Andacht zum Gottesdienst am 12. Sonntag nach Trinitatis –7. September 2025 – Regionalgottesdienst in der Böllberger Kirche

Anfangen
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

Eröffnung
Der Spruch für die neue Woche steht beim Propheten Jesaja, Kap.42, Vers 3:
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht
wird er nicht auslöschen.“

Psalm 147

Lobt den Herrn! Denn es ist gut, unsrem Gott zu lobsingen: es ist lieblich,
es gebührt ihm Lobgesang.
Der Herr baut Jerusalem; die Zerstreuten Israels wird er sammeln.
Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.
Er zählt die Zahl der Sterne und nennt sie alle mit Namen.
Groß ist unser Herr und reich an Macht; sein Verstand ist unermeßlich.Der Herrrichtet die Elenden wieder auf; er erniedrigt die Gottlosen bis zur Erde.
Stimmt dem Herrn ein Danklied an, lobsingt unserem Gott mit der Harfe,der den Himmel mit Wolken bedeckt, der Regen bereitet für die Erde
und auf den Bergen Gras wachsen läßt;
der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die zu ihm schreien!Er hat keine Freude an der Stärke des Rosses,
noch Gefallen an der Kraft des Mannes;
der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Gnade hoffen.Rühme den Herrn, Jerusalem; Zion, lobe deinen Gott!
Denn er hat die Riegel deiner Tore befestigt, deine Kinder gesegnet in deiner Mitte;
er gibt deinen Grenzen Frieden und sättigt dich mit dem besten Weizen.
Er sendet seinen Befehl auf die Erde; sein Wort läuft sehr schnell.Er gibt Schnee wie Wolle, er streut Reif wie Asche,
er wirft sein Eis wie Brocken; wer kann bestehen vor seinem Frost?
Er sendet sein Wort, so zerschmelzen sie; er läßt seinen Wind wehen,
so tauen sie auf.
Er verkündet Jakob sein Wort, Israel seine Satzungen und Rechtsbestimmungen.
So hat er an keinem Heidenvolk gehandelt,
und die Rechtsbestimmungen kennen sie nicht. Hallelujah!

Lied: Nun lob mein Seel den Herren – EG 289, 1,3+4
Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein.
Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein.
Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß,
errett′ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß,
mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich;
der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.

Predigttext: Apostelgeschichte 3,1-10

Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.

Predigt
Liebe Gemeinde, wir haben eine von den vielen Wundergeschichten der Bibel gehört. Heute eine aus der Apostelgeschichte, eine in der nicht mehr Jesus sondern seine Jünger, sozusagen die nächste Generation Wunder wirken.
Am Schönen Tor des Tempels in Jerusalem, zur neunten Stunde treffen Petrus und Johannes und ein Gelähmter aufeinander. Er, der Gelähmte, kann seit seiner Geburt nicht laufen, andere setzen ihn jeden Tag vor das Tor, damit er dort um Almosen bitten kann. Am Nachmittag, der Zeit, an der die meisten Menschen zum Gebet gehen. Er kann damit rechnen, dass ihm Geld gegeben wird, denn ein gläubiger Jude ist aufgefordert einem Bettler etwas zu geben.
Ein gutes Geschäftsmodel könnte man sagen, für ihn, an diesem Ort, zu dieser Uhrzeit.
Aber auch ein Ort der Ausgrenzung. Das schöne Tor ist für alle anderen passierbar, aber nicht für ihn. Den Gelähmten.
In den Tempel hat er keinen Zutritt auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen. Zum wirklichen Heiligtum kann er nicht vordringen für ein Gebet, für einen Gottesdienst mit den anderen zusammen. Er ist nicht nur räumlich sondern auch sozial ausgeschlossen. Seit Jahren ist sein Weg, seine Lebensrealität an diesem Tor zu Ende. Da geht es für ihn
nicht weiter. Da ist ihm sein Platz zugewiesen, da bringen ihn die anderen hin, da geht er dem nach was er machen kann, betteln um ein paar Kupfertaler. Er hat sich in seine Situation eingefügt. Er sitzt auf dem Boden. Die anderen laufen aufrecht gehend an ihm vorbei. Ihre Blicke treffen sich nicht, wenn er sich nicht reckt und streckt und nach
oben blickt.

Petrus und Johannes sind auf dem Weg zum Nachmittagsgebet, wie es für einen jüdischen Menschen zu seinem Glaubensalltag dazu gehört.

