
Andacht zum Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis – 10. August 2025
– Sommerkirche – Mut, Grenzen zu überschreiten
Anfangen:
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen
Eröffnung:
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Brief an die Epheser Kapitel 5, Vers 8:
„Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“
aus Psalm 27 – nach H.D. Hüsch:
Der Herr ist mein Licht und meine Heil, vor wen sollte ich mich fürchten.
Wenn Menschen kommen und Böses reden habe ich Angst.
Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen.
Wenn Menschen kommen und mich bedrängen,
mein Gott, dann fürchte ich mich.
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe,
sei mir gnädig und erhöre mich.
Du bist meine Hilfe, Herr, verlass mich nicht.
Du hältst deine Hand über mir, lass mich nicht allein.
Herr, weise mir deinen Weg und leite mich ein Leben lang.
Lied: Sei Getrost und unverzagt:
Sei getrost und unverzagt, freue dich an deinem Leben.
Denn Gott hat die zugesagt, sich mit Liebe zu umgeben.
Blühe auf in seinem Licht, sei getrost füchte dich nicht.
Hab den Mut, aufrecht zu gehen auch wenn andre längst sich beugen,
gegen Lügen aufzustehn und die Wahrheit zu bezeugen.
Sei ein Mensch, der Frieden schafft, dazu schenkt dir Gott die Kraft.
Stark und zäh dein Wille sei gegen Bosheit, Hass und Schrecken;
geh nicht unter, bleibe frei, Gottes Spuren zu entdecken.
Hier, in der oft kalten Welt birgt er dich in seinem Zelt.
Gott verläßt dich sicher nicht, Menschen werden dich verlassen.
Gott bleibt deines Lebens Licht, wird sich neu stets finden lassen.
Dies ist dir fest zugesagt, sei getrost und unverzagt
Predigt 2. Buch Mose , Kapitel 1, 15-21:
Liebe Gemeinde,
Hebammen kennen sich aus mit Grenzen, den Grenzen von Leben und Tod. Denn eine Geburt ist immer eine gefährliche Sache. Mutter und Kind sind auf der Grenze des Lebens und es braucht viel Erfahrung und Geschick und Können, um beide gut zu begleiten. Durch die Angst und den Schmerz und die Erschöpfung hindurch zum Leben.
Von daher kennen sich Hebammen aus mit den Grenzen von Leben und Tod. Sie wissen, wie wichtig Grenzen sind, und wie genau sie beachtet werden müssen, damit sie dem Leben dienen. Damit das kleine noch nicht geborene Leben ins
Leben kommen kann. Damit es gesund geboren wird und die Mutter bewahrt bleibt.
Wer schon einmal ein Kind geboren hat, weiß um diese Grenzerfahrung und die wichtige Aufgabe dieser Frauen im Grenzland von Leben und Tod. Und wer ihre Lebenserfahrung, Weisheit und Kompetenz erlebt hat, weiß, was für ein
Segen sie sind.
Die Bibel erzählt von zwei Hebammen, die auf ganz andere Weise mit Leben und Tod konfrontiert wurden und doch zum Segen wurden.
Sie lebten in Ägypten. Vor vielen Jahren waren hier Leute aus dem Nachbarland eingewandert, weil sie am Verhungern waren. Sie wurden die Hebräer genannt und waren geblieben und hatten Kinder, Enkel und Urenkel bekommen.
Dem Pharao, dem mächtigen Herrscher Ägyptens, waren die Hebräer suspekt.
Er wusste nichts mehr von Josef, der mal der weise Berater seines Vorgängers war. Er kannte die Geschichte von Josefs Brüdern und dem Stammvater Jakob nicht und auch nicht deren Gott.
Er sah nur, dass es viele Hebräer gab. Zu viele. Viel zu viele für seinen Geschmack. Und damit es weniger wurden, wollte er die Männer durch Arbeit vernichten. Durch schwere, harte Arbeit beim Städtebau von Pitom und Ramses.
Eine zynische Idee, die sich durch die Jahrtausende gehalten hat.
Doch er hatte keinen Erfolg.
