8. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Eine Kerze anzünden.  Still ins Kerzenlicht schauen.

Jesus spricht: Ich bin das Licht der Welt.

Die Botschaft gilt. Sie hören, zu Herzen nehmen und mit ihr Hoffnung schöpfen für heute und viele Tage. Dazu helfe uns Gott.

  • Lied: Morgelich leuchtet (EG 455)

Hier kann das Lied angehört werden: http://www.eingesungen.de/player.php?track=940&buch=21#player

Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang.
Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen,
Dank für das Wort, dem beides entspringt.

Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet.
So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten,
grünende Frische, vollkommnes Blau.

Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen,
Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen!
Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht.

  • Worte aus Psalm 48

Groß ist der HERR und hoch zu rühmen
in der Stadt unseres Gottes, auf seinem heiligen Berge.
Schön ragt empor sein Gipfel,
daran freut sich die ganze Welt.
Wie wir’s gehört haben, so sehen wir’s
an der Stadt des HERRN Zebaoth,
an der Stadt unseres Gottes:
Gott erhält sie ewiglich.
Gott, wir gedenken deiner Güte in deinem Tempel.
Gott, wie dein Name , so ist auch dein Ruhm
bis an der Welt Enden.
Deine Rechte ist voll Gerechtigkeit.
Es freue sich der Berg Zion,
und die Töchter Juda seien fröhlich
um deiner Rechte willen.
Ziehet um den Zion herum und umschreitet ihn,
zählt seine Türme;
habt gut acht auf seine Mauern,
durchwandelt seine Paläste,
das ihr den Nachkommen davon erzählt:
Dieser ist Gott, unser Gott für immer und ewig.
Er ist’s, der uns führet.

  • Worte aus dem Johannesevangelium  9, 1 – 7

Jesus ging vorüber
und sah einen Menschen, der blind geboren war.
Und seine Jünger fragten ihn und sprachen:
Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern,
dass er blind geboren ist?
Jesus antwortete:
Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern,
sondern es sollen die Werke Gottes
offenbar werden an ihm.
Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat,
solange es Tag ist;
es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.
Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde,
machte daraus einen Brei
und strich den Brei auf die Augen des Blinden
und sprach zu ihm:
Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt –
und wasche dich!
Da ging er hin und wusch sich
und kam sehend wieder.

  • Gedanken zum Text

Nie konnte er sehen. Ein großer Teil des Lebens und seiner Schönheit blieb ihm verschlossen, verschlossen von Geburt an.

Die anderen Sinne lernen, manche Funktion der Augen zu übernehmen, aber vollständig ersetzen können sie das Augenlicht nicht. Wirklich vorstellen können wir Sehenden uns das nicht, wie das sein muss, die Welt und alles zu sehen – zum ersten Mal.

Worte bleiben dahinter zurück: Er war immer im Dunkeln, er wusste nie, was Dunkel ist und was Licht – und nun ist er im Licht. Ein blinder Mensch kann sehen.
Wohin wird er sehen? In den Himmel? Auf die Menschen um ihn herum? Auf die Bäume, die Häuser? Auf den Ort , wo er saß? Es ist so viel und es ist so wunderbar.

Es ist ein Wunder – es öffnet unsere Augen für ein Wunder, für unser Menschenleben, das ein Wunder ist – und in dem Wunderbares geschieht.

(Lothar Zenetti in einem Gedicht:

Ein Leben währt nur ein paar Jahre, ein Leben ist wenig und viel. Wir kommen und gehen, wir säen und ernten, ein menschliches Leben ist viel.)

Es ist ein alltägliches Wunder und doch nicht weniger als ein Wunder, wenn es Tag wird, wenn die Sonne aufgeht und die Dunkelheit weicht – und wir leben.

Ein Tag zwischen Morgen und Abend, ein Tag, das ist wenig und viel. Er ist uns geschenkt und gehört uns für immer, ein Tag, den wir leben ist viel.

Es ist ein Wunder. Jedesmal, wenn einem Menschen die Augen aufgehen. Wenn wir beginnen klar zu sehen. Wenn uns ein Licht aufgeht und wir in einem neuen Licht das Leben sehen, uns selbst Und GOTT.