Sie gehen an ihm vorbei. Auch sie mit ihren Blicken da oben. Er sitzend auf dem Boden. Und auch sie bittet der Gelähmte um eine kleine Spende. Er tut, was er immer tut. Jeden Tag aufs Neue. Und macht mit dieser Bitte auf sich aufmerksam.

Petrus und Johannes legen nicht stoisch ein paar Münzen in seine Hände und gehen weiter. Warum? Das wird nicht erzählt?

Sie lassen sich jedenfalls durch seine Bitte unterbrechen, bleiben stehen und sagen: „Sieh uns an.“ Blick uns ins Gesicht! Sieh nicht weiter nach unten! Du musst deinen Blick nicht abwenden. Du musst dich nicht schämen. Du kannst uns ansehen. Du bist jemand. Wir wollen dich ansehen. Dir in die Augen blicken.
Sehen, wer uns da bittet.

Hier beginnt für mich das Wunder, das wunderbare dieser Erzählung. Hier wird aus einem Vorbeigehen eine Begegnung. Zufällig, könnte man meinen.

Es findet eine Unterbrechung für alle statt. Petrus und Johannes unterbrechen ihre normalen traditionellen Abläufe, bleiben stehen, nehmen den Menschen wahr, steigen aus ihren Routinen aus. Und der Gelähmte erlebt zwei Männer, die sich ihm zuwenden, ihn wirklich sehen wollen, nicht nur so halb im Vorübergehen.
Heute gehen sie nicht vorbei, sondern sehen genau hin. Auf diesen einen Menschen, von denen es sicher viele rund um den Tempel gab.

Silber und Gold haben wir nicht. Was wir aber haben, geben wir dir. Im Namen Jesus Christi von Nazareth steh auf und geh umher.

Was für eine Antwort! Statt Kupfermünzen, statt Gold und Silber: die Aufforderung steh auf und geh umher. Einfach so. Soll jetzt das gehen, was Zeit seines Lebens nicht ging, womit er sich abgefunden hatte, was er betrauert, verflucht und dann doch auch akzeptiert hat. Was ihn ausgeschlossen hat, weil die gesellschaftlichen und religiösen Regeln so waren. Aufstehen und Umher gehen. Jetzt? Hier?
Vor den Augen all der Leute, die gerade auf den Weg in den Tempel sind?

Alleine kann er das nicht wagen. Petrus muss ihm die Hand reichen.
Zur Ermutigung, als Geste, dass es wirklich so ist wie er sagt, als Hilfe und Unterstützung, weil ihn seine Beine so lange nicht getragen haben.

Und das Wunder vollzieht sich. Seine Füße und Knöchel wurden fest, er konnte stehen und gehen. Und er könnte jetzt durch das schöne Tor gehen und den Bereich des Tempels betreten, der ihm immer verwehrt war. Und das tut er auch, an der Hand von Petrus. Schritt für Schritt geht er diesem Tor näher, durchschreitet es. Wird mit jedem Schritt sicherer, und kann es kaum glauben, was er sieht.
Den Tempel in all seiner Pracht, die vielen Menschen,

So viele Jahre kein Zutritt und jetzt geht ihm das Herz über und er vertraut seinen Füßen und springt im Tempel umher und lobte Gott.

Unvorstellbar, ein Wunder auch für die, die es beobachtet haben und den Gelähmten kannten, weil sie so viele Male an ihm vorbeigegangen waren.
Und jetzt war dieser Gelähmte im Tempel, sprang und hüpfte und lobte Gott. Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie. Verwunderung, dass das in einem Menschenleben möglich ist. Entsetzen vor einer Kraft, die gesetzte gesellschaftlich und religiöse Grenzen überwindet, außer Kraft setzt.

Liebe Gemeinde, wenn man etwas versucht einzutauchen, doch wirklich eine unglaubliche Geschichte, eine Wundergeschichte eben. Wunder sind Ausnahmen. Sie lassen sich nicht fassen, nicht einsammeln, vermehren, nicht erzwingen und auch nicht erbetteln. Wunder sind unverfügbar und überraschen immer. Wir können Wunder nicht bewirken, wir können sie wahrscheinlich auch wie das Volk in der Geschichte nur mit Verwunderung und einem gewissen Entsetzen wahrnehmen, wenn wir sie erleben dürfen.

