Reformationsfest 2020

  • Eröffnung

Am Reformationswochenende erinnerten wir uns an den Grundgedanken Luthers: Im Glauben sind wir Heilige im Priestertum aller Gläubigen. Ein ganz ähnlicher Gedanke begleitete auch die Heilige Messe zum Sonntag Allerheiligen in der Kirche zu heiligsten Dreieinigkeit. Heilig durch Gottes Gnade sind wir. Für ein gesegnetes Leben und Sterben. Amen.

  • Ein Lied: „Gott ist gegenwärtig“ (EG 165)

1 Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.

2 Gott ist gegenwärtig, dem die Cherubinen Tag und Nacht gebücket dienen. Heilig, heilig, heilig! singen ihm zur Ehre aller Engel hohe Chöre. Herr, vernimm unsre Stimm, da auch wir Geringen unsre Opfer bringen.

8 Herr, komm in mir wohnen, lass mein‘ Geist auf Erden dir ein Heiligtum noch werden; komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, dass ich dich stets lieb und ehre. Wo ich geh, sitz und steh, lass mich dich erblicken und vor dir mich bücken.

  • Aus Psalm 46

Gott ist unsre Zuversicht und Stärke,
eine Hilfe in den großen Nöten,
die uns getroffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht,
wenngleich die Welt unterginge
und die Berge mitten ins Meer sänken,
wenngleich das Meer wütete und wallte
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.

Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben
mit ihren Brünnlein,
da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.
Gott ist bei ihr drinnen,
darum wird sie fest bleiben;
Gott hilft ihr früh am Morgen.
Die Völker müssen verzagen und die Königreiche fallen,
das Erdreich muss vergehen, wenn er sich hören lässt.
Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.
Kommt her und schauet die Werke des HERRN,
der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet,
der den Kriegen ein Ende macht in aller Welt,
der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt.

Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!
Ich will mich erheben unter den Völkern,
ich will mich erheben auf Erden.
Der HERR Zebaoth ist mit uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz.

  • Die Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium

Als er aber das Volk sah, ging Jesus auf einen Berg.
Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

  • Gedanken zu den Seligpreisungen

Die Lippersdorfer Kirche in einem kleinen Dorf nahe des Hermsdorfer Kreuzes wird geschmückt von einer Kassettendecke. Es ist eine schlichte Bauernmalerei, aber vielfältig ausgestaltet mit Rocaillen im Stil des Übergangs vom Barock zum Rokoko. Das Konzept der Anordnung ist bestimmt von einem planvollen theologischen Programm. Über dem Kirchenschiff sind 5×8 Tafeln und über dem Chor noch einmal 3×5 kleinere, also ingesamt 55 Tafeln angebracht. Die Tafeln im Schiff sind mit biblischen Szenen aus dem Alten Testament bemalt und werden von einem Wort aus dem Neuen Testament begleitet. So sind 32 Tafeln im Kirchenschiff gestaltet. Die Tafeln im Chor hingegen zeigen die Apostel und die Heilige Trinität, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Fehlen noch 8 Tafeln im Kirchenschiff. Sie sind der biblischen Geschichte vorangestellt und illustrieren jeweils eine der Seligpreisungen.

Ich sitze also in der etwas harten und engen, hölzernen Kirchenbank, über mir das menschliche Treiben der Bibel. Es geht dort ebenfalls hart und eng zu. Wenn ich mich richtig erinnere, sind es allein drei Steinigungen, die ich hier dargestellt finde. Ihnen beigesellt sind neutestamentliche Worte Jesu oder der Apostel. Dem schließt sich im Chor die kirchliche Tradition an. Das Glaubensbekenntnis und die trinitarische Lehre. Unter ihnen der Liturg und Ausleger des göttlichen Wortes. So ergibt sich ein Stromkreis, der Gottesdienstbesucher mit seinem Leben unter dem biblischen Leben, mehrfach ausgelegt und bedacht durch Neues Testament, Glaubensbekenntnis, Theologie und Predigt. Ein lebendiges Bedenken des Wortes Gottes, dass sich in dieser Darstellung entfaltet.

Und wie Jesus seiner Rede auf dem Berg die Seligpreisungen voranstellt, stellt auch der Entwurf dieser Dorfkirchendecke die 8 Sätze dem Nachdenken über das selige Leben voran. Selig sein ist die Voraussetzung für das Hören und Deuten des göttlichen Wortes.

