Sonntag Palmarum (05.04.2020)

Hinweis: Sie können sich den Beitrag auch anhören: 

Die Glocken läuten – ich mache mich auf. Nicht mit den Füßen. Sondern mit meinen Gedanken. Mit meinem Atem. Mit meiner Seele.
Wo immer ich gerade bin.

Vorbereiten

Ich höre auf mit dem, was mich gerade beschäftigt,
und höre auf das Läuten.
Mein Kopf und mein Herz sind voll.
Lass mich zur Ruhe kommen.
Einatmen … ausatmen … Alles lassen.
Ich bin hier. Gott ist hier. Das genügt.

Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht meine Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen.

Den Wochenpsalm beten

Worte aus dem Gebetbuch der Bibel.
Worte aus Psalm 69.

Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.

Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;

ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.

Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.

Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.

Ich aber bete zu dir, Herr, zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.

Errette mich aus dem Schlamm,
dass ich nicht versinke,

dass ich errettet werde vor denen, die mich hassen,
und aus den tiefen Wassern;

dass mich die Flut nicht ersäufe und die Tiefe nicht verschlinge
und das Loch des Brunnens sich nicht über mir schließe.

Erhöre mich, Herr, denn deine Güte ist tröstlich;
wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit

und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte,
denn mir ist angst; erhöre mich eilends.

Nahe dich zu meiner Seele und erlöse sie,
Gott, deine Hilfe schütze mich!

Ein Lied singen

Auf Gottes Wort hören

Worte aus dem Markusevangelium, im 14. Kapitel.

Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.

Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.

Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Gedanken zum Text

„… wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten“: Die Macht des Todes hat viele Gesichter. Mal entstellt sie das Leben ganz ohne menschlichen Einfluss. Durch Krankheit, durch ein Virus. Mal kommt sie mit menschlichem Kalkül. Berechnend und mit einem Plan. So wie hier zu Beginn der Passionsgeschichte. Ausgeheckt von Männern, in geschlossenen Kreisen.

„… da kam eine Frau“: Zitternd, aber nicht zögernd geht sie auf Jesus zu. Sie weiß, dass die Blicke auf ihr liegen. Dass sie hier ins Risiko geht. Dass sie sich aussetzt. In ihrer Liebe. Ihrer Liebe zu Jesus und zu seiner Sache. Sie dringt in den Männerkreis, leise, aber bestimmt.

„… die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt“: Verschwendung. Liebe verschwendet sich. Auch und gerade angesichts des Todes. Den Todgeweihten macht sie zum Liebesgeweihten. Koste es, was es wolle. Ohne ein Wort zu sagen. Mit der ganzen Kraft der zarten Berührung.

„Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.“ Was soll das. Das ist töricht. Was das kostet. So eine Verschwendung. Das tut man nicht, rechne doch mal nach.
Die radikale Liebe provoziert den Widerspruch. Lässt die Männer toben. Aber damit kommen sie zu spät. Damit kommen sie diesmal nicht weiter. Damit entlarven sie nur sich selbst.

Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Ihr habt nicht verstanden, worum es hier geht. Ihr müsst Eure Rechenspiele lassen, um das hier zu verstehen. Hört auf, Leid und Tod gegeneinander aufzurechnen. Hier ist die Liebe am Werk. Und das ist etwas Ernsteres und Tieferes als ihr ahnt. Schweigt und geht in euch.

„Sie hat getan, was sie konnte.“ Das ist das, worauf es jetzt ankommt, wenn die Liebe der Macht des Todes gegenübersteht: Dass jeder tut, was er kann. Dass wir Spuren und Zeichen der Liebe verteilen und verschwenden. Die Liebe ausgießen auf die Häupter auch der Todgeweihten. Koste es, was es wolle.

„Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“ Die Sache Jesu geht da weiter, wo sich die Geschichte der radikalen Liebe fortschreibt. Wo die Liebe und die Leidenschaft sich verschwenden. Im Einsatz am Krankenbett. In einem freundlichen Wort an der Kasse. Im geduldigen ausharren. In einem Wort der Zuwendung am Telefon. Dort, wo das Leben zerbrechlich ist wie ein zartes Alabastergefäß und die Liebe sich verschwendet.
So geht es weiter mit der Liebe und mit uns seit jenem Tag.
Zitternd. Mit Risiko. Leise. Aber bestimmt. Ganz bestimmt.

Amen.

Beten

Gott, in der Stille ringe ich um Worte
und Suche nach dir.

Still sein

Ich frage dich Gott, nach dem Guten in Deiner Schöpfung.
Ich frage dich nach Deiner Liebe zu ihr.
Sie hat so viele dunkle Seiten.
Du bist manchmal dunkel und fern.

Still sein

Ich hoffe auf dich, Gott.
Ich hoffe auf dich und deine Liebe.
Ich will mich und dich daran erinnern, was du gesagt hast.
Ich will Ausschau halten nach den zarten Spuren Deiner Liebe im Angesicht des Todes.
Ich will nicht von dir lassen.
Ich will auf dich trauen.
Hilf mir. Hilf uns, oh Herr.

Still sein

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

(Pfarrer Georg Bucher)