Etwas fragend lassen mich Wunder – und Heilungsgeschichten auch immer zurück. Ja was bedeutet es für Menschen,
die einen Leben lang mit körperlichen Einschränkungen leben müssen, solch eine Geschichte zu lesen, zu hören.
Müssen wirklich körperliche Einschränkungen geheilt werden, um Teil der Gesellschaft zu sein, an einer Versammlung, einem Gebet teilzunehmen, in eine Kirche gehen zu können, teil einer Gemeinschaft zu sein. Gehören wir nicht alle dazu, egal wie Nichtheil, Krumm und unwegsam unser Leben ist.

Für mich passiert das Wunder dieser Geschichte in dieser konkreten Begegnung, in dem gegenseitigen Ansehen.
Da passiert das wesentliche der Heilung. Sich in die Augen blicken. Nicht verschweigen und zeigen wer man ist.
Und dann das zu geben, was man geben kann. Was einem menschlich richtig und wichtig erscheint.
Und was wir als Christen zu geben haben. Ein größeres Versprechen als unsere eigenen Worte, Kräfte und Hoffnungen. Im Namen Jesu Christi aus Nazareth dürfen wir daran glauben, hoffen und vertrauen, dass Gottes Kräfte in unserer Welt etwas bewirken. Das sie Grenzen überwinden, die unüberbrückbar scheinen.

Und zu sagen – du, der du seit Jahren hier vor dem schönen Tor des Tempels sitzt. Das Tor, dass schon immer mit Wundern in Verbindung gebracht wurde.
Du gehörst dazu. Das ist hier nicht dein Platz bis zum Ende deines Lebens.
Du kannst mehr als die Hand aufhalten und Geld erbitten. Du kannst teilhaben an unserer Gebets- und Glaubensgemeinschaft. Wir gehen mit dir zusammen zum Gebet. Wir reichen dir die Hand, für den ersten Schritt,
den wir alle nicht für möglich halten, der uns verstellt war, den wir nicht geglaubt haben. Im Namen Jesu Christi von Nazareth steht auf, seht genau hin, geht nicht vorbei. Lasst euch auf Begegnungen ein, hört euch Geschichten des Lebens an, baut Barrieren ab.
Da kann mit seinem Segen etwas heil werden und dafür muss man nicht körperlich gesund und unversehrt sein.

Und daran dürft ihr glauben, so baut sich das Reich Gottes auf, von dem Jesus erzählt hat und das schon unter uns beginnt. Hier am schönen Tor am Tempel von Jerusalem und auch hier in unserem täglichen Leben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen


Miteinander und füreinander beten

Deine Wunder und Verheißungen machen uns Mut, treuer Gott.
Bleib an unserer Seite und erbarme dich.

Mach ein Ende mit den Tyrannen,
die die Armen quälen und Wehrlose ermorden
Bringe zum Schweigen die Spötter,
die Hass säen und die die Schwachen verhöhnen
Treuer Gott, erbarme dich.

Bring die zu Fall,
die Kriege gegen andere Völker führen und zerstören, was ihnen nicht gehört.
Entlarve die Betrüger, die sich am Elend der Armen bereichern.
Treuer Gott, erbarme dich.

Höre die Schmerzensschreie der Schöpfung,
der brennenden Wälder, der beschädigten Bäume,
der schmelzenden Gletscher.
Treuer Gott, erbarme dich.

Schenke deine heilende Kraft den Kranken und allen, die ihnen beistehen;
den Ratlosen und allen, die ihnen raten; den Verzweifelten und allen, die trösten.
Richte die Geknickten wieder auf.
Schütze deine Gemeinde in aller Welt.
Treuer Gott, erbarme dich.

Sei nahe unseren Verstorbenen und Ihren Familien.

Gott Wir vertrauen Sie deiner Liebe an, in der wir sie geborgen wissen

und die uns mit ihnen über den Tod hinaus verbindet.

Tröste die Angehörigen.

Steh ihnen bei und zeige uns, wo wir an ihrer Seite sein können.

Und lehre uns bedenken, dass auch wir sterben müssen,
auf das wir klug werden.

Deine Verheißungen machen uns Mut, treuer Gott.
Tröste uns, wenn wir in Angst sind.
Öffne unsere Herzen für die, die auf uns warten.

Bleibe heute an unserer Seite, treuer Gott
Geh alle Tage mit uns, Jesus Christus. 
Verwandele diese Welt durch deine Liebe.

