16. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Eine Kerze anzünden. Still ins Kerzenlicht schauen.Der Spruch für die kommende Woche aus dem 1. Kapitel im 2. Timotheusbrief lautet: Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. Diese Gewissheit begleite uns durch die neue Woche.

  • Lied: Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut

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Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut,
für die Ängste, für die Sorgen,
für das Leben heut und morgen:
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut.

Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut,
für die Wahrheit einzustehen
und die Not um uns zu sehen:
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut.

Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut,
für die Zeit in der wir leben;
für die Liebe, die wir geben:
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut.

Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut,
für die vielen kleinen Schritte.
Gott, bleib du in unsrer Mitte:
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut.

  • Psalm 68

Die Gerechten sind freuen sich und sind fröhlich vor Gott
und freuen sich von Herzen.
Singet Gott, lobsinget seinem Namen!
Macht Platz dem, der auf den Wolken einherfährt;
Er heißt HERR. Freuet euch vor ihm!
Ein Vater der Waisen und Helfer der Witwen
ist Gott in seiner heiligen Wohnung,
ein Gott, der die Einsamen nach Haus bringt,
der Gefangenen herausführt,
dass es ihnen wohlgehe;
aber die Abtrünnigen bleiben in dürrem Lande.
Gelobt sei der Herr täglich.
Der Herr legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.
Wir haben einen Gott, der da hilft,
und den HERRN, einen Herrn, der vom Tode errettet.
Gebt Gott die Macht! Seine Herrlichkeit ist über Israel
und seine Macht in den Wolken.
Zu fürchten bist du Gott, in deinem Heiligtum.
Er ist Israels Gott.
Er wird dem Volk Macht und Kraft geben.
Gelobt sei Gott!
AMEN.

  • Worte aus dem 2. Brief an Timotheus im Kapitel 1,7-10

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn
noch meiner, der ich sein Gefangener bin,
sondern leide mit für das Evangelium in der Kraft Gottes.
Er hat uns selig gemacht und berufen
mit einem heiligen Ruf,
nicht nach unserem Werken,
sondern nach seinem Ratschluss
und nach der Gnade, die uns gegeben ist
in Christus Jesus vor der Zeit der Welt,
jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung
unseres Heilands Christus Jesus,
der dem Tode die Macht genommen
und das Leben und ein unvergängliches Wesen
ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

  • Gedanken zum Text

Es ist fast zwei Jahre her. Ich sehe ihn noch vor mir, unseren ältesten Enkel.
Aufgeregt, eine Mappe mit Zeichnungen in der Hand, die er uns Großeltern zeigt.
Damit will er zum Aufnahmegespräch an die „Burg“ und hofft, einen Studienplatz für ein Lehramtsstudium zu bekommen.
„Die nehmen mich bestimmt nicht, es wird nicht reichen“, so seine Sorgen.
Wir Großeltern sprechen ihm Mut zu. „Du schaffst das, du kannst etwas, du bist gut.“
Und so macht sich der 19jährige auf den Weg in den Ernst des Lebens.
Wir bleiben zurück und hoffen, dass ein wenig von unserer Zuversicht und unserem Vertrauen in sein Können mit ihm geht.
So ähnlich hat sich das wohl auch der Verfasser des 2. Timotheusbriefes gedacht, aus dem wir die Lesung gehört haben. Timotheus gilt als enger Vertrauter und Mitarbeiter des Paulus. Und er hat den Zuspruch wohl bitter nötig. Er sitzt in seiner Gemeinde in Kleinasien und soll die Arbeit fortführen, die Paulus begonnen hat. Dass das fürwahr keine leichte Aufgabe ist, weiß er aus der Zeit als er Paulus auf seinen Reisen quer durch die damals bekannte Welt begleitete.
Immer waren sie unterwegs um das Evangelium unter die jungen christlichen Gemeinden zu bringen. Dazu gehörten auch Ablehnung, Rückschläge und damit natürlich auch Furcht vor Repressalien. Furcht ist normal. Zumal, wenn man unter fremde Menschen gerät, Rede und Antwort stehen muss, misstrauisch angesehen wird. Und das eigene Verhalten an einer Botschaft
ausrichten muss, die in vielen Fällen im Widerspruch zu anderen Botschaften steht.
Das ist nicht einfach und Timotheus wird ab und an jemanden gebraucht haben, der ihm gut zuredet, ihm Mut macht und ihn unterstützen will. Dazu gehört dieses „Mutmachwort“ – „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“.
Das gilt nicht nur für Timotheus damals sondern ebenso für uns heute.
Es geht dem Verfasser des Briefes nicht nur um Timotheus „Uns“ heißt es da. Er kennt offenbar diese Situationen und Erfahrungen, wo die frohe Botschaft, die verkündet wird nichts ausrichtet.
Wo die Furcht vor den Auswirkungen klarer Rede aufkommt, und man lieber den Kopf in den Sand
steckt und den lieben Gott einen guten Mann sein lässt.
Da fehlt die „Gottesfurcht“, die Achtung vor Gott. Da geht es um den Stellenwert Gottes im eigenen Leben. Ist er der „bärtige alte Mann im Himmel“ oder ist er „der Herr meines Lebens und allen Lebens“. Gilt für mich „Gott ist der Herr des Lebens“ macht es frei für die Liebe zu allem, was da kreucht und fleucht. Da ist dann die Achtung vor Gott und seinem Willen. „Gottesfurcht“ kein antiquierter Begriff – sondern eher ein Wort des Jahres oder aller Zeiten.

