„FREMD“ – Malerei und Zeichnungen von Franz Gabriel Walther
Eröffnung am 26. Mai im Rahmen des „Kirchentag auf dem Weg“
Fremdsein, Fremdheit, das Fremde gehört von jeher zu den grundlegendsten Erfahrungen der Menschheit. Wanderbewegungen der Nomaden, Völkerwanderungen, Kriege und Eroberungen, aber auch gewinnbringende Begegnungen, der Austausch von fremdem Wissen, von Waren, von Genen bilden unsere Geschichte und sind jedem von uns in unseren individuellen Herkünften eingeprägt.
Unser Stand der Wissenschaften und unser technischer Fortschritt, aber auch unsere Haltung zu universellen Menschenrechten sind ohne den Mut, uns in Fremdes, Unbekanntes hineinzuversetzen, nicht denkbar.
Andererseits gibt es kaum etwas, was Menschen (Tieren auch) mehr Furcht einflößt als alles, was mit Fremdheit zu tun hat.
Denn Fremdes, die Fremden, die zeitweise oder für immer bei uns leben wollen, das dunkle Unbekannte, das wir nicht abschätzen können, erinnern uns daran, dass unser Verortetsein in gewohnten, uns passenden und gut funktionierenden Zusammenhängen nicht selbstverständlich ist. Es gibt Zeiten, in denen wir uns um das Vertrautsein mit unserem eigenen Dasein schwer bemühen müssen. Entfremdung von geliebten Menschen, von Kollegen, vom Beruf, von Partnern und Kindern gehört zu den schmerzhaftesten Erlebnissen.
Fremd können uns auch unser Land und unsere Zeit werden, wenn wir uns in ihnen nicht mehr sicher aufgehoben oder wahrgenommen fühlen.
Jeder von uns hat schon Fremdheitsgefühle gespürt, hat Fremdheitserfahrungen gemacht, und sei es – gesucht oder zufällig – auf Reisen oder im Urlaub.
Fast jeder ist fast überall fremd. Fremd zu sein oder Fremdes zu fürchten und damit zurecht zu kommen oder auch nicht, hat etwas mit unserer persönlichen Einstellung zu Veränderungen zu tun.
Machen sie uns Angst oder können wir im Wandel eine Möglichkeit finden, uns und unser Leben neu zu erfinden und mit anderen Augen zu betrachten? Sind wir bereit, uns auf den Weg zu machen, unterwegs zu sein zu neuen Ufern? Oder wollen wir lieber, dass alles immer so bleibt, wie es ist? Müssen wir uns nicht fragen, ob das, was für uns passt, auch für unsere Kinder noch passend ist?
Das Fremdheitsthema spielt in den meisten meiner Arbeiten aus den vergangenen Jahren eine Hauptrolle, Sie werden es in den Bildern wiederfinden. Das Gedicht von Helga M. Novak, aber auch viele andere Texte, Lyrik – „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“ – die kraftvollen wie feinfühligen Gedichte von Sahra Kirsch, die stillen Landschaften Wolfgang Mattheuers und Isaak Lewitans und natürlich die Musik von Monteverdi bis Peter Gabriel beeinflussen und inspirieren mich. Fremdfühlen, Ausgegrenztsein, „Nicht Zugehörig“ sind die Hintergründe, vor denen viele Künstler sich schaffend = bewältigend wiederfanden. Die Frage nach Geborgenheit und Teilhabe, die unbeantwortet verhallt, die Wut, der Rückzug, die Reise ins Innere, die Umwandlung all dessen in schöpferische Kraft kennzeichnet Werke, die allgemein verständlich sind.
Aber nicht nur inhaltlich – auch im Arbeitsprozess holt es mich ein:
Wenn ich den Stift oder den Pinsel auf die weiße Fläche, die Terra Inkognita des Papiers oder der Leinwand setze, betrete ich fremdes Terrain. Ich weiß noch nicht, was mich erwartet. Gastfreundschaft oder Giftpfeile? Ich gehe auf eine Reise, die mich beflügeln, aber auch in die absolute Irre, in Finsternis und Verwirrung bringen kann.
Ich würde es nicht erfahren, wenn ich nicht losginge. Und ich würde keine Bilder malen können, wenn ich sie nicht suchen würde, um mich mit ihnen vertraut zu machen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Reise durch die Bilder dieser kleinen Ausstellung.