Andacht zum 1.Sonntag nach Ostern (Quasimodogeniti)

Anfangen.
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.

Begrüßung
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ So jubelt der Petrusbrief. Wir stimmen ein in den Jubel und begreifen zugleich, dass wir Quasimodogeniti sind, wie Neugeborene in dieser Hoffnung. Das ist der Name des Sonntags und das ist unser Startpunkt im Glauben und Leben.

Evangelium nach Johannes 20,19-29
Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Er ist auferstanden.
Der Herr ist wahrhaftig auferstanden

Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche,
da die Jünger versammelt
und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden,
kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen:
Friede sei mit euch!
Und als er das gesagt hatte,
zeigte er ihnen die Hände und seine Seite.
Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
Da sprach Jesus abermals zu ihnen:
Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat,
so sende ich euch.
Und als er das gesagt hatte,
blies er sie an und spricht zu ihnen:
Nehmt hin den Heiligen Geist!
Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen;
welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird,
war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
Da sagten die andern Jünger zu ihm:
Wir haben den Herrn gesehen.
Er aber sprach zu ihnen:
Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe
und lege meinen Finger in die Nägelmale
und lege meine Hand in seine Seite,
kann ich’s nicht glauben.
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen,
und Thomas war bei ihnen.
Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren,
und tritt mitten unter sie und spricht:
Friede sei mit euch!
Danach spricht er zu Thomas:
Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände,
und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite,
und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete und sprach zu ihm:
Mein Herr und mein Gott!
Spricht Jesus zu ihm:
Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du?
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Wort unseres Herrn Jesus Christus!