Timotheus kannte den Begriff sicher. Sein Name heißt auf deutsch soviel wie „Er fürchtet Gott“.
Doch auch Timotheus schafft es nicht, in letzter Konsequenz für diesen Gott einzustehen, den er den Herrn seines Lebens sein lässt.
Wir können Timotheus verstehen, spielt doch in vielen Diskussionen innerhalb unserer Kirchen nicht die Gottesfurcht die Hauptrolle, sondern die Furcht vor Bedeutungsverlust, Mitgliederschwund und Mangelverwaltung. Die Furcht vor einer Zukunft, in der christlicher Glaube mit all seinen Positionen, Werten und Haltungen nur noch eine Randerscheinung ist, nimmt die Zuversicht, den Mut und kostet uns die Besonnenheit.
Da kann uns Gott eigentlich sinnbildlich „nur noch in die Arme nehmen“ und Mut zusprechen, Mut, den wir allein gar nicht aufbringen müssen. Gott gibt. Immer wieder. Nicht den Geist der Furcht, sondern der Kraft der Liebe und der Besonnenheit. Weil selbst die Gottesfürchtigen Zuspruch brauchen. Mit ihrem Anspruch, Gottes Anspruch in dieser Welt Stimme und Gewicht zu geben. Und andere Menschen davon zu überzeugen, dass dieser Anspruch Zuspruch für ihr Leben ist.
Doch wir gehen oft verloren im Spannungsfeld von Anspruch und Zuspruch.
Vermissen den Zuspruch und scheitern am Anspruch.
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Reiner Zuspruch. Gott nimmt uns in den Arm.
Nur Mut. Du kannst das. Du schaffst das. Weil meine Kraft und meine Liebe und meine Besonnenheit mit dir gehen in den Ernst des Lebens.
Und gerade diese drei guten Geister Gottes können wir nun wirklich brauchen im Streit der Geister unserer Tage.
Zum Beispiel in den endlosen Debatten um die Zukunft unserer Kirche. Da brauchen wir eindeutig Besonnenheit. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt wird nicht untergehen. Weil es Gottes Schiff ist. Es braucht sicher Kursänderungen. Da helfen aber weder Panik noch Resignation. Da braucht es eine Mannschaft, die Gottes Horizont in den Blick nimmt und den richtigen Kurs findet.
„Man lässt keine Menschen ertrinken!“ Punkt. Dieser Satz vom Kirchentag 2019 lässt aufmerken.
Debatten über Flüchtlingsquoten und Fluchtursachen retten kein einziges Menschenleben. Helfen können nur die, die Menschen aus dem Wasser ziehen und an Bord nehmen.
So hat es Jesus gemeint als er sich den Ärmsten und Schwächsten zugewendet hat.
Die Entscheidung, im Namen der Kirche ein Seenotrettungsschiff auszuschicken, hat viel mit dem Geist spürbarer und sichtbarer Liebe zu tun.
Da ist auch das politische Klima in der Welt aber auch in unserem Land.
Wie kann eine gelingende Kommunikation aus christlicher Perspektive mit einer mehr oder minder gesprächsbereiten Umwelt geführt werden,
wenn Kommunalpolitiker Personenschutz benötigen, Juden sich täglich bedroht fühlen, Muslime unter kriminellen Generalverdacht geraten?
Das ist mühsam und kostet viel Geduld. Aber es ist letztlich der einzige Weg, der zu gesellschaftlichem Frieden führt. Dafür brauchen wir Rückgrat und Rückenwind, dafür brauchen wir Kraft und Liebe und Besonnenheit.
Es waren sicher nicht unsere Probleme, die Timotheus umgetrieben haben. Aber die Fragen nach gelingendem Leben in der christlichen Gemeinde, die alle, auch die Armen und Schwachen einbezieht, die waren auch ihm bekannt. Und so sind die alten Worte der Bibel auch für uns heutige Menschen relevant: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Vor dich, Gott bringen wir unsere Sorgen und Nöte.
Wir können sie nicht allein bewältigen. Wir brauchen dich.
Wir legen dir die vielen Flüchtlinge ans Herz, die jetzt unterwegs sind.
Verletzt an Leib und Seele.
Umhergestoßen und angefeindet – Erwachsene und Kinder.
Hilf du!
Und hilf uns zu helfen.
Wir legen dir die Menschen ans Herz, die Verantwortung tragen.
Die Regierenden in den Krisenländern, die Regierenden bei uns.
Frieden wünschen wir für uns und alle Menschen.
Wir legen dir die Menschen ans Herz, die niemand liebend berührt.
Menschen, die traurig oder einsam sind.
Gib Mut auf sie zuzugehen, dass sie Zuwendung erfahren.
Wir legen dir die Menschen ans Herz, die sich engagieren
in unseren Gemeinden, in Vereinen, Initiativen oder in ihrer Nachbarschaft.
Gib ihnen Kraft für ihr Tun.
Wir wollen dir nahe sein. Sei bei uns und stärke uns.
Das bitten wir mit dem Gebet, dass uns dein Sohn zu beten gelehrt hat.

