- Eröffnung
Gibt es einen guten Grund zu singen? Der Zweifel mag da nicht weit sein. Dennoch! „Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Amen.
- Ein Psalmlied: „Du meine Seele, singe“ (EG 302, nach Psalm 146)
1) Du meine Seele, singe, / wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge / zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben / hier preisen auf der Erd;
ich will Ihn herzlich loben, / solang ich leben werd.
2) Ihr Menschen, lasst euch lehren, / es wird sehr nützlich sein:
Lasst euch doch nicht betören / die Welt mit ihrem Schein.
Verlasse sich ja keiner / auf Fürsten Macht und Gunst,
Weil sie wie unser einer / nichts sind als nur ein Dunst
3) Was Mensch ist, muss erblassen / und sinken in den Tod;
Er muss den Geist auslassen, / selbst werden Erd und Kot.
Allda ists dann geschehen / mit seinem klugen Rat.
Und ist frei klar zu sehen, / wie schwach sei Menschentat.
4) Wohl dem, der einzig schauet / nach Jakobs Gott und Heil!
Wer dem sich anvertrauet, / der hat das beste Teil,
das höchste Gut erlesen, / den schönsten Schatz geliebt;
sein Herz und ganzes Wesen / bleibt ewig ungetrübt.
5) Hier sind die starken Kräfte, / die unerschöpfte Macht;
das weisen die Geschäfte, / die Seine Hand gemacht:
der Himmel und die Erde / mit ihrem ganzen Heer,
der Fisch unzähl’ge Herde / im großen wilden Meer.
6) Hier sind die treuen Sinnen, / die niemand Unrecht tun,
all denen Gutes gönnen, / die in der Treu beruhn.
Gott hält sein Wort mit Freuden, / und was Er spricht, geschicht,
und wer Gewalt muß leiden, / den schützt Er im Gericht.
7) Er weiß viel tausend Weisen, / zu retten aus dem Tod,
ernährt und gibet Speisen / zur Zeit der Hungersnot,
macht schöne rote Wangen / oft bei geringem Mahl;
und die da sind gefangen, / die reißt Er aus der Qual.
8) Er ist das Licht der Blinden, / erleuchtet ihr Gesicht;
und die sich schwach befinden, / die stellt Er aufgericht‘.
Er liebet alle Frommen, / und die Ihm günstig seind,
die finden, wenn sie kommen, / an Ihm den besten Freund.
9) Er ist der Fremden Hütte, / die Waisen nimmt Er an,
erfüllt der Witwen Bitte, / wird selbst ihr Trost und Mann.
Die aber, die Ihn hassen, / bezahlet Er mit Grimm,
ihr Haus und wo sie saßen, / das wirft Er um und um.
10) Ach ich bin viel zu wenig, / zu rühmen Seinen Ruhm;
der Herr allein ist König, / ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre / gen Zion in Sein Zelt,
ist’s billig, daß ich mehre / Sein Lob vor aller Welt.
- Ein Wort aus dem Brief an die Kolosser im 3. Kapitel
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten,
herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
- Das Band der Vollkommenheit – eine welke Blum (Gedanken zum Kolosserbrief und zum Lied „Du meine Seele, singe“)
Es ist ein beeindruckender Katalog menschlicher Tugenden: Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld ebenso wie Vergebung, Liebe und Friedfertigkeit. Der Kolosserbrief fasst das in der Wendung vom Band der Vollkommenheit zusammen. Allerdings scheint ein Blick auf die Vergangenheit und die Gegenwart der Menschheit dem zu widersprechen. Wie oft genüge ich dem? Die Bilanz ist ernüchternd. Weit entfernt bin ich von diesem Frieden in Christus.
Gott sei Dank bleibt aber der Kolosserbrief nicht bei der Liste der Tugenden stehen. Die Vollkommenheit erfüllt sich nicht in meinen wirklichen Taten und Gedanken sondern im Wort Christi. Insbesondere in den Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern. Vollkommenheit wohnt im dankbaren Gotteslob. Es wohnt in Liedern und Gebeten. Ein tieferer Grund dafür, warum uns derzeit der Gesang im Gottesdienst so sehr fehlt. Im Lied sieht mich Gott, wie er mich gemeint hat. Und lehrt mich Demut.
Ein wunderschönes Beispiel dafür ist das Wochenlied Du meine Seele, singe. 10 Strophen umfasste es ursprünglich. Paul Gerhardt, der Lieddichter, bringt mir in der 1. Strophe nahe, was auch der Kolosserbrief mir ans Herz legt. Gott nah sein im Singen. Die 2. und 3. Strophe zeigt mir den Schein der Welt und meine Sterblichkeit und Schwäche. In den Strophen 4 bis 9 besingt es demgegenüber das Lob des Schöpfers, seine Größe und sein Heil für uns Menschen. Ich bin von Gott gemacht und getragen, trotz allen Leids, das mir widerfahren kann. Gottes treue Sinne helfen mir in Tod, Krankheit und Einsamkeit. Zum Abschluss in der 10. Strophe kommt noch einmal beides deutlich zum tragen. Ich bin eine welke Blum. Aber das ist kein Mangel in Gottes Augen. Denn durch Christus gehöre in gen Zion in sein Zelt. Die letzte Strophe lehrt mich deshalb nicht nur Demut sondern ebenso Mut.
In den Worten des Kolosserbriefes und im Lied Paul Gerhardts bedeutet die Demut keine Unterwürfigkeit oder Knechtschaft gegenüber den Dingen der Welt. Sie ermuntert mich vielmehr zur Geduld in den Dingen, die außerhalb meiner Fähigkeiten liegen. Sie mahnt mich zur Empörung, wenn ich Ungerechtigkeit und Bosheit erkenne. Sie macht mich stark zur Sanftmut gegenüber meinen Mitmenschen. Sie erlaubt mir die Klage und Vergebung, wenn ich an mir selbst und an den Umständen scheitere.
Voller Dankbarkeit erkenne ich, dass ich bei Gott nicht an meinen Fähigkeiten gemessen werde. Unabhängig davon hat er mich auserwählt als Heiligen und Geliebten. Und wenn mir die Worte dafür fehlen in tiefer Dunkelheit, dann habe ich das Geschenk der Lieder. Du meine Seele, singe. Amen.
- Ein Gebet miteinander und füreinander
Gott im Himmel,
Heilige und Geliebte sind wir in deinen Augen.
Stärke uns, dass wir das auch in unseren eigenen Augen sind.
Bestärke uns mit Geduld, dass wir sie üben
gegenüber uns selbst und unserem Nächsten.
Wenn wir auf der Stelle treten auf der Suche nach Frieden.
Erwecke die Empörung in uns,
wenn Unrecht und Leid nicht benannt und beklagt werden.
Wenn wir auf der Stelle treten auf der Suche nach Frieden.
Fache die Sanftmut in uns an,
dass wir ohne Gewalt miteinander streiten können.
Wenn wir auf der Stelle treten auf der Suche nach Frieden.
Pflanze in uns die Vergebung,
die nicht danach fragt, was uns zusteht.
Wenn wir auf der Stelle treten auf der Suche nach Frieden.
Gott im Himmel,
Heilige und Geliebte sind wir in deinen Augen.
Stärke uns mit deinem Lied und deinem Gebet
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Gott segne uns. Er stärke uns
in der Liebe zu den Menschen
und aller Kreatur. Er beschütze uns
auf unseren Wegen durch die Zeit.
(Pfr. Olaf Wisch)