Altjahrsabend 2021

  • Eröffnung

„Meine Zeit steht in deinen Händen.“
Der Psalmbeter des 31. Psalms weiß um seine Macht in Zeit und Ewigkeit.
Wir haben die Zeit nicht in unseren Händen. Die vergangene ebenso wenig wie die kommende. Deshalb vertrauen wir uns Gott an. In Worten, Gebeten und Liedern.

  • Schläft noch schlummert nicht – Worte aus Psalm 121

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels
schläft noch schlummert nicht.

Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.

Der Herr behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!

  • Ein Lied: „Jesus soll die Losung sein“ (EG 62)

1) Jesus soll die Losung sein,
da ein neues Jahr erschienen;
Jesu Name soll allein
denen als ihr Zeichen dienen,
die in seinem Bunde stehn
und auf seinen Wegen gehn.

2) Jesu Name, Jesu Wort
soll bei uns in Zion schallen;
und so oft wir an den Ort,
der nach Ihm genannt ist, wallen,
mache seines Namens Ruhm
unser Herz zum Heiligtum.

3) Unsre Wege wollen wir
nur in Jesu Namen gehen.
Geht uns dieser Leitstern für,
so wird alles wohl bestehen
und durch seinen Gnadenschein
alles voller Segen sein.

4) Alle Sorgen, alles Leid
soll der Name uns versüßen;
so wird alle Bitterkeit
uns zur Freude werden müssen.
Jesu Nam sei Sonn und Schild,
welcher allen Kummer stillt.

5) Jesus, aller Bürger Heil,
und der Stadt ein Gnadenzeichen,
auch des Landes bestes Teil,
dem kein Kleinod zu vergleichen,
Jesus, unser Trost und Hort,
sei die Losung fort und fort.

  • Bis zur Ernte – Worte aus Matthäus 13,24-30

Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach:
Das Himmelreich gleicht einem Menschen,
der guten Samen auf seinen Acker säte.
Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind
und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.
Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten,
da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm:
Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät?
Woher hat er denn das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan.
Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten?
Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft,
wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen
bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen:
Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel,
damit man es verbrenne;
aber den Weizen sammelt in meine Scheune.

Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Nicht immer perfekt – Gedanken zu Matthäus 13

Als Kind konnte ich dieses Gleichnis gut hören auf eine sehr anschauliche Art.
Die mühselige Arbeit des Unkrautzupfens zuhause und im Schulgarten
versuchte ich immer zu vermeiden; weil ich ja nicht wissen konnte, welche der grünen Pflänzchen stehen bleiben sollten und welche nicht. Eine gewisse Größe brauchten die nützlichen Pflanzen, um sie von den unerwünschten kleineren zu unterscheiden.

Das Bild des Matthäus geht hingegen davon aus, dass dieser Größenunterschied nicht besteht. Sie sind ununterscheidbar. Deshalb ist schlechterdings kein Zupfen möglich. Erst wenn die Zeit der Ernte naht, kann das Unkraut gesammelt und verbrannt werden. Es heißt also sich in Geduld üben und Unkraut und den guten Samen miteinander wachsen zu lassen. Bis zur Ernte.

Das Bild zielt ab auf die Gemeinde Jesu Christi. Unter den Gemeindegliedern mag es „Unkraut“ geben. Aber für menschliche Augen ist es nicht erkennbar. Der Evangelist sieht das mit einem weiten Blick. In seiner Deutung des Gleichnisses ist der Acker die Welt, der gute Same die Kinder des Reiches (Gottes) und das Unkraut die Kinder des Bösen. Mit Blick auf das Umfeld des Evangeliums könnte ich Bezug nehmen auf das jüdische Umfeld. Die Menschen, die sich zu Christus halten, trennen sich von der Synagoge ihrer Schwestern und Brüder, die sich nicht zum neuen Glauben bekennen. Das führt zu Konflikten. Sie werden in der Deutung des Gleichnisses greifbar. Möglicherweise steht auch eine feindliche Umwelt im damaligen römischen Reich im Hintergrund. Wer ist Feind und wer Freund? Diese Frage bleibt „bis zur Ernte“ offen und dem Urteil Gottes vorbehalten.

