Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr (14.11.)2021

  • Eröffnung

„Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ Mit diesem Wort aus dem 2. Korintherbrief wird diese Woche eröffnet. Möge der Blick Christi so barmherzig sein, wie wir selbst unseren Mitmenschen gegenübertreten. Dafür beten wir.

  • Ein Lied: Es mag sein, dass alles fällt (EG 378)

1 Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen. Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: er hält sein Versprechen.

2 Es mag sein, dass Trug und List eine Weile Meister ist; wie Gott will, sind Gottes Gaben. Rechte nicht um Mein und Dein; manches Glück ist auf den Schein, lass es Weile haben.

5 Es mag sein, so soll es sein! Fass ein Herz und gib dich drein; Angst und Sorge wird’s nicht wenden. Streite, du gewinnst den Streit! Deine Zeit und alle Zeit stehn in Gottes Händen.

  • Aus Psalm 50,1-6.14.15.23 – der schöne Glanz Gottes

Gott, der Herr, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu
vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.
Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.

Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Fressendes Feuer geht vor ihm her
und um ihn her ein gewaltiges Wetter.
Er ruft Himmel und Erde zu,
dass er sein Volk richten wolle:
»Versammelt mir meine Heiligen,
die den Bund mit mir schlossen beim Opfer.«

Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkünden;
denn Gott selbst ist Richter. SELA.

Opfere Gott Dank
und erfülle dem Höchsten deine Gelübde,
und rufe mich an in der Not,
so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.«
Wer Dank opfert, der preiset mich,
und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.«

  • Lesung nach 2. Korinther 5,1-10 – dem Leben einverleibt

Der Apostel Paulus schreibt:

Wir wissen doch:
Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird,
dann bekommen wir einen Ort zum Wohnen,
den Gott uns bereitet,
ein nicht von Menschenhand gebautes,
Zeiten und Welten überdauerndes
Haus im Himmel.

Darum stöhnen wir laut.
Wir sehnen uns danach,
die himmlische Wohnung
wie ein Kleid überzuziehen.
Nur wenn wir wirklich überkleidet werden,
stehen wir nicht nackt da.
Denn während wir in diesem Zelt leben,
stöhnen wir und haben es schwer.
Wir wollen uns ja dieses Zelt nicht wegziehen lassen,
sondern lieber das andere darüberziehen.
Das,
was dem Tod ausgeliefert ist,
soll doch dem Leben einverleibt werden.
Für das Leben hat Gott uns doch geschaffen
und uns als Anzahlung die Geistkraft geschenkt.

So sind wir zu jeder Zeit zuversichtlich,
wir wissen ja:
Wir sind im Körper zu Hause und wir leben in der Fremde,
fern von dem, dem wir gehören.
Denn im Vertrauen gehen wir unseren Weg,
nicht aber in Orientierung an der sichtbaren Gestalt.
Doch wir sind zuversichtlich
und wollen viel lieber das Zuhause im Körper verlassen,
um bei dem, dem wir gehören, zu Hause zu sein.

Darum ist es für uns von größtem Wert, ihm zu gefallen,
ob wir dabei zu Hause oder fern vom Zuhause sind.
Denn wir alle müssen vor dem Gerichtssitz des Messias erscheinen,
damit jede und jeder unter uns etwas für das erhält,
was wir im Laufe des Lebens getan haben,
sei es Gutes oder sei es Böses.

  • Irdisches Zelt – himmlisches Haus. Gedanken zum 2. Korinther 5,1-10

Das irdische Zelt.

So wanderte das Volk Israel durch die Wüste. Sie wohnten in Zelten. Jederzeit und an jedem Ort zum Aufbruch bereit in das Gelobte Land. Die Wüste ist nicht ihre Heimat. Sie ist nur die unumgängliche Reiseroute. Die Zelte sind das sinnenfällige Erscheinungsbild dieser Vergänglichkeit. Die irdische Wohnung auf Lebenszeit.