Es gibt nicht nur die Blindheit der Augen. Es gibt auch die Blindheit des Herzens. Eine Blindheit des Nicht-Verstehens.

Auch um diese Blindheit geht es in dieser Geschichte. Auch sie bedarf der Heilung. Und es ist ein Wunder, wenn sie geschieht. –  Wie wird man sehend?

„Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war.

So beginnt es –  mit einem, der sieht.

Viele andere tun das auch, die wie Jesus an dem Mann vorüber gehen. Sie sehen ihn und sehen ihn doch nicht. Sie schauen hin und schauen vorbei. Manche geben ihm Geld, andere gehen weiter auf ihrem Weg.

Wer hat ihn gesehen? Hat sein Gesicht gesehen?

Auch Jesus geht vorüber, auch er hat seinen Weg. So ist das nicht. – ABER! – Sein Weg führt nicht an den Menschen vorbei.

Er führt zu ihnen hin. Er übersieht den Blinden nicht. Er sieht ihn. Er sieht ihn an. Er nimmt ihn wahr.

Der Evangelist ist an dieser Stelle ganz präzise. Er sagt nicht:

„Er sieht einen Blinden oder er sieht einen Bettler“.

Da sitzt ein Mensch, ein Kind von Eltern, mit seiner Geschichte, mit Gedanken und Gefühlen, ein Geschöpf Gottes – wie alle anderen auch, die an ihm vorübergehen und ohne die Behinderung leben, mit der er leben muss.

„Ein Mensch, ach, was zählt denn schon einer, ein Mensch, das ist wenig und viel. Genug für die Liebe, genug für ein Leben, ein Mensch, der mich liebt, das ist viel.“

Die Jünger sehen ihn auch. Aber auch sie gehören zu denen, die ihn nicht ansehen. Ihre Worte verraten es:

Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“

Das klingt als ob sie genau hinsehen wollen. Aber ihr Interesse gilt nicht dem Menschen.

Wer hat Schuld? Die alte Frage!

Es ist ja auch schwer einen Menschen anzusehen, der von Geburt an blind ist.

Ein schreckliches Schicksal. Hilflos stelle ich mir die Jünger vor. Hilflos und verunsichert möchten sie nur noch, dass ihr Weltbild – ihr Gottesbild nicht aus den Fugen gerät.

Wo Unglück ist, muss auch Schuld sein.

Einer muss schuld sein. Wen kann man verantwortlich machen?

Wenn das klar ist, dann ist die Welt – scheinbar –  in Ordnung.

Es ist sinnvoll nach Gründen für Katastrophen zu suchen, die Ursachen von Krankheiten zu ergründen, um sie heilen zu können.

Wir alle wissen, dass nicht jede Krankheit nur Schicksal ist.

Über Schuld nachzudenken, sie aufzudecken und zu benennen, gehört zu unserer Würde als Menschen, die Verantwortung für sich und ihr Tun übernehmen.

„Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern?“

Haben sie nicht recht, so zu fragen?

Warum behauptet Jesus, dass es die ganz und gar falsche Frage sei?

Weil sich genau betrachtet ein grausames Menschenbild hinter der klugen theologischen Frage verbirgt. Mit solch einer Frage hält man sich Menschen vom Leib.

„Selber Schuld! Es gibt eben auch solche, denen nicht zu helfen ist. Hilf dir selbst!“

Wenn man nur alles richtig macht, wird man nicht krank.

Diese einfache Weltsicht ist zu einfach. Sie macht blind für die Menschen und ihre Geschichte. Sie macht gefühllos gegenüber ihrer Not und wird einem Menschen niemals gerecht.

Und sie macht blind für Gott.

Sie gibt ihm einen Platz im eigenen Weltbild als Garant dafür, dass auf jede Schuld unverzüglich die Strafe folgt.

Aber Gott lässt sich nicht einordnen.

Jesus öffnet den Jüngern die Augen: „Es hat keiner gesündigt“.

Und hier entsteht der Raum für die Begegnung mit dem lebendigen Gott.

„Die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.“ Gerade angesichts dieses Menschen, dessen Leben von Anfang an so festgelegt zu sein scheint.

Gerade an diesem soll etwas sichtbar werden. Gott hat etwas vor mit diesem Menschen.