Mit den Worten Jesu beten wir gemeinsam:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Segen
Es segne und behüte dich Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der heilige Geist.
( G. Ortmann)

Andacht

Andacht zum Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis – 10. August 2025
– Sommerkirche – Mut, Grenzen zu überschreiten

Anfangen:
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen
Eröffnung:
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Brief an die Epheser Kapitel 5, Vers 8:
Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

aus Psalm 27 – nach H.D. Hüsch:

Der Herr ist mein Licht und meine Heil, vor wen sollte ich mich fürchten.
Wenn Menschen kommen und Böses reden habe ich Angst.
Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen.
Wenn Menschen kommen und mich bedrängen,
mein Gott, dann fürchte ich mich.
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe,
sei mir gnädig und erhöre mich.
Du bist meine Hilfe, Herr, verlass mich nicht.
Du hältst deine Hand über mir, lass mich nicht allein.
Herr, weise mir deinen Weg und leite mich ein Leben lang.

Lied: Sei Getrost und unverzagt:
Sei getrost und unverzagt, freue dich an deinem Leben.
Denn Gott hat die zugesagt, sich mit Liebe zu umgeben.
Blühe auf in seinem Licht, sei getrost füchte dich nicht.

Hab den Mut, aufrecht zu gehen auch wenn andre längst sich beugen,
gegen Lügen aufzustehn und die Wahrheit zu bezeugen.
Sei ein Mensch, der Frieden schafft, dazu schenkt dir Gott die Kraft.

Stark und zäh dein Wille sei gegen Bosheit, Hass und Schrecken;
geh nicht unter, bleibe frei, Gottes Spuren zu entdecken.
Hier, in der oft kalten Welt birgt er dich in seinem Zelt.

Gott verläßt dich sicher nicht, Menschen werden dich verlassen.
Gott bleibt deines Lebens Licht, wird sich neu stets finden lassen.
Dies ist dir fest zugesagt, sei getrost und unverzagt

Predigt 2. Buch Mose , Kapitel 1, 15-21:

Liebe Gemeinde,

Hebammen kennen sich aus mit Grenzen, den Grenzen von Leben und Tod. Denn eine Geburt ist immer eine gefährliche Sache. Mutter und Kind sind auf der Grenze des Lebens und es braucht viel Erfahrung und Geschick und Können, um beide gut zu begleiten. Durch die Angst und den Schmerz und die Erschöpfung hindurch zum Leben.
Von daher kennen sich Hebammen aus mit den Grenzen von Leben und Tod. Sie wissen, wie wichtig Grenzen sind, und wie genau sie beachtet werden müssen, damit sie dem Leben dienen. Damit das kleine noch nicht geborene Leben ins
Leben kommen kann. Damit es gesund geboren wird und die Mutter bewahrt bleibt.

Wer schon einmal ein Kind geboren hat, weiß um diese Grenzerfahrung und die wichtige Aufgabe dieser Frauen im Grenzland von Leben und Tod. Und wer ihre Lebenserfahrung, Weisheit und Kompetenz erlebt hat, weiß, was für ein
Segen sie sind.

Die Bibel erzählt von zwei Hebammen, die auf ganz andere Weise mit Leben und Tod konfrontiert wurden und doch zum Segen wurden.

Sie lebten in Ägypten. Vor vielen Jahren waren hier Leute aus dem Nachbarland eingewandert, weil sie am Verhungern waren. Sie wurden die Hebräer genannt und waren geblieben und hatten Kinder, Enkel und Urenkel bekommen.

Dem Pharao, dem mächtigen Herrscher Ägyptens, waren die Hebräer suspekt.
Er wusste nichts mehr von Josef, der mal der weise Berater seines Vorgängers war. Er kannte die Geschichte von Josefs Brüdern und dem Stammvater Jakob nicht und auch nicht deren Gott.

Er sah nur, dass es viele Hebräer gab. Zu viele. Viel zu viele für seinen Geschmack. Und damit es weniger wurden, wollte er die Männer durch Arbeit vernichten. Durch schwere, harte Arbeit beim Städtebau von Pitom und Ramses.
Eine zynische Idee, die sich durch die Jahrtausende gehalten hat.
Doch er hatte keinen Erfolg.