Gedanken zu Johannes 20

Liebe Luthergemeinde in Halle,
ihr kennt mich vielleicht. Mein Name ist Thomas. In der Bibel bin ich einer der 12 Jünger Jesu. Viel mehr gibt es über mich nicht zu berichten. Bis auf die eine Geschichte, die ihr gerade gehört habt. Darauf kommt es an. Alles andere sind nur Spekulationen. Da gibt es z.B. die eine Geschichte, dass ich neben Thomas, der Zwilling, auch den Namen Judas trage und Jesu Bruder sei. Aber selbst wenn es wahr wäre, das ist nicht wichtig. Das würde nur den Blick verstellen auf das, worauf ihr wirklich achten solltet. Johannes, der Evangelist, hat das meiner Geschichte gut abgespürt. Johannes weiß, dass ich ein Mensch bin; nicht näher dran an Jesus als die anderen Jünger; und im Grunde auch nicht näher als ihr. Das merkt ihr schnell, wenn ihr euch die zwei Sätze anschaut, die Johannes außerdem von mir aufgeschrieben hat. Der eine, das war, als Jesus zu Lazarus will, den er dann von den Toten auferweckt. Kurz bevor wir zu ihm aufbrachen, sagte ich zu den anderen Jüngern: Lasst uns mit ihm gehen, dass wir mit ihm sterben! Ich bin mir nicht mehr sicher, warum mir gerade das in diesem Moment durch den Kopf ging. Ja, es gab Menschen, die Jesus töten wollten, der ihnen mehr als ein Dorn im Auge war. Vielleicht hatte ich den Eindruck, dass jede Bewegung von ihm gefährlich sein könnte. Aber ich ahnte auch, dass es keine Alternative gab. Nur war mir nicht wirklich klar, was das bedeuten könnte. Ein Satz, schnell dahingesagt, unbedacht.
Der andere Satz bringt diese Unsicherheit zum Vorschein: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Jesu Antwort blieb rätselhaft, ließ auch nur eine Ahnung zu, welcher Weg das sein könnte: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Nur eines macht das klar: Der Weg ist nur zu finden in der Nähe Jesu, sehr nah bei ihm! Vielleicht war es das, was mich dazu bewog, ihm noch näher sein zu wollen. Und mit Sicherheit ist es der Grund, warum ich euch heute schreibe. Die große Frage nach Jesu Nähe. Wie könntet ihr das, 2000 Jahre später, erfassen und glauben, was mit Jesus geschah? Ich weiß, dass viele von euch von dieser Frage bewegt sind. Es gibt einige Antworten darauf. Der Verstand nimmt sie auf. Aber bis ein Mensch sie sich zu Herzen nimmt, kann es ein weiter Weg sein. Jesu Wort dazu ist ebenso tröstlich wie auch herausfordernd: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Wo doch alles in dieser eurer Welt darauf abgestellt ist, davon überzeugt zu sein, dass nur das zu glauben wäre, was man mit eigenen Augen gesehen hat. Genau das hat mir einen zweifelhaften Ruhm eingebracht. Das ist das Stichwort: Thomas, der Zweifler. Manche feiern mich dafür. Kein Gläubiger, sondern einer der sehen will, der es genau wissen will. Der nach den Fakten fragt. Wie ich gehört habe, ist das ein großes Thema bei euch, die Fakten, die Naturwissenschaft, die unwiderleglichen Beweise. Aber ich ahne auch, dass euch das mitunter traurig macht. Und dass diese Fakten mitunter auch nicht nur Sicherheit geben; dass es mitunter sehr umstritten ist, was nun Fakt ist und was nicht.
Aber nun zu meiner Geschichte. Also, ich weiß nicht, ob ihr das kennt, aber ich gehe davon aus, dass ihr es kennt: Wie ein Mensch sich fühlt, der bei einem wichtigen, mehr als wichtigen Ereignis nicht dabei sein kann. Der es nicht mit eigenen Augen sehen kann, der es nicht mit seinem ganzen Körper spüren kann. Eine Fußballmannschaft, die die Meisterschaft gewinnt, und der eine wichtige Spieler kann nicht dabei sein. Das eine Konzert dieser Band, die eine so sehr liebt und die diesen Moment gerne mit ihren Freunden teilen würde. Der verpasste Moment im Augenblick des Todes, ohne noch einmal Abschied nehmen zu können von einem geliebten Menschen.
Dabei ist die Geschichte schnell erzählt, wie Jesus bei meinen Mitjüngern auftauchte, wie aus dem Nichts, der Auferstandene, sie begrüßte, als wäre nichts gewesen und doch alles aufgreifend, was sie bewegt haben könnte in dieser traurigen, schrecklichen Zeit nach seinem Tod: Friede sei mit euch! Sie hatten sich eingeschlossen, verbargen sich vor der Welt, in Angststarre gefangen. Es gab keinen unter ihnen, der da noch gesagt hätte: Lasst uns mit ihm gehen, dass wir mit ihm sterben! Da war allen klar, was das bedeutet. Echten, fürchterlichen Tod voller Schmerz, sinnlos, ohne Hoffnung. Könnt ihr euch vorstellen, was das für ein Moment gewesen sein muss. Niemand rechnete damit. Und dann diese Worte: Friede sei mit euch. Dann zeigte er ihnen die Mahle seines Leidens, den zerschundenen Körper.
Versteht ihr, dass ich das nicht einfach so glauben konnte? Versteht IHR das, 2000 Jahre nach diesen Geschichten? Die anderen waren miteinander da. Sie konnten sich anschauen und in fragende Augen sehen. Siehst du auch, was ich sehe? Hörst du auch, was ich höre? Sie verständigten sich untereinander, vergewisserten sich, dass sie nicht einer plötzlichen Täuschung unterlagen. Sie sind nicht nur Zeuge, sondern Zeugen, eine Gemeinschaft, die das miteinander trägt, was sie erlebt haben. Das fehlte mir. Und ich stelle mir bis heute die Frage, ob ich ihnen auch irgendwann geglaubt hätte? Ohne dass Jesus auch mir erschienen wäre?
Aber das tat er.
Dieser Moment. Ich kann euch den nicht beschreiben. Es gibt nicht mehr als die dürren Worte des Johannes: Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Nicht mehr, nicht weniger. Ich, Thomas, ein Mensch. Auf der Suche nach Beweisen. Gierig nach Fakten. Auf der Suche nach Sicherheit, nach Gewissheit, nach Nähe, nach Geborgenheit. Das Selbstverständlichste auf der Welt. Sozusagen von klein auf. Um nicht verloren zu gehen in diesem unendlichen, kalten Universum. Nicht an Einsamkeit zugrunde zu gehen.
Macht euch dabei bitte das eine klar, damit ihr versteht, wie gewichtig diese Handlung war, das Berühren, diese körperliche Erfahrung. Denn unmittelbar danach spricht Jesus von den Zeichen. Es sind Zeichen wie die Auferweckung des Lazarus, der schon drei Tage tot war, der schon roch. Zeichen wie die Verwandlung von Wasser in Wein, und zwar nicht nur ein paar Tropfen, sondern mehr als ausreichend für ein großes Hochzeitsfest. Jede Menge Wein in bester Qualität. Versteht ihr, es sind fühlbare, offensichtliche, unabweisbare und alle Sinne betreffende, überwältigende Zeichen. So auch meines, mit meinen Fingern seine Wunden berührend. Jesus kam also meinem Bedürfnis nach Sicherheit und Gewissheit nach, er setzte ein weiteres Zeichen, dass von ebenso großer Überzeugungskraft war wie eine Totenerweckung oder ein Weinwunder.
Jedenfalls glaube ich, euch zu verstehen, und zugleich ist das eine ebenso große Frage für mich wie für euch. Wie könnt ihr glauben? Ihr ruft euch zu: Jesus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Das ist bis heute euer Halleluja. Obwohl auch ihr nicht verschont bleibt von Angst in dieser Welt, dieser friedlosen Welt voller Hunger, Schmerzen, Einsamkeit und Tod. Einer Welt voller Schrecken, von denen wir damals noch nichts ahnen konnten. Obwohl auch ihr eure eigene Geschichte habt, voller Angst um geliebte Menschen, voller Angst vor Leiden und Not, angesichts der herrschenden Übel, angesichts des Todes. Wie könnt ihr das glauben? Ohne in direkter Gegenwart Jesu ihn gehört und erlebt zu haben.
Aber ich sehe auch etwas anderes. Ihr seid nicht allein. Ihr seid eine Gemeinde. Mit allen Zweifeln, mit aller Sehnsucht nach Nähe, nach Gewissheit. Ihr könnt euch in die Augen sehen und begreifen und fühlen, ich bin nicht allein mit diesen Zweifeln und dieser Sehnsucht nach Leben und Frieden. Bewahrt euch das. Seid füreinander da. Geht miteinander auf die Suche. Betet und singt miteinander. Ruft euch das immer wieder zu: Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Und ich rufe euch zu durch die Zeiten, mitten in eure Angst hinein und in eure Hoffnung: Friede sei mit euch!
Amen.

