Karfreitag 2020

Hinweis: Sie können sich den Beitrag auch anhören: 

Karfreitag läutet eine Glocke, verhaltener, und lädt ein zum Gottesdienst.
Unser Gottesdienstsaal bleibt leer.

Gottes Wort, Gebet und Segen haben aber überall Platz:
zuhause, am Küchentisch, auf dem Sofa oder draußen im Freien.

  • Vorbereiten

Die Glocke läutet.
Ich lege beiseite, was mich gerade beschäftigt,
und höre auf das Läuten.
Mein Kopf und mein Herz sind voll.
Einatmen … ausatmen … Alles lassen.
Ich bin hier. Gott ist hier. Das genügt.

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen.

  • Den Wochenpsalm beten

Hört Worte aus Psalm 22,
um mit ihnen zu danken, zu klagen, zu loben.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen;
du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter.
Auf dich bin ich geworfen von Mutterleib an,
du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, / alle meine Gebeine haben sich zertrennt;
mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, / und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
Ich kann alle meine Gebeine zählen;
sie aber schauen zu und weiden sich an mir.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

  • Ein Lied singen

1. O HAUPT VOLL BLUT UNS WUNDEN, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßet seist du mir!

5. Erkenne mich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an. Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan; dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost, dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust.

6. Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinem Arm und Schoß.

9. Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

10. Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.

  • Einige Gedanken zum Lied

Ein Bild voller Grausamkeit zeichnet Paul Gerhardt von dem leidenden und sterbenden Christus. Zerrissen zwischen seinen menschlichen Wunden, den von ihm erlittenen Gewaltaten und seiner hohen Heiligkeit, seiner Gottessohnschaft, „sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier“. Die dringende Bitte in Strophe 6, „verachte mich doch nicht“, erinnert daran, dass dieses Leiden und Sterben der menschlichen Sünde zugerechnet wird. Indem Christus sich dieser Menschlichkeit bis zum Tod ergibt, trägt er auch unsere Schuld. Alle Angst und Pein, vor allem die vor unserem Lebensende, ist darin aufgehoben. „Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot.“

Alessia Bonari ist eine der italienischen Krankenschwestern, deren Photografien im Internet verbreitet wurden. Auf den Wangen und auf dem Nasenrücken sind deutlich die Narben und Blutergüsse zu sehen, die vom stundenlangen Tragen der Schutzmaske in der Intensivstation zurückgeblieben sind. Sie erzählt auch von ihrer Angst, dass sie sich selbst anstecken könnte. Und von der Mühsal ihres Dienstes, 6 Stunden lang ohne Gelegenheit zur Toilette zu gehen oder etwas trinken zu können. Aber sie sei sich sicher, dass sie ihre Patienten weiterhin behandeln und pflegen werde.

Beide Szenen, die im Kirchenlied und die auf dem Photo im Internet verbindet der Gedanke, dass die Leiden für andere Menschen gern in Kauf genommen werden, um ihnen zu helfen. Alessia Bonari betont aber, dass sie nicht krank werden will, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Das Leben soll weitergehen. Deshalb ist Christus am Kreuz gestorben. Weil wir leben sollen. Um Hilfe zu geben und um Hilfe zu empfangen. Voller Dankbarkeit. Und ohne Angst.

Amen.

  • Beten

Gott, in der Stille rede ich mit dir
und vertraue darauf:
Da ist ein Du, das mich sieht und hört.

Still sein

Ich will dir danken, Gott, dass ich mich nicht für dich opfern muss, sondern die Freiheit habe, mir und meinem Nächsten etwas Gutes zu tun.

Still sein

Ich denke an die Menschen, die voller Leidenschaft sich darum bemühen, dass jeder einen Platz hier auf der Erde hat, ein Platz, an dem Frieden und Geborgenheit zu finden ist; ein Platz mit Menschen, die bei aller Besonnenheit auch vor den Gefahren nicht weichen.

Still sein

Mich beschäftigt, wie wir alle dazu beitragen können, ein Stück deiner himmlischen Gerechtigkeit zu verkörpern.

Still sein

Hilf mir,
dass ich in aller Ungewissheit und Angst
nicht das Vertrauen verliere.
Lass mich und die anderen besonnen bleiben.
Bewahre die Schwachen.
Sorge für die Kranken.
Sei bei allen, die sterben.
Beschütze alle,
die in Krankenhäusern und Laboren arbeiten,
die Kranke pflegen,
Eingeschlossene versorgen
und sich darum bemühen, dass wir haben,
was wir zum Leben brauchen.


Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)