Die Seligpreisungen haben Gewicht. Sie sind Grundlage für mein Leben vor Gott. Wie kann ich selig werden? Jesus beantwortet diese Frage im Ton der Frage nach der Gerechtigkeit vor Gott, die das Matthäusevangelium wesentlich bestimmt. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Das ist so ein Satz voller matthäischer Gerechtigkeit. Meiner Erfahrung in dieser Welt wird er nicht gerecht. Die Sanftmütigen fallen eher hinten runter. Kriegen bestenfalls nur ein kleines Stück vom Kuchen und werden oft übersehen. Sie fallen aus dem Blick. Ihnen wird nichts zugeschanzt. Sie gehen öfter leer aus. Jesus meint aber etwas anderes als irdischen Besitz. Ihm geht es um das Ansehen vor Gott. Das steht oft genug gegen die Regeln dieser Welt. Geistlich arm sein, Leid tragen, sanftmütig nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, Barmherzigkeit üben, Frieden stiften, verfolgt werden. In der Schule und im Leben habe ich davon nur wenig gelernt.

Wie kann ich also selig werden? Bei dieser Frage fällt mir eine der Preisungen besonders ins Auge. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. In dieser Preisung erkenne ich am deutlichsten, wie ich selig werde und Ansehen vor Gott gewinne. Gott schauen, das heißt umgekehrt von Gott angesehen werden. Vor Gott Ansehen haben. Das gelingt mit einem reinen Herzen. Ich nehme es heraus, sprühe es mit Fensterglasreiniger ein und poliere es blitzblank. Zum Schluss noch etwas Desinfektionsmittel. Aber es will nicht rein werden. Das ist der falsche Weg.

Es ist also nicht der Schmutz, den ich im Haushalt bekämpfe, von dem mein Herz rein sein soll. Ich suche noch einmal nach einem Rat. Dietrich Bonhoeffer schreibt in seiner großen Auslegung der Bergpredigt: Das reine Herz ist das einfältige Herz des Kindes, das nicht weiß um Gut und Böse, das Herz Adams vor dem Fall, das Herz, in dem nicht das Gewissen, sondern Jesu Wille herrscht. Rein ist mein Herz also, sagt Bonhoeffer, wenn ich im Verzicht stehe auf das eigene Gute und Böse.

Dieser Verzicht fällt mir nicht leicht. Ich will nicht böse sein. Aber es ist so verführerisch und bequem. Auch wenn das Gewissen drückt. Ich lasse meinen Nächsten links liegen, weil ich gerade was „Besseres“ zu tun habe. Gut will ich schon sein. Aber ist es wirklich gut? Schleicht sich da nicht schon wieder das Böse ein. Zu glauben, dass ich besser bin als mein Nächster, der vielleicht nicht meinem persönlichen Wertekompass entspricht. Den ich aus guten Gründen links liegen lasse. Den schimpfenden Patienten im Krankenhaus, den grölenden Teilnehmer einer Coronademo, den stummen und verstockten Partner, den stinkenden Penner vor dem Bahnhof, das bockige Kind. Alle diese Menschen ordne ich fest ein in mein vorgegebenes Schema von Gut und Böse. Und manche, ja viele fallen durch das Raster. Sind nicht gut genug. Wie ich selbst. Meistens falle ich sogar vor mir selbst durch – vor meinem strengen Urteil. Unreinen Herzens. Mein unreines Herz hat mir den Blick verstellt. Bildet sich was ein auf sein Gewissen. Meine irdischen Mühen der Reinigung bleiben vergeblich.
Ein reines Herz sieht davon ab. Richtet den Blick auf. Schaut Gott und wie er dich und mich gemeint hat.

Den Blick Gottes muss ich mir schenken lassen, denn das Wort steht nicht fest. Ich kann es nicht besitzen. Es will leben und ausgetauscht werden. Im Stromkreis elektrisiert werden. Damit kann ich mein Herz spülen, im klaren, fließenden Wasser. Ich stelle es in den Strom der Gedanken und Gefühle meiner Mitmenschen und des göttlichen Wortes. Ich frage nicht nach Gut und Böse, unbekümmert wie ein Kind, ich frage nach Gott und nach dir, kann sein, dass dabei mal was schief geht, oder dass es gelingt, aber das ist egal. Mein Herz lebt, rein aus Glück und Seligkeit.

Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Gott, du hast mir zugesagt, dass ich schon selig bin.
Hilf mir, dass ich deine Zusage reinen Herzens annehmen kann
und lauteren Geiste bete mit den Worten Jesu Christi:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)