FÜRBITTE
Herr,
miteinander und füreinander beten wir zu dir,
weil wir den Frieden nicht sehen können
in dieser Welt, weil die Hoffnungen auf Frieden
immer mehr in den Hintergrund geraten.
Wir haben Angst und schließen uns ein,
ziehen uns zurück und verschließen die Augen
vor einer Welt, in der nur der Krieg zu herrschen scheint.
Wir haben deinen Frieden aus dem Blick verloren,
verleih uns Glauben und Seligkeit.
weil wir das Ende von Hunger, Flucht und Not nicht greifen können
in dieser Welt, in der die Ungerechtigkeit nur noch zu wachsen scheint.
Wir stellen sie nur noch fest und haben keine Mittel, sie zu beenden,
geben auf und suchen nur noch das Unsere.
Wir haben deine Gerechtigkeit aus dem Blick verloren,
verleih uns Glauben und Seligkeit.
weil wir deiner Gemeinde nicht mehr trauen können.
Täglich scheint sie zu schwinden und wird überschattet
von Berichten über die Lieblosigkeit, die in ihr herrscht.
Wir sorgen uns und fragen uns, wie es weitergeht.
Wir beharren ängstlich auf dem, was uns noch bleibt.
Wir haben dein Vertrauen aus dem Blick verloren,
verleih uns Glauben und Seligkeit.
weil wir dich oft angesichts von Tod und Leid nicht mehr spüren können.
Weil wir liebe Menschen verloren haben, oder uns selbst
in schweren Zeiten körperlichen und seelischen Leidens.
Dann ziehen wir uns zurück, schämen uns, um Hilfe zu bitten,
in einer Welt, in der wir nicht mehr zu bestehen glauben,
der wir zur Last fallen.
Wir haben deine Nähe aus dem Blick verloren,
verleih uns Glauben und Seligkeit.
Verleih uns Glauben und Seligkeit,
wenn wir miteinander mit deinen Worten beten:

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen
Es segne und behüte uns
der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.