Vaterunser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns.
Er lasse uns sein Antlitz leuchten.
Gott segne uns, und alle Welt fürchte ihn.

(Lektorin Gudrun Naumann)

15. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Ohne Sorgen sollen wir sein. Leicht gesagt, lieber Gott. Aber sieh uns an. Wie leicht auch vergessen wir, wofür du sorgen wirst. Nimm uns deshalb jetzt mit in deine Welt, dass wir wieder unsere Augen schärfen und auf dein Wort hören. Im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

  • Ein Lied: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369,1.7)

1) Wer nur den lieben Gott lässt walten
Und hoffet auf Ihn allezeit
Der wird er wunderbar erhalten
In aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott dem Allerhöchsten traut
Der hat auf keinen Sand gebaut.

7) Sing, bet und geh auf Gottes Wegen
Verricht das Deine nur getreu
Und trau des Himmels reichem Segen
So wird Er bei dir werden neu.
Denn Welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt den verlässt Er nicht.

  • Aus Psalm 127

An Gottes Segen ist alles gelegen

Wenn der HERR nicht das Haus baut,
so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der HERR nicht die Stadt behütet,
so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht
und hernach lange sitzet
und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.

  • 1. Mose 2,4b-25 (Der zweite Schöpfungsbericht)

Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben. Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. Und Gott der HERR machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen wurde keine Hilfe gefunden, die ihm entsprach. Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und Gott der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.

  • Gedanken zu 1. Mose 2,4b-25

Es ist eine irdische Welt, in die der „zweite“ Schöpfungsbericht einführt. Die Beschreibung des Ortes Eden, des paradiesischen Gartens, setzt ein mit der materiellen Kennzeichnung der schöpferischen Elemente. Ackerboden, Regen- und Quellwasser und die – göttliche – Atemluft. Es grünen Strauch, Kraut und Baum; Mensch und Tier leben auf. Eingebettet ist dieser Garten in eine geographisch und historisch bestimmte Umgebung, die umflossen wird von vier großen Strömen. Einer wird besonders hervorgehoben durch seinen Reichtum an edlen Materialien: kostbares Gold, Bedolachharz und dem Edelstein Schoham, dem Onyx vergleichbar. Das Menschenwesen wohnt nach Gottes Willen in diesem Garten. Gott führt ihm die Tiere zu. Der Mensch benennt sie. Nicht allein wegen der Ordnung sondern auch auf der Suche nach einer Hilfe und einem Gegenüber für ihn. Die Namen sind gut für Gott, doch keines der benannten Wesen entspricht dem Menschen so, wie es Gott für gut ansieht. Nach seinem Urteil, oder besser gesagt, nach seinem göttlichen Willen, ist dieses Gegenüber ein Wesen vom menschlichen Fleisch selbst. Von dort nimmt Gott das Material für eine entsprechende Partner*in.

