18. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Am heutigen 18. Sonntag nach Trinitatis steht eine Abschiedsrede im Mittelpunkt.
Mose hält sie seinem Volk, kurz vor seinem Tod.
Mitten in der Wüste, im Jordantal.
In der Ferne sieht man die Hügel des verheißenen Landes.
Mose wird nicht mehr mit hinübergehen.
Aber er gibt seinem Volk mit auf den Weg, worauf es ankommen wird,
wenn sie dort leben werden. Gottes Gebot und Gottes Ordnungen.
Heute treffen diese Worte auf uns.

  • Ein Lied: Wohl denen, die da wandeln (EG 295)


1) Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss‘ halten,
sind stets bei ihm in Gnad.

2) Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein Rechte halten,
verlaß mich nimmermehr.

3) Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.

4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit‘.

  • Psalm 1

Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen
noch tritt auf den Weg der Sünder
noch sitzt, wo die Spötter sitzen,

sondern hat Lust am Gesetz des Herrn
und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!

Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen,
der seine Frucht bringt zu seiner Zeit,

und seine Blätter verwelken nicht.
Und was er macht, das gerät wohl.

Aber so sind die Gottlosen nicht,
sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.

Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht
noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.

Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten,
aber der Gottlosen Weg vergeht.

  • Worte aus dem 5. Buch Mose, 30. Kapitel

Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete,
ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.
Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest:
Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen,
dass wir’s hören und tun?
Es ist auch nicht jenseits des Meeres,
dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren
und es uns holen, dass wir’s hören und tun?
Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir,
in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.

  • Gedanken zum Text

Alt ist er geworden. Und er hat vielleicht mehr erlebt, als ein Menschenleben fassen kann.
Mose, das Findelkind. Mose, der Anführer. Mose, der alte Mann.
Seine Haut ist gegerbt von der Sonne, dem Sand und dem Wind.
Sein Gesicht ist gezeichnet. Und auch seine Seele.
Er hat großes, unaussprechlich großes und überwältigendes erlebt.
Den Fall des Pharaos. Die Rettung aus Ägypten. Wunder in der Wüste.

Und: Er ist oft enttäuscht worden in den letzten 40 Jahren,
von seinen Leuten.
Gemurrt haben sie immer wieder und aufbegehrt.
Gegen ihn, Mose, aber auch gegen Gott.
Gegen Gott und seine Gebote.
Die Sehnsucht nach dem Leben in Ägypten war oft größer
als die Freude über die Freiheit.
Die Sehnsucht nach einem einfachen und klar geregelten Leben
war oft Größer – und die Freiheit eine Zumutung.
Der Weg durch die Wüste so lang.
Das Vertrauen auf die Versprechungen Gottes
und seines Propheten Mose so vage.

Mose steht da, am Rande des Jordan.
In der Ferne sieht er die Hügel des verheißenen Landes.
Er wird nicht mehr mit hinübergehen.

Aber für die neue Generation,
die dort ein neues Leben beginnt,
für die Zukunft seines Volkes,
nimmt Mose noch einmal alle Kraft zusammen.

613 Vorschriften und Gebote hat er ihnen mit auf den Weg gegeben:
Wie man betet, dass man seine Mitmenschen nicht beleidigen und dem Nachbarn helfen, den Armen einen Teil der Ernte überlassen, den Fremden lieben möge.
Keine Schummelei, kein Wucherzins. Den Bedürftigen Geld leihen, keine Pfänder zurückhalten, wenn der Schuldner sie in seiner Not braucht. Witwen müssen nichts hinterlegen, Gewichte und Waagen müssen stimmen. Lohn muss pünktlich gezahlt werden.

Liebt Gott und liebt euren Nächsten wie Euch selbst.

All das und noch viel mehr.

Doch das wichtigste, das kommt jetzt, zum Schluss.
All diese Gesetze tragen eine Botschaft in sich.
Und die lautet: Ihr seid jetzt dran. Jetzt liegt es an euch.

Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete,
ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.
Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest:
Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen,
dass wir’s hören und tun?
Es ist auch nicht jenseits des Meeres,
dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren
und es uns holen, dass wir’s hören und tun?
Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir,
in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.

