Erster Advent 2020

  • Eröffnung

Siehe, dein König kommt zu dir,
ein Gerechter und Helfer.
So beginnt er, der erste Advent.
Wir bereiten uns vor.
Wir zünden eine Kerze an.
Die erste von vieren.
Bis er kommt.
Mit all seiner Liebe.
In all seiner Herrlichkeit.

  • Ein Lied: „Macht hoch die Tür“ (EG 1)


1) Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Schöpfer reich von Rat.

  • Psalm 24

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, 
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? 
Es ist der Herr, stark und mächtig, 
der Herr, mächtig im Streit.
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, 
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? 
Es ist der Herr Zebaoth; 
er ist der König der Ehre.

  • Worte aus dem Brief des Paulus an die Römer

Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt;
denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. 
Denn was da gesagt ist: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten;
du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«,
und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst:
»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« 
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.

Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, 
aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit,
da wir gläubig wurden. 
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.
So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis
und anlegen die Waffen des Lichts.

  • Gedanken zum Text

Der Römerbrief. Das große Vermächtnis des Apostels Paulus.
Sein Vermächtnis für die Christen in Rom.
Sein Vermächtnis für uns.

Ein Wort steht hier in der Mitte: L I E B E.

„Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt.“

Liebe untereinander. Damit ist alles erfüllt.
Das ist alles, worauf es ankommt.

So einfach und klar steht es da.

Nicht Verliebtheit, nicht Eros, nicht Erotik, sondern die Form der Liebe,
die auch Jesus getragen hat bis ans Kreuz:
Agape, die Liebe zur Anderen, zum Nächsten.

Doch – was heißt das genau? Was bedeutet es, diese Worte zu leben?

Wie steht es um die Liebe untereinander? Wie steht es um die Liebe unter uns?

Wie steht es um die Liebe in diesen Tagen, in diesem November, an diesem ersten Advent?

Ich bin etwas ratlos.
Ich taste mich vor.
Ich suche.

“ ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.“

Hat die Nächstenliebe ein neues, ein ganz konkretes Gesicht bekommen in diesem Jahr?
Das Gesicht mit Maske?
Nächstenliebe: Den nächsten schützen, ihm nicht zu nahekommen.
Abstand halten. Dem nächsten nichts Böses tun.

Ich muss an einen anderen Passus von Paulus denken, aus dem ersten Brief an die Korinther, dort hat er sein Hohes Lied der Liebe aufgeschrieben. Dort heißt es:

„Die Liebe erträgt alles […]; sie duldet alles.“

Und ja, das gehört wohl zur Liebe untereinander:
Dass wir das aushalten, die Masken in den Gesichtern, den Abstand zueinander,
die Quarantäne zu Hause, den Advent ohne Besuch, Weihnachten ohne Gottesdienst.
Aus Liebe und Rücksicht auf die, deren Gesundheit, deren Leben auf dem Spiel steht.
Aus Liebe zu denen, die sich um die Kümmern, die ohne medizinische Hilfe nicht mehr auskommen, die schuften Tag und Nacht, unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit,
die sich selbst ganz in den Dienst am Nächsten stellen.

Und doch regt sich auch Widerstand in mir. Aus Liebe.
Denn die Liebe will in Kontakt treten mit dem Nächsten.
Der Abstand ist ihr fremd. Die Liebe lebt vom Blick ins Angesicht.

Sie lebt von der Berührung.
Das, was Liebe im Letzten ist, zeigt sich im Weg Jesu:

Die Liebe lebt von der Selbsthingabe, nicht von der Risikoabwägung.

„Die Liebe erträgt alles […]; sie duldet alles.“
Das heißt doch auch: Sie duldet das Risiko, verletzt zu werden.
Sie erträgt den Anderen auch darin, dass er mir gefährlich werden kann.
Die Liebe nimmt es mit allem auf, was uns trennt voneinander,
wovor wir eigentlich zurückschrecken müssten, dem Verstande nach.

Die Vater- und Mutterliebe lässt sich nicht erschüttern
von der ständig laufenden Rotznase
und den ständig klebrigen und dreckigen Kinderhänden.
Die Liebe erträgt den Geruch des Alters ebenso wie den der vollen Windeln.
„Die Liebe ist langmütig und freundlich“,
auch wenn Du schnarchst,
auch wenn Du Deine Socken überall liegen lässt,
auch wenn Du nur noch so selten mit mir lachst,
die Liebe erträgt alles„,
sie verwandelt,
sie verwandelt am Ende auch den grünsten Frosch
mit einem Kuss
in einen Prinzen.

Wie steht es um die Liebe in diesen Tagen, in diesem November, an diesem ersten Advent?

Ich bin etwas ratlos.
Ich taste mich vor.
Ich suche.

Ich sehe ein Licht. Dort brennt es, am Adventskranz.
Es ist nicht das Licht, das vom Impfstoff kündet,
oder vom Ende der Maskenpflicht,
es ist das Licht von dem,
dessen Liebe alles getragen hat,
was an Bösem vorstellbar ist,
das Licht dessen,
auf den wir warten.

„Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.
So lasst uns nun ablegen de Werke der Finsternis
und anlegen die Waffen des Lichts.“

Wir sind nicht allein,
wir sind umfangen von seiner Liebe,
die uns alle verbindet,
mögen wir auch weit voneinander entfernt sitzen und feiern.
Komm Herr Jesus, mit Deiner Liebe!

AMEN.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander (Worte von Janna Horstmann)

Deine Verheißung ist für uns,
tritt zwischen unser Ja und Nein.
Gib Klarheit, wo wir verschwommen fühlen.
Festige die, deren Welt ins Wanken geraten ist.

Deine Verheißung für uns,
tritt zwischen Unsicherheit und Enge.
Befreie Herzen und Hände. Lege deinen Geist in uns.

Deine Verheißung ist für uns, tritt zwischen die Zeit.
Zwischen Dunkelheit und Verzweiflung.
Gib denen Glauben, die sich im Zweifel verloren haben.
Bring die Hoffnung in uns zum Leuchten.

Deine Verheißung tritt zwischen Angst und Trauer,
setzte leise Töne von Trost in unsere Herzen,
bring zum Klingen, was in uns stumm geworden ist.

Deine Verheißung tritt zwischen die Zeit
von Kämpfen und Kriegen.
Lege Stille über die laute Welt,
zeig uns, wie sich Frieden anfühlt.

Deine Verheißung ist für uns,
tritt zwischen Wünsche und Erwartungen.
Lass uns einander mit Liebe erwarten.
Umhülle uns mit deiner Liebe.

  • Segen (nach 5. Buch Mose 31,6)

Seid mutig und stark!
Habt keine Angst, und lasst euch nicht von ihnen einschüchtern!
Der Herr, euer Gott, geht mit euch.
Er hält immer zu euch und lässt euch nicht im Stich!

Amen.

(Pfr. Dr. Georg Bucher)