So wird es beschrieben in der Bibel in gerechter Sprache:

„Da ließ Adonaj, also Gott, einen Tiefschlaf auf das Menschenwesen fallen, dass es einschlief, nahm eine von seinen Seiten und verschloss die Stelle mit Fleisch. Dann formte Adonaj, also Gott, die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau und brachte sie zu Adam, dem Rest des Menschenwesens. Da sagte der Mensch als Mann: »Dieses Mal ist es Knochen von meinen Knochen, und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Ischscha, Frau, genannt werden, denn vom Isch, vom Mann, wurde die genommen!« Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich mit seiner Frau verbinden. Sie werden ein Fleisch sein. Und obwohl die beiden nichts anhatten, der Mensch als Mann und seine Frau, schämten sie sich nicht.“

Der in zwei Wesen geteilte Ursprungsmensch, so macht es diese übersetzende Interpretation deutlich, ist zueinander geordnet als Mann und Frau, der eine wie die andere in gleichen Teilen. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, das dem Menschenwesen innewohnt, gewinnt Gestalt in dieser Auf-Teilung. Was dem einen zugehört, verkörpert die andere in ungebrochenem Ansehen. Sie erkennen sich als einander zugehörig und vollkommen. In der biblischen Sprache heißt es: Sie schämten sich nicht. In der Sprache des Dichters Marco Organo (Dorfschönheit, Halle 2015, S. 29) klingt das so:

Die Welt und die Dinge
erscheinen näher im Spiegel.
Ich aber sage, ein zweites Paar Augen
ist der bessere Spiegel!
Dort bricht nicht einfach nur Licht.
Alles Erblickte wird schön.
Erhält Kontur, verschwiegenen Grund.

Was vor Augen liegt und was auf dem Grunde der Ewigen ruht, wird sichtbar im Gegenüber.  Es ist im Anblick vollkommen. Gott sagt, es ist gut. Der Mensch urteilt (noch) nicht. Ihm ist sein Gegenüber offenbar und er seinem Gegenüber, ohne Scham und schön.

Liebe Leserinnen und Leser,

es klingt wie das Paradies. Es ist das Paradies. Was Eden von unserer Welt unterscheidet, liegt also nicht in der himmlischen, überirdischen Art dieses Gartens. Der Unterschied liegt in der Art und Weise, wie wir uns einander ansehen und welches Ansehen wir untereinander haben. Wo dieses Ansehen in göttlicher Güte ruhte und nicht in menschlichen Bewertungen, könnte sich jedes Menschenwesen ohne Scham zeigen. Eine Welt ohne Scham machte also aus dieser Welt der Gier und der Gewalt ein Paradies. Gewalt und Begehren treten erst dann zutage, wenn der Mensch nach seinem Urteil gut dastehen will vor Seinesgleichen. Die Scham ist somit Quelle unserer Zivilisation, die einerseits unser gemeinschaftliches Leben trägt, und andererseits Ursprung ihrer Risse, Zerwürfnisse und des Elends.

Es beginnt mit Kain, der nach seinem Urteil nicht das gleiche Ansehen vor Gott hat wie sein Bruder Abel. Er schämt sich vor seinem Bruder, vielleicht auch vor seinen Eltern, und vor Gott. Um das Ansehen auf sich zu lenken, vernichtet er den Bruder und schlägt ihn tot. Die biblische Geschichte der verlorenen Schamlosigkeit und des verlorenen Ansehens wird hier konsequent weitererzählt; und endet in einer Zeit, in der sich Wenige mit einem überbordenden Luxus schmücken, um in der Welt zu glänzen. Auf Kosten derer, denen oft das Notwendigste fehlt.

Wie ein unentrinnbares Schicksal herrscht diese Geschichte über der menschlichen Natur.

Meine Hoffnung aber liegt darin, dass der Alltag mir Gelegenheiten bietet, Gottes Geschöpfe mit seinen Augen zu sehen, ihnen paradiesische Kontur zu geben und den verschwiegenen Grund göttlicher Güte wahrzunehmen.

Ein Stück Paradies offenbart sich, dort

wo der junge Mann mit Freude früh um 6 Uhr auf den Bus wartet, um die Frau im Rollstuhl zu begleiten;

wo das Pärchen im Supermarkt, die ziemlich auffallen in ihren knallroten Kostümen, sich selbst auf eine so rührende Art genügen, dass ihnen mein scheeler Blick zum Glück entgeht;

der alte Mann, der etwas früher erwacht, und seinen Blick auf der schönen Frau neben sich ruhen lässt, die ihm das Herz schon seit Jahrzehnten trägt.

Das Paradies liegt nicht fern, es liegt im Auge des Betrachters, von Gottes Segen getragen.

Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Guter Gott,
oft wollen wir besser scheinen als wir sind;
vor uns selbst, vor unseren Mitmenschen und vor dir.
Wieviel Unglück und Not erwachsen daraus,
in der großen Politik, angesichts der flüchtenden Menschen, brennender und verdorrter Wälder und weltweiter Krankheiten und Kriege;
wie auch im Kleinen, in der Partnerschaft, auf der Arbeit und vor unserem Nächsten.
Stärke den Glauben in uns, dass du uns so gemacht hast, wie es deinem Willen entspricht.
Stärke den Mut der Politiker, dass sie ihrem Verstand und ihrem Herzen folgen
auch gegen den mutmaßlichen Willen ihrer Wähler.
Stärke unseren Stolz, dass wir nicht aus Eigennutz in unseren Beziehungen für das eigene Ansehen die Liebe zueinander opfern.
In deinem Sohn Jesus Christus hast du uns vor Augen gestellt, wie du uns siehst als deine geliebten Geschöpfe, die sich ohne Scham dir nähern dürfen.
Mit den Worten Christi beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)

Bericht aus dem Gemeindekirchenrat (02.09.2020)

Am Mittwoch, dem 2.September traf sich der GKR der Luthergemeinde.
Wieder saßen wir, verbunden durch unsere Aufgabe aber mit gebührendem räumlichem Abstand zusammen.
Ein besonderer Tagesordnungspunkt war das Gespräch mit Superintendent Kant über die Bewertung der Entsendungszeit von Pfarrer Bucher in unserer Gemeinde. Das Echo aus allen Gemeindegruppen war durchweg sehr positiv und wir konnten die Zuerkennung der Anstellungsfähigkeit als Pfarrer auf Lebenszeit an Pfarrer Bucher einstimmig befürworten.
Sorgfältig haben wir auf die nun wieder stattfindenden Gemeindeveranstaltungen zurückgeblickt:
wie war die Resonanz und konnten wir die gebotenen Hygienevorschriften einhalten.
Sicher ist unser Gemeindeleben jetzt ein anderes aber es finden wieder die Seniorennachmittage, der Bibelkreis, die Arbeit mit den Kindern, Chorproben und Gemeindeausschüsse statt. Das gibt uns endlich die Gelegenheit für gemeinsam verbrachte Zeit, für Begegnung und Austausch zurück.
Also schauen Sie in den „Boten“ oder ins Internet und kommen Sie “zu Luther“!

(Katharina Karg)

14. Sonntag nach Trinitatis 2020 (Segensfeier zum Schulanfang)

Segensfeier zum Schulanfang am 13. September 2020: Steine des Lebens

  • Eröffnung

Unsere Hoffnung, dass wir wieder miteinander Gottesdienst feiern, geht endlich in Erfüllung. Viele herrlich bunte Steine haben die Kinder gemalt und sie schmückten über die ganzen Wochen unseren Eingangsbereich in der Lutherkirche. Jetzt haben wir sie hier im Altarraum liegen. Mit ihnen waren wir in Gemeinschaft verbunden. Lasst uns den Segensgottesdienst zum Schulanfang in der Gewissheit feiern, dass Gott jetzt hier bei uns ist.
Im Namen Gottes, der unser Fels und unsere Burg ist,
Im Namen Jesus, der unser Eckstein im Glauben ist und
Im Namen der heiligen Geistkraft, die uns zu lebendigen Steinen macht. Amen.

  • Steine, Steine, nichts als Steine

Klitzeklein bis riesengroß. Die ganze Erde ist voll davon. Sie gestalten unsere Landschaften, formen Gebirge und Schluchten, bilden das Flussbett und sind im Ozean zu finden.
Sie sind oftmals älter als alles andere, was sich auf diesem Planeten befindet und sie haben den Zeiten unserer Erdgeschichte standgehalten.

Steine symbolisieren uns Kraft, Standhaftigkeit, Sicherheit, Reichtum und Ewigkeit. Steine haben in unserem Leben eine große Bedeutung und sie stehen für ganz unterschiedliche Erfahrungen und Erinnerungen.

  • Lied: Ins Wasser fällt ein Stein

Ins Wasser fällt ein Stein,
      Ganz heimlich, still und leise;
      Und ist er noch so klein,
      Er zieht doch weite Kreise.
            Wo Gottes große Liebe
            In einen Menschen fällt,
            Da wirkt sie fort
            In Tat und Wort
Hinaus in unsre Welt.

