12. Sonntag nach Trinitatis 2020

  • Eröffnung

Was trägt uns in unserem Leben? Was ist unser Fundament?

Am 12. Sonntag nach Trinitatis nimmt uns ein Text des Apostels Paulus mitten hinein in diese Fragen.

  • Ein Lied: „Ich steh vor dir mit leeren Händen Herr“ (EG 382)


Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott. der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,
mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.
Hast du mit Namen mich in deine Hand,
in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben?
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt,
und laß mich unter deinen Söhnen leben.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

  • Psalm 147

1 Halleluja!
Lobet den HERRN! /
Denn unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding,
ihn loben ist lieblich und schön.
2 Der HERR baut Jerusalem auf
und bringt zusammen die Verstreuten Israels.
3 Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind,
und verbindet ihre Wunden.
4 Er zählt die Sterne
und nennt sie alle mit Namen.
5 Unser Herr ist groß und von großer Kraft,
und unbegreiflich ist, wie er regiert.
6 Der HERR richtet die Elenden auf
und stößt die Gottlosen zu Boden.
7 Singt dem HERRN ein Danklied
und lobt unsern Gott mit Harfen,
8 der den Himmel mit Wolken bedeckt /
und Regen gibt auf Erden;
der Gras auf den Bergen wachsen lässt,
9 der dem Vieh sein Futter gibt,
den jungen Raben, die zu ihm rufen.
10 Er hat keine Freude an der Stärke des Rosses
und kein Gefallen an den Schenkeln des Mannes.
11 Der HERR hat Gefallen an denen,
die ihn fürchten,
die auf seine Güte hoffen.
12 Preise, Jerusalem, den HERRN;
lobe, Zion, deinen Gott!
13 Denn er macht fest die Riegel deiner Tore
und segnet deine Kinder in deiner Mitte.
14 Er schafft deinen Grenzen Frieden
und sättigt dich mit dem besten Weizen.
15 Er sendet sein Gebot auf die Erde,
sein Wort läuft schnell.
16 Er gibt Schnee wie Wolle,
er streut Reif wie Asche.
17 Er wirft seine Schloßen herab wie Brocken;
wer kann bleiben vor seinem Frost?
18 Er sendet sein Wort, da schmilzt der Schnee;
er lässt seinen Wind wehen, da taut es.
19 Er verkündigt Jakob sein Wort,
Israel seine Gebote und sein Recht.
20 So hat er an keinem Volk getan;
sein Recht kennen sie nicht.
Halleluja!

  • Worte aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther, Kap. 3

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.

Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.

 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

  • Gedanken zum Text

(I: Paulus)

Paulus diktiert den Brief einem Schreiber. Das angespitzte Schilfrohr graviert die rußschwarze Tinte auf die Papyrusrolle.

Keine Whatsapp-Nachricht und keine E-Mail, die im digitalen Rauschen schnell wieder verschwindet. Ein Brief mit Worten, auf die es ankommt.

Denn die Gemeinde liegt im Streit. Neue Lehrer und selbsternannte Prediger treten auf. Die Reichen und Vermögenden wollen unter sich bleiben, nicht mehr mit den Anderen Abendmahl feiern. Jeder will seine eigene Gemeinde bauen.

Paulus kennt und liebt die Christen in Korinth: „Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen“ schreibt er ihnen gleich zu Anfang des Briefs. „Unter Euch gibt es keinen Mangel an irgendeiner Gabe.“

Er hat die Gemeinde gegründet, den Grund gelegt.

Er ruft sich ihnen in Erinnerung als Baumeister.

Er hat ihnen von Jesus erzählt, seinem Schicksal am Kreuz.

Und von Ostern.

Er hat mit ihnen zu Tisch gesessen. Ihre Geschichten angehört.

Hat Freude und Leid mit ihnen geteilt. Alte und Kranke besucht.

Hat sie alle zusammengebracht in den Häusern.

„Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.“

Doch jetzt steht alles auf dem Spiel.

Und Paulus ist nicht mehr vor Ort. Kann nicht eingreifen.

Er hat nur den Brief. Deshalb kommt es auf jedes Wort an.

Paulus ringt um die Worte. Und das angespitzte Schilfrohr des Schreibers graviert sie mit rußschwarzer Tinte auf die Papyrusrolle.

Sie werden in Korinth verlesen. Sie überdauern die Jahrhunderte.

Heute treffen sie auf uns.

(II: Der Tag des Gerichts mitten im Leben)

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen, schreibt Paulus.

