15. Sonntag nach Trinitatis (25.09.)2022

  • Eröffnung

„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ Mit dieser schwungvollen Geste in seinen Worten ermahnt der Apostel Petrus seine Briefleserinnen und -leser, den bedrückenden Gedanken des Alltags zu entkommen. Damit verbindet sich auch die Frage, wie wir miteinander auf entlastende Weise unsere Sorgen teilen können. In Gottes gutem Geist kann uns das gelingen!

  • Im Schlaf – Worte nach Psalm 127

Wenn der Herr nicht das Haus baut,
so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der Herr nicht die Stadt behütet,
so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht
und hernach lange sitzet
und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.

  • Ein Ende meinem Sorgen – Ein Lied Solang es Menschen gibt auf Erden (EG 427)

Solang es Menschen gibt auf Erden,
solang die Erde Früchte trägt,
solang bist du uns allen Vater;
wir danken dir für das, was lebt.

Solang die Menschen Worte sprechen,
solang dein Wort zum Frieden ruft,
solang hast du uns nicht verlassen.
In Jesu Namen danken wir.

Du nährst die Vögel in den Bäumen,
du schmückst die Blumen auf dem Feld;
du machst ein Ende meinem Sorgen,
hast alle Tage schon bedacht.

Du bist das Licht, schenkst uns das Leben;
du holst die Welt aus ihrem Tod,
gibst deinen Sohn in unsre Hände.
Er ist das Brot, das uns vereint.

Darum muss jeder zu dir rufen,
den deine Liebe leben lässt:
Du, Vater, bist in unsrer Mitte,
machst deinem Wesen uns verwandt.

  • Mit sanftmütigem Geist – Lesung aus dem Brief an die Galater im 5. Kapitel

Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln.
Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten,
einander nicht herausfordern und beneiden.
Brüder und Schwestern,
wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird,
so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist,
ihr, die ihr geistlich seid.
Und sieh auf dich selbst,
dass du nicht auch versucht werdest.
Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Denn wenn jemand meint, er sei etwas,
obwohl er doch nichts ist,
der betrügt sich selbst.
Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk;
und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben
und nicht gegenüber einem andern.
Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen.
Wer aber unterrichtet wird im Wort,
der gebe dem, der ihn unterrichtet,
Anteil an allen Gütern.
Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten.
Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.
Wer auf sein Fleisch sät,
der wird von dem Fleisch das Verderben ernten;
wer aber auf den Geist sät,
der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.
Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden;
denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten,
wenn wir nicht nachlassen.
Darum, solange wir noch Zeit haben,
lasst uns Gutes tun an jedermann,
allermeist aber an des Glaubens Genossen.
(Brief an die Galater 5,25-6,10)

  • Ein Moment der Gottesgegenwart – Gedanken zu Galater 5

Weißt du, sagte neulich meine Kollegin zu mir, es war einer jener stillen Nachmittage in den Krankenzimmern, die wie Blei in der Zeit liegen; einer jener Nachmittage, die sich sogar dem Krankenhausalltag entziehen und ein Zwischenreich eröffnen, dass den Worten und Gedanken überraschende Schlupflöcher bieten, so dass sie auf Wanderschaft gehen können. Seine Begrüßung schien aber nicht dazu zu passen. Seelsorge? Mit der Kirche habe ich nichts zu tun. Schon lange nicht mehr. Meine Mutter hatte mich noch zur Konfirmation geschickt. Danach war Schluss. Der Mann, der mich so begrüßte, war kräftig und etwa Mitte 80. Sein Blick war meistens von mir abgewendet. Er saß auf der Bettkante, als suche er etwas. Aber, fuhr er fort, ich habe mein Leben gemeistert. Meine Arbeit war tadellos. Obwohl das nicht immer einfach war. Ich habe in der Metallbranche gearbeitet. Als Ingenieur. Verantwortlich war ich für mehrere Betriebe und meine Vorgesetzten, mit denen war es nicht einfach. Da hatte ich immer parat zu stehen. Für was anderes war kaum Zeit. Frau und Kinder hatte ich trotzdem. Doch meine Frau ist seit 5 Jahren tot und die Kinder melden sich nur selten. So saß er da. Seine Traurigkeit breitete sich im Raum aus, seine Einsamkeit war mit Händen zu greifen. Ich schwieg bedrückt. Ebenso still, wie das Gespräch begonnen hatte, habe ich mich dann verabschiedet. Mit wenigen Worten.
Typisch, erwiderte ich. Ich hätte gesagt, na, da haben sie ja doch noch Zeit mit der Kirche verbracht. Nein, sagte sie sanft, das hättest du nicht.