  • Biblische Erzählung: Matthäus 7,24-27

»Wer nun auf das hört, was ich gesagt habe, und danach handelt, der ist klug. Man kann ihn mit einem Mann vergleichen, der sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn ein Wolkenbruch niedergeht, das Hochwasser steigt und der Sturm am Haus rüttelt, wird es trotzdem nicht einstürzen, weil es auf Felsengrund gebaut ist. Wer sich meine Worte nur anhört, aber nicht danach lebt, der ist so unvernünftig wie einer, der sein Haus auf Sand baut. Denn wenn ein Wolkenbruch kommt, die Flüsse über ihre Ufer treten und der Sturm um das Haus tobt, wird es einstürzen; kein Stein wird auf dem anderen bleiben.«

  • Gedanken zum Text

Nicht auf Sand bauen, sondern das Fundament auf einen Felsen stellen – das ist die Antwort eines Architekten.

Auch unser Lebenshaus braucht einen sicheren Felsen für sein Fundament!
denn wir fragen:

Wer macht mir Mut?
                Wo kann ich meine Angst ablegen?

                               Wer tröstet mich in meiner Verzweiflung?
                                               Was lässt mich wieder hoffen?
                                                               Wo finde ich wieder neuen Halt?

Der Evangelist Matthäus  meint, dass Jesus Christus für uns dieser Felsen ist.

Nur so können wir die Stürme unseres Lebens meistern.

Was heißt das: Jesus Christus ist unser tragender Grund?

„Du bist von Gott geliebt“

Jesus ist gerade zu den Bedeutungslosen und Schwachen gegangen. Er hat sie angesehen und ihnen Ansehen gegeben. Ich will darauf vertrauen, dass er auch mich so wie ich bin, ansieht und annimmt.

Jesus spricht: „Deine Schuld wird dir vergeben“

Jesus hat den Sündern ihre Schuld nicht vorgeworfen, sondern er hat ihnen die Schuld vergeben. Ich vertraue darauf, dass auch ich immer wieder neu anfangen darf.

Jesus spricht: „Gerade du bist Gott wichtig und wertvoll“
Jesus hat sich zu den Menschen am Rand gestellt, die keiner mochte. Besonders wenn ich mich selbst nicht leiden kann und mich wenig liebenswert finde, sage ich mir das.

Jesus spricht: „Du sollst das Leben haben und es in Fülle haben“
Jesus Nähe und Kraft hat Kranke heil gemacht. Das gibt mir Hoffnung, dass auch meine Probleme gelöst und meine Verletzungen geheilt werden.

Es tut gut von anderen zu hören, welchen festen Boden sie unter den Füßen haben, worauf sie in ihrem Leben bauen.

Ihre Hoffnung, ihr Vertrauen schließt auch uns mit ein.

Es ist auch unser Grund und Boden, auf dem wir gehen, unser Fels auf den wir unser Leben bauen.Jesus sagt: „Ich bin wie der Felsen des klugen Mannes. Wer mir vertraut, den lasse ich niemals allein.

  • Segenslied: „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott“ (EG 171,1-3)
  1. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
    sei mit uns auf unsern Wegen.
    Sei Quelle und Brot in Wüstennot,
    sei um uns mit deinem Segen,
    sei Quelle und Brot in Wüstennot,
    sei um uns mit deinem Segen.
  2. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
    sei mit uns in allem Leiden.
    Voll Wärme und Licht im Angesicht,
    sei nahe in schweren Zeiten,
    voll Wärme und Licht im Angesicht,
    sei nahe in schweren Zeiten.
  3. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
    sei mit uns vor allem Bösen.
    Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
    sei in uns, uns zu erlösen,
    sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
    sei in uns, uns zu erlösen.
  • Gebet miteinander und füreinander

Gott, du bist ewig und uns Menschen treu. Du trägst uns. Auf dich können wir bauen. So bitten wir dich:
Sei den Menschen nahe, die meinen, alles selbst schaffen zu müssen,
und nun müde und kraftlos sind.
Gib den Menschen Halt, die vor Angst und Sorge nicht ein noch aus wissen.

Lass die Mächtigen in Wirtschaft und Politik immer wieder innehalten
und den Grund ihres Handelns bedenken.

Schenke uns ein offenes Herz, damit wir erkennen, wo du uns brauchst.
Lass uns anderen Stütze und Halt sein.

Schenke allen Kleinen und Großen bei ihrem Neubeginn im neuen Schuljahr eine gute und gesegnete Zeit.

Du ewiger und treuer Gott, du willst uns halten, tragen, und beschützen. Immer mehr soll unser Vertrauen auf dich wachsen.

