Judika (03.04.)2022

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die kommenden Tage steht bei Matthäus: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ (Matthäus 20,28) Über diesen Menschensohn denken wir nach und beten zu ihm. Jede Andacht wird auf diese Weise zu einem Dienst Gottes an uns selbst.

  • Meines Angesichts Hilfe – Worte nach Psalm 43

Schaffe mir Recht, Gott, /
und führe meine Sache wider das treulose Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes, /
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

  • Die Lieb erzeigen jedermann – Ein Lied: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ (EG 76)

1) O Mensch, bewein dein Sünde groß,
darum Christus seins Vaters Schoß
äußert und kam auf Erden;
von einer Jungfrau rein und zart
für uns er hier geboren ward,
er wollt der Mittler werden.
Den Toten er das Leben gab
und tat dabei all Krankheit ab,
bis sich die Zeit her drange,
dass er für uns geopfert würd,
trüg unsrer Sünden schwere Bürd
wohl an dem Kreuze lange.

2) So lasst uns nun ihm dankbar sein,
dass er für uns litt solche Pein,
nach seinem Willen leben.
Auch lasst uns sein der Sünde Feind,
weil uns Gotts Wort so helle scheint,
Tag, Nacht danach tun streben,
die Lieb erzeigen jedermann,
die Christus hat an uns getan
mit seinem Leiden, Sterben.
O Menschenkind, betracht das recht,
wie Gottes Zorn die Sünde schlägt,
tu dich davor bewahren!

  • Für die es bestimmt ist – Evangelium nach Markus im 10. Kapitel

Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10,35-45)

  • Den mir Gott schickt – Gedanken zum Markusevangelium

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Rechts und links vom Altar stehen die Namen. Es gibt sie noch allerorten. Die Gedenktafeln für die Gefallenen in den Weltkriegen. In Holz geschnitten und verziert mit einem geschnitzten Rahmen. Darüber ein Bibelwort: “Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde – Joh.15,13.” Jesus sagt das: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. Ein Opfer. Für viele. Mit dem Leben bezahlt.
Jesus sagt auch: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. In diesen Tagen trifft dieses Wort genau. Das Leben geben und opfern, wofür? Sicher nicht für einen ruhmsüchtigen und gierigen Herrscher. Sicher nicht für die Macht der Mächtigen. Oder für die Freunde?