Dieser Satz hat große Wucht. Eines Tages wird ans Licht kommen, worauf ihr gebaut habt. Worauf ihr gesetzt habt in eurem Leben.

Was euch trägt. Am Ende eurer Tage.

Oder: mitten im Leben.

Station 1C im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara.

An diesen Ort kann ich nichts mitnehmen.
Aber was würde es auch nützen?

Durch Plexiglas schaue ich auf das kleine Menschlein, das da im Wärmebett liegt und ums Überleben kämpft. 

Mit leeren Händen stehe ich da.

Wer bin ich hier an diesem Ort, vor diesem zerbrechlichen Kind?
Was habe ich vorzubringen, anzubieten?

Hilflos und ratlos, ja nackt fühle ich mich.

Der Boden schwankt mir unter den Füßen.

Kein Theologie-Diplom, keine Bücherwand,

kein Bankkonto vermag mir hier Halt zu geben. Alles nur Stroh.

Ich setze mich auf einen kalten Stuhl und blicke auf den zarten Körper.

Da kommt mir ein längst vergessenes Lied in den Sinn.
Ein Edelstein aus Kindertage.

Leise und verlegen stimme ich es an:

„Breit aus die Flügel beide, oh Jesu meine Freude.
Dies Kind soll unverletzet sein.“

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen, schreibt Paulus.

Was hat Bestand und was trägt uns in unserem Leben?

(III. Jüngstes Gericht)

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen.

Oh Paulus. Wenn Du wüsstest, was aus deinen Worten wurde!

Im Laufe der Jahrhunderte verselbstständigten sie sich.

Wurden aus dem Zusammenhang gerissen.
Theologen und Kirchenmänner vergriffen sich an ihnen.

Sie nahmen dich nicht bei den Wörtern, Paulus.
Sie nahmen dich nur bei einem Wort.

Sie vergaßen oder wollten vergessen, dass Gott im Gericht kein anderer ist als der Gott der Liebe, von dem du an anderer Stelle schreibst, dass er sich „aller erbarmt“. Dass er treu ist in seiner Gnade.

Und dass er uns allen ein Fundament unter die Füße getan hat,
das unerschütterlich ist, selbst dann, wenn wir es nicht spüren.

Aber einige meinten, ihre eigene Sehnsucht nach Vergeltung,
nach Zucht und Ordnung auf Gott übertragen zu können.

Sie malten das Gespenst der Beliebigkeit an die Wand.

Sie richteten Scheiterhaufen auf für Ketzer und Hexen.

Sie machten aus deinem Bild vom Tag des Gerichts,
der mit Feuer kommt, schreckliche, selbstgemachte Wirklichkeit.

Paulus, wie lauten deine Worte?

„Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt.“
So schreibst du doch wenige Sätze später.
Das Richten ist Gottes Sache allein!
Keiner kann und darf sich über andere zum Richter aufspielen.
War das nicht deutlich genug?

Paulus, wie lauten deine Worte?

„Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden;
er selbst aber wird gerettet werden“.
Rettung steht am Ende, nicht Hölle oder Fegefeuer!

Oh Paulus, wie lauten deine Worte?

„Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Selbst dann, wenn sich all unser Tun im Leben als Strohfeuer erweist. Die Grundmauern sind unzerstörbar.

Und wenn wir Christus den Retter der Welt nennen,
dann werden doch eher alle Menschen gerettet,
als dass auch nur eine Seele verloren geht. Oder?

Paulus, wie lauten deine Worte?

Von Belohnung und Strafe schreibst du nichts.

Sondern von Lohn und Schaden. Das ist etwas anderes.

Es geht um die natürlichen Folgen dessen, was wir tun.

Ja: Nicht alles, worauf wir setzen, woran wir unser Herz hängen,
trägt uns wirklich. Und das zeigt sich, wenn wir in Feuerproben geraten. Und wir werden unsere Spuren davontragen.
„Wie durchs Feuer hindurch.“ Aber das genügt.

Es geht nicht um zusätzliche Strafen, nicht um zusätzliche Sanktionen, wie sie in Bußkatalogen stehen.
Oder wie wir sie Kindern mit „wenn-dann“-Sätzen androhen,
wenn wir nicht mehr weiter wissen.

Oh Paulus. Wenn du wüsstest, was aus Deinen Worten geworden ist.

(VI. Verborgene Werke)

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen, schreibt Paulus.

Sanft streichle ich ihr über den Kopf. Gleich ist sie eingeschlafen.