Also überlegte er eine neue Taktik:
Ich lese aus dem 1. Kapitel des 2. Buchs Mose in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache:
Der ägyptische König gab eines Tages den hebräischen Hebammen – eine hieß Schifra, die andere Pua – den Befehl: „Wenn ihr den Hebräerinnen bei der Geburt beisteht und am Geschlecht erkennt, dass es ein Junge ist, dann sollt ihr ihn töten; ist es ein Mädchen, lasst es leben.“ Aber die Hebammen verehrten Gott und taten nicht das, was der ägyptische König ihnen gesagt hatte. Sie ließen auch die männlichen Kinder am Leben. Da bestellte Pharao die Hebammen zu sich und herrschte sie an: „Warum macht ihr so etwas, lasst die Jungen leben?“ Die Hebammen antworteten ihm: „Die Hebräerinnen sind anders als die ägyptischen Frauen. Sie sind stark und gesund. Bevor noch eine Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren.“ Deshalb ließ Gott es den Hebammen gut gehen. Und das Volk wuchs und wurde immer stärker. Weil die Hebammen also der Gottheit die Ehre gaben, stärkte sie deren Familien.
Die beiden Frauen, deren Beruf es ist, ins Leben zu helfen, sollen nun dem Tod dienen. Sie sollen alle neugeborenen Jungs töten. Denn die Mädchen können später mit Ägyptern verheiratet werden und sich so ins ägyptische Volk eingliedern. Jungs dagegen können immer Krieger werden und sich mit anderen Ländern verbünden und so Ägypten bedrohen. Denkt der Pharao.
Was für eine grausame Idee. Was für ein grausamer Mensch, dieser Pharao.
Leider kein Einzelfall, wie wir wissen.
Aber Schifra und Pua lassen sich davon scheinbar nicht beeindrucken. Sie machen einfach nicht, was der Pharao will. Denn ihre Aufgabe ist es, dem Leben zu dienen und nicht dem Tod.
Sie kommen weiterhin zu zweit den Geburten, helfen weiterhin jedem Kind, auf die Welt zu kommen und einen guten Start ins Leben zu haben. Stehen weiterhin den Müttern bei. Denn sie haben Ehrfurcht vor Gott und vor dem Leben.
Der Pharao erfährt davon und lässt sie zu sich bringen.
Zum mächtigsten Mann der damaligen Welt müssen die beiden einfachen Hebammen gehen. Ich vermute, sie konnten nicht lesen und schreiben, sie kannten die ägyptischen Hieroglyphen nicht und verstanden nicht, warum der Pharao
sich für Gott hielt. Sie lebten in Hütten, wie all die anderen und jetzt sollten sie in den prunkvollen Palast kommen und sich über endlose Treppen dem Pharao gebückt nähern ohne ein Wort zu sprechen. „Warum tut ihr das, dass ihr die Jungs leben lasst?“ Was fällt euch ein? Euch meinem Befehl zu widersetzen? Welchen Grund kann es dafür geben? herrscht er sie an.
Dass sie überhaupt anfangen zu sprechen, ist schon erstaunlich. Was sie dann sagen noch viel mehr.
„Wir können nichts dafür“, sagen die beiden. „Die hebräischen Frauen sind so stark. Bis wir da sind, ist das Kind längst geboren und liegt an der Brust der Mutter. Da können wir nichts mehr machen.“
Was für ein Mut und was für eine Klugheit!
Die beiden Frauen gehen überhaupt nicht auf den Vorwurf des Pharaos ein.
Sie lassen sich nicht klein machen von diesem riesigen Herrscher und lassen sich nicht einschüchtern von seiner Macht.
Sondern sie widersprechen dem Pharao mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung: Die Frauen sind stark. Sie gebären alleine. Wir kommen immer zu spät.
Da weiß er nichts drauf zu sagen. In der Geburtshilfe kennt er sich nicht aus und so lässt er sie wieder gehen.
Und die Kinder können weiter auf die Welt kommen.
Schifra bedeutet Schönheit
Pua bedeutet Glanz.
Schönheit und Glanz bringen die beiden Frauen in die Welt, wenn sie bei der Geburt helfen. Und Schönheit und Glanz geben sie den Frauen, die gebären, zurück, wenn sie sagen: Sie sind so stark.
Mich beeindruckt diese Geschichte immer wieder. Weil so deutlich wird: Hier werden zwei Frauen aus ihrem Alltag herausgerissen und in eine völlig neue Situation gestellt. Nie im Leben hätten sie sich das träumen lassen. In keiner Weise fühlen sie sich vorbereitet. In jeder Hinsicht sind sie unterlegen. Und trotzdem geben sie nicht auf.