Alle unsere Bitten legen wir in das Gebet Jesu:

Vater unser im Himmel
geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
Wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Stark wie ein Fels bist du Gott, beständig wie ein Stein.
Deine Treue und Nähe lass uns erfahren,
wie den Boden, auf den wir unseren Fuß setzen.
Wenn wir nun weitergehen, dann sei du Gott,
der feste Grund auf dem wir gehen.
Wenn wir anderen begegnen, dann sei du Gott unter uns.
Wenn es für uns schwierig wird, dann lass du Gott uns spüren, dass du uns trägst.
So erfülle uns du Gott mit deinem Segen.

Der Herr segne uns und behüte uns.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über uns und sei uns gnädig
Der Herr hebe sein Angesicht über uns und gebe uns Frieden.
Amen.

(Gemeindepädagogin Ulrike Simm)

13. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Unser Leben wird von der Liebe Gottes getragen. Diese Liebe ermöglicht es uns erst, auch unserem Nächsten zugewandt zu sein. So mögen auch die folgenden Gedanken uns stärken und ermuntern, Nächstenliebe zu üben. Amen.

  • Ein Lied: „So jemand sprich: Ich liebe Gott“ (EG 412)

1) So jemand spricht: Ich liebe Gott!Und haßt doch seine Brüder,Der treibt mit Gottes Wahrheit Spott,Und reißt sie ganz darnieder.Gott ist die Lieb, und will, daß ichDen Nächsten liebe, gleich als mich.
2) Wer dieser Erden Güter hat,Und sieht die Brüder leiden,Und macht den Hungrigen nicht satt,Läßt Nackende nicht kleiden;Der ist ein Feind der ersten Pflicht,Und hat die Liebe Gottes nicht.
3 Wer seines Nächsten Ehre schmäht,Und gern sie schmähen höret;Sich freut, wenn sich sein Feind vergeht,Und nichts zum Besten kehret;Nicht dem Verleumder widerspricht;Der liebt auch seinen Bruder nicht.
4) Wir haben einen Gott und Herrn,Sind eines Leibes Glieder;Drum diene deinem Nächsten gern;Denn wir sind alle Brüder.Gott schuf die Welt nicht bloß für mich;Mein Nächster ist sein Kind, wie ich.

  • Worte aus Psalm 112

Halleluja! Wohl dem, der den Herrn fürchtet,
der große Freude hat an seinen Geboten!
Sein Geschlecht wird gewaltig sein im Lande;die Kinder der Frommen werden gesegnet sein.
Reichtum und Fülle wird in ihrem Hause sein,
und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis,
gnädig, barmherzig und gerecht.
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht
und das Seine tut, wie es recht ist!
Denn er wird niemals wanken;
der Gerechte wird nimmermehr vergessen.
Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht;
sein Herz hofft unverzagt auf den Herrn.
Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht,bis er auf seine Feinde herabsieht.Er streut aus und gibt den Armen;
seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
Sein Horn wird erhöht mit Ehren.
Der Frevler wird’s sehen und es wird ihn verdrießen;
mit den Zähnen wird er knirschen und vergehen.
Denn was die Frevler wollen, das wird zunichte.

  • Worte aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6

In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und zu Tische dienen. Darum, liebe Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Geistes und Weisheit sind, die wollen wir bestellen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Proselyten aus Antiochia. Diese stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten ihnen die Hände auf. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

  • Gedanken zum Text

Die Lutherkirche ist bis auf den letzten Platz besetzt. Unter Coronabedingungen. Zweiunddreissig Familien haben sich eingefunden mit etwa jeweils 10 Gästen. Bis das so möglich war, mussten viele Stühle gerückt und umgestellt werden. Viele Schritte und vieles zu tragen gehörte zu dieser Arbeit dazu. Manchmal dachte ich: Habe ich nicht Besseres zu tun? Zum Beispiel an dieser Predigt hier zu schreiben?
Aber schließlich hatte ich ja versprochen, meinem Kollegen, der die Feier leitete, zu helfen; und das Projekt Lebenswende unterstütze ich gern.