Was wird sie mir sagen, meine Tochter, wenn sie groß ist?
Was waren meine Werke aus Gold, Silber und Edelstein an ihr?
Und was die Werke aus Holz, Heu und Stroh, die nicht bestehen werden, wenn sie in Feuerproben gerät in ihrem Leben?

Das bunte Klettergerüst mit der Rutsche dran in ihrem neuen Zimmer, das ihr so große Freude macht?

Meine innere Ungeduld, wenn ich auf dem Spielplatz schon wieder an den morgigen Arbeitstag denke?

Die Vollkornnudeln mit Tomatensoße,
die ich ihr koche, und die sie so gerne mag?

Das abendliche Herumalbern im Kinderzimmer?

Der Kindergarten, die Schule, die ich für sie auswähle?

Sicher bin ich mir nie. Ich hoffe, dass sie Bleibendes mitbekommt, solange ich sie begleiten und umsorgen darf. Auf dass sie keinen Schaden nimmt. Aber wissen kann ich es nicht. Und wer weiß. Vielleicht sind es am Ende die unbemerkten, verborgenen Dinge, die erst später ans Licht kommen, die sie tragen werden. Wie ein altes Gutenacht-Lied, gesungen jetzt schon in alltäglicher Routine, zum Einschlafen. „Breit aus die Flügel beide, oh Jesu meine Freude. Dies Kind soll unverletzet sein.“

(V. Gottes Bau)

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen, schreibt Paulus. Das angespitzte Schilfrohr des Schreibers brachte sie auf die Papyrusrolle. Die Gemeinde in Korinth hat sie gehört. Heute treffen sie auf uns.

„Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. […]. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.“

Na dann los, liebe Gemeinde, Bauen wir daran weiter.

In unserm Leben und hier, im Süden unserer Stadt.

Bauen wir weiter mit Mut und Zuversicht.

Freilich, manches von dem, was wir bauen, wird nicht bleiben und tragen. Mancher Edelstein wird sich als Stroh erweisen.
Aber zu Kleinmut und Verzagtheit gibt es keinen Grund.

Denn wir stehen auf felsenfestem Fundament.

„Einen anderen Grund kann niemand legen, als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Dieser Grund trägt uns alle.

Er hält all unsere Unterschiedlichkeiten aus.

Wir müssen ihn nicht selber legen und erhalten.

Wir können auf ihm weiterbauen und etwas wagen.

„Die Gnade des Herrn Jesus sei mit euch!“ schreibt Paulus am Ende an die Gemeinde in Korinth.

Die Gnade des Herrn Jesus sei auch mit Euch, liebe Luthergemeinde, hier in Halle. Amen.

  • Ein Gebet miteinander und füreinander

Jesus Christus, du bist der Grund des Lebens.
Du sorgst dich,
du zerbrichst das geknickte Rohr nicht.
Wir bitten dich für alle,
die unter Schmerzen leiden,
die Abschied nehmen und trauern.
Wir bitten dich für die, die geknickt sind
und keine Kraft mehr haben.
Jesus Christus, du tröstest,
du heilst, du rettest.
Tröste, heile, rette deine Menschen.
Erbarme dich.

Jesus Christus, du bist der Grund der Gerechtigkeit.
Du trägst das Recht in die Welt,
du löschst den glimmenden Docht nicht.
Wir bitten dich für alle,
die der Gerechtigkeit dienen.
Wir bitten dich für alle,
die zwischen Feinden vermitteln und
die mit Mut Gewaltherrschern entgegentreten.
Jesus Christus, du mahnst,
du versöhnst, du befreist.
Mahne, versöhne, befreie deine Menschen.
Erbarme dich.

Jesus Christus, du bist der Grund unseres Glaubens.
Du weckst in uns die Liebe
und schenkst uns deinen Heiligen Geist.
Wir bitten dich für deine weltweite Kirche,
für die Menschen, die sich nach deinem Wort sehnen.
Wir bitten dich
für die Enttäuschten und Zurückgewiesenen.
Jesus Christus, du sprichst,
du ermutigst du begeisterst.
Sprich, ermutige und begeistere deine Menschen.
Jesus Christus, du Grund unseres Lebens und Grund der Welt,
dir vertrauen wir uns an.
Höre unser Gebet.

Amen.

  • Segen (nach 5. Buch Mose 31,6)

Seid mutig und stark!
Habt keine Angst, und lasst euch nicht von ihnen einschüchtern!
Der Herr, euer Gott, geht mit euch.
Er hält immer zu euch und lässt euch nicht im Stich! Amen.

(Pfarrer Dr. Georg Bucher)