Wer ist ein guter Christ? Wer gehört zum Reich Gottes? Diese Frage kann ich auch heute noch stellen. Ich kann sie stellen mit Blick auf die Art und Weise, wie ich mein Christsein lebe und praktiziere. Ich kann sie stellen mit dem Augenmerk darauf, ob ich den Geboten klar und konsequent folge.
Am Jahresende aber, wo es üblich ist, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, kann ich sie auch stellen in der Weise, dass ich frage: Wer in den aktuellen Konflikten, wie z. B. Klimawandel, Flüchtlingskrise und Coronapandemie handelt im christlichen Sinne. Die Frage nach guten Samen hier und Unkraut dort ist dann eine der christlichen Ethik.
Neben meinen persönlichen Ansichten darüber, wie der Pandemie zu begegnen ist, ob Autofahren ein Grundrecht darstellt oder welchen Menschen dieses Land Obdach und Asyl gewähren sollte, gab und gibt es ganz konkrete Fragen, die auch unser Gemeindeleben direkt betreffen. Wie im vergangenen Jahr stellte sich auch in diesem besonders die Frage, ob und wie wir Gottesdienste feiern.
Mit der Coronapandemie war die Gemeinde und vor allem der Gemeindekirchenrat vor eine ungewöhnliche Verantwortung gestellt. Der Gottesdienst auf der einen Seite: eine Grundäußerung unseres Glaubens und ein Hort für die geplagte Seele. Die Gesundheit auf der anderen: die Gefahr der Ansteckung und eines gefährlichen Verlaufs der Infektion.
Die verschiedenen Meinungen dazu, der Umgang damit und die Entscheidungen, die schließlich getroffen wurden, haben viele in unserer Gemeinde beschäftigt und werden uns auch weiterhin beschäftigen. Wer kann, wenn Gottesdienst gefeiert wird, kommen? Das ist die Grundfrage. Und niemand soll ausgeschlossen sein. Offensichtlich gibt es dafür nicht die perfekte Lösung. Wer hat Recht und wer nicht? Das ist schwer zu unterscheiden. Die Pflanzen sind grün und gleich groß. Welche sollte ausgerupft werden?

Ich lese daher das Gleichnis so: Einerseits ist es gut, zuzuhören, Meinungen auszutauschen, klug abzuwägen und das Herz sprechen zu lassen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Andererseits ist es gut, den Frieden zu wahren, immer wieder um Verständnis zu werben und offen zu bleiben für das, was den Menschen unserer Gemeinde und des Stadtviertels am Herzen liegt. Geduld zu haben und zu üben. Auf Gott zu vertrauen, dass er es am Ende gut machen wird.

Nicht immer wird das perfekt gelingen. Nicht immer wird es möglich sein für jede und jeden von uns, demütig zu sein und gleichzeitig mit kühlem Kopf und Klarheit das eigene Anliegen vorzutragen. Manche Entscheidungen, Zugeständnisse und Kompromisse sind nur schwer auszuhalten. Manches bleibt unfertig. Das ist die Signatur unserer Welt. Solange wir noch auf das Reich Gottes warten. Umso wichtiger ist es, gemeinsam zu warten.

Ich wünsche mir für das neue Jahr, dass diese schwierige Zeit bald vorbei wäre. Und wage dennoch den Gedanken, dass sie auch etwas Gutes haben kann. Vielleicht kommt etwas klarer zum Vorschein, was uns wirklich wichtig ist und worauf unsere Gemeinschaft beruht. Ob es uns gelingt, Frieden zu wahren. Dafür braucht es noch viel Geduld bis wir – mit Gottes Hilfe – aufatmen und ernten können.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Nach außen leuchten – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
Krieg und Hunger auf der Welt,
Streit und Unverständnis in unserem Land.
Gib den Verantwortlichen im Großen wie im Kleinen
einen klaren Blick, dass sie sehen können,
was gut und was hilfreich ist.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
für unsere christlichen Gemeinden,
dass sie nie vergessen, dein Wort weiterzusagen,
und deine Hoffnung zu schüren.
Gib uns ein weites Herz und starke Worte,
dass wir deine gute Botschaft weitertragen.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
für alle Menschen, die krank sind an Körper und Geist,
die einsam sind und sich nach Nähe sehnen,
die Hilfe brauchen und die Hoffnung auf Zuwendung verloren haben,
für die Sterbenden und jene, die zurückbleiben.
Zeige ihnen deine Liebe und stärke uns,
dass wir diese Liebe zeigen können.

Guter Gott,
wir warten auf dein Reich und auf deinen Frieden,
den diese Welt so nötig braucht,
stärke unsere Gemeinschaft,
dass wir nach außen leuchten
und nach innen deinen Frieden wahren.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)