3. Sonntag nach Epiphanias (22.01.)2023

  • Eröffnung

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ So verheißen es die Worte des Evangelisten Lukas im Wochenspruch. Jenseits menschlicher Grenzen ist Gottes weites Reich zu entdecken. Das uns neues Leben schenkt.

  • Mit Falten im Gesicht – Ein Lied: Gerhard Schöne, Die Alte auf der Schaukel

Ein Mädchen auf dem Spielplatz
‚Ne alte Frau am Rand
Die Alte schluckt Tabletten
Und die Kleine spielt im Sand
Dann geht das Mädchen schaukeln
Es sieht die Frau und ruft
„Das musst du auch mal ausprobier’n
Wir fliegen durch die Luft“
„Oma, willst du schaukeln
Dann gebe ich dir Schwung?“
„Ja, komm und gib mir Schwung, mein Herz
Dann werd ich wieder jung“

Die Alte schaukelt zaghaft
Die Kleine schiebt sie an
„Wenn jetzt nur nicht die Kette reißt
Was da passieren kann“
„Wenn jetzt nur niemand zusieht
Mir ist nicht wohl dabei
Die denken doch, ich bin verrückt
Und hol’n die Polizei“
„Oma willst du schaukeln …

Sie denkt an ihren Kreislauf
Dann kommt ihr in den Sinn
„Mein Gott, wie lange ist das her
Dass ich geschaukelt bin?“
„Das war doch auf dem Rummel
In einem weißen Schwan
Mit diesem tätowierten Herrn
Der himmelte mich an“
„Oma willst du schaukeln …

Sie sieht die Wolken schwanken
Das Alter fliegt dahin
Dahin der Arzeneigeruch
Das Ziehen in den Knien
Sie lacht aus voller Kehle
Sie singt und schämt sich nicht
Sie ist ein kleines Mädchen jetzt
Mit Falten im Gesicht
„Oma willst du schaukeln …

  • Die selig macht – Worte aus dem Brief an die Römer 1,13-17

Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder und Schwestern,
dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen
– wurde aber bisher gehindert –,
damit ich auch unter euch Frucht schaffe
wie unter andern Heiden.
Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig;
darum, soviel an mir liegt, bin ich willens,
auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht;
denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben,
die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht:
»Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

  • Oma, willst du schaukeln? – Schaukelnde Gedanken zum Römerbrief

Oma, willst du schaukeln? fragt das Kind auf dem Spielplatz, die von Alter und Gram gebeugte alte Frau. Zuerst schüttelt sie den Kopf, unvorstellbar, was sollen die Leute denken. Schön wäre es, aber wer weiß, was da passieren kann. Aber schließlich wagt sie es doch, und es geschieht ein kleines Wunder: Alter und Gram verfliegen für einen Augenblick. Schöne Erinnerungen sind wieder lebendig. Sie hat wieder Freude am Leben.
„Die Alte auf der Schaukel“, so heißt das Lied von Gerhard Schöne.

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Witz der Sache besteht darin, dass hier zwei Dinge zueinander gebracht werden, die nach Ansicht der „denkenden“ Leute nicht zusammengehören. Alte Menschen schaukeln nicht! Heute ist das zum Glück anders. Es ist selbstverständlichder geworden, dass jeder Mensch, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung, am Leben in all seinen Facetten teilhat. Wer wollte es ihnen auch verbieten? Dennoch hat mich das Lied als Kind stark beeindruckt und in mir den Entschluss reifen lassen, solche albernen Grenzen nicht gelten zu lassen.

Auch Paulus überschreitet eine Grenze. Die Botschaft Jesu trägt er über die jüdische Welt hinaus bis nach Rom. Voller Stolz geht er den Weg in die weite Welt. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“, schreibt er. Er bringt zusammen, was nach jüdischer Sitte streng verboten, und nach römischer Ansicht lächerlich ist. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist auf die Welt gekommen und für unsere Sünden gestorben am Kreuz. Diese Botschaft bringt er allen Menschen, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung. Denn dieses Evangelium ist ein Wunder und eine Kraft, die neues Leben schenkt.

Dieses Wunder und diese Kraft verortet Paulus in zwei Grundbegriffen seines Denkens: Gerechtigkeit Gottes und Glauben. Das Zitat aus dem Buch Habakuk bindet beide zusammen: Der Gerechte wird aus Glauben leben. Übertragen auf das Bild der alten Frau ist die Gerechtigkeit der Menschen das, was den Menschen niederdrückt, ihn in Gram und Leid verharren lässt. Diese Gerechtigkeit verlangt Perfektion, die auch der frömmste, der fleißigste, der gesündeste, der stärkste und klügste Mensch nicht leisten kann. Auch Gott verlangt Gerechtigkeit. Sie ist nicht weniger streng als unsere menschlichen Maßstäbe; ja, sogar noch strenger. Doch seine Gerechtigkeit geschieht unter anderem Vorzeichen. Mit der frohen Botschaft ändert sich der Blick. Es gibt zuerst was zu schaukeln im Leben. Und das ist der Glaube, der gerade nicht darauf setzt, perfekt zu sein. Wer könnte schon perfekt schaukeln. Das Wunderbare ist ja, dass es einfach auch so Spaß macht. Im Grunde braucht es nur offene Ohren für die Einladung des Mädchens auf dem Spielplatz. Freundlich bietet es seine Hilfe an: „Oma, willst du schaukeln, dann gebe ich dir Schwung.“ Bei Paulus heisst es: Mein Glaube gründet im Glauben Gottes. Er schenkt uns seine Gerechtigkeit. „Im Evangelium wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben.“ Gottes Gerechtigkeit erfüllt sich in der Freude am Glauben. Zuerst wird geschaukelt und dann gilt dem Mädchen, und allen Menschen, ein freundlicher und dankbarer Blick. So geht es zu im Reich Gottes, oder auf dem Spielplatz Gottes. Was der Mensch wahrhaft braucht, ist schon längst da. Kaum zu glauben, in dieser Welt.
Die Grenzen, die mich davon abhalten, auf dem Spielplatz des Glaubens zu schaukeln sind ebenso menschengemachte Grenzen. Was sollen die Leute denken? Und wird nicht die Kette des Glaubens reißen? Hoffentlich halten mich die Leute nicht für verrückt. Um diese menschengemachten Grenzen zu überwinden, braucht es freilich eine besondere, göttliche Kraft. Auf dem Spielplatz ist es das Mädchen mit der unmissverständlichen Frage, die aus seiner überbordenden Freude am Schaukeln entspringt: „Oma, willst du schaukeln? Weil, es ist großartig! Es ist nicht so schwer.“

Probieren sie es doch mal aus. Auf den Spielplätzen des Lebens.

Amen.

  • Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)