im Vorhinein ausgewählt.
Im Voraus hat er sie dazu bestimmt, nach dem Bild seines Sohnes neu gestaltet zu werden. Denn der sollte der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern sein. Wen Gott so im Voraus bestimmt hat, den hat er auch berufen. Und wen er berufen hat, den hat er auch für gerecht erklärt. Und wen er für gerecht erklärt hat, dem hat er auch Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben.

(Röm 8,26-30, Übersetzung nach der Basisbibel)

  • Im lichten Hause Gottes – Gedanken zu den Worten des Römerbriefes

Das Ich sei nicht Herr in seinem eigenen Haus. Diese bekannte Formulierung stammt von Sigmund Freud. Damit drückt er aus, dass das menschliche Seelenleben dem Menschen nicht umfassend bewusst sei. Der Mensch wisse also nicht jederzeit, und kann es auch nicht wissen, was mit seiner Seele wirklich los ist. Warum reagiert er jetzt so? Warum macht sie so komische Sachen? Freud nimmt das interessiert zur Kenntnis. Es führt ihn zu der Einsicht, dass das menschliche Bewusstsein bestenfalls den Anschein von Kontrolle hat über seine Gedanken, Gefühle und Taten.
Freuds Formulierung war zu seiner Zeit und ist auch heute durchaus anstößig. Denn Kontrolle bedeutet Macht und Ansehen. Und die lässt sich der Mensch ungern nehmen. Ich stelle mir etwa einen sehr würdigen Familienvater vor. Er hat alles unter seiner Fuchtel, seine Kinder, seine Ehefrau, die nähere Verwandtschaft, die Haustiere, den Hausstand, seine Finanzen, seine Arbeit usw. usw. Die Vorstellung, dass das alles weitgehend durch andere Kräfte bestimmt wäre, wird ihm sicher mehr als fremd sein. Seine Position wird nachhaltig in Frage gestellt und sein Stolz und seine Würde verletzt. Deshalb spricht Freud von einer Kränkung des Menschen. Im Volksmund heißt es schlichter und etwas freundlicher nach einem Wort aus der Bibel, aus dem Buch Sprüche: Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Somit ist dieser Gedanke auch nah an den Gedanken des Apostels Paulus. Freud spricht von bösen, fremden Geistern, die sich ins Seelenleben eingedrängt haben. Der Römerbrief spricht von einem Geist, der Gottes Geist ist, sich aber sehr nah beim, im oder am Menschen befindet. Er tritt dann für den Menschen ein, wenn diesem die Worte fehlen. Oder wenn er nicht einmal genau weiß, was ihn bedrückt. Paulus schreibt: „Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist. Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht.“ Also, der menschliche Verstand richtet vor Gott wenig aus. Ihm ist die Herrschaft über sein Heil entzogen. Er ist geradezu hilflos. Sein Geist aber, der göttliche Geist, der Geist, der im Menschen wohnt, ihn umgibt und ihn durchdringt, kann die Not des Menschen erkennen. Des Menschen Sehnsucht, seine Zweifel, seine ganze schwierige und traurige, ebenso wie seine übermütige und jubilierende Natur an Gott vermitteln. Es ist ein guter Geist, kein böser wie bei Freud, der zwischen Himmel und Erde, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten dafür sorgt, dass der Mensch gut dasteht bei Gott; dass ihm alle Dinge zum Besten dienen, wie Paulus sagt. So, wie es Gottes Plan entspricht.
Es kommt also nur darauf an, diesen Geist auch zu Wort kommen zu lassen. Eine andere Volksweisheit sagt das so: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Den menschlichen Verstand schweigen und Gottes Geist reden lassen, den der Mensch gottgemäß nicht beherrschen kann, dem er eben nicht herr wird; den er nicht verderben kann mit seinen eigenen Plänen und Grausamkeiten; den er nicht übertüncht mit sicher faszinierenden, aber auch verletzenden und todbringenden Gedanken und Erfindungen.
Der Geist hat dort Platz, wo ich spüre, dass meine wahre Natur, meine Herkunft in Gott dort Platz findet, wo ich mich als liebendes und bedürftiges Geschöpf begreife, das nicht alles allein in der Hand hat.
Wo ich nicht mehr Herr im Hause sein will und muss. Wo ich aus der Ohnmacht und dem Schweigen heraus Freundlichkeit und Sanftmut erlebe. Wo ich Traurigkeit teilen kann und das Leid der Welt. Wo ich nicht gekränkt werde in meiner Schwäche und durch böse Geister, sondern durch Gottes Geist verherrlicht werde, denn er hat mir Anteil gegeben an seiner Herrlichkeit. Wo ich erfahre, dass ich nicht allein bin in der Welt, sondern auf Gemeinschaft und Liebe hin geschaffen wurde. Und dass sich diese Schöpfung erst erfüllt, wenn ich dem Miteinander Raum gebe, Gelassenheit übe und Kontrolle abgebe. So bin ich schließlich doch „Herr“ im Hause, im lichten Hause Gottes, der mich erwählt hat zu himmlischer Freude.
Und der Friede Gottes, höher als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

(Freuds Aufsatz kann hier nachgelesen werden: https://schulprojekte-reformation.de/wp-content/uploads/2017/07/Psychoanalyse.pdf)

  • Deinem Geist vertrauen – Miteinander und füreinander beten

Du, Schöpfergott,
in dieser Welt suchen und haschen wir nach Einfluss und Ansehen,
im Großen wie im Kleinen.
Lehre und zeige uns, dass wir deinem guten Geist so nicht gerecht werden.
Schenke uns Sanftmut und Freundlichkeit,
die deinem Geist Raum gewährt und zur Sprache verhilft.
Wir haben es bitter nötig,
wenn wir nicht mehr weiter wissen in dieser Welt,
die uns erschüttert mit den Kriegen in der Ukraine und woanders,
mit den Ungerechtigkeiten und dem Hunger weltweit,
mit der Gewalt und dem Missbrauch in den Familien und den Gemeinden.
mit Einsamkeit, Krankheit und Trauer bei unseren Mitmenschen.

Verleihe uns den Glauben,
dass wir deinem Geist vertrauen dürfen,
dass er bei dir mit Flehen und Seufzen Fürsprache hält.

Dass wir neue Kraft gewinnen mit deinem guten Geist,
für Frieden, Gerechtigkeit und Liebe zu sorgen.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segensbitte

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)