Erntedank 2020

  • Eröffnung

Dankbar zu sein klingt leicht. Aus vollem Herzen dankbar zu sein und dich zu preisen, großer Gott, ist leicht und schwer zugleich. Mit kindlichen Herzen kommen wir zu dir.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

  • Ein Lied: „Wir pflügen und wir streuen“ (EG 508)

Strophe 1

Wir pflügen, und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand:
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.

Refrain

Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn,
drum dankt Ihm, dankt, drum dankt Ihm, dankt,
und hofft auf Ihn.

Strophe 2

Er sendet Tau und Regen
und Sonn und Mondenschein
und wickelt Seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behände
in unser Feld und Brot,
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott.

Refrain (Wdh.)

Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn,
drum dankt Ihm, dankt, drum dankt Ihm, dankt,
und hofft auf Ihn.

Strophe 3

Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
das Sandkorn und das Meer.
Von Ihm sind Büsch und Blätter,
und Korn und Obst von Ihm,
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm.

Refrain (Wdh.)

Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn,
drum dankt Ihm, dankt, drum dankt Ihm, dankt,
und hofft auf Ihn.

Strophe 4

Er lässt die Sonn aufgehen,
Er stellt des Mondes Lauf;
Er lässt die Winde wehen
und tut die Wolken auf.
Er schenkt uns soviel Freude,
Er macht uns frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide
und Seinen Kindern Brot.

Refrain (Wdh.)

Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn,
drum dankt Ihm, dankt, drum dankt Ihm, dankt,
und hofft auf Ihn.

  • Aus Psalm 104

Lobe den HERRN, meine Seele!
Du lässest Brunnen quellen in den Tälern,
dass sie zwischen den Bergen dahinfließen,
dass alle Tiere des Feldes trinken
und die Wildesel ihren Durst löschen.
Darüber sitzen die Vögel des Himmels
und singen in den Zweigen.
Du tränkst die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
dass der Wein erfreue des Menschen Herz
und sein Antlitz glänze vom Öl
und das Brot des Menschen Herz stärke.

Es wartet alles auf dich,
dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;
wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.
Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie;
nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und
werden wieder Staub.
Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen,
und du machst neu das Antlitz der Erde.
Ich will dem HERRN singen mein Leben lang
und meinen Gott loben, solange ich bin.

  • Gedanken zum Lied „Wir pflügen und wir streuen“ von Matthias Claudius

Wieder bleibe ich bei der Zeile hängen: „Er wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein.“ Zart und künstlich gibt Gott mir das, was ich zum Leben brauche. Diese Zeile rührt mich zur Dankbarkeit. Und doch: Was für eine seltsame Formulierung!? Nach heutigem Sprachgebrauch klingt es fast negativ. Wie ein Strauß künstlicher Blumen, der nur für den Notfall dient oder für gießfaule Zeitgenossen. Und auch die Sprachgeschichte verrät, dass das Künstliche zwar nicht schlecht sein muss, aber doch eher auf die menschliche Kunstfertigkeit und Wissenschaft verweist. Ausgerechnet ein Wissenschaftler zu Claudius‘ Zeiten aber benutzt diese Wendung zur Beschreibung des göttlichen Werkes. In der Insecto-Theologia des Friedrich Christian Lesser heißt es: „Es sind solche Flügel [der Insekten] über alle Maßen zart und künstlich, daß sie wohl für ein rechtes Kunststück des weisen Schöpfers passieren [also gelten] können“. Dieser Naturforscher erkennt darin Gottes Werk. Seine Erkenntnis entspricht dem Denken des Lieddichters Claudius. Den Strohhalm und den Sperling, die kleinen Dinge ordnen sie ebenso dem Machtbereich Gottes zu wie die großen Dinge, das Meer und die Sterne. Claudius wehrt sich damit auch gegen die Theologie seiner Zeit, die den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion nur darin sieht, dass die Religion den Tatsachen der Welt einen bestimmten Wert zuweist. Der Gedanke an Gott wurzelt demnach nur noch in der frommen Gesinnung des Menschen.