Also überlegte er eine neue Taktik:

Ich lese aus dem 1. Kapitel des 2. Buchs Mose in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache:

Der ägyptische König gab eines Tages den hebräischen Hebammen – eine hieß Schifra, die andere Pua – den Befehl: „Wenn ihr den Hebräerinnen bei der Geburt beisteht und am Geschlecht erkennt, dass es ein Junge ist, dann sollt ihr ihn töten; ist es ein Mädchen, lasst es leben.“ Aber die Hebammen verehrten Gott und taten nicht das, was der ägyptische König ihnen gesagt hatte. Sie ließen auch die männlichen Kinder am Leben. Da bestellte Pharao die Hebammen zu sich und herrschte sie an: „Warum macht ihr so etwas, lasst die Jungen leben?“ Die Hebammen antworteten ihm: „Die Hebräerinnen sind anders als die ägyptischen Frauen. Sie sind stark und gesund. Bevor noch eine Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren.“ Deshalb ließ Gott es den Hebammen gut gehen. Und das Volk wuchs und wurde immer stärker. Weil die Hebammen also der Gottheit die Ehre gaben, stärkte sie deren Familien.

Die beiden Frauen, deren Beruf es ist, ins Leben zu helfen, sollen nun dem Tod dienen. Sie sollen alle neugeborenen Jungs töten. Denn die Mädchen können später mit Ägyptern verheiratet werden und sich so ins ägyptische Volk eingliedern. Jungs dagegen können immer Krieger werden und sich mit anderen Ländern verbünden und so Ägypten bedrohen. Denkt der Pharao.

Was für eine grausame Idee. Was für ein grausamer Mensch, dieser Pharao.
Leider kein Einzelfall, wie wir wissen.

Aber Schifra und Pua lassen sich davon scheinbar nicht beeindrucken. Sie machen einfach nicht, was der Pharao will. Denn ihre Aufgabe ist es, dem Leben zu dienen und nicht dem Tod.

Sie kommen weiterhin zu zweit den Geburten, helfen weiterhin jedem Kind, auf die Welt zu kommen und einen guten Start ins Leben zu haben. Stehen weiterhin den Müttern bei. Denn sie haben Ehrfurcht vor Gott und vor dem Leben.

Der Pharao erfährt davon und lässt sie zu sich bringen.

Zum mächtigsten Mann der damaligen Welt müssen die beiden einfachen Hebammen gehen. Ich vermute, sie konnten nicht lesen und schreiben, sie kannten die ägyptischen Hieroglyphen nicht und verstanden nicht, warum der Pharao
sich für Gott hielt. Sie lebten in Hütten, wie all die anderen und jetzt sollten sie in den prunkvollen Palast kommen und sich über endlose Treppen dem Pharao gebückt nähern ohne ein Wort zu sprechen. „Warum tut ihr das, dass ihr die Jungs leben lasst?“ Was fällt euch ein? Euch meinem Befehl zu widersetzen? Welchen Grund kann es dafür geben? herrscht er sie an.

Dass sie überhaupt anfangen zu sprechen, ist schon erstaunlich. Was sie dann sagen noch viel mehr.

„Wir können nichts dafür“, sagen die beiden. „Die hebräischen Frauen sind so stark. Bis wir da sind, ist das Kind längst geboren und liegt an der Brust der Mutter. Da können wir nichts mehr machen.“

Was für ein Mut und was für eine Klugheit!

Die beiden Frauen gehen überhaupt nicht auf den Vorwurf des Pharaos ein.
Sie lassen sich nicht klein machen von diesem riesigen Herrscher und lassen sich nicht einschüchtern von seiner Macht.

Sondern sie widersprechen dem Pharao mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung: Die Frauen sind stark. Sie gebären alleine. Wir kommen immer zu spät.

Da weiß er nichts drauf zu sagen. In der Geburtshilfe kennt er sich nicht aus und so lässt er sie wieder gehen.
Und die Kinder können weiter auf die Welt kommen.

Schifra bedeutet Schönheit

Pua bedeutet Glanz.

Schönheit und Glanz bringen die beiden Frauen in die Welt, wenn sie bei der Geburt helfen. Und Schönheit und Glanz geben sie den Frauen, die gebären, zurück, wenn sie sagen: Sie sind so stark.

Mich beeindruckt diese Geschichte immer wieder. Weil so deutlich wird: Hier werden zwei Frauen aus ihrem Alltag herausgerissen und in eine völlig neue Situation gestellt. Nie im Leben hätten sie sich das träumen lassen. In keiner Weise fühlen sie sich vorbereitet. In jeder Hinsicht sind sie unterlegen. Und trotzdem geben sie nicht auf.