Das ist ein Wort der Befreiung. Es öffnet den Blick für die Möglichkeiten Gottes.

Seht nicht nur das, was vor Augen ist! Seht nicht nur das, was war.

Bleibt nicht stecken in der Frage nach dem Warum!

Seht, was werden kann! Seht! Und dann tut, was ihr tun könnt.

Das Nahe liegende, was vor Augen ist.

Für Jesus besteht es darin, dass er einen Brei aus Speichel und Erde macht und ihn auf die Augen des Blinden streicht. Aber er selbst muss zu dem Teich gehen und den Brei abwaschen.

„Die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden“.

Jesus öffnet dem Blinden eine neue Möglichkeit für sein Leben, er selbst muss sie ergreifen. Es ist sein Leben.

Jesus vereinnahmt ihn nicht, macht ihn nicht einfach zum Objekt seiner Hilfe.

Er beteiligt ihn an dem Schritt in eine neue Möglichkeit zu leben.

Indem er geht, vertraut er – und lebt schon im Licht des Vertrauens, bevor seine Augen sehen können.

Öffnet es auch uns die Augen?

Dann könnten wir auf andere Menschen zugehen, ohne immer schon zu fragen, wer schuld ist, und ohne zu wissen, was gut für sie ist.

Dann könnten wir uns damit zufrieden geben, Menschen zu helfen, indem wir ihnen Möglichkeiten für ihr Leben vor Augen halten, und aushalten, dass sie sie ergreifen oder nicht ergreifen. ODER nicht gleich, weil die Zeit noch nicht reif ist, dafür.

„Die Werke Gottes sollen offenbar werden“.  

Gott weiß die Zeit dafür.

Der Blinde ergreift die Möglichkeit. „Er kam sehend wieder.“

Ein Wunder vor unseren Augen.

Nicht nur das Augenlicht ist ihm geschenkt. Er ist in umfassender Weise sehend geworden.

Auch das Licht des Vertrauens ist ihm geschenkt.

Er sieht sein Leben nun in einem neuen Licht. Vielleicht sogar die Jahre seiner Blindheit. Aber davon kann man nur ganz vorsichtig reden. Allzu schnell wird daraus wieder eine allgemeine Wahrheit, als ob Gott uns Leiden auferlegen würde, damit dann sein verwandelndes Tun offenbar würde.

Dann wären wir blind für Gott.

Aber manchmal geschieht es, dass ein Mensch in der Rückschau sein Leben im Licht des Glaubens neu sehen kann, auch die Zeiten des Leidens.

Dafür öffnet uns Jesus die Augen. Gott hat noch etwas mit uns vor. Es muss nicht alles bleiben, wie es ist. Und am Ende öffnet er unseren Blick und lässt uns in seiner Auferstehung hinausschauen noch über unseren Tod.

Ja: Die Werke Gottes sollen an uns offenbar werden.

„Was sein wird, das ist noch verborgen, und keiner kann heut schon verstehn, doch Einer öffnet uns die Augen, dass wir sein Heil schon kommen sehen.“

  • Gebet

Herr Jesus Christus, du Licht der Welt,
du siehst, wie oft wir blind sind, für das, was um uns geschieht.
Lass uns sehen, wenn Kinder erfahren, wenn sie vernachlässigt werden.
Gib uns den Mut nach Hilfe zu suchen.
Lass uns sehen, wenn alte Menschen einsam in ihrer Wohnung sind
Und auf einen Besuch und Gespräch warten.
Lass uns darauf achten, dass wir die Maßnahmen
zur Verhinderung der Verbreitung der Corona-Pandemie
und auch die damit verbundenen Einschränkungen des Alltags
ernst nehmen und andere nicht gefährden.
Lass uns sehen, dass Hass und Gewalt gegen Menschen
anderen Glaubens und anderer Herkunft bei uns keine Macht gewinnen.
Hilf uns frei unsere Meinung zu äußern,
wenn abfällige oder antisemitische Bemerkungen fallen.
Alles, auch das ungesagte nehmen wir auf in das Gebet,
dass du uns gelehrt hast.
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns,
er lasse uns sein Antlitz leuchten.
Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte ihn!

(Lektorin Gudrun Naumann)