- Eröffnung
„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ Drastisch klingen diese Worte aus dem ersten Johannesbrief. Doch wenn wir auf die Welt schauen, klingt dieser Vers gar nicht übertrieben. Gut, dass wir das in dieser Andacht miteinander bedenken und miteinander beten können.
- Lass fahren dahin – Ein Lied nach Psalm 46: „Ein feste Burg ist unser Gott“ (EG 362)
Ein feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind,
Mit Ernst er′s jetzt meint;
Groß Macht und viel List
Sein grausam Rüstung ist,
Auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es streit für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott;
Das Feld muß er behalten.
Und wenn die Welt voll Teufel wär
Und wollt uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
Wie saur er sich stellt,
Tut er uns doch nichts;
Das macht, er ist gericht:
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Das Wort sie sollen lassen stahn
Und kein Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
Lass fahren dahin,
Sie haben’s kein Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben
- Der Versucher – Evangelium nach Matthäus 4
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.
- Trotz des Krieges – Gedanken zum Lied Ein feste Burg ist unser Gott
Dieses Lied. Ein feste Burg ist unser Gott. Wie es rasselt und klirrt, da passt es gut in diese Tage des Krieges in der Ukraine. Militärische Begriffe: feste Burg, Wehr und Waffen, Rüstung, das Feld behalten.
Aber noch etwas fällt mir ein: Ein Spaziergang auf der Rabeninsel. Die Sonne scheint. Eine Freundin sagt: Ich kann und will mir das gar nicht vorstellen. Ich wäre mit meinen Kindern auf der Flucht und mein Mann müsste hierbleiben, um sich zum Krieg zu melden. So ist es, denke ich nur. Unvorstellbar.
Das sind meine ersten Eindrücke als ich das Lied wieder vor Augen habe. Wochenlied für diesen ersten Sonntag in der Passionszeit. Geschrieben wurde es vor 1529. In diesem Jahr erscheint es in einem der ersten evangelischen Gesangbücher. Martin Luther sieht seine Welt, eine innere Glaubenswelt, in der er dem großen Widersacher begegnet. Den Teufel als Feldherr unserer Seelen. Der altböse Feind, der Fürst dieser Welt. In einer Predigt sagt er: „Der Satan ist der höllische Reiter, von dem die Poeten gesagt haben, er reite die arme Seele und Gewissen wie sein Pferd und führ sie, wohin er will: von einer Sünde zur andern.“ Des Menschen Wille versagt in diesem Fall, nur Christus kann helfen, der das Feld behalten muss. Der Teufel, der sich uns in den Weg stellt, wie in der Versuchungsgeschichte im Evangelium, kann nur von Christus bewältigt werden.
Deshalb erzählt Luther in seinem Lied vom Teufel als einer Macht, die uns von Gott fernhalten will. Der Teufel kommt im ursprünglichen Psalm 46 nicht vor; Luther aber sieht ihn darin walten: „Wir singen den Psalm Gott zu Lobe, daß er bei uns ist und sein Wort und die Christenheit wunderbar erhält wider die höllischen Pforten, wider das Wüten aller Teufel, der Rottengeister, der Welt, des Fleisches, der Sünden, des Todes.“ Deutlich wird, dass Luther hier nicht nur den gehörnten Fürsten der Hölle meint, sondern den Versucher, der sich uns in den Weg stellt auf dem Weg zu Gott. Alle irdischen und teuflischen Versuchungen.
Und ja, um auf meinen ersten Eindruck zurückzukommen: Es fällt mir leicht, diese Teufelei des Krieges diesen Worten zuzuordnen. Die Gründe für den Krieg sind schwer zu fassen und erscheinen mir sinnlos. Geht es um Macht, um Land, um Geschichte und um Glauben gar? Eine weit- und tiefreichende Versuchung, die eine Teufelei als etwas Heiliges ausgibt.
Für Luther war es die Kirche selbst, die den Menschen etwas vormacht und für heilig erklärt, was nur menschlicher Begierde entspringt.
Heute ist es ein Machthaber, der seiner Bevölkerung erklärt, dass sie für eine heilige Sache kämpfen und töten.
Alles Irdische also kann zur Versuchung werden, kann eine Teufelei sein. Ein prächtiger Kirchenbau ebenso wie die Überzeugung, dass ein Nachbarland überfallen werden müsse.