Liebe Schwestern und Brüder,
jetzt, im Nachhinein, beim Lesen des Predigttextes, habe ich mich an dieses Gespräch erinnert. Wenn Paulus vom sanftmütigem Geist spricht, in dem der Mensch in seinen Verfehlungen wieder zurecht geholfen werden kann, dann ist so eine Begegnung ein gutes Beispiel. Und meine Kollegin hat recht. Ich hätte das nicht gesagt. In dieser Situation hätte das nicht gepasst. Es hätte das zerstört, was in diesem Moment zart geblüht hat. Ein Moment der Gottesgegenwart, die den Patienten und meine Kollegin gestreift hat, trotz aller Einsamkeit und Traurigkeit, die wie dicke Suppe die Luft des Zimmers erfüllt hatten.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass Paulus von handfesten Konflikten spricht. Es geht um die Art und Weise, wie die junge Gemeinde in Galatien ihren Glauben üben und leben soll. Es gab auf der einen Seite Menschen in der Gemeinde, die an den jüdischen Gebräuchen, vor allem an der Beschneidung, festhalten wollten. Es gab auf der anderen Seite Menschen, die diesen Wunsch klar ablehnten. Sie hielten sich wohl, um es deutlich zu sagen, für etwas Besseres. Denn das war doch die neue Lehre, die Paulus in die Gemeinden getragen hatte. Solche äußeren Zeichen waren doch mit der Botschaft Jesu überflüssig geworden. Auch Paulus trat dafür mit allem Nachdruck ein.
Dennoch spürt er, dass mehr dahintersteckt als eine theologische Diskussion, mehr als eine gebotene christliche Lebensweise. Er sieht darin die Fallstricke, die jedem Mitglied der Gemeinde drohen, wenn er seine Überzeugungen mit aller Gewalt anderen aufdrücken will. Ein jeder prüfe sein eigenes Werk, mahnt er die Gemeinde. In jedermanns Leben gibt es dunkle Seiten, in jedem Menschen gedeihen Selbstherrlichkeit und Eitelkeit. Und wer allzu forsch anderen seine Ansichten aufdrängt, geht selbst fehl. Auch wenn diese Ansichten im Grunde genommen richtig sind.
Das ist die Situation, in der sich meine Kollegin am Ende des Gespräches befand. Ja, es ist richtig. Die Kirche ist mehr als Zwang und Heuchelei. Die Kirche ist mehr als Machtmissbrauch und unerbittliche Mission. Es gibt Menschen in ihr, die mit Herzblut und im Geist Christi anderen Menschen zur Seite stehen, die ihrem Glauben Taten folgen lassen und Trost spenden; wo einer des anderen Last trägt.
Dieser eine Satz aber, jetzt haben sie ja doch Zeit mit der Kirche verbracht, der hätte die Last dieses Mannes ihm wieder aufgebürdet. Dieser eine Satz hätte bedeutet, ja, schön, aber deine Last ist mir zu schwer. Nimm sie zurück, du hast es ja so gewollt. Ich aber weiß es besser, worauf es ankommt im Leben. Sieh mich an, dann kannst du was lernen. Nein, so wäre die Gottesgegenwart wieder untergegangen in diesem Krankenzimmer.

Liebe Gemeinde,
und noch etwas steckt in dieser Situation. Dieser Satz am Ende des Gespräches, er erzählte auch davon, wie wir Menschen in der Kirche uns selbst sorgen. Die Sorge um die Kirche, um die Gemeinschaft, um das Sichtbarsein und Bestehenbleiben Wollen. Es ist auf den ersten Blick eine berechtigte Sorge. Die sinkenden Mitgliederzahlen und die geringe Teilnahme an den Gottesdiensten und den anderen Veranstaltungen ist bedrückend. Auch mir fällt das schwer, darin Sorglosigkeit zu bewahren. Und dennoch, Paulus muntert mich auf. Ihm ging es nicht anders. Seine Lebensgeschichte erzählt davon. Er hat quasi in das Nichts hinein gepredigt. Es waren noch kleine Gruppen, zu denen er sprach und denen er schrieb. Deshalb ist es so wichtig, dass er von seinem Glauben spricht, dass die Botschaft Jesu nicht untergehen kann, dass sie Bestand hat in der Welt. Dass es nicht auf Äußerlichkeiten ankommt. Dass diese Botschaft eine sanftmütige ist. Dass sie getragen ist vom Geist Gottes. Dass wir von ihr getragen werden durch diese Zeiten, dass sie auch in der tiefsten Finsternis licht wird und licht bleibt.
Amen.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Du, Licht der Welt,
bewahre uns in unseren Gedanken und Taten,
erfülle uns mit deinem Geist.

In diesen Zeiten des Krieges und der Gefahren.
Die den Frieden bedrohen, in der Welt, in Europa, in unserem Land.
Dass wir daran festhalten, dass alle Menschen Gottes Kinder sind.
Dass wir nicht Sorge tragen, sondern getragen sind im Geist des Friedens.

In diesen Zeiten der finanziellen und existentiellen Nöte.
Hier vor Ort in unserem Land und weltweit.
Dass wir uns bewusst sind, dass deine Welt Lebensgrundlage ist für unser Leben.
Dass wir nicht Sorge tragen, sondern getragen sind im Geist der Gerechtigkeit.

In diesen Zeiten der Gottesferne.
Die alle Menschen ereilen kann, auch uns.
Dass wir uns unversehens in deine Gegenwart gestellt sehen.
Dass wir nicht Sorge trage, sondern getragen sind im Geist des Glaubens.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)