Und dann ist es genau ihr Alltagswissen, das ihnen hilft, sich zu erklären und ihr Glaube an Gott, der sie bestärkt, dem Leben zu dienen. Sie müssen nichts anderes machen um mutig zu sein, als miteinander ihrer Arbeit nachgehen und auf ihren inneren Kompass zu hören. Es ist alles in ihnen, was sie brauchen, um Grenzen zu überschreiten und dem Leben zu dienen. Es ist alles da.

Viele Jahrhunderte später schickt Jesus seine Jünger los. Auch sie sind immer zu zweit, auch sie sollen auf das vertrauen, was in ihnen steckt. Alles andere werden sie bekommen: Brot, Geld, Schuhe, Wasser.

Jesus spricht vom Licht der Welt, das in uns allen ist und das wir hell strahlen lassen sollen. Voll Glanz und Schönheit. Und der Wochenspruch aus dem Epheserbrief sagt: Wandelt als Kinder des Lichts. Schönheit und Glanz leuchten
hier auf und strahlen bis an die Grenzen, die uns begegnen.

Mutig Grenzen überschreiten, das heißt für mich dann:

Nicht ängstlich auf Situationen warten, in denen das notwendig wird, sondern mutig vertrauen, dass schon alles da ist, was ich dafür brauchte.

Nicht immer denken, das könnte ich nie, sondern mutig vertrauen, dass genau das, was ich kann, das Entscheidende ist.

Mich nicht immer klein und unwirksam fühlen, sondern mutig vertrauen, dass wir viele sind und schon zu zweit Großes bewirken können.

Schifra und Pua – Schönheit und Glanz, ihr Mut strahlt bis heute und lädt uns ein, auch in diesem Licht zu leben und es weiterzugeben. Amen

Miteinander und füreinander beten:
Gütiger Gott, du hast uns in Schifra und Pua mutige Frauen geschenkt,
die trotz großer Gefahr ihrem Gewissen und ihrem Glauben gefolgt sind.
Hilf auch uns, im Vertrauen auf dich für das Leben einzustehen
besonders für die Schwächsten und Schutzbedürftigsten unter uns.

Schenke uns ein hilfsbereites Herz.
Lass uns nicht wegsehen, wenn andere Hilfe brauchen,
sondern bereit sein, uns einzusetzen – mit kleinen und großen Taten.

Wir bitten Dich: Erhöre uns

Gütiger Gott,  Wir bitten dich besonders für alle Kinder dieser Welt,
für die Ungeborenen, für die Schwachen und Wehrlosen.
Stelle ihnen Menschen zur Seite, die sie schützen und für sie eintreten.

Menschen, die ihre Grenzen achten und bewahren.

Wir bitten Dich: Erhöre uns. 

Gütiger Gott, wir bitten dich für alle Menschen,
die im Verborgenen Gutes tun, die niemand lobt,
die keine Anerkennung suchen.
Stärke sie in ihrem Tun und segne ihren Einsatz.

Wir bitten Dich: Erhöre uns. 

Gütiger Gott, Stärke alle, die in schwierigen Situationen
Verantwortung für andere tragen,
und segne sie mit deiner Weisheit und deinem Beistand.

Schenke ihnen Mut, auch gegen Widerstände das Richtige zu tun –
so wie Schifra und Pua für das Leben einstanden.

Wir bitten Dich: Erhöre uns

Gütiger Gott
Wir bitten dich für unsere Gesellschaft, unserer Kirche und unsere Welt:
Hilf uns, gerechter miteinander umzugehen und füreinander einzustehen.
Lehre uns, in jedem Menschen dein Ebenbild zu erkennen ob alt oder jung, bekannt oder fremd
und schenke uns den Mut, ihnen mit Liebe und Respekt zu begegnen.
In der Stille denken wir an die, die uns besonders am Herzen liegen: 

Wir bitten Dich: Erhöre uns
Gütiger Gott, bring der Welt Licht, Hoffnung und Frieden.
Nimm uns auf in Dein Licht, damit wir für andere zum Licht werden,
leuchtend und wärmend.

Amen

Mit Jesu Worten beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Segen:
Es segne und behüte dich Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen
(M. Kaasch und D. Barrot)