Deshalb sagt Luther allem Irdischen ab. Er verlässt sich allein auf das Wort Christi. Auf das Reich Gottes. Das soll stehenbleiben, „sollen sie lassen stahn“. Für diesen Glauben fordert er: „Lass fahren dahin Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib.“
Kind und Weib. Und plötzlich bin ich wieder bei den Gedanken meiner Freundin auf der Rabeninsel. Ich stocke bei diesen Worten Luthers. Ich versuche sie mir zu übersetzen. Ich stimme Luther zu, wenn es um das irdische Gut geht. Kein Besitz kann uns nützen. Rost und Motten werden ihn fressen. Keine politische Macht hilft uns auf dem Weg zur Seligkeit. Ich stimme Luther zu, wenn es um die Ehre geht. Es ist nichts dagegen zu sagen, seinen Mitmenschen offen und selbstbewusst gegenüberzutreten. Aber wenn die menschliche Ehre dem Glauben widerstrebt, der Liebe Gottes und der Nächstenliebe, dann ist sie grundfalsch. Und ich stimme Luther zu, auch wenn es schwer fällt, dass der Leib nicht der Grund der Seligkeit sein kann. Gott geht mit mir, auch im Leid, auch wenn ich krank bin, einsam und sogar über den Tod hinaus.
Aber ich kann ihm nicht zustimmen, wenn ich an „Kind und Weib“ denke. Es ist eine schreckliche Vorstellung ist, dass ein Mensch dem anderen irgendwie „gehöre“. Obgleich die 10 Gebote das nahelegen. Begehre nicht deines Nächsten Weib. Und obgleich ich es aus historischer Sicht einschätzen muss. Luther, seit 1525 verheiratet, denkt eben noch in dieser Weise von seinem Hausstand mit festen Rollen und Aufgaben. Vielmehr aber als dieser Blick auf die Familienbeziehungen damals und heute widerstrebt mir der Gedanke, dass ein menschliches Wesen in irgendeiner Weise für meinen Glauben verloren gehen soll. Nicht nur, weil ich an die Rabeninsel denke und die unvorstellbare Vorstellung mitten im schönsten Sonnenschein. Sondern weil ich vor allem darin Trost finde, dass die Menschlichkeit in diesen Tagen der lebendigste und fruchtbarste Ausdruck dafür, dass Gott diese Welt in seinen Händen hält. Trotz des Krieges. Menschen, die beten, die helfen, die protestieren, die verzeihen, die Liebe üben; mitten im Krieg, mitten in der Ukraine, in Russland, in unserem Land, weltweit. Darin finde ich den Trost wieder, den Luther im ewigen Wort der Bibel gefunden hat. Ich will sie nicht lassen fahren dahin, das Kind in der Kiewer U-Bahn, den 19jährigen im russischen Panzer, den ohnmächtig betenden Menschen in unserer Kirche. Für keine menschliche Wahrheit, und sei sie noch so überzeugend.
Ein altböser Feind würde Martin Luther sagen, der uns von der Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten abbringen möchte. Der nicht von uns lassen will. Der uns immer wieder verführt. In all der Zeit. Über die Jahrhunderte. Immer wieder Kriege und Gewalt.
Kämpfen wir also in guter Rüstung gegen diesen Feind, für Menschlichkeit, Gottesfurcht und Frieden.
Amen.
- Nach deiner Hilfe rufen – Miteinander und füreinander beten
Barmherziger Gott,
halte deine Hand über uns,
über alle Menschen.
Erschrocken sind wir und voller Angst,
wenn wir auf die Entwicklungen des Krieges sehen.
Was kann noch passieren,
wie können wir helfen,
wie können wir mit unserer Ohnmacht umgehen?
Barmherziger Gott,
halte deine Hand über uns,
über die Menschen, die verantwortungsvoll mit ihrer Macht haushalten müssen,
über die Menschen, die von der Macht versucht werden,
über die Menschen, die im Krieg kämpfen,
über die Menschen, die in den umkämpften Städten und auf der Flucht sind,
über die Menschen, die mit ihrer Angst allein sind,
über die Menschen, die protestieren,
über die Menschen, die helfen,
über alle Menschen, die nach deiner Hilfe rufen.
Wir rufen mit den Worten Jesu:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)