Meine Lebenszeit verbringe ich in meinem Körper. Äußerlich ist er umspannt von meiner Haut. Darüber trage ich die Kleidung. Beide, Haut und Kleidung geben Auskunft darüber, wer ich bin und wie mein Leben verlaufen ist. Ebenso wie das, was ich außerdem vorweisen kann. Fotos, Zeugnisse, Begegnungen, geäußerte Worte, die Wohnungseinrichtung. Ein Blick darauf verrät, wer ich bin. Dem menschlichen Blick gelingt das mehr oder weniger gut. Er lässt sich täuschen oder auch nicht. Schminke, die eilig aufgeräumte Küche, die zurechtgezupfte Kleidung können den Eindruck korrigieren. Aber nichts ist perfekt. Es gibt Narben der Haut, Falten, es gibt die Löcher im Pullover, die zerkratzte Brille, den Fleck auf der Hose.

Der Blick des himmlischen Richters aber ist unbestechlich. Vor dem „Gerichtssitz des Messias“ nützt mir das nichts. Jede äußerliche Korrektur ist vergeblich. Ich vermag nichts zu verstecken. Keine Freude, kein Leid, keine Schuld und keinen Erfolg. Ich stehe nackt vor Gott. Ach, könnte ich doch in diesem Moment diese „Wohnung“, dieses Zelt bedecken und ein gefälligeres Bild zeigen. Ihm, dem Richter, zu gefallen.

Das himmlische Haus.

Gottes Worte erzählen mir davon. Im himmlischen Haus herrscht Frieden. Es ist meine wahre Heimat. Ein nicht von Menschenhand gebautes, Zeiten und Welten überdauerndes Haus. Ein Haus ohne Tränen und Tod, ohne Leid, Geschrei und Schmerz, ohne Falten, Wunden und Flecken.

Ich ziehe mir dieses Kleid über. Was mich bedrückt – und auch das, was mich freut? – Schuld und Glück meines Lebens werden davon bedeckt. Mein Erscheinungsbild wird von Grund auf geändert. Im Spiegel sehe ich nichts davon. Im Glauben wird es aber offenbar. Mein himmlisches Kleid der Zuversicht. Was war, ist damit nicht einfach verschwunden. Mein irdisches Zelt wird aber verwandelt. Einverleibt.
Das,
was dem Tod ausgeliefert ist,
soll doch dem Leben einverleibt werden.
Mein irdisches Leben dem himmlischen Leben. Was ich im Laufe des Lebens getan habe, dafür brauche ich mich nicht mehr zu schämen. Sei es Gutes oder Böses. Vor Gottes Augen.

Bis dahin aber übe ich – so gut ich es vermag – diesen Blick meinen Mitmenschen gegenüber. Trotz aller Falten und Flecken ihr himmlisches Kleid zu sehen und zu glauben.
Denn im Vertrauen gehen wir unseren Weg,
nicht aber in Orientierung an der sichtbaren Gestalt.

Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Himmlischer Vater,
unsere Sorge um unser irdisches Ansehen
leitet unser Handeln und Denken.
Bewahre uns davor, in diesem Sinne schlimme Fehler zu begehen.
Stärke in uns die Zuversicht, dass dein Kleid unfehlbar unser wahres Wesen zeigen wird.
Bekleide und bedecke uns, verwandle und erlöse uns
von den Schrecken und Bildern weltweit,
lenke die Gedanken der einflussreichen Menschen,
dass sie nicht nur das Naheliegende erwägen
und so jede Grausamkeit für erträglich halten:
an den Grenzen Europas,
in den Kriegen Afrikas und in Nahost,
in den Zentren der wirtschaftlichen Macht,
für eine friedliche Welt,
in der Platz ist für einen Widerschein deines himmlischen Hauses.

Besonders bitten wir das für das Haus unserer evangelischen Kirche und ihrer neuen Leitung, dass sie Mut findet, neue Wege zu gehen und sorgsam das hütet, was den Menschen Kraft und Segen schenkt. Dass die wunderbare Vielfalt unter ihrem Dach bewahrt bleibt und gestärkt wird.

Und wir bitten für jeden Menschen, dessen irdische Wohnung von Krankheit, Schuld, Scham und Trauer betroffen ist. Öffne ihre Augen für dein himmlisches Haus.

Mache uns gewiß mit den Worten deines Sohnes Jesus Christus:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Der Herr segne uns durch seinen Geist
der uns zum Leben und zum Frieden weist.
Er segne unser Lassen und unser Tun,
in seinen Händen könn‘ wir ruhn.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)