Trotzdem musste ich an die Apostel denken, die die Witwenversorgung organisieren. „Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und zu Tische dienen.“ Das klingt so, als wäre die eine Gruppe für das Wort Gottes zuständig und die andere für das Stühleschleppen. Dabei ist der Unterschied zwischen beiden Diensten von Gott her gesehen nicht so groß. Diejenigen – und ich sehe mal darüber hinweg, dass hier nur Männer genannt werden – die für den Dienst an den Witwen ausgewählt wurden, sollen ebenfalls – wie die Apostel – einen guten Ruf haben und voll Geistes und Weisheit sein. Und so werden sie auch von den Aposteln eingeführt: mit Gebet und Segen. Die Kraft Gottes ruht auf den neuen Mitarbeitern ebenso wie auf den Aposteln. Da gibt es keinen Unterschied. Vielleicht ist es ja nur ein Gebot der Klugheit, dass die einen für das Wort und die anderen für die praktischen Tätigkeiten zuständig sind. Jeder hat doch besondere Fähigkeiten, die sich in den unterschiedlichen Tätigkeiten zeigen. Wichtig ist nur das Ergebnis: „Das Wort Gottes breitete sich aus.“ Und zwar als direkte Folge des neu eingeführten Dienstes. Die Apostelgeschichte sieht also zwischen den verschiedenen Diensten im Endeffekt gerade keinen Unterschied. Das Wirken Gottes und des Heiligen Geistes wird in Wort und Tat verwirklicht.
Und doch höre ich noch einmal auf das Wort des Apostels, der sagt: „Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen.“ Aus dem Bericht der Apostelgeschichte geht allerdings hervor, dass die Apostel den Dienst am Tisch nicht gänzlich ablehnen. Zumindest lässt sich aus dem Murren der griechischen Witwen schließen, dass die hebräischen Witwen durchaus durch die Apostel versorgt worden sind. Die schiere Menge an neuen Gläubigen würde die Apostel aber überfordern. So suchen sie sich Hilfe bei Glaubensgeschwistern, die ihnen an Geist und Weisheit und dem Segen Gottes gleichkommen. Die deutliche Unterscheidung zwischen den beiden Diensten kommt also nur zustande, weil keiner der Dienste vernachlässigt werden soll. Der Dienst am Tisch darf nicht auf Kosten des Dienstes am Wort geschehen. Ob die Helfer der griechischen Witwen auch den Dienst am Wort versehen haben, wird an dieser Stelle in der Apostelgeschichte nicht erklärterweise hervorgehoben. Aber nur wenige Verse später hält einer der neu gewählten Diener, nämlich Stephanus, eine lange Rede. Eindeutig ein Dienst am Wort, der sich mit beeindruckender Kraft entfaltet.
Das Wort Gottes breitet sich aus, durch der Apostel Dienst am Tisch und am Wort ebenso wie durch Stephanus und seine Mitstreiter und alle folgenden Menschen im Dienst und Segen Gottes.

Endlich ist für die Lebenswendefeier alles an Ort und Stelle. Die Stühle für die Jugendlichen sind im Chorraum aufgestellt. Draußen vor der Kirche haben sich schon einige Familien versammelt. Nun können sie ihre Plätze einnehmen und ich lade sie ein, die Kirche zu betreten und sammele dabei auch die notwendigen Teilnehmerlisten ein. Ein freundliches Wort hier und eine Hilfeleistung dort, so dass alle einen guten Sitzplatz finden. Die gutgelaunten Besucher sind schon eine erste Belohnung für die Mühen des Stühletragens. Und dann kommt Georg Bucher, mit dem ich in der kommenden Woche ebenfalls zwei Lebenswendefeiern ausrichte. Er wolle schon mal gucken, wie das alles funktioniert. Ich frage ihn, ob er die Stühle wieder mit zurückstellen kann für den Gottesdienst am Sonntag. Klar, mache ich, sagt er, und ich kann wohlgemut noch einen Besuch im Krankenhaus machen.
Das Wort Gottes zu verbreiten, merke ich, dafür braucht es nicht nur Geist und Weisheit, sondern mitunter auch die Einsicht für die Grenze der eigenen Kräfte. So erfahre ich an diesem Tag ebenfalls einen praktischen Dienst am Tisch, oder besser gesagt, am Stuhl. Und kann so Kraft finden, das Wort Gottes zu einem kranken Menschen zu tragen und auch die Predigt zu schreiben. Gottes Segen ruht nicht nur in meiner Stärke, sondern ebenso in meiner Schwäche, die mit der Nächstenliebe eine Gemeinschaft bildet in Demut und Dankbarkeit.
Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Guter Gott,
angesichts des Leids und der Not in der Welt
macht sich oft Mutlosigkeit breit.
Doch wir sind von dir gesegnet zum Dienst am Menschen.
Spürbar schenkst du uns deine Liebe,
dass wir deine Liebe unserem Nächsten weitergeben können.
Mache uns aber auch die Grenzen unserer Kräfte bewusst,
dass wir Mut schöpfen können,
auf unsere Mitmenschen zuzugehen
und um Hilfe zu bitten.
Auch darin liegt dein Segen,
dass wir erkennen, wo wir gut helfen können,
und aus vollem Herzen miteinander und füreinander beten
mit den Worten Jesu Christi:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)