Miserikordias Domini 2021

  • Eröffnung

Christus spricht im Evangelium nach Johannes: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben. Christus hütet uns, vor dem Unheil dieser Welt und darüber hinaus. Mit dieser österlichen Botschaft fragen wir nach und beten und singen wir für unser Vertrauen in Gott. Amen.

  • Ein Lied und ein Psalm: EG 274 „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (nach Psalm 23)

1) Der Herr ist mein getreuer Hirt, hält mich in seiner Hute,
darin mir gar nicht mangeln wird jemals an einem Gute.
Er weidet mich ohn Unterlass, da aufwächst das wohl schmeckend Gras
seines heilsamen Wortes.

2) Zum reinen Wasser er mich weist, das mich erquickt so gute,
das ist sein werter Heilger Geist, der mich macht wohlgemute;
er führet mich auf rechter Straß in seim Gebot ohn Unterlass
um seines Namens willen.

3) Ob ich wandert im finstern Tal, fürcht ich doch kein Unglücke
in Leid, Verfolgung und Trübsal, in dieser Welte Tücke:
Denn du bist bei mir stetiglich, dein Stab und Stecken trösten mich,
auf dein Wort ich mich lasse.

4) Du b’reitest vor mir einen Tisch vor mein‘ Feind‘ allenthalben,
machst mein Herz unverzaget frisch; mein Haupt tust du mir salben
mit deinem Geist, der Freuden Öl, und schenkest voll ein meiner Seel
deiner geistlichen Freuden.

5) Gutes und viel Barmherzigkeit folgen mir nach im Leben,
und ich werd bleiben allezeit im Haus des Herren eben
auf Erd in der christlichen G’mein, und nach dem Tode werd ich sein
bei Christus, meinem Herren.

  • Ein Wort des Propheten Hesekiel im 34. Kapitel

Und des Herrn Wort geschah zu mir: Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen. Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande. Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der Herr. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der Herr.

  • Ein Hirte der Gerechtigkeit – Gedanken zu Hesekiel

„In immer neuen Anläufen kreist das Buch Hesekiel um ein und dasselbe Thema, die Zerstörung und den Untergang der judäischen Monarchie.“ Diese kurze Zusammenfassung des Theologen Reinhard G. Kratz ordnet das Geschehen ein. Nach einer gesellschaftlichen und politischen Katastrophe wird Gott dafür sorgen, dass die zerstreuten Israeliten wieder zusammengeführt, die Ordnung und das Recht wieder hergestellt und der Tempel und die Städte wieder aufgebaut werden. Eines der Bilder, in denen Hesekiel dieses Geschehen fasst, ist das des (ungetreuen) Hirten und seiner Herde. Gott verspricht hingegen als rechter Hirte: Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.
Aber passt das Bild noch für unsere Zeit? Dass momentan Unordnung, Verunsicherung und Angst die Gemüter und Nachrichten beherrschen, liegt einerseits klar auf der Hand. Aber ist es andererseits nicht die Aufgabe aller Menschen, dafür zu sorgen, wieder Ruhe und Ordnung herzustellen? Schließlich leben wir nicht in einer Monarchie, wie sie Reinhard G. Kratz für die Zeit des Propheten beschreibt. Oder anders gesagt: Heute leben wir nicht wie Schafe, die von einem Hirten gelenkt und gehütet werden. Jede und jeder ist dazu aufgerufen auf seinem Platz und nach seinem Vermögen für ein gutes Zusammenleben zu sorgen. Auch wenn die Möglichkeiten beschränkt sind. Das hat ja seinen guten Grund darin, dass bestenfalls keine und keiner – wie mächtig sie oder er auch sei – nach Gutdünken herrschen kann. Jede und jeder ist dazu aufgerufen mal Hirte und mal Schaf zu sein.
Dennoch glaube ich, dass das Bild seine Berechtigung hat. Ich brauche Vertrauen, um gut leben zu können, so wie ich Essen und ein Dach über den Kopf brauche. Ich muss der Politik vertrauen können so wie ich meiner Zahnärztin vertraue, meinem Partner oder meinen Eltern. In dem Moment, wo ich auf dem Zahnarztstuhl sitze, mein intimes Zusammenleben gestalte oder schlicht auf die Welt komme, brauche ich dieses Vertrauen. Es wäre eine grauenhafte Welt, in der ich nichts und niemandem vertrauen könnte. Schaf sein zu dürfen aus Vertrauen ist (über)lebenswichtig.
Im Glauben hat das Vertrauen ein besonderes Gewicht. Vertrauen kann in dieser Welt verloren gehen. In unserem Glauben wenden wir uns aber an den Schöpfer des Himmels und der Erde. Gott ist den Wechselfällen des Lebens nicht unterworfen. Gott ist ewig. Er lässt sich nicht bestechen, er wird nicht müde, er hält fest an seiner Liebe.
Ja, mitunter fällt es mir schwer an diesem Glauben festzuhalten. Mein Vertrauen ist erschüttert, weil ich sehe, wie sehr es an Gerechtigkeit und Liebe in dieser Welt fehlt. Dann ist es gut, mich daran zu erinnern, dass Gott über den Dingen der Welt steht. Mich daran zu erinnern, dass es – hoffentlich – in dieser Welt etwas gibt, dass mir neue Kraft zum Vertrauen gibt: eine geschickte Zahnärztin, ein geliebter Partner, ein treu sorgender Vater in dieser Welt – und im Himmel einen Hirten der Gerechtigkeit. Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Gott im Himmel,
du hast uns Jesus Christus gesandt,
den Auferstandenen, den guten Hirten:
In seinem Namen bitten wir um Vertrauen,

in unsere Stärke,
dass wir für ein gutes Zusammenleben
sorgen können, in unseren Häusern, in unserer Stadt,
in unserem Land und auf der ganzen Welt;

in unseren Gerechtigkeitssinn, der uns sagt
dass es nicht sein kann, dass einer im Überfluss lebt,
und eine andere kein Essen für ihr Kind hat;

in unsere Vernunft, die uns sagt,
dass wir sorgsam umgehen mit deinen Gaben
von denen alle Menschen leben;

in unsere Sanftmut, die uns lehrt,
für Frieden einzustehn und laut zu sagen,
dass kein Mensch im Krieg sterben soll;

in unseren Glauben,
der dein Wort weiterträgt in Nächstenliebe,
der durch dein gutes Wort uns Freude schenkt;

in unserer Liebe,
die keinen Menschen vergisst,
übersieht oder ignoriert, der Liebe braucht.

Gott im Himmel,
du hast uns Jesus Christus gesandt,
den Auferstandenen, den guten Hirten.
Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Gott segne uns. Er stärke uns
in der Liebe zu den Menschen
und aller Kreatur. Er beschütze uns
auf unseren Wegen durch die Zeit.

(Pfr. Olaf Wisch)