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Mein Urteil steht fest. Fürchterlich, diese Tafeln. Sie missbrauchen das Wort Jesu für einen schrecklichen Krieg. Noch Jahrzehnte später wird der Tod so vieler gerechtfertigt mit einem frommen Spruch. Keiner dieser Soldaten hat sein Leben für seine Freunde gegeben. Sondern für die Machtgelüste und abartigen Fantasien eines oder einiger weniger Männer. Das ist eine kaum fassbare Entwürdigung des heiligen Wortes. Diese Tafeln gehören nicht in die Kirche. Sie sind das Gegenteil von Demut und Dienerschaft. Für ein falsches Ideal wurden diese Männer in den Tod geschickt. Vielleicht können sie nichts dafür. Aber das Gedenken ist überschattet von der Herrschsucht und der übergroßen Sünde mächtiger Männer.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Neben mir der alte Herr Müller. Er zeigt auf einen der Namen. Das ist der Gert. Mit dem habe ich gern unten am Bach gespielt. Und da drüben, der Herr Fuchs, das war der Vater von unserem Nachbarn. Die Schrecken des Krieges, der so lange vergangen erscheint, ragt bis in meine Gegenwart. Mein Blick wandelt sich. Vielleicht haben diese Soldaten mitten in den grausamen Kämpfen füreinander eingestanden? Verwundete gerettet. Ausgeharrt im Schützengraben. Miteinander geweint und geflucht. Vielleicht auch das. Plötzlich sehe ich diese Namen anders. Ich schäme mich für mein vorschnelles Urteil.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Ich denke darüber nach, wie sehr Jesu Wort die Verhältnisse dieser Welt auf den Kopf stellt. Der Erste soll aller Knecht sein. Ich philosophiere. Mit Hegel. Das Verhältnis zwischen Herr und Knecht. Der Knecht, so dann die Version bei Marx, schafft die materielle Grundlage für die Herrschaft des anderen. Damit stehen beide in einem unauflöslichen Verhältnis zueinander. Das, was Marx schließlich aus Hegel machte, und die Konsequenzen daraus, sprechen aber gegen das Evangelium. Um Hegel vom Kopf auf die Füße zu stellen, sind Millionen getötet worden; für Wenige. Nicht einer für Viele. Die Knechte wurden Herrscher. Und ich glaube, diese Knechte waren schon Herrscher als sie scheinbar noch Knechte waren. Gewalt, Hochmut, Gier und Macht wohnen in uns allen. Jesus sagt: Gib diesen Begierden keinen Raum. So gewinnst du einen Platz zur Rechten und zur Linken des auferstandenen Christus.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche. Jesus, der Diener, für mich? Jesus, der überantwortet wird den Mächtigen, und zum Tode verurteilt, und überantwortet wird den Gewaltigen, verspottet, angespien, gegeißelt und getötet. Da herrscht kein Glanz, kein Ruhm. Keine irdische Gerechtigkeit. Unter dem Kreuz gibt es für mich keine Handhabe, wie ich mir in dieser Welt einen Platz verdiene zur Rechten oder zur Linken Jesu. Jeder Versuch in diese Richtung bringt mich schon auf den falschen Weg. Es wird denen zuteil, für die es bestimmt ist, sagt Jesu schlicht und rätselhaft zugleich. Es liegt allein in Gottes Hand. Es liegt vielleicht in dieser Situation: Herr Müller erzählt, ich höre zu. Nichts weiter. Es liegt vielleicht darin, dass selbst im grausamen Krieg noch Freundlichkeit und Mut Platz finden. Für einen anderen Menschen. Der mir nichts zu geben hat. Der mir nichts verspricht. Den mir Gott schickt, unerwartet und in himmlischer Freundlichkeit.

Ich stehe also in dieser Dorfkirche und bete.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

  • Jeder Augenblick in unserem Leben – Miteinander und füreinander beten

Gott im Himmel,

du hast uns gezeigt, wie deine himmlische Macht sich auf Erden zeigt,
im Tod am Kreuz deines Sohnes Jesus Christus,
in Demut und Dienst am Nächsten.

Menschen erleiden Gewalt und üben Gewalt nicht nur in der Ukraine.
Wende von uns die Verführungen der Macht und Gier,
kehre um die Herzen der Mächtigen und Gewaltigen,
dass sie lernen in deinem Frieden zu handeln.

Wir möchten als Christen gern Einfluß haben auf die Gesellschaft.
Schenke uns Geduld, wenn wir deine Botschaft weitertragen.
Lass uns achtgeben auf jeden Menschen,
der nach dir und deinem Frieden fragt.

Schnell sind wir mit einem Urteil bei der Hand,
in den sozialen Medien und beim Gespräch mit dem Nachbarn.
Öffne unsere Augen für alle Menschen,
auch wenn sie uns völlig fremd und verachtenswert erscheinen.

Oft schätzen wir den eigenen Glauben besonders hoch ein.
Öffne unsere Ohren, dass wir dein Wort nicht verachten,
so klein und unscheinbar es auch sei.

Menschen hungern hier in unserem Land und in Afghanistan.
Stärke uns, dass uns die Not des Nächsten nicht klein erscheint,
dass wir sie sehen lernen und uns zu Herzen nehmen.

Jeder Augenblick in unserem Leben ist dafür gemacht
in deiner Gegenwart dem Nächsten zu dienen.
Hilf uns, Gott im Himmel, hier auf Erden.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)