Ihr wisst, was zu tun ist. Das Gebot, es ist in eure Herzen geschrieben.
Damit meint Mose als Mensch des alten Orients nicht das Gefühl.
Das Herz, es ist im alten Israel das Zentrum der Entscheidungen.
Mose sagt also: Gott hat sich für Euch entschieden. Und Ihr Euch für ihn.
Mit allen Konsequenzen. Ihr seid jetzt dran.
Macht es besser als Eure Vorfahren.
Wartet nicht auf neue Zeichen vom Himmel.
Sondern tut, was ihr zu tun habt.
Auf dass es Euch wohl ergeht in dem Land
hinter dem Jordan.
Auf dass Liebe und Frieden herrsche unter Euch
und allen Menschenkindern.

Diejenigen, die die Worte des Mose aufgeschrieben haben,
nachdem sie von Generation zu Generation weitergegeben wurden,
wissen längst, wie die Geschichte weitergeht:
Gott steht zu seinem Volk.
Aber auch die neue Generation wird vergessen,
was da eigentlich in ihr Herz geschrieben ist.
Israel wird fallen. Das Exil wird kommen.

Und immer wieder werden Propheten kommen,
die neu daran erinnern:
Tut nicht so, als läge es nicht auch an Euch.
Hört auf mit den Ausreden.
Schaut nicht zum Himmel.
Das Wort ist ganz nahe bei Euch,
in Euren Mündern und in Euren Herzen, dass Ihr es tut.

Und dann, viele Generationen später,
wird einer kommen, aus dem Gottesvolk,
der ist ein Handwerkersohn aus Nazareth.
Auch er wird an das erinnern, was Mose einst am Jordan sprach.
Er wird auf einen Berg treten
und sagen:

„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“
Liebt Gott und liebt euren Nächsten wie Euch selbst.
Dieses Wort ist ganz nahe bei uns. Es ist in unseren Herzen. Und in unserem Mund.
Machen wir es hörbar. Tun wir es. Hier und heute.
In dieser Stadt, zusammen mit unseren jüdischen Geschwistern,
die das Erbe Moses weitertragen.
Auch dann, wenn sie um ihr Leben fürchten müssen.
Wir sind dran. Es liegt an uns.
Auf dass Liebe und Frieden herrsche unter Uns
und allen Menschenkindern.
Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Ganz nah ist dein Wort,
gütiger und liebender Gott.
Wenn wir dich suchen,
bist du längst da.
Wenn wir in Angst sind,
hast du Rat und Trost.
Ohne dein Wort wäre die Welt kalt und tot.
Wir bitten dich:
Sprich und erbarme dich.

Sprich dein Wort zu den Mächtigen,
damit ihre Worte einen und verbinden,
damit ihre Taten helfen und schützen,
damit ihre Pläne dem Frieden und der Gerechtigkeit dienen.
Wir bitten dich:
Sprich und erbarme dich.

Sprich dein Wort zu den Kranken,
zu den Infizierten,
zu denen, die pflegen und heilen.
Sprich damit dein Wort Trost gibt
und die Angst vertreibt,
damit die Einsamkeit weicht,
damit dein Wort Mitgefühl und Liebe weckt
und die Kälte und Verachtung vertreibt.
Wir bitten dich:
Sprich und erbarme dich.

Sprich dein Wort zu unseren jüdischen Geschwistern,
damit sie heute deine Weisungen mit Freude feiern.
Sprich dein Wort zu uns,
damit wir es tun.
Sprich dein Wort zu denen,
die zu uns gehören,
damit sie leben.
Sprich dein Wort zu den Suchenden,
damit sie dich finden.
Wir bitten dich:
Sprich und erbarme dich.

Ganz nah ist dein Wort,
gütiger und liebender Gott.
Heute und morgen und alle Tage
durch Jesus Christus.

Amen.

  • Segen (nach 5. Buch Mose 31,6)

Seid mutig und stark!
Habt keine Angst, und lasst euch nicht von ihnen einschüchtern
Der Herr, euer Gott, geht mit euch.
Er hält immer zu euch und lässt euch nicht im Stich!
Amen.

(Pfr. Dr. Georg Bucher)