Ändert sich die Gesinnung der Menschen, können sie Gott einfach beiseite schieben. Der Spruch aus DDR-Zeiten: „Ohne Gott und Sonnenschein, bringen wir die Ernte ein!“ stellt nur die konsequente Fortführung dieses Gedankens in einer „wissenschaftlichen Weltanschauung“ dar. Claudius „Bauernlied“ gilt in dieser Weise bis heute. Bewusst gestaltet er es als Aussage im ländlichen Umfeld. Ihm gehören einfache Menschen an, die durch ihre Arbeit und ihre Mühen die Erfahrung teilen, dass eine gute Ernte keine Selbstverständlichkeit ist. Zwar trägt die menschliche „Kunst“ dazu bei, dass ich hier, in diesem reichen Land, ein nahezu sorgenfreies Leben führe. Aber sorgenfrei ist sie für mich nur, wenn ich die daraus weltweit resultierenden Probleme ignoriere. Die allgegenwärtigen Krisen, z.B. die Sorge um das Klima und um die Gesundheit in Zeiten einer globalen Pandemie, stellen mir das vor Augen. Was mich gegenwärtig beschäftigt, hat aber auch seine Ursache in meinem üppigen Lebensstil. Ich führe ihn auf Kosten der Menschen in den Ländern der zweiten und dritten Welt und auf Kosten unabsehbarer Veränderungen in der Natur. Gerne verschließe ich davor die Augen. Ich verschließe sie aus Angst, etwas vom Reichtum abgeben zu müssen, und davor, dass der wissenschaftliche Hochmut die Schöpfung ausreichend durchschaut zu haben glaubt. Zart und künstlich ist das nicht. Das, was menschliche Kunst und Wissenschaft „einwickelt“, ist nur ein Segen für wenige und nur ein Segen auf Zeit.

Der zarte und künstliche Segen Gottes rührt mich. Er ruft Dankbarkeit in mir wach. Diese Dankbarkeit darf aber nicht in meiner Rührung verharren. Sie wäre nur ein Beleg für meine fromme Gesinnung, nur ein Gott aus meinem Geiste. Es ist Zeit, meine Angst zu überwinden und die Augen zu öffnen, zu teilen und Gottes Zärtlichkeit und Kunst zu erkennen. Doch diese Forderung macht mich ratlos. Ich kann es nicht aus eigener Kraft. Ich muss es auch nicht. Ich darf es auch nicht.

Am Ende jeder Strophe im Lied von Matthias Claudius steht ein Gebet, ein Dankgebet.

Alle gute Gabe,

Kommt oben her, von Gott,

Vom schönen blauen Himmel herab.

So heißt es im ursprünglichen Text des Liedes, in des Dichters Szenerie gesungen von einem Chor der Bauern.  Da stehen die Frauen und Männer, in ärmlicher Kleidung, Schwielen an den Händen, aber die harten Züge um die Mundwinkel sind für einen Moment verschwunden. Frieden erfüllt ihre Augen und Hoffnung ihr Herz.

Es sind keine großen Worte, die sie machen. Sie wissen wohl, dass jedes weitere Wort sie wieder von Gott weg führen würde.

So wage auch ich zu schweigen, im Gebet. Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Gott,
unsere Stimmen sind zu klein,
um Dir zu danken und Dich zu preisen,
die Tiefe und Herrlichkeit deiner Schöpfung zu beschreiben,
deinen Frieden und deine Gerechtigkeit zu begreifen.
Gott,
wir sind zu mutlos und ängstlich,
um für Frieden zu sorgen, auf der Welt und in der Nachbarschaft,
um allen Menschen dieser Welt Nahrung und sauberes Wasser zu beschaffen,
um den Flüchtenden eine Heimat zu geben,
um deine Schöpfung zu bewahren.
Gott,
wir sehen und wissen zu wenig,
um für das Richtige zu bitten,
um zu wandeln in deiner Wahrheit,
um uns aufzurichten aus unserer Angst,
und die nächsten Schritte zu gehen.

Deshalb beten wir mit den Worten Jesu Christi:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)