Und dann ist es genau ihr Alltagswissen, das ihnen hilft, sich zu erklären und ihr Glaube an Gott, der sie bestärkt, dem Leben zu dienen. Sie müssen nichts anderes machen um mutig zu sein, als miteinander ihrer Arbeit nachgehen und auf ihren inneren Kompass zu hören. Es ist alles in ihnen, was sie brauchen, um Grenzen zu überschreiten und dem Leben zu dienen. Es ist alles da.
Viele Jahrhunderte später schickt Jesus seine Jünger los. Auch sie sind immer zu zweit, auch sie sollen auf das vertrauen, was in ihnen steckt. Alles andere werden sie bekommen: Brot, Geld, Schuhe, Wasser.
Jesus spricht vom Licht der Welt, das in uns allen ist und das wir hell strahlen lassen sollen. Voll Glanz und Schönheit. Und der Wochenspruch aus dem Epheserbrief sagt: Wandelt als Kinder des Lichts. Schönheit und Glanz leuchten
hier auf und strahlen bis an die Grenzen, die uns begegnen.
Mutig Grenzen überschreiten, das heißt für mich dann:
Nicht ängstlich auf Situationen warten, in denen das notwendig wird, sondern mutig vertrauen, dass schon alles da ist, was ich dafür brauchte.
Nicht immer denken, das könnte ich nie, sondern mutig vertrauen, dass genau das, was ich kann, das Entscheidende ist.
Mich nicht immer klein und unwirksam fühlen, sondern mutig vertrauen, dass wir viele sind und schon zu zweit Großes bewirken können.
Schifra und Pua – Schönheit und Glanz, ihr Mut strahlt bis heute und lädt uns ein, auch in diesem Licht zu leben und es weiterzugeben. Amen
Miteinander und füreinander beten:
Gütiger Gott, du hast uns in Schifra und Pua mutige Frauen geschenkt,
die trotz großer Gefahr ihrem Gewissen und ihrem Glauben gefolgt sind.
Hilf auch uns, im Vertrauen auf dich für das Leben einzustehen
besonders für die Schwächsten und Schutzbedürftigsten unter uns.
Schenke uns ein hilfsbereites Herz.
Lass uns nicht wegsehen, wenn andere Hilfe brauchen,
sondern bereit sein, uns einzusetzen – mit kleinen und großen Taten.
Wir bitten Dich: Erhöre uns
Gütiger Gott, Wir bitten dich besonders für alle Kinder dieser Welt,
für die Ungeborenen, für die Schwachen und Wehrlosen.
Stelle ihnen Menschen zur Seite, die sie schützen und für sie eintreten.
Menschen, die ihre Grenzen achten und bewahren.
Wir bitten Dich: Erhöre uns.
Gütiger Gott, wir bitten dich für alle Menschen,
die im Verborgenen Gutes tun, die niemand lobt,
die keine Anerkennung suchen.
Stärke sie in ihrem Tun und segne ihren Einsatz.
Wir bitten Dich: Erhöre uns.
Gütiger Gott, Stärke alle, die in schwierigen Situationen
Verantwortung für andere tragen,
und segne sie mit deiner Weisheit und deinem Beistand.
Schenke ihnen Mut, auch gegen Widerstände das Richtige zu tun –
so wie Schifra und Pua für das Leben einstanden.
Wir bitten Dich: Erhöre uns
Gütiger Gott
Wir bitten dich für unsere Gesellschaft, unserer Kirche und unsere Welt:
Hilf uns, gerechter miteinander umzugehen und füreinander einzustehen.
Lehre uns, in jedem Menschen dein Ebenbild zu erkennen ob alt oder jung, bekannt oder fremd
und schenke uns den Mut, ihnen mit Liebe und Respekt zu begegnen.
In der Stille denken wir an die, die uns besonders am Herzen liegen:
Wir bitten Dich: Erhöre uns
Gütiger Gott, bring der Welt Licht, Hoffnung und Frieden.
Nimm uns auf in Dein Licht, damit wir für andere zum Licht werden,
leuchtend und wärmend.
Amen
Mit Jesu Worten beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Segen:
Es segne und behüte dich Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen
(M